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06.04.2005 · IWW-Abrufnummer 050049

Arbeitsgericht Celle: Urteil vom 11.02.2004 – 2 Ca 667/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Celle
Geschäftszeichen: 2 Ca 667/03

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

Verkündet am 11. Februar 2004

Kläger
- Prozessbevollmächtigter
....

gegen die
...

Beklagte,
- Prozessbevollmächtigte
...

wegen Reduzierung der Arbeitszeit hat das Arbeitsgericht in Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2004 durch den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, einer Arbeitszeitreduzierung des Klägers auf 30 Wochenstunden für die Zeit bis zum 31.06.2005 zuzustimmen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits insgesamt.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.750,00 EUR.

5. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Reduzierung der Arbeitszeit des Klägers wegen Elternzeit.

Der 36 Jährige alte Kläger ist verheiratet und seit dem 17.07.2003 Vater einer Tochter. Die Ehefrau des Klägers ist nicht berufstätig. Der Kläger hat zurzeit noch keine weiteren Nachkommen, jedoch ist seine Familienplanung nach der ? nicht auf Befragen des Gerichts erfolgten ? Bekundung des Klägers aus dem Kammertermin noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger absolvierte bei der Beklagten zunächst eine Ausbildung zum Maschinenschlosser, war dann vor 1987 bis Juni 1989 und dann nach einer Fortbildung auf der Technikerschule von September 1991 bis Dezember 1993 bei der Beklagten als technischer Angestellter tätig. Nach Arbeitslosigkeit trat der Kläger mit Wirkung zum 01.01.1996 bei anerkanntem Eintrittsdatum 20.03.1995 wieder in die Dienste der Beklagten, und zwar als ?Sachbearbeiter/Qualitätsprüfung?.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Rüstungsindustrie. Der Kläger betreut bei ihr bezüglich eines bestimmten Produktspektrums sowohl Kundenfragen im Bereich der der Reklamation, bei denen er die notwendigen nachgelagerten innerbetrieblichen Organisationsmaßnahmen einleitet; im Übrigen ist der Kläger hinsichtlich der Eingabe der Reklamationen und der Zuordnung zu den einzelnen Produkten im betriebsinternen SAP-System auch kaufmännisch tätig und zwar insgesamt bislang vollzeitig und nach Maßgabe der Tarifverträge der chemischen Industrie.

Am 03.11.2003 wurde dem Kläger durch seinen Fachvorgesetzten mitgeteilt, dass die Beschäftigungsabteilung des Klägers zukünftig nicht mehr existieren werde. Am 04.11.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten was folgt:

?hiermit stelle ich den Antrag auf Elternzeit für den Zeitraum 01.01.2004 bis 30.06.2005 in Verbindung mit einer reduzierten Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden.
Der Anspruch begründet sich durch die Geburt meiner Tochter Jasmin 17.07.1003?.

Bei der Beklagten existiert eine flexible Arbeitszeitregelung, wonach die Kernzeit um 09:00 Uhr beginnt und jeder Arbeitnehmer täglich mindestens fünf Stunden arbeiten muss.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab mit Schreiben vom 06.11.2003 mit der Begründung, der Arbeitsplatz des Klägers werde im Zuge vom Personalanpassungsmaßnahmen vollständig entfallen.

Die Beklagte plant einen Personalabbau von 235 Mitarbeitern, letztlich bedingt durch verminderte Aufträge im Rahmen der Rückführung des Verteidigungshaushalts. In etwa 36 Fällen wurden Aufhebungs- bzw. Altersteilzeitverträge abgeschlossen, weitere ca. 140 Mitarbeiter wechselten in eine Transfergesellschaft. Nach den Ausführungen der Beklagten im Kammertermin ist hinsichtlich weiterer 60 Mitarbeiter ein betriebliches Verfahren der Sozialauswahl in der Durchführung. Ein Angebot der Beklagten an den Kläger vom 17.11.2003, mit Wirkung zum 08.12.2003 bis zum 30.04.2004 in die gegründete Transfergesellschaft zu wechseln, lehnte der Kläger ab.

Mit der am 17.12.2003 gerichtseingängigen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, die Beklagte könne die Ablehnung seines Teilzeitwunsches im Prozess nicht auf Gründe stützen, die sie nicht bereits in ihrem Ablehnungsschreiben erwähnt habe. Dringende betriebliche Gründe im Sinne des Bundeserziehungsgeldgesetzes zur Ablehnung des Teilzeitwunsches stünden der Beklagten im Übrigen jedoch nicht zur Seite. Insbesondere sei sein Arbeitsplatz nicht weggefallen.

Der Kläger beantragt.

die Beklagte zu verurteilen, einer Arbeitszeitreduzierung des Klägers auf 30 Wochenstunden für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 30.06.2005 zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen durch Umverteilung der kaufmännischen Aufgaben auf die produktbetreueden Disponenten und Umverteilung der Abweichungssteuerung, also der technischen Aufgaben des Klägers, auf andere Mitarbeiter in der Qualitätssicherung. Der Beklagte hält dafür, als dringende betriebliche Gründe zur Ablehnung des Teilzeitwunsches eine von ihr behauptete unternehmerische Entscheidung anführen zu können, wonach zur Vermeidung von Informationsverlusten nur Vollzeitmitarbeiter beschäftigt werden sollten; im Übrigen sei ein Sachbearbeiter mit der Qualifikation des Klägers für ein Wochenarbeitszeitvolumen von nur 7,5 Stunden auf dem Arbeitsmarkt nicht zu bekommen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist ganz überwiegend begründet.

A
Das Begehren des Klägers erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 15 BErzGG.

I.
Der Kläger hat zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen der §§ 15 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 16 Abs. 1 BErzGG erfüllt; er lebt mit dem von ihm betreuten, noch nicht drei Jahre alten Kind in einem Haushalt, hat für dieses Kind noch keine drei Jahre Elternzeit in Anspruch genommen und die Elternzeit mehr als acht Wochen vor ihrem Beginn schriftlich von der Beklagten unter Angabe des Zeitraums angemeldet.

II.
Die vom Kläger beabsichtigte Erwerbstätigkeit ist zulässig, weil sie 30 Wochenstunden nicht übersteigt, § 15 BErzGG.

III.
Da eine Einigung zwischen Kläger und Beklagter über den Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit nicht zu Stande kam (§ 15 Abs. 5 BErzGG), konnte der Kläger gem. § 15 Abs. 6 BErzGG unter der Voraussetzungen des Abs. 7 während der Gesamtdauer der Elternzeit eine Verringerung seiner Arbeitszeit beanspruchen.

Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BErzGG für den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit sind ebenfalls erfüllt.

1.)
Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht ohne Unterbrechung länger als sechs Monate, die vom Kläger begehrte Reduzierung erstreckt sich auf einen Zeitraum von mindestens drei Monaten im Umfang zwischen 15 und 30 Wochenarbeitsstunden; der Kläger hat der Beklagten den Verringerungswunsch auch acht Wochen vorher schriftlich mitgeteilt.

2.)
Dem Vorbringen der Beklagten kann auch nicht entnommen werden, dass dem Begehren des Klägers dringende betriebliche Gründe i.S.v. § 15 Abs. 7 Ziff. 4 BErzGG entgegenstünden.

a)
Erforderlich in diesem Sinne sind ?dringende? Gründe. Dieses Erfordernis ist abzugrenzen gegenüber der vergleichbaren Vorschrift des § 8 Abs. 4 TzBfG, wonach der Arbeitgeber gegenüber dem (allgemeinen, nicht auf das BErzGG gestützten) Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers lediglich ?betriebliche? Gründe zur Ablehnung benötigt, die nicht als dringlich zu qualifizieren sind. Insoweit, wie die Gesetzesbegründung zum Dringlichkeitserfordernis des § 15 Abs. 7 Ziff. 4 BErzGG auf § 7 Abs. 2 S. 1 BUrIG verweist, wonach der Arbeitgeber Urlaubswünschen dringende betriebliche Belange entgegenhalten kann, ist festzustellen, dass dieser Verweis wenig geglückt ist (Linck, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., § 102 Rz. 178 m.w.N.). Schon vom betrieblichen Planungshorizont her ist die Dringlichkeitsfrage für einen allenfalls sechswöchigen Urlaub anders zu beantworten als für einen bis zu dreijährigen Teilzeitarbeitswunsch.

?Dringende? Gründe für die Versagung eines auf das BErzGG gestützten Teilzeitwunsches sind insbesondere dann anzunehmen, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, für das Arbeitszeitvolumen, um das sich die Arbeitszeit des in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers verringern soll, eine geeignete Ersatzkraft zu finden. Der Arbeitgeber hat vorrangig zu prüfen, inwieweit innerhalb der bestehenden Betriebsorganisation Umsetzungen und andere Aufgabenverteilungen möglich sind, wobei anzuerkennen ist, dass es regelmäßig schwer sein wird, für ein relativ geringes zeitliches Volumen eine qualifizierte Fachkraft zu finden (Linck a.a.O.)

b)
Vorliegend kann im Ergebnis offen bleiben, welche graduellen Anforderungen an die Dringlichkeit der arbeitgeberseitigen Belange zu stellen sind.
aa) Das Vorbringen der Beklagten ist nämlich zum einen widersprüchlich insoweit, wie die Beklagte vorträgt, der Arbeitsplatz des Klägers sei durch Umorganisation weggefallen, während die Beklagte zum anderen auch geltend macht, für das Arbeitszeitreduzierungsvolumen des Kläger von 7,5 Wochenstunden keine geeignete Ersatzkraft finden zu können. Auch diese Widersprüche bedürfen keiner Aufklärung; selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass sie auf dem Arbeitsmarkt keine mit den Qualifikationen des Klägers versehene Fachkraft findet, die ein Arbeitsverhältnis mit 7,5 Wochenstunden anzutreten bereit ist, würde dies nicht zur Versagung des Teilzeitwunsches im vorliegenden Fall ausreichen: Unterstellt man das Vorbringen der Beklagten als richtig, der Arbeitsplatz des Klägers bzw. ein entsprechender Arbeitsplatz in der Abteilung des Klägers mehr als entgegenkommen. Gründe, einem solchen Wunsch entgegenzutreten, bestünden demnach evident nicht. Unterstellt man hingegen, ein Arbeitsplatzwegfall liege nicht vor, so lassen sich dringende betriebliche Gründe, die dem Reduzierungswunsch des Klägers entgegenstünden, schon deshalb nicht feststellen, weil die Beklagte nicht im Einzelnen dargetan hat, warum es nicht möglich sein soll, ein Wochenarbeitszeitvolumen von nur 7,5 Stunden durch anderweitige organisatorische Maßnahmen/Arbeitsverteilungen zu kompensieren. Diese Frage drängt sich gerade zu auf angesichts der Tatsache, dass die Beklagte Umstrukturierungen dergestalt anführt, dass die vom Kläger versehenen kaufmännischen Arbeitsanteile künftig von den Produkt betreuenden Disponenten und dass die vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben der technischen Abweichungssteuerung künftig von anderen Mitarbeitern der Qualitätssicherung versehen werden sollen. Hier ist nicht im Ansatz erkennbar, warum in diesem Rahmen nicht ein Wochenarbeitszeitvolumen von 7,5 Stunden umgeplant werden könnte.

bb) Insoweit, wie die Beklagte auf eine unternehmerische Entscheidung hinsichtlich reiner Vollzeitbeschäftigung zur Vermeidung von Informationsverlusten verweist, reicht dies ebenfalls nicht, auch nicht im Zusammenhang mit den obigen (schon für sich unerhebliche weil nicht stimmigen) Erwägungen aus. Der Kläger verweist zu Recht darauf, dass er bei 30 Wochenarbeitsstunden während der gesamten Kernarbeitszeit im Betrieb anwesend wäre, und zwar nicht nur für die betrieblich verlangte Mindestdauer von fünf Stunden, sondern sogar für sechs Stunden täglich. Die von der Beklagten angeführten Informationsverluste werden lediglich pauschal behauptet, aber nicht substantiiert dargetan. Hinsichtlich der kaufmännischen Tätigkeiten des Klägers mit der Produktzuordnung und Eingabe der Reklamationen in das interne EDV-System SAP liegt schon auf der Hand, dass die Arbeitsergebnisse des Klägers eben dort hinterlegt und auch für Dritte abruf- und nachvollziehbar sind.

3.)
Der Redzierungsanspruch des Klägers ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren mit der Folge der Anspruchsversagung, § 242 BGB.

a)
Festzuhalten ist allerdings, dass die primäre Zielsetzung des BErzGG darin besteht, einem Elternteil zu ermöglichen, sich in der ersten Lebensphase des Kindes dessen Betreuung und Erziehung zu widmen (vgl. BT-Drucksache 10/3792, S. 20).

b) Dieses gesetzgeberisch vorgegebene und im Übrigen auch schon aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 6 GG) unbedingt zu akzeptierende Ziel hat der Kläger mit seinem Antrag vom 04.11.2003 - leider - nicht verfolgt.
aa) Der Kläger hat nach der Geburt seiner Tochter keinerlei Erziehungsurlaub angemeldet, war hierauf auch nicht angewiesen, weil es sich zum einen um sein erstes Kind handelte und zum anderen seine Ehefrau nicht berufstätig ist. Betreuung und Erziehung des Kindes waren somit gewährleistet, es lag auch nicht etwa angesichts einer größeren Anzahl von Kinder eine erzieherische Überforderung des Klägers und seiner Ehefrau vor, die durch eine Verringerung der berufsbedingten Belastung des Klägers hätte reduziert werden müssen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass der Kläger nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Altfassung des BErzGG keinerlei Erziehungsurlaub hätte in Anspruch nehmen können, weil seine Frau als anderer Elternteil nicht erwerbstätig ist (§ 15 Abs. 2 Ziff. 2 BErzGG a.F.).
bb) Vielmehr hat der Kläger die ?Notwendigkeit? der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub erst erkannt, als ihm die Auflösung seiner Beschäftigungsabteilung durch den Fachvorgesetzten offenbart worden war; zeitlich-kausal unmittelbar folgend hat der Kläger sodann den entsprechenden Antrag gestellt. Die gleichen Erwägungen die der Kläger hinsichtlich der fehlenden betrieblichen Belange der Beklagten anführt, gelten hier auch umgekehrt: Ebenso wenig, wie ersichtlich ist, dass die Beklagte die Reduzierung der klägerischen Arbeitszeit nicht kompenzieren könnte, ist ersichtlich, dass der Kläger eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit um 7,5 Stunden nennenswerte Erziehungsvorteile brächte, zumal der Kläger selbst nach wie vor von einer 5-Tage-Woche mit entsprechender Präsenz seiner Person während der Kernzeiten ausgeht. Der Kläger hat nicht etwa den Wunsch geäußert, die Arbeitszeit auf nur noch vier Tage verteilen und so beispielsweise an einem bestimmten Wochentag zur Entlastung seiner Ehefrau die Erziehung übernehmen zu wollen.
cc) Der Reduzierungswunsch des Klägers ist vielmehr so gewählt, dass die während der Elternzeit noch maximal zulässige Wochenarbeitszeit von 30 Stunden erreicht, die Arbeitszeitsenkung also auf das Minimum reduziert wird (wobei hier angemerkt sei, dass der Kläger nach § 15 Abs. 4 BErzGG a.F. lediglich 19 Wochenstunden während des Erziehungsurlaubes hätte arbeiten dürfen, was gesetzgeberisch wesentlich zuverlässiger gewährleistete, dass Erziehungsurlaub lediglich in den Fällen tatsächlich erstrebter Kindeserziehung angemeldet würde). Der Kläger hat im Güte- wie auch Kammertermin ausgeführt, dass nach seinen Berechnungen durch die geringe Reduzierung der Wochenarbeitszeit in Verbindung mit der Zahlung des Erziehungsgeldes sein bisheriges Nettoarbeitsentgelt erreicht würde, selbst wenn ? gegenwärtig arbeitet der Kläger noch vollzeitig ? die Reduzierung umgesetzt würde.

dd) Zusammengefasst: Der Kläger hat einen Tag nach der ihm bekannt gegebenen Auflösung seiner Beschäftigungsabteilung die Anträge auf Elternzeit/Arbeitszeitreduzierung eingereicht, die Arbeitszeitreduzierung und damit das für die Kindeserziehung theoretisch zur Verfügung stehende zusätzliche Zeitvolumen auf das Minimum beschränkt und will die Verringerung des Bruttoeinkommens und die damit einhergehende Verringerung des Erwerbs von Rentenanwartschaften/Arbeitslosenfeldanwartschaften/etwaigen Sozialplanabfindungen trotz seines Alleinernährerstatus in Kauf nehmen. Bei Gesamtwürdigung dieser Umstände kann der Kläger das Gericht nicht ernsthaft Glauben machen, ihm gehe es vorrangig um eine intensivere Kindeserziehung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Vortrag der Beklagten zutrifft, der Kläger habe die Anträge lediglich eingereicht zur Erlangung des Sonderkündigungsschutzes nach § 18 BErzGG. Dies hat der Kläger im Kammertermin auch nicht ernstlich in Abrede gestellt.

ee) Im Extremfalle würde dies bedeuten, dass bei einer durch mehrere Instanzen geführten Klage auch Zustimmung zur Verringerung der Arbeitszeit diese Zustimmung gem. § 894 ZPO erst mit der Rechtskraft des Urteils letzter Instanz vorläge (vgl. Linck a.a.O. Rz. 178 c m.w.N.), der Arbeitnehmer möglicherweise während der gesamten Verfahrensdauer den Sonderkündigungsschutz des § 18 BErzGG genießt, während im Gegenzug die ? von ihm im Kern nicht gewollte ? Redzierung der Arbeitszeit nicht zum Tragen kommt, da der Arbeitnehmer bis zur Rechtskraft des Verfahrens zu bisherigen Bedingungen zu beschäftigten ist, weil es eben noch an einer Veränderung des Arbeitsvertrages fehlt. Mit anderen Worten: Das gesetzgeberische Ziel einer optimierten Kindeserziehung liefe vollständig leer, es verbliebe lediglich für den antragstellenden Arbeitnehmer der Sondervorteil des Sonderkündigungsschutzes. Fragwürdig wäre dies hier insbesondere deshalb, weil der Kläger 36 Jahre als ist, während das Durchschnittalters der Beschäftigten der Beklagten sich auf 47 Jahre beläuft; einherginge möglicherweise somit auch eine Aushebelung der Sozialauswahl im Rahmen der anstehenden Personalreduzierungen, § 1 Abs. 3 KSchG.
Auch diese Folge zu Lasten dritter Arbeitnehmer, die an sich sozial schutzbedürftiger wären als der Kläger, nun aber wegen dessen Sonderkündigungsschutzes um eine Kündigung fürchten müssen kann gesetzgeberisch nicht gewollt sein.

c) Die Vorgenannten Umstände reichen allerdings nicht aus, um das Begehren des Klägers hinsichtlich der Verringerung der Arbeitszeit als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

aa) Rechtsmissbräuchlich kann beispielsweise sein, dass der Rechtsinhaber im Einzelfall kein schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung eines Rechts geltend machen kann, wie etwa bei Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an für den Gläubiger völlig wertlosen Gegenständen, mit der lediglich ein drohender Schaden auf Seiten des Schuldners als Druckmittel ausgenutzt werden soll (vgl. MüKo/Roth, 2. Aufl., § 242 Rz. 415). Ähnlich gelagert sind Fälle, in denen der Berechtigte mit der Rechtsausübung zwar durchaus greifbare Interessen verbindet, diese Interessen aber deswegen nicht schutzwürdig erscheinen, weil sie im Einzelfall nicht mehr dem Schutzbereich zuzurechnen sind, auf den die Gewährung des fraglichen Rechts ausgerichtet ist. Wenn beispielsweise die Rechtsordnung bestimmte Kündigungsgründe zur Verfügung stellt, so schützt sie damit die in solchen Fällen typischerweise betroffenen Interessen mit der Folge, dass eine Kündigung dann unzulässig sein kann, wenn im Einzelfall durch den Kündigungsgrund diese Interessen nicht betroffen sind und mit der Kündigung andere, hierdurch nicht geschützte Interessen verfolgt werden (Roth a.a.O. Rz. 417 m.w.N.). Auch die mangelnde Schutzwürdigkeit des mit der Rechtsausübung verfolgten Zwecks kann zur Qualifizierung als rechtsmissbräuchlich führen, beispielsweise die Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsvorbehalts wenn der Berechtigte dieses Recht nicht seiner eigentlichen Zweckbestimmung gemäß, sonder lediglich zum Nachteil des Gegners auszunutzen sucht; jedoch ist grundsätzlich die eigennützige Zweckverfolgung nicht rechtsmissbräuchlich (Roth a.a.O. Rz. 426 m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen lässt sich hier ? noch ? eine Rechtsmissbräuchlichkeit des die Elternzeit ermöglichenden Teilzeitantrages des Klägers nicht begründen. Nach der Aktenlage kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die zusätzliche Freizeit von 7,5 Wochenstunden tatsächlich zu den gesetzlich verfolgten Zwecken der verbesserten Kindeserziehung verwendet. Selbst wenn es dem Kläger final zunächst auf den Sonderkündigungsschutz ankommt, wovon das Gericht hier ausgehen muss, so bedeutet dies nicht, dass das Gesetz mit der intendierten Zielrichtung im Übrigen fehlgeht, wenn der Kläger denn die zur Verfügung stehende Zeit dementsprechend nutzt. Ob unter diesem Gesichtspunkt der im Kammertermin konstruierte Fall anders zu würdigen wäre, wonach der die Arbeitszeitredzierung beantragende Arbeitnehmern von vornherein die gewonnene Freizeit nicht für Erziehungszwecke, sonder beispielsweise zur Ausübung eines Sports nutzen will, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlen hier Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine mit dem Redzierungsantrag nicht primär bezweckte, jedenfalls aber einhergehende zusätzliche Freizeit nicht für die gesetzgeberischen Zwecken, sonder für andere, vom Schutzzweck des Bundeserziehungsgeldgesetzes nicht mehr gedeckte Zwecke verwenden will. Nach gegenwärtiger Gesetzeslage dürfte mithin schon aus Gründen der Beweislage zu Lasten des sich auf Rechtsmissbrauch berufenden Arbeitsgebers regelmäßig kein Ausschluss der Arbeitszeitreduzierung mit dem Argument der Zweckwidrigkeit der vom Arbeitnehmer verfolgten Ziele in Betracht kommen, auch wenn nicht zu verhehlen ist, dass dies arbeitgeberseitige Planungsmöglichkeiten ebenso einschränkt wie auch reflexartige Auswirkungen auf die Sozialauswahl zu Lasten anderer, nicht sonderkündigungsgeschützter Arbeitnehmer hat.

Im Ergebnis war mithin die Beklagte gem. § 894 ZPO zur Abgabe der Zustimmung zur Arbeitszeitredzierung zu verurteilen.

B
In derartigen Fällen, in denen ein Urteil abzielt auf die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung, gilt die Erklärung gem. § 894 Abs. 1 S. 1 ZPO erst dann als abgegeben, wenn das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Eine rückwirkende Verurteilung zur Abgabe der begehrten Zustimmungserklärung ab dem 01.01.2004 kommt nicht in Betracht; die Verurteilung zur rückwirkenden Abgabe einer Willenserklärung stellt eine Verurteilung zu einer unmöglichen Leistung dar (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 23.03.2001 DB 2001 S. 1890 m.w.N. zur Rspr. des BAG). Es war daher wie ausgewiesen zu tenorieren unter Abweisung der Klage im Übrigen.

C
Dahinstehen kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles, ob dem Kläger tatsächlich der Sonderkündigungsschutz aus § 18 BErzGG zugute kommt. Nach § 18 BErzGG besteht Sonderkündigungsschutz bereits ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist. Der Kläger hat jedoch beantragt ?Elternzeit ... i.V.m. einer reduzierten Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden?. Da der Kläger Alleinernährer seiner Familie ist, kann dieser Antrag nicht so ausgelegt werden, dass der Kläger in jedem Fall (also auch bei Wochenarbeitszeit null) Elternzeit in Anspruch nehmen will. Es spricht einigen dafür, dass dieser Antrag des Klägers so auszulegen ist, dass begehrt wird Eltern zeit für den Fall, dass die Beklagte einer Arbeitszeitredzierung zustimmt (oder diese Zustimmung nach § 894 ZPO durch das Gericht ersetzt wird). Ist der Antrag des Klägers so auszulegen, bestünde vorliegend kein Sonderkündigungsschutz, weil jedenfalls zurzeit die Beklagte dem Teilzeitbegehren nicht zugestimmt hat und auch eine rechtskräftige Ersetzung durch das Gericht nicht vorliegt. Sonderkündigungsschutz bestünde dann erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft dieser Entscheidung.

D
Da der Zeitraum, bezüglich dessen die Klage der Abweisung unterlag, verhältnismäßig geringfügig war und insoweit keine besonderen Kosten verursacht wurden, hat die Beklagte gem. § 91 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung in Höhe von 1,5 Bruttomonatsgehältern geschätzter Höhe folgt aus § 3 ZPO, die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung war gem. § 64 Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG vorzunehmen.

Rechtsmittelbelehrung: XXX

RechtsgebietBErzGGVorschriften§ 15 BErzGG

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