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18.04.2005 · IWW-Abrufnummer 051121

Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 18.12.2001 – 9 U 185/01

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

9 U 185/01 OLG Naumburg verkündet am: 18.12.2001
8 O 348/01 LG Dessau

In dem Rechtsstreit XXX

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Landgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2001 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27.07.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau - 8 O 348/01 - wird zurückgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 28.000.- DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Beide Parteien dürfen die Sicherheit auch durch eine un-widerrufliche, unbedingte, unbefristete, selbstschuldnerische und schriftliche Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse erbringen.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000.- DM.

Tatbestand

Die Parteien streiten um rückständigen Pachtzins im Zeitraum August 1999 bis einschließlich Mai 2001 sowie um das Fortbestehen des Pachtverhältnisses.

Mit Vertrag vom 29.04.1993 verpachteten die Kläger zu 1) und 2) und die Rechtsvorgängerin der Kläger zu 3) bis 6) (im Folgenden einheitlich die Kläger genannt) den Beklagten ein Grundstück ?zur gewerblichen Nutzung und Bebauung? (Bl. 20 ff). Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger auch Eigentümer des Nachbargrundstücks. Am 22.02.1994 erklärten die Kläger gegenüber dem Landkreis W. - Bauordnungsamt - ihr Einverständnis zur Übernahme einer Baulast für das Nachbargrundstück (Bl. 44). Im August 1995 nahmen die Beklagten ihren Bauantrag zurück (Bl. 68, 87). Im Dezember 1998 veräußerten die Kläger das Nachbargrundstück lastenfrei an einen Dritten, der zur Übernahme einer Baulast nicht bereit ist. Am 22.08.2000 kündigten die Beklagten das Pachtverhältnis fristlos (Bl. 92).

Die Kläger haben vorgetragen, der von den Beklagten geplante Metallbaubetrieb könne nach wie vor errichtet werden. Der Beklagte zu 2) habe jedoch erklärt, dass das geplante Bauvorhaben aufgegeben worden sei (Bl. 56, 77). Die Beklagten hätten etwaige Gewährleistungs-rechte entsprechend § 539 BGB verwirkt, weil sie im Zeitraum August 1995 bis einschließlich Juli 1999 den Pachtzins gezahlt hätten (Bl. 76).

Hinsichtlich der von den Parteien erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Bl. 120 d.A. verwiesen.

Die Beklagten haben vorgetragen, der Landkreis W. habe die Kläger mit Schreiben vom 18.04.1994 und 16.05.1994 erfolglos zur Unterzeichnung einer Baulast-Abstandsflächenübernahme ins Amt gebeten (Bl. 64, 68, 86, 94). Die Beklagten hätten ihr Bauvorhaben nicht aufgegeben, sondern lediglich ?zunächst zurückgestellt? (Bl. 64). Mit Schreiben vom 27.07.1999 (Bl. 48) hätten die Beklagten die Kläger dazu aufgefordert, für eine Übernahme der Baulast durch den Erwerber des Nachbargrundstücks Sorge zu tragen (Bl. 42). Dass die unmittelbare Adressatin D. B. zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch nicht unter der angegebenen Anschrift gewohnt habe (vgl. Bl. 55), sei mit einem ?Büroversehen? zu erklären (Bl. 65). Spätestens seit der Unterzeichnung der Erklärung vom 22.02.1994 durch die Beklagten fehle der Pachtsache eine zugesicherte Eigenschaft bzw. sei diese mangelhaft (Bl. 43, 63 f, 82, 84). Eine Verwirkung der Gewährleistungsrechte entsprechend § 539 BGB a.F. komme nicht in Betracht, weil die Kläger Mängelbeseitigung zugesagt hätten (Bl. 87). Im Übrigen sei die Geschäftsgrundlage des Pachtvertrages entfallen (Bl. 67, 83, 88).

Mit am 27.07.2001 verkündetem Urteil - 8 O 348/01 - hat das Landgericht Dessau der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Gewährleistungsrechte der Beklagten seien entsprechend §§ 539, 543 BGB verwirkt. Die Berufung der Beklagten auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt.

Gegen das ihnen am 13.08.2001 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 10.09.2001 Berufung eingelegt und diese mit am 09.10.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom 08.10.2001 begründet.

Die Beklagten nehmen Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor, § 539 BGB a.F. = § 536 b BGB n.F. sei nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes auf den Fall der Kenntniserlangung von Mängeln nach Vertragsschluss nicht (mehr) entsprechend anwendbar (Bl. 140 I). Ferner schließe die Vorschrift Gewährleistungsrechte nur für die Vergangenheit und nicht für die Zukunft aus. Zudem sei ein Vorbehalt der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten nicht notwendig, wenn der Verpächter die Mängel positiv kenne (Bl. 139). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 09.10.2001 (Bl. 137 ff) verwiesen.

Die Beklagten beantragen,

das am 27.07.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau - 8 O 348/01 - abzuändern und die Klage abzuweisen sowie - widerklagend - festzustellen, dass die Beklagten auch nicht ab Juni 2001 zur Pachtzinszahlung verpflichtet sind.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 26.11.2001 (Bl. 155 ff) und 28.11.2001 (Bl. 166 f) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagten haben ihr Recht zur Minderung und Kündigung entsprechend §§ 539, 543 BGB a.F. = §§ 536 b, 543 Abs. 4 BGB n.F. verwirkt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes verlor der Mieter das Recht, sich gem. § 537 Abs. 1 BGB a.F. auf Minderung zu berufen, entsprechend § 539 BGB a.F., und zwar für die Vergangenheit und die Zukunft, wenn er trotz nach Vertragsschluss erlangter Mängelkenntnis sechs Monate vorbehaltlos die Miete weiterzahlte, es sei denn, der Vermieter hatte zugesagt, den Mangel zu beheben (vgl. BGH, NJW 1997, 2674). War das Recht zur Minderung entsprechend § 539 BGB a.F. verwirkt, entfiel entsprechend § 543 BGB a.F. auch das Kündigungsrecht aus § 542 Abs. 1 BGB a.F. (vgl. BGH, NJW 2000, 2663, 2664).

An dieser auf eine überzeugend begründete Entscheidung des Reichsgerichts (JW 1936, 2706) zurückgehende Rechtsprechung ist entgegen den Bedenken von Wichert (ZMR 2001, 262 f) auch nach Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes festzuhalten. Der Senat sieht sich hieran durch die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 536 b BGB (NZM 2000, 802, 812) nicht gehindert, denn diese geht unzutreffend davon aus, dass die vorliegende Fallgestaltung durch die (nicht einschlägigen) §§ 545, 814 BGB geregelt ist (siehe dazu im Einzelnen Senatsurteil v. 27.11.2001 - 9 U 186/01).

Die Beklagten haben nach Rücknahme des Bauantrags im August 1995 bis einschließlich Juli 1999 den Pachtzins in voller Höhe weitergezahlt. Ihre vom Landgericht zutreffend als unsubstantiiert angesehene (Bl. 124) Behauptung, die Kläger hätten Abhilfe zugesagt (Bl. 87), haben sie in zweiter Instanz nicht weiter vertieft.

Unabhängig von der Verwirkung entsprechend §§ 536 b, 543 Abs. 4 BGB n.F. ist das Kündigungsrecht der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwirkt. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Recht zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund nur innerhalb angemessener Zeit ausgeübt werden, nachdem der Berechtigte von dem Kündigungstatbestand Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH, NJW 1985, 1895; OLG Hamm, NJW 1989, 2629, 2630; OLG Celle, ZMR 1995, 298, 300). Die mehr als vier Jahre nach Kenntnis des Mangels ausgesprochene Kündigung vom 22.08.2000 kann nicht mehr als in angemessener Zeit angesehen werden. Wartet der Kündigungsberechtigte so lange mit seiner Kündigungserklärung, lässt dies den Schluss zu, dass die Vertragsfortsetzung zumutbar und das Kündigungsrecht verwirkt ist (vgl. OLG Celle, a.a.O).

Die Beklagten können sich auch nicht auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Für Sachmängel des Pachtobjekts stellen die §§ 536 ff BGB auch dann eine abschließende Sonderreglung dar, wenn die Gewährleistung entsprechend §§ 536 b, 543 Abs. 4 BGB ausgeschlossen ist (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rn. 631; Palandt-Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 537, Rn. 10; jeweils m.w.N.). Bei öffentlich-rechtlichen Gebrauchshindernissen (vorliegend: fehlende Genehmigungsfähigkeit wegen nicht eingetragener Baulast) handelt es sich um Fehler i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB, wenn sie mit der Art, Lage und Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III. B Rn. 1345; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 537, Rn. 41, 48, 59).

Da die Beklagten am Vertrag nicht festhalten wollen, steht ihnen auch das durch § 536 b BGB nicht berührte Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB nicht zu (vgl. BGH, NJW 1982, 874 f).

Aus der Begründetheit der Klage ergibt sich die Unbegründetheit der gem. § 530 Abs. 1 ZPO sachdienlichen Widerklage.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer wurde gem. §§ 546 Abs. 2, 8 ZPO festgesetzt.

RechtsgebietMietminderungVorschriften§ 536b BGB

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