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06.05.2005 · IWW-Abrufnummer 050702

Finanzgericht München: Urteil vom 20.07.2004 – 12 K 586/02

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 12 K 586/02

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
In der Streitsache XXX
hat der 12. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2004 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Tatbestand
Streitig ist, ob Zahlungen des Arbeitgebers des Klägers im Streitjahr 1996, der B GmbH eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung (EStG) ist.

Die zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuer-Erklärung für das Streitjahr 1996 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers in Höhe von DM, selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen. Bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit wurde eine Entschädigungszahlung in Höhe von ...DM angegeben.

Zur Erläuterung wurde ausgeführt, dass abweichend von den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte der im Kalenderjahr 1996 bezogene Arbeitslohn, gekürzt um eine nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernde Entschädigungsleistung, mit ... DM in die Zeile 2 der Anlage ?N? eingesetzt worden sei. Der bei den Entschädigungen eingetragene Betrag betreffe die teilweise Auszahlung eines Schadensersatzanspruches, den der Kläger durch das Urteil des Arbeitsgerichts M in seinem Arbeitsrechtsstreit gegen die GmbH vom 28. März 1996 zugebilligt erhalten habe. Danach sei die B GmbH verurteilt worden, an den Kläger ... DM nebst Zinsen zu zahlen. Der Kläger sei bis zum 31. Dezember 1989 fast 20 Jahre Mitarbeiter der B GmbH gewesen. Das Arbeitsverhältnis habe seit 1977 in M bestanden, wo der Kläger die Leitung des Büros der ?B ? übernommen habe und es als Produktionsbüro dieser Illustrierten ausgebaut habe. Nach der 1983 durchgeführten Verlagerung der ?Redaktion von O nach M sei der Kläger durch Anstellungsvertrag vom 10. Dezember 1987 mit Wirkung ab 1. Januar 1988 stellvertretender Chef der B mit Dienstsitz in M geworden.

Durch eine Vereinbarung zwischen der B GmbH und dem Kläger vom 19. Dezember 1989 sei das Arbeitsverhältnis auf den 31. Dezember 1989 einvernehmlich beendet worden.

Es sei dem Kläger unter Ziff. 3 der Vereinbarung das Recht eingeräumt worden, nach Ausscheiden aus einem anderen Arbeitsverhältnis von der B GmbH zu angemessenen Bedingungen wieder angestellt zu werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 1992 habe der Kläger dann unverschuldet den Posten als - chef bei R verloren und sei seitdem arbeitslos gewesen. Er habe bei der B GmbH seine Rechte auf Wiedereinstellung gemäß der Bestimmung der Vereinbarung vom 19. Dezember 1989 geltend gemacht, die von der B GmbH nicht anerkannt worden seien. Der Kläger habe daraufhin das Arbeitsgericht M angerufen, das mit dem genannten Urteil die Ansprüche des Klägers bestätigt habe.

Der Klageanspruch sei damit begründet worden, dass der Kläger einen Anspruch darauf habe, so gestellt zu werden, als hätte die Beklagte (sc. des Arbeitsprozesses) ihn eingestellt.

Die Beklagte habe ihm nämlich den Schaden zu ersetzen, der durch den Verzug mit der Wiedereinstellung entstanden sei (§§ 284 Abs. 1 Satz 1, 285, 286 Abs. 1 BGB). Das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung weiterhin damit begründet, dass der Kläger den reinen Verspätungsschaden verlangen könne, der dadurch entstanden sei, dass die B GmbH ihr Leistungsbestimmungsrecht zur Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes nicht ausgeübt und die Wiedereinstellung des Klägers verzögert habe. Demnach sei eine echte Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG gegeben. Die Erfüllung des arbeitsgerichtlichen Urteils habe nicht zur Erfüllung eines bestehenden oder strittigen Arbeitsverhältnisses gedient. Kurz vor der Verkündung des arbeitsgerichtlichen Urteils am 28. März 1996 habe die B GmbH mit Datum vom 25. März 1996 einen Bruttobetrag von ... DM in der Weise abgerechnet, dass sie nach Abzug von Lohnsteuern in Höhe von ... DM und Solidaritätszuschlag in Höhe von ... DM einen Betrag von ... DM an den Kläger ausgezahlt habe.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996 vom 10. Dezember 1997 setzte das beklagte Finanzamt (Finanzamt) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Betrag in Höhe von .... DM an. Zur Erläuterung wurde ausgeführt, dass die Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit nicht nach § 34 Abs. 3 EStG versteuert worden seien, da sich sonst eine höhere steuerliche Belastung ergeben hätte.

Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Finanzamt die Zahlung zu Unrecht als Arbeitslohn für mehrere Jahre behandelt habe. Damit sei es zwar der Rechtsmeinung des Finanzamts O gefolgt; diese Rechtsmeinung sei jedoch unzutreffend. Der Kläger habe bei der bezogenen Leistung keinen Arbeitslohn über mehrere Jahre bezogen, sondern eine Entschädigung erhalten, die mit dem halben Steuersatz begünstigt sei. Abgegolten worden sei der Schaden, der dem Kläger durch die Weigerung seines früheren Arbeitgebers entstanden sei, ihn wieder anzustellen.

Die Entschädigung sei für einen Zeitraum gewährt worden, in dem kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, nämlich vom 10. November 1992 bis 17. April 1995.

Nachdem der Kläger seine Position als Unterhaltungschef bei R verloren habe, habe er bei der B GmbH seine Rechte auf Wiedereinstellung geltend gemacht. Dieses Verlangen habe die B GmbH zurückgewiesen. Daraufhin habe der Kläger das Arbeitsgericht M angerufen, das durch Teilurteil vom 24. März 1994 die B GmbH verurteilt habe, den Kläger zu denjenigen Bedingungen wieder einzustellen, die im Anstellungsvertrag vom 10. Dezember 1987 vereinbart worden seien. Auf Berufung der B GmbH sei vom Landesarbeitsgericht entschieden worden, dass die B GmbH den Kläger als stellvertretenden Chef nach Maßgabe der Bedingungen des Anstellungsvertrags vom 10./18. Dezember 1987 wieder einzustellen habe. Aufgrund dieses rechtskräftig gewordenen Urteils sei der Kläger wieder von der B GmbH beschäftigt worden. Er habe sein altes Gehalt erhalten, die Beschäftigung selbst habe aber nicht der eines stellvertretenden Chefs entsprochen. Aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts ergebe sich im Übrigen auch, dass bis einschließlich 17. April 1995 kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Durch die zumindest oberflächliche Wiedereinstellung am 18. April 1995 seien die Schadensersatzansprüche des Klägers noch nicht befriedigt gewesen, die sich daraus ergeben hätten, dass der Kläger seit 1992 seine Wiedereinstellung verlangt habe. Der diesbezügliche Schadensersatzanspruch in Höhe ... DM sei durch das Urteil des Arbeitsgerichts M vom 18. März 1996 erstinstanzlich zugesprochen worden. Die streitige Zahlung in Höhe von ... DM sei kurz vor dem Ergehen des erstinstanzlichen Urteils erfolgt. Es seien jedoch neben dem Streit um die richtige Bemessung des Steuersatzes für die Entschädigungszahlung durch den Arbeitgeber auch noch weitere Ansprüche des Klägers, wie z. B. zusätzliche Entschädigung wegen entgangener Arbeitgeberbeiträge zur Kranken? und Rentenversorgung, Verzinsung des nicht gezahlten Gehalts offen geblieben. Das deshalb durchgeführte Berufungsverfahren habe schließlich am 13. Dezember 1996 zu einem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht M geführt. Dort heiße es, dass das am 18. April 1995 begonnene Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 30. Juni 1997 beendet werde. Hierdurch werde auch von der B GmbH bestätigt, dass der Kläger vor dem 18. April 1995 und nach dem 31. Dezember 1989 von ihr nicht angestellt gewesen sei. Die Fortsetzung des mit 18. April 1995 neu begründeten Arbeitsverhältnisses sei wegen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses unmöglich geworden.

Es sei dem Kläger eine Aufhebung des neuen Arbeitsverhältnisses zum Ablauf des 30. Juni 1997 angeboten worden. Deshalb habe der Kläger aufgrund des Vergleichs zum Ausgleich zukünftiger Einbußen eine Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes und zur Abgeltung der Wiedereinstellungsansprüche in Höhe von ... DM erhalten, nachdem er ursprünglich in der mündlichen Verhandlung für diesen Verlust des Arbeitsplatzes rd. ... DM gefordert habe. Die noch nicht erfüllten, im erstinstanzlichen Urteil zugesprochenen Ansprüche seien in diesem Vergleich nicht weiter verfolgt worden, sondern seien als durch die Zahlung abgegolten festgestellt worden.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2002). Zur Begründung wird im Wesentlichen auf Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichts M vom 28. März 1996 über den Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die B GmbH verwiesen. Zutreffend sei von der Beklagten des Arbeitsgerichtsprozesses im Berufungsbegründungsschriftsatz ausgeführt worden, dass ein Fall des § 24 Nr. 1a) EStG nicht vorliege und dass von einer Entschädigung nach dieser Vorschrift nämlich dann keine Rede sein könne, wenn sich lediglich die Zahlungsmodalitäten bereits entstandener Ansprüche durch eine Nachzahlung änderten.

Die Nachzahlung habe im Streitfall auf der Rückkehrklausel aus dem Jahre 1989 basiert. Nur aufgrund der Tatsache, dass der Kläger von der B GmbH für eine gewisse Zeit nicht wieder eingestellt worden sei und das Landesarbeitsgericht einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers festgestellt habe, sei die Nachzahlungsverpflichtung seitens der B GmbH begründet worden. Wäre der Kläger gemäß der Rückkehrklausel schon ab November 1992 beschäftigt worden, hätte er den gleichen Betrag erhalten, nur jeweils monatlich ausbezahlt.

Insoweit habe sich nur die Zahlungsmodalität geändert.

Ebenso sei in der Anrufungsauskunft des Finanzamts O vom 10. Dezember 1996 ausgeführt worden, dass der erstrittene Betrag kein echter Schadensersatz im Sinne von Abschn. 70 Abs. 3 Nr. 7 LStR 1996 sei. Der vom Arbeitsgericht M zuerkannte Betrag sei nicht als eine Entschädigung für entgangene Einnahmen im Sinne von § 24 Nr. 1a) EStG anzusehen, da die Nachzahlung nicht auf einer neuen Rechts? oder Billigkeitsgrundlage beruhe.

Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen:

Im Streitfall liege eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG vor, die der Tarifbegünstigung des § 34 EStG unterliege. Der Begriff der Entschädigung in § 24 Nr. 1 EStG umfasse in seiner allgemeinen, für alle Fallgruppen maßgeblichen Bedeutung Zahlungen, die eine finanzielle Einbuße ausglichen, die ein Steuerpflichtiger infolge einer Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter erlitten oder zu erwarten habe. § 24 Nr. 1a) EStG verlange damit Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt würden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich?rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehörten nicht zu den begünstigten Entschädigungen (BFH-Urteile vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BStBl II 1981, 6, und vom 20. November 1987 VI R 91/84, BFH/NV 1988, 564). Dementsprechend müsse die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts? oder Billigkeitsgrundlage beruhen (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1979 VI R 273/67, BStBl II 1971, 138, und vom 25. März 1975 VIII R 183/73, BStBl II 1975, 634). Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG erforderten daher, dass Einnahmen entgangen sind oder künftig entgehen werden. Das setze nach Ansicht des BFH voraus, dass die bisherige rechtliche Grundlage für die Einnahme weggefallen und eine andere an ihre Stelle getreten sei. In seiner Rechtsprechung weise der BFH darauf hin, dass der an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzanspruch einer ? neuen ? Rechts? oder Billigkeitsgrundlage bedürfe (BFH-Urteil in BStBl II 1971, 138). § 24 Nr. 1a) EStG unterstelle daher, dass sich die Einnahmequelle ändere, obwohl sich die Zugehörigkeit der Einnahme zu einer Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG vor und nach dieser Änderung allein nach ihrem kausalen Zusammenhang mit einer einkommensteuerlich relevanten Leistung des Steuerpflichtigen bestimme. Nach diesen Grundzügen der BFH?Rechtsprechung liege in der Schadensersatzzahlung an den Kläger eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG. Die Zahlung stelle, wie dies die Arbeitsgerichte festgestellt hätten, als Entschädigung den Ersatz für die dem Kläger in der Zeit vom 10. November 1992 bis zum 17. April 1995 entgangenen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit dar. Denn der Kläger sei eben in dieser Zeit ausdrücklich nicht in einem Anstellungsverhältnis bei der B GmbH beschäftigt gewesen. Die Zahlung sei daher ausdrücklich keine Erfüllungsleistung eines bereits bestehenden bürgerlich?rechtlichen Rechtsverhältnisses, nämlich der in der Vereinbarung vom 19. Dezember 1989 niedergelegten Wiedereinstellung des Klägers. Diese unzutreffende Auslegung unterstelle das Finanzamt, das in der Einspruchsentscheidung von einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis
des Klägers für die fragliche Zeit ausgehe und daher lediglich den zusammengeballten Zufluss des ?Arbeitslohnes? für die Jahre 1992 bis 1995 als ?Änderung der Zahlungsmodalitäten? darstelle. Zutreffend sei hingegen, dass die strittige Zahlung nicht in Erfüllung der Wiedereinstellungsverpflichtung vom 19. Dezember 1989 geleistet worden sei, sondern erst nach der gerichtlichen Klärung im Wege des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung der Wiedereinstellungsverpflichtung. An die Stelle der ?bisherigen Einnahmen? im Sinne der BFH?Rechtsprechung, nämlich einer Arbeitslohnzahlung aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses bei der B GmbH, sei im Streitfall eine neue Rechtsgrundlage getreten, die gerichtliche Verurteilung der B GmbH zur Zahlung eines Schadensersatzes. Damit beruhe die strittige Zahlung auf einer neuen Rechtsgrundlage.

Als neue Rechtsgrundlage komme nach der BFH?Rechtsprechung z. B. ein Vergleich oder eine gerichtliche Entscheidung in Betracht. Hierbei lege der BFH das Kriterium einer neuen Rechtsgrundlage weit aus. Er bejahe dies z. B. bei Aufhebung eines Anspruchs auf laufende Versorgungsbezüge durch eine Kapitalisierungsvereinbarung.

Das vorliegende Urteil des Arbeitsgerichts erfülle die Anforderungen der ?neuen Rechtsgrundlage? unstreitig. Im Streitfall bestehe allerdings die Besonderheit einer Wiedereinstellungsverpflichtung und nicht die Aufhebung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses, wie dies regelmäßig Gegenstand der dargestellten BFH?Rechtsprechung sei. Die Aussage des BFH, dass an die Stelle der bisherigen Rechtsgrundlage eine andere treten müsse und diese neue Rechtsgrundlage als Folge der Beendigung der bisherigen Rechtsgrundlage entstehe, könne auf den Streitfall nur so angewendet werden, dass das Gerichtsurteil an die Stelle der bisherigen Wiedereinstellungsverpflichtung als Rechtsgrundlage für die Zahlung trete. Das Finanzamt äußere sich in der Einspruchsentscheidung dazu dergestalt, dass der Kläger den gleichen Betrag erhalten hätte, wenn er nach der Rückkehrklausel schon ab November 1992 beschäftigt worden wäre, nur jeweils monatlich ausbezahlt und nicht in einem Einmalbetrag.

Diese Beurteilung verkenne die Voraussetzungen der §§ 24 Nr.1a), 34 EStG. Denn mit dieser Argumentation sei nie eine steuerbegünstigte Entschädigung bei Auflösung eines Dienstverhältnisses darstellbar, da der Arbeitnehmer mit seiner Entschädigung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes doch nur die Beträge ausbezahlt bekomme, die er beziehen würde, wenn er seinen Arbeitsplatz nicht verloren hätte, allerdings jetzt nicht mehr laufend, sondern in einem Einmalbetrag. Aber in diesen Fall habe die Rechtsprechung nicht bloß eine Änderung der Zahlungsmodalitäten gesehen, sondern eine steuerbegünstigte Entschädigung, basierend auf einer neuen Rechtsgrundlage als Ersatz für künftig entgehende Einnahmen.

Auch die weitergehende Aussage des Finanzamts, dass jedes andere Ergebnis völlig unangemessen wäre, weil dann der Kläger noch daraus Kapital schlage, dass er nicht gearbeitet habe, entbehre jeglicher Grundlage. Zum einen räume das Finanzamt damit ein, dass tatsächlich kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Zum anderen wäre diese Argumentation ebenfalls auf begünstigte Entlassungsentschädigungen von Arbeitnehmern anzuwenden, da auch hier eine Zahlung für einen Zeitraum erfolge, in dem der ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht mehr arbeite. Das Erfordernis, dass es sich bei dem Schadensereignis um einen im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart außergewöhnlichen oder ungewöhnlichen Vorgang handeln müsse, sei ebenfalls erfüllt. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da der Rechtsstreit selbst als ungewöhnlich zu bezeichnen sei und ein vergleichbarer Fall bisher in der Rechtsprechung noch nicht entschieden sei. Das weitere Erfordernis, dass der Steuerpflichtige nicht maßgeblich das schadensauslösende Ereignis selbst herbeigeführt haben dürfe, sei erfüllt, wie ein Verweis auf die Urteile der Arbeitsgerichte ergebe. Auch die Voraussetzung, dass Einnahmen entgangen sein müssten, liege vor, weil die Entschädigungen an die Stelle der dem Kläger eigentlich zustehenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit getreten seien. Erst mit Eintritt in das neue Dienstverhältnis am 18. April 1995 seien die Voraussetzungen für die Annahme einer Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG weggefallen. Dies verkenne das Finanzamt, das seine Argumentation auf der unzutreffenden Unterstellung aufbaue, dass bereits seit 1992 ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der B GmbH bestehe. Eben dies hätten die angerufenen Arbeitsgerichte ausdrücklich verneint und festgestellt, dass dem Kläger ein Schaden aus der verzögerten Wiedereinstellung entstanden sei.

Die Kläger beantragen,
in Änderung der angefochtenen Verwaltungsakte die Einkommensteuer 1996 unter Gewährung der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG für die Schadensersatzzahlung in Höhe von ... DM festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.

Für die steuerliche Beurteilung der am 25. März 1996 geleisteten Nachzahlung in Höhe von ... DM seien das am 28. März 1996 verkündete Schlussurteil des Arbeitsgerichts M und der Vergleich vom 13. Dezember 1996 maßgebend. Bereits mit Urteil vom 21. Dezember 1994 sei die Beklagte rechtskräftig verurteilt worden, den Kläger als stellvertretenden Chefredakteur nach Maßgabe der Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 18. Dezember 1987 wieder einzustellen. Gemäß § 3 des Anstellungsvertrages habe der Kläger ein Bruttojahresgehalt von ...DM und eine Tantieme von ... DM, somit einen Bruttobetrag von ... DM erhalten. Genau diesen Betrag von jährlich ... DM habe die B GmbH für die Zeit vom 10. November 1992 bis zum 17. April 1995 zugrundegelegt. Im Urteil vom 28. März 1996 werde dargelegt, dass der Kläger einen Anspruch darauf habe, vom 10. November 1992 bis 18. April 1995 so gestellt zu werden, als hätte die Beklagte ihn eingestellt. Die Beklagte habe ihm nämlich den Schaden zu ersetzen, der durch den Verzug mit der Wiedereinstellung entstanden sei. Der Kläger könne den reinen Verspätungsschaden nach § 286 BGB verlangen, der dadurch entstanden sei, dass die Beklagte ihr Leistungsbestimmungsrecht nicht ausgeübt und die Wiedereinstellung des Klägers verzögert habe. Weiter werde ausgeführt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Kläger so zu stellen, als wäre er zum 10. November 1992 wieder eingestellt worden. Dann hätte der Kläger wieder die ursprüngliche Vergütung erhalten.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei im Vergleich vom 13. Dezember 1996 nicht der Betrag von ... DM bestätigt worden, sondern der Betrag von ... DM, da es unter Ziff. 4 heiße, dass sich die Parteien einig seien, dass die vertraglichen Ansprüche des Klägers aufgrund der bisherigen Zahlungen durch die Beklagte bis einschließlich November 1996 erfüllt seien. Entgegen der Auffassung des Klägers lägen keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne der §§ 24 Nr. 1, 34 EStG vor, sondern Einkünfte, die eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG seien. Im Urteil des BFH in BStBl II 1975, 634, laute der Tenor, dass Zahlungen, die ein Steuerpflichtiger aufgrund eines Vergleichs über ein streitiges Rechtsverhältnis erhalte, als Erfüllungsleistung auf der Grundlage dieses Rechtsverhältnisses keine Entschädigung als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen im Sinne von § 24 Nr. 1a) EStG seien, sie unterlägen deshalb nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG. Das Schlussurteil des Arbeitsgerichts vom 28. März 1996 sei daher keine Rechtsgrundlage, die neben das streitige Schuldverhältnis trete. Das Landesarbeitsgericht habe im Urteil vom 21. Dezember 1994 angenommen, dass der Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB habe bezüglich der Zuweisung einer konkreten Position, dessen Inhalt durch das Teilurteil vom 24. März 1994 stufenweise ausgefüllt worden sei. Der streitige Zahlungsanspruch habe in der Folge den Einstellungsanspruch bezüglich der Zahlungsverpflichtung der Höhe nach konkretisiert. Insoweit habe der Vergleich nur klärende und feststellende Wirkung. Von einer Novation könne nicht gesprochen werden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung (EStG) ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen, und zwar der Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich nach dem zu versteuernden Einkommen der Kläger ergibt.

Außerordentliche Einkünfte sind unter anderem die in § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG erwähnten Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG, im Streitfall die Entschädigung des § 24 Nr. 1 a) EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Eine solche Entschädigung liegt nicht vor, und zwar aus folgenden Gründen:

Der Begriff der Entschädigung ist im Gesetz nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müssen Zahlungen, um den Begriff der Entschädigung zu erfüllen, an die Stelle weggefallener Einnahmen treten; dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts? oder Billigkeitsgrundlage beruhen. Die Abfindung darf sich nicht als bloße ? ggf. in der Zahlungsmodalität geänderte ? Erfüllung einer Leistung im Rahmen des bisherigen Rechtsverhältnisses darstellen. Eine die Anwendung des § 24 Nr. 1a) in Verbindung mit § 34 Abs. 1 EStG rechtfertigende Entschädigung ist nicht gegeben, wenn unter Fortsetzung der Einkünfteerzielung im Rahmen des bisherigen Arbeitsverhältnisses ein bestehender Anspruch durch den Arbeitgeber abgegolten wird, wobei die Ablösung ebenso auf einer Vertragsänderung wie auf einem vertragsrechtlichen Schadensersatzanspruch beruhen kann. Eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) in Verbindung mit § 34 Abs. 1 EStG setzt voraus, dass das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis beendet wird (deshalb ist die im Jahre 1997 erbrachte Leistung der B GmbH auch als Entschädigung in diesem Sinne anerkannt worden). Ereignisse, die den Einkunftserzielungstatbestand nicht in seinem Bestand berühren, führen nicht zu einer Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG (BFH-Urteil vom 10. Oktober 2001 XI R 54/00, BStBl II 2002, 181, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).

Im Streitfall hatte der Kläger aufgrund des Vertrages vom 19. Dezember 1989 bei einem Ausscheiden bei R das Recht von der B GmbH zu angemessenen Bedingungen (entsprechend seinem bisherigen Vertrag) wieder angestellt zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 30. November 1994 entschieden, dass der Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 19. Dezember 1989 einen klagbaren Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages nach Maßgabe dieser Zusage unter Einbeziehung seines bisherigen Arbeitsvertrages vom 10./18. Dezember 1987 habe. Der Kläger brauche sich nicht auf Schadensersatzansprüche verweisen zu lassen. Bereits daraus folgt, dass durch die Entscheidungen der Arbeitsgerichte dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zugesprochen wurde, er vielmehr einen Anspruch auf Wiedereinstellung mit den entsprechenden Gehaltsforderungen hatte. Dementsprechend hat das Arbeitsgericht in seinem Schlussurteil vom 21. Dezember 1995 auch entschieden, dass der Kläger keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt hat, sondern den reinen Verspätungsschaden, der dadurch entstanden ist, dass die B GmbH ihr Leistungsbestimmungsrecht nicht ausübte und die Wiedereinstellung des Klägers verzögerte. Diesen Verzugsschaden kann der Kläger nach § 286 BGB verlangen. Der Kläger ist nach dem Urteil so zu stellen, als wäre er zum 10. November 1992 wieder eingestellt worden (§ 249 BGB). Dann hätte er wieder die ursprüngliche Vergütung erhalten.

Aus diesen Ausführungen und den Berechnungen der Vergütungen, die der Kläger bei Durchführung des Arbeitsvertrags erhalten hätte, im Endurteil des Arbeitsgerichts ergibt sich, dass dem Kläger kein Schadensersatz für die Nichtbeschäftigung, sondern ein Anspruch auf Zahlung seiner Vergütungen zugesprochen wurde. Rechtsgrund für die Zuerkennung des Anspruchs war die Vereinbarung vom 19. Dezember 1989 und keine neue Rechts? oder Billigkeitsgrundlage, wie sie von der Rechtsprechung für die Anerkennung einer Entschädigung verlangt wird.

Die Tatsache, dass im Streitfall vom 10. November 1992 bis zum 17. April 1995 kein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, hat für die rechtliche Beurteilung keine Bedeutung. Insofern ist den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zwar zuzustimmen, dass sich der Sachverhalt im Streitfall von dem in der mündlichen Verhandlung diskutierten BFH-Urteil vom 16. März 1993 XI R 52/88, BStBl II 1993, 507, unterscheidet, weil dort vom Arbeitsgericht ein bestehendes Arbeitsverhältnis angenommen wurde. Jedoch ist im Streitfall wesentlich, dass dem Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 19. Dezember 1989 die Zahlung des Arbeitsentgeltes zugesprochen wurde, wenn auch in der Form des Verzugsschadens. Die Einnahmen sind dem Kläger nicht im Sinne des § 24 Nr. 1a) EStG entgangen, vielmehr sind sie ihm nur bis zur gerichtlichen Entscheidung bzw. der zu erwartenden Entscheidung vorenthalten worden. Das Arbeitsgericht hat aufgrund des Arbeitsvertrags in der Gestalt der Vereinbarung vom 19. Dezember 1989 die arbeitsvertraglichen Rechte des Klägers durchgesetzt. Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte im Streitfall stellen keine neue Rechtsgrundlage im Sinne des Entschädigungsbegriffs dar, sondern konkretisieren die Ansprüche des Klägers aufgrund der bestehenden Rechtslage.

Daran ändert auch der Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung nichts, dass nämlich die Zahlung der B GmbH nicht in der ihm eigentlich zustehenden Höhe erfolgt sei. Abgesehen davon, dass sich der Kläger später im Vergleich mit der Höhe der Zahlung einverstanden erklärt hat, bleibt die im Vergleich mit dem späteren Urteil des Arbeitsgerichts verminderte Zahlung der Rechtsnatur des Betrags nach eine Arbeitslohnzahlung im Verzug. Denn die Beklagte des Arbeitsgerichtsprozesses kann es nicht in der Hand haben, durch unvollständige Zahlungen die steuerrechtliche Bewertung zu ändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zuzulassen, da die Rechtssache zum einen grundsätzliche Bedeutung hat, weil die Fallgestaltung des Streitfalles noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, zum anderen, weil eine Revisionsentscheidung der Fortbildung des Rechts dient.

RechtsgebietEStGVorschriften§§ 24, 34 EStG

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