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01.06.2005 · IWW-Abrufnummer 051478

Landgericht Meiningen: Beschluss vom 09.02.2005 – 2 Qs 244/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 2 Qs 244/04- LG
511 Js 2392/04- 1 Cs AG

LANDGERICHT MEININGEN

BESCHLUSS

In der Strafsache XXX

hat die 2. Strafkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts XXX durch XXX am 07.02.2005
beschlossen:

1. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 06.12.2004 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

GRUNDE:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht XXX den Erlass des von der Staatsanwaltschaft XXX am 18.10.2004 beantragten Strafbefehl gegen den Angeschuldigten abgelehnt. Im beantragten Strafbefehl wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten vor, im Zeitraum vom 28.11.2003 bis Ende Dezember 2003 in fünf Fällen eine Beleidigung begangen zu haben. Er soll unter Ausnutzung seiner Stellung als Bürgermeister der Stadt XXX wiederholt die Ehre der Angestellten XXX missachtet haben, indem er diese unsittlich am Oberschenkel, Gesäß und Rücken anfaßte und mit Telefonanrufen belästigte.

Im Ermittlungsverfahren unterbreitete die Staatsanwaltschaft XXX dem Angeschuldigten unter dem 10.06.2004 eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 2000,00 ? an den Weißen Ring Thüringen. Nachdem der Angeschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21.06.2004 dieser Verfahrensweise zustimmte, wurde er nochmals förmlich aufgefordert der Verfahrensweise bis 30.07.2004 zuzustimmen. Zugleich wurde eine Frist zur Erfüllung der Geldauflage bis zum 15.08.2004 bestimmt. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15.07.2004, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft XXX am 22.07.2004, stimmte der Angeschuldigte der vereinfachten Verfahrenserledigung zu.

Durch eine Presseerklärung seines Verteidigers vom 21.07.2004 ließ der Angeschuldigte verlauten, dass die gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren sämtlich eingestellt wurden. Dazu gehört auch das von einer ehemaligen Mitarbeiterin eingeleitete Verfahren wegen angeblicher Beleidigung. Er sei sich stets sicher gewesen, dass ihm keinerlei Vorwurf gemacht werden könne. Das Verfahrensergebnis bestätige ihn ausdrücklich in dieser Auffassung. Der Einstellung habe er lediglich auf ausdrückliches Drängen seiner Familie zugestimmt, da dieser die Verfahrensumstände nicht weiter hätten zugemutet werden können. Er persönlich hätte eine Klarstellung bevorzugt. In diesem Sinne wurde der Angeschuldigte in der Folge auch von der örtlichen Presse zitiert. Darüber hinaus wurde von dem Angeschuldigten gegenüber der Presse geäußert, dass ?hinter der ehemaligen Mitarbeiterin, die mich beschuldigt hat, Leute stecken, die sie gelenkt haben".

Der leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft XXX sah mit diesen Äußerungen des Angeschuldigten die Grundlage für die vereinbarte Verfahrensweise nach § 153 a StPO entzogen. Er teilte daraufhin dem Angeschuldigten am 23.07.2004 gegen 14.00 Uhr telefonisch mit, dass das Angebot zur Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft zurückgezogen werde.

Die Geldauflage wurde von dem Angeschuldigten am 23.07.2004 vollständig gezahlt. Der genaue Zeitpunkt der Zahlung konnte nicht mehr festgestellt werden.

Das Amtsgericht XXX hat die Ablehnung des Erlasses des beantragten Strafbefehls damit begründet, dass durch die erfolgte Verfahrenseinstellung spätestens am 28.07.2004, dem Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des begünstigten Vereins, ein endgültiger Strafklageverbrauch eingetreten sei. Die Staatsanwaltschaft sei nicht berechtigt gewesen, ihr Zustimmung zu der Verfahrensweise nach § 153 a StPO zu widerrufen.

Gegen den Beschluss hat die Staatsanwaltschaft XXX form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Begründend führt sie aus, dass durch die Zahlung des Geldbetrages kein Verfahrenshindernis gemäß § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO entstanden sei, da seitens der Staatsanwaltschaft die Zustimmung zu dieser Verfahrensweise zuvor wirksam widerrufen worden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung der Staatsanwaltschaft XXX vom 13.12.2004 Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht festgestellt, dass durch die vollständige Zahlung der Geldbuße ein endgültiges Verfahrenshindernis in Form eines beschränkten Strafklageverbrauchs entstanden ist (§ 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO). Diese Wirkung konnte die Staatsanwaltschaft nicht durch den einseitigen Widerruf ihrer Zustimmung zur Verfahrenseinstellung entfallen lassen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut tritt die Sperrwirkung mit der vollständigen Erfüllung der Auflage und Weisung ein. Eine Weiterverfolgung der Tat als Vergehen ist damit ausgeschlossen. Vorliegend konnte nicht abschließend geklärt werden, ob der Angeschuldigte die Auflage bereits vor dem telefonischen Widerruf der Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft erfüllt hatte. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Nach herrschender Meinung tritt bereits vor der vollständigen Auflagenerfüllung eine bedingte Sperrwirkung ein, sobald die Staatsanwaltschaft oder das Gericht dem Beschuldigten konkrete Auflagen nach § 153 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 StPO erteilt und der Beschuldigte diesen zugestimmt hat. Diese bedingte Sperrwirkung entspricht grundsätzlich der endgültigen mit der einzigen Ausnahme, dass offenbleibt, ob sie wegen Nichterfüllung der Auflagen und Weisungen wieder wegfällt. Das Verfahren kann während der Schwebezeit nur fortgesetzt werden, wenn sich die Tat nunmehr als Verbrechen darstellt oder der Beschuldigte der Auflagenerfüllung nicht nachkommt (vgl. LR - Beulke § 153 a Rn. 91 ff.). Darüber hinaus sieht die Vorschrift ein einseitiges Widerrufsrecht der Staatsanwaltschaft nicht vor. Diese ist vielmehr durch die Entscheidung zur Verfahrenseinstellung eine Selbstbindung eingegangen. Hat die Staatsanwaltschaft einmal den Weg der vorläufigen Einstellung beschritten, hat sie damit zugleich verbindlich entschieden, dass die Voraussetzungen des § 153 a StPO für die zu entscheidende Fallkonstellation vorliegen. Mit dieser Bindungswirkung korrespondiert auf Seiten des Beschuldigten ein Vertrauensschutz. Dieser geht dahin, dass er auf die von ihm akzeptierte ?Verfahrenserledigung" vertrauen darf (vgl. Meyer-Goßner, 47 Auflage, § 153 a Rn. 38). Dieser Vertrauensschutz des Angeschuldigten ist vorliegend - entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft - nicht dadurch entfallen, dass er durch nachträgliche Äußerungen gegenüber der Presse seine Schuld leugnet. Mit einer Einstellung nach § 153a StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht. Eine Einstellung nach § 153 a StPO setzt keinen Nachweis der Tat des Angeklagten, dessen Geständnis oder gar seine Schuldeinsicht voraus. Ein solches Geständnis hat der Angeschuldigte auch zu keinem Zeitpunkt abgegeben. Ebensowenig war sein Prozeßverhalten von Schuldeinsicht geprägt. Vielmehr hat er von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich nicht zur Sache einzulassen. Gleichwohl hat die Staatsanwaltschaft Meiningen die Voraussetzungen des § 153 a StPO als gegeben angesehen. Die von dem Angeschuldigten nunmehr gegenüber der Presse abgegebenen Erklärungen können somit keinen so schwerwiegenden Verstoß darstellen, der ein Festhalten an der Einstellungsverfügung schlecht hin undenkbar macht. Der Angeklagte hat sein Prozeßverhalten nicht wesentlich geändert, sondern weiterhin von seinem Grundrecht der Unschuldsvermutung Gebrauch gemacht.

Soweit die Staatsanwaltschaft dem Angeschuldigten den Vertrauensschutz versagen will, da er die Geschädigte möglicherweise zum zweiten Mal in der Öffentlichkeit zum Opfer gemacht hat, indem er dieser eine (strafbare) falsche Verdächtigung unterstellt habe, führt dies ebenfalls nicht zu einem Wegfall des Vertrauensschutzes. Soweit der Angeschuldigte hierdurch (erneut) eine Straftat, nämlich seinerseits eine falsche Verdächtigung, ausgesprochen hat, ist die Staatsanwaltschaft dazu berufen, ein erneutes Ermittlungsverfahren einzuleiten. Keinesfalls kann dieses Vorgehen durch das Wiederaufgreifen des alten Verfahrens sanktioniert werden.

Darüber hinaus ist überhaupt fraglich, ob Äußerungen des Beschuldigten bzgl. der Tat nach der zunächst erfolgten vorläufigen Verfahrenseinstellung ein Widerrufsrecht der Staatsanwaltschaft begründen können. Insoweit läge es allein im Ermessen der Staatsanwaltschaft, welche Erklärungen des Beschuldigten nach einer Verfahrenseinstellung als so ?verwerflich" anzusehen sind, dass dadurch der Vertauensschutz aufgehoben wird. Da eine entsprechende gesetzliche Fixierung fehlt, welche dem Beschuldigten eine klare Orientierung für sein Handeln erlaubt, würde ein solcher - im Umfang allein von der Staatsanwaltschaft bestimmter - Widerrufsgrund gegen das gesetzliche Bestimmtheitsgebot verstoßen (Art. 103 II GG; Art. 7 MRK).

Ein Widerruf der Verfahrenseinstellung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, die Ermittlungen zugunsten des Angeschuldigten fortzuführen, da dieser gegenüber der Presse von falschen Anschuldigungen gegen seine Person sprach. Wäre dies zulässig, müsste das Verfahren möglicherweise nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden, wenn sich nach weiteren Ermittlungen herausstellen würde, dass kein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Dies würde jedoch dazu führen, dass der durch die Auflagenerfüllung erreichte Schutz vor weiterer Strafverfolgung verloren gehen würde, da der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine Sperrwirkung zukommt. Insoweit muss es aber in der Hand des Angeschuldigten verbleiben, die Fortführung des Verfahrens zu veranlassen, soweit er (weiterhin) von seiner Unschuld ausgeht.

Da somit die Staatsanwaltschaft die vorläufige Verfahrenseinstellung nicht wirksam widerrufen konnte, trat mit Zahlung der Geldbuße durch den Angeschuldigten ein endgültiges Verfahrenshindernis ein. Das Amtsgericht XXX hat daher zu Recht den Erlass des Strafbefehls abgelehnt.

RechtsgebieteGG, MRK, StPOVorschriftenArt. 103 Abs. 2 GG, Art. 7 MRK, § 153a Abs. 1 StPO, § 170 Abs. 2

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