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24.06.2005 · IWW-Abrufnummer 051803

Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 20.04.2005 – 6 U 93/04

1. Die vollständige Erbringung der Leistungsphasen 2 und 3 umfasst auch die Leistungsphase 1, weil diese einen notwendig vorangehenden Entwicklungsschritt darstellt. Eine abweichende, vertragliche Regelung ist wegen Unterschreitung des Mindestsatzes unwirksam.


2. Beanstandet der Prüfingenieur die Statik, dann ist diese noch nicht allein deshalb mangelhaft. Bestätigen sich die Beanstandungen des Prüfingenieurs später nicht, denn trifft das Risiko den Bauherrn, wenn er verwertbare Leistungen des Statikers nicht verwertet, sondern einen Dritten mit der Erstellung der Statik beauftragt.

OLG Naumburg, Urteil vom 20.04.2005 - 6 U 93/04


In dem Rechtsstreit

....

hat der 6. Zivilsenat dis Oberlandesgerichts Nauenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####, und die Richter am Oberlandesgericht #### und #### die mündliche Verhandlung vom 23. März 2005 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 16.06.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg - 8 (5) O 2916/00 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 62.498,45 Euro nebst 8,5 % Zinsen seit dem 19. Juli 2000 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. I

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen,

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf 62.498,45 Euro Vergütung für Tragwerksplanungsleistungen nach § 64 HOAI, Leistungsphasen 1-4, in Anspruch (Bl. 67 f. I). Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Der vom Landgericht Beauftragte Sachverständige #### hat festgestellt, dass die Kläger die Leistungsphase 2 und 3 voll und die Leistungsphase 4 zumindest in Höhe der abgerechneten 20 % erbracht haben (Bl. 58 II, 36 III), wobei er angemerkt hat, dass die einzelnen Leistungsphasen aufeinander aufbauen, sodass bei nachgewiesener Erbringung einer späteren Leistungsphase auch die frühere erbracht worden seit müsse (Bl. 56 II).

Mit am 16.06.2004 verkündetem Urteil hat das Landgericht der Klage hinsichtlich der Leistungsphasen 2 und i.H.v. 36.220,92 Euro stattgegeben und sie im Übrigen mit folgender Begründung abgewiesen: Die Leistungsphase 1 sei nicht Vertragsinhalt gewesen. Die Leistungsphase 4 sei unvollständig erbracht und von der Beklagten nicht verwertet worden. Dabei sei unerheblich, das die Beklagte die Baugenehmigung (unter Auflagen) erhalten habe.

Mit ihrer Berufung wollen die Kläger eine Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der Leistungsphasen 1 und 4 erreichen. Sie tragen vor, dass nach ständiger Rechtsprechung die Erbringung späterer Leistungsphasen die Erbringung vorangegangener Leistungsphasen beinhalte und ein Verzicht auf eine diesbezügliche Vergütung zu einer rechtlich unzulässigen Mindestsatzunterschreitung führe.

Die Kläger beantragen,

das am 16. Juni 2004 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger über die bereits zugesprochenen 26.220,92 EUR nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 19. Juli 2000 hinaus weitere 36.277,53 EUR nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 19. Juli 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Hinweis auf die klare Vertragsregelung das erstinstanzliche Urteil.

In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. April 2005 hat sie dem Prüfstatiker Dipl.-Ing. #### den Streit verkündet und die Zulassung der Revision beantragt.

II.

Die zulässige Berufung ist aus § 631 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. § 62 ff HOAI in vollem Umfang begründet.

Für die Beurteilung des Sachverhaltes sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden, weil das Schuldverhältnis vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes entstanden ist.

1. Die Kläger haben Anspruch auf Vergütung der Leistungsphase 1.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ####, in dessen Gutachten vom 26.09.2002 haben sie die Leistungsphasen 2 und 3 vollständig erbracht (Bl. 58 Bd. II). Dies umfasste auch die Leistungsphase 1, weil diese einen notwendig vorausgehenden Entwicklungsschritt darstellte.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Leistungsphase 1 von einem Dritten erbracht worden wäre und das Planungsergebnis hieraus den Klägern zur Verfügung gestanden hätte (vgl. zulegt OLG Düsseldorf, BauR 2000, 916 f m.w.N.). Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Leistungsphase 1 nach dem ausdrücklichen Vertragswortlaut (Bl. 22 I) nicht beauftragt worden sei, denn insoweit handelt es sich um eine nach § 4 Abs. 2 HOAI unwirksame versteckte Mindestsatzunterschreitung (vgl. Locher, BauR 1986, 643, 646).

2. Die Kläger haben auch Anspruch auf Vergütung ihrer Planungsleistungen nach der Leistungsphase 4 entsprechend ihrer Schlussrechnung vom 31.05.2000 (Bl. 67 f Bd. I).
Ob sich die Beklagte wirksam vom Vertrag gelöst hat oder nicht, spielt hinsichtlich der bereits erbrachten Leistungen keine Rolle (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 309). Es erscheint angesichts des Vortrags der Beklagten (Bl. 130 f I), dass sie die Baugenehmigung mit der Auflage, eine geprüfte Statik vorzulegen, Ende Mai 2000 erhalten habe, bereits fraglich, ob die klägerische (Gesamt-) Leistung mit einem wesentlichen Mangel behaftet war. Dies kann jedoch dahinstehen; denn eine die Vertragsbeendigung möglicherweise rechtfertigende Unvollständigkeit der Planung berührt die Vergütungspflicht für die bis dahin ordnungsgemäß erbrachten (Teil-) Leistungen jedenfalls nicht.

Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass eine Tragwerksplanung, die der Prüfstatiker - egal aus welchen Gründen - nicht bestätigte, grundsätzlich als mangelhaft anzusehen wäre, da sie nicht genehmigungsfähig sei, trifft im Übrigen nicht zu.
Geschuldet ist nur eine nach objektiven Kriterien genehmigungsfähige Planung, nicht aber eine genehmigte Planung. Beanstandet der Prüfstatiker die Tragwerksplanung, weil er überspannte oder gar falsche Anforderungen stellt, wird dadurch die Leistung des Planers nicht mangelhaft. Zwar gerät der Bauherr zugegebenermaßen hierdurch in eine schwierige Situation. Aber ihm fehlt selbst die Sachkenntnis, um die Güte der Planung beurteilen zu können. Außerdem ist er auf die Erteilung der Baugenehmigung angewiesen, die eine geprüfte Statik in der Regel voraussetzt. Insoweit mögen Beanstandungen des Prüfstatikers durchaus zunächst ein Indiz für eine mangelhafte Planung sein. Andererseits ist der Prüfstatiker nicht Erfüllungsgehilfe des Planers, da die Prüfung der Planung nicht zu seinen Pflichten gehört. Bestätigen sich die Beanstandungen des Prüfstatikers - wie hier - im Prozess nicht, trifft dieses Risiko deshalb allein den Bauherren.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen #### dessen Gutachten vom 26.06.2003 und 12.12.2003 haben die Kläger zumindest die abgerechneten 20 % der Leistungsphase 4 erbracht (Bl. 130 II, 36 III). insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte die Leistungen der Kläger verwertet hat, sondern ob diese verwertbar waren. Daran hat der Senat angesichts der Ausführungen des Sachverständigen keine Zweifel. Wenn die im Nachhinein beauftragten Tragwerksplaner die Leistungsphase 4 insgesamt neu erbringen mussten, weil die Beklagte ihnen die Arbeitsergebnisse der Kläger nicht zur Verfügung gestellt hat, geht die damit verbundene Kostensteigerung allein zu Lasten der Beklagten.

Die Schlussrechnung der Beklagten vom 31.05.2000 (Bl. 67 f I) ist daher nicht zu beanstanden, sodass den Klägern der darin ausgewiesene Betrag i.H.v. insgesamt 122.236,34 DM = 62.498,45 Euro zusteht.

III.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 4. April 2005 bot keinen Anlass die Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

Der Zinsanspruch folgt als §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 2 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht gegeben sind.

RechtsgebieteBGB, HOAIVorschriftenBGB § 631; HOAI §§ 62 ff

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