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29.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053583

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 17.11.2005 – 3 K 2908/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Im Namen des Volkes

URTEIL

Az: 3 K 2908/03

In dem Finanzrechtsstreit

- Kläger -

Prozessbevollmächtigter: Steuerberater

gegen

Finanzamt

- Beklagter -

wegen Umsatzsteuer 2000

hat der 3. Senat unter Mitwirkung XXX

ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 17. November 2005 für Recht erkannt:

I. Die Umsatzsteuer 2000 wird in Abänderung des Umsatzsteuerbescheides 2000 vom 10. September 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2003 auf - 312.448 DM festgesetzt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

V. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Rechtsmittelbelehrung XXX

T a t b e s t a n d

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Lieferungen von nicht fahrbereiten Fahrzeugen in das Drittlandsgebiet von der Umsatzsteuer befreit sind oder ob es sich um nicht steuerbefreite Ausrüstungsgegenstände für Beförderungsmittel handelt.

Der Kläger betreibt in Form eines Einzelunternehmens den Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen und Unfallwagen.

Am 30. Januar 2001 wurde bei dem Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das erste bis dritte Quartal 2000 durch den Beklagten (das Finanzamt - FA -) durchgeführt. Die Prüferin nahm in ihrem Bericht vom 8. Februar 2002 eine Umsatzsteuer-Nachforderung über 54.675,86 DM an, da sie davon ausging, dass der Kläger Ausrüstungsgegenstände für Beförderungsmittel zu Unrecht umsatzsteuerfrei ausgeführt habe. Im einzelnen wurde festgestellt, dass der Kläger in erheblichem Umfang gebrauchte Kraftfahrzeuge (Kfz) angekauft hatte und diese, auf mehrere Kaufverträge verteilt, nach Polen verkauft hatte. Die Kfz verkaufte er an Personen, deren Unternehmereigenschaft nicht nachgewiesen ist. Der Kläger ließ jedoch regelmäßig ein bis zwei Teile des Kfz - in den meisten Fällen die Vorder- und Rücksitze, die Türverkleidung oder die Teppiche - ausbauen und veräußerte sie an eine polnische Firma, deren Unternehmereigenschaft nachgewiesen ist. Die Verkäufe des jeweiligen Fahrzeugs und der ausgebauten Einzelteile durch den Kläger erfolgten in jedem Fall am gleichen Tag. Auf die Feststellungen der Prüfung wird Bezug genommen (Bl. 173 bis 176, 245 f, 291 bis 293 der Handakte der Prüfung). Die ausgelieferten Fahrzeuge wurden in Polen nach dem Einbau fehlender Teile wieder in Betrieb genommen.
Das FA setzte am 10. September 2002 die Umsatzsteuer 2000 auf - 245.524 DM fest. Für erklärte Umsätze von 485.200 DM lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vor. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. September 2002 Einspruch ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2003 half das FA dem Einspruch zum Teil wegen Doppelerfassung von Umsätzen in Höhe von 44.400 DM ab. Die Umsatzsteuer 2000 wurde auf - 251.648 ? festgesetzt; im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Das FA hielt daran fest, dass Umsätze aus Lieferungen nach Polen nicht als steuerfreie Ausfuhrlieferungen anerkannt werden könnten. Auf die Begründung der Einspruchsentscheidung wird Bezug genommen. Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sächsischen Finanzgericht erhoben.

Er trägt vor, dass keine Abhollieferung, sondern ein Beförderungs- bzw. Versendungsfall vorliege, da die Gebrauchtwagen durch polnische Transportunternehmen in das Außengebiet transportiert worden seien. Aus dem vorgelegten Einheitspapier des Zolls ergebe sich, dass das Fahrzeug durch den Kläger in das Ausland verbracht wurde. Aus der Tatsache, dass der Kläger in dem Papier als Versender bzw. Ausführer angegeben sei, ergebe sich auch, dass die Verfügungsmacht noch bei ihm gelegen habe und nicht bereits auf den Leistungsempfänger übergegangen sei. Unerheblich sei auch, dass die Fahrzeuge vor ihrer Ausfuhr in Deutschland abgemeldet worden seien, da diese Abmeldung nur das Straßenverkehrsrecht, nicht das UStG betreffe.

Gegenstand der Lieferung sei ein Kraftfahrzeug und kein Gegenstand, der zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels diene, gewesen, deshalb komme die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht in Betracht. Der Kläger habe in Deutschland gebrauchte Fahrzeuge, bei denen es sich zum Teil um Unfallfahrzeuge gehandelt habe, aufgekauft und diese in der Regel an polnische Privatpersonen weiterverkauft. Vor der Veräußerung habe der Kläger in Einzelfällen Teile wie Türverkleidungen, Teppiche, Deckenleuchten und Stoßstangen ausgebaut und entweder verschrottet oder an andere Abnehmer verkauft. In jedem Fall habe es sich bei den veräußerten Gegenständen um Kraftfahrzeuge gehandelt, was sich auch daraus ergebe, dass sie in Polen von den jeweiligen Abnehmern wieder zugelassen und weiterbetrieben und nicht ?ausgeschlachtet? worden seien. Es sei unzutreffend, dass die veräußerten Fahrzeuge zum Teil nicht mehr fahrbereit gewesen seien. Selbst wenn das im Einzelfall so gewesen sein sollte, bleibe ein Fahrzeug auch dann ein Fahrzeug, wenn es nicht mehr fahrtüchtig sei. Darüber hinaus wäre ein nicht mehr fahrtüchtiges Fahrzeug, dem die Eigenschaft eines Fahrzeugs abgesprochen würde, auch nicht bereits deshalb als Gegenstand zu sehen, der der Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels diene.
Die Definition für ein Beförderungsmittel in Abschnitt 33 Abs. 5 UStRL helfe im Streitfall nicht weiter, da sie nur die Frage betreffe, ob eine steuerbare Vermietung nach § 3 a Abs. 4 Nr. 11 UStG vorliege.

Selbst wenn nach Ansicht des Gerichts keine steuerfreie Ausfuhrlieferung vorliege, lägen die Voraussetzung der Differenzbesteuerung nach § 25 a UStG vor, wonach faktisch keine Umsatzsteuer oder nur eine geringe Umsatzsteuer anfiele. Die durch das FA bestrittene Identität zwischen eingekauftem und verkauftem Gegenstand liege vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 10. September 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2003 abzuändern und auf
- 312.447,75 DM festzusetzen und
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt
die Abweisung der Klage,
hilfsweise die Zulassung der Revision.

Seiner Ansicht nach sind die streitigen Lieferungen nach Polen keine umsatzsteuerfreien Ausfuhren.
Es lägen Abholfälle und keine Fälle einer Beförderung oder Versendung durch den Lieferer vor. Aus den von dem Kläger zitierten Einheitspapieren ergebe sich nichts anderes. Nach Auskunft der Zollbehörde werde in diesen Papieren nur derjenige ausgewiesen, auf dessen Rechnung die Ausfuhr angemeldet worden sei. Die Papiere bestätigten mithin lediglich, dass er zum Zeitpunkt der Anmeldung der Ausfuhr die Verfügungsmacht über die auszuführenden Gegenstände besessen habe. Sie bestätigten jedoch nicht, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Ausfuhr selbst noch die Verfügungsmacht besessen habe sowie die Ausfuhr selbst durchgeführt oder durch beauftragte Dritte habe durchführen lassen. Trotz Aufforderung habe der Kläger auch im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Beauftragung von Transportunternehmen ergebe.

Auch handele es sich bei den gelieferten Gegenständen um Gegenstände zur Ausrüstung von Beförderungsmitteln, die den privaten Zwecken der ausländischen Abnehmer dienten. Auch der Bundesfinanzhof habe entschieden, dass die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen für Fahrzeuge an ausländische Privatkunden nicht steuerfrei sei.

Die dem FA vorliegenden Unterlagen widersprächen der Behauptung des Klägers, er habe nur im Einzelfall und nur unwesentliche Teile vor der Lieferung ins Ausland entfernt. Da die ?ausgeschlachteten? Fahrzeuge nach ihrer Ausfuhr wieder als Fahrzeuge verwendet worden seien, habe es sich um Gegenstände zur Ausrüstung von Beförderungsmitteln gehandelt. Ein Kraftfahrzeug habe in dem Zeitpunkt der Ausfuhr nicht vorgelegen, da ein Kraftfahrzeug nur dann und soweit angenommen werden könne, als dessen Hauptzweck der Beförderung von Personen und Gütern aufgrund seiner tatsächlichen Beschaffenheit erfüllt werde und das Fahrzeug sich auch tatsächlich fortbewegte.

Auch eine Differenzbesteuerung könne nicht zum Tragen kommen. Die erforderliche Identität zwischen den eingekauften und den verkauften Fahrzeugen sei nicht mehr gegeben, wenn zwischenzeitlich wesentliche Teile aus den Fahrzeugen ausgebaut worden seien. Aus diesem Grunde läge nach dem Ausbau ohnehin begrifflich kein Fahrzeug mehr vor.

Mit den Beteiligten wurde am 4. August 2005 ein Erörterungstermin durchgeführt. Die Prüferin des FA hat dort bestätigt, dass dort, wo sie in ihrem Bericht den Vermerk ?i.O.? angebracht habe, ihr die Originalpapiere als Ausfuhrnachweise vorgelegt worden seien. Der Kläger hat erklärt, dass die in dem Bericht genannten Fahrzeuge in der Regel von den polnischen Abnehmern abgeholt worden seien; die zum Teil auch eingesetzten polnischen Speditionen seien zwar von dem Kläger beauftragt, jedoch von den polnischen Abnehmern bezahlt worden. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird Bezug genommen (Bl. 66 f der FG-Akte).

Ergänzend wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, auf alle Protokolle und sonstigen Aktenbestandteile sowie auf die beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

I.
Die streitigen Lieferungen an polnische Privatabnehmer waren steuerfreie Ausfuhrlieferungen.

1. Nach § 4 Satz 1 Nr. 1 a UStG sind Ausfuhrlieferungen von der Umsatzsteuer befreit. In den sogenannten Abholfällen liegt eine Ausfuhrlieferung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG vor, wenn der ausländische Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat.

Diese Voraussetzungen sind für den Streitfall anzunehmen, da die Lieferungen tatsächlich nach Polen ausgeführt wurden, das im Streitjahr 2000 - also noch vor dem Beitritt Polens zu den Europäischen Gemeinschaften am 1. Mai 2004 - Drittlandsgebiet war (§ 1 Abs. 2 a Satz 3 UStG). Weiterhin muss - auch nach Mitteilung des Klägers im Erörterungstermin - angenommen werden, dass die Gegenstände entweder von den polnischen Abnehmern in Deutschland abgeholt oder auf deren Rechnung durch einen Spediteur dorthin verbracht wurden. Bei den Abnehmern handelte es sich wegen deren Wohnortes im Drittlandsgebiet auch um ausländischen Abnehmer im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG. Auch die weitere grundlegende Voraussetzung, dass die Lieferung in Deutschland steuerbar ist, liegt im Streitfall vor, da Leistungsort für die gelieferten Gegenstände nach § 3 Abs. 6 UStG der Ort ist, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer beginnt. Dies geschah in jedem Fall bei dem Kläger, also in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Buch- und Belegnachweis für eine Ausfuhrlieferung war von der Aussenprüfung geprüft und bei den verfahrensgegenständlichen Lieferungen nicht beanstandet worden, sodass von deren Vorliegen auszugehen war.

2. Auch die weitere, negative Voraussetzung einer umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferung an einen Nichtunternehmer, dass es sich bei dem Gegenstand der Lieferung nicht um einen solchen handelt, der zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt ist (§ 6 Abs. 3 UStG), liegt im Streitfall vor.

a) In Bezug auf die von dem Kläger vor der Ausfuhr ausbauten Autoteile (Sitze etc.) kann eine Eigenschaft als Ausrüstungsgegenstand ohne weiteres angenommen werden, die Umsatzsteuerfreiheit wurde jedoch dadurch hergestellt, dass der Kläger diese Teile an eine Person veräußert hat, deren Eigenschaft als solcher Unternehmer er nachgewiesen hat, von dem man auch die Verwendung von Beförderungsmitteln zu unternehmerischen Zwecken erwarten konnte (Kfz-Werkstätten und Import-Export Firmen). Die Umsatzsteuerfreiheit dieser Gegenstände wurde auch nicht von der Außenprüfung beanstandet und ist daher nicht verfahrensgegenständlich.

b) Es kommt für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit der Ausfuhr darauf an, ob das gelieferte, in der Regel ?sitzlose?, Fahrzeug einen Gegenstand zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels im Sinne von § 6 Abs. 3 UStG darstellt. Der Bundesfinanzhof hat - soweit ersichtlich - bisher nicht zur Frage der Auslegung des Begriffs des Gegenstands der Ausrüstung eines Beförderungsmittels Stellung genommen. In der Entscheidung vom 30. September 1999 (V R 77/98, BStBl II 2000, 14) wurde bei einem Ölwechsel anläßlich einer Kfz-Inspektion eine sonstige Leistung angenommen, sodass keine weiteren Ausführungen zur Frage, ob das verwendete Motoröl eine Lieferung zur Ausrüstung oder Versorgung des Beförderungsmittels darstellte, erforderlich waren. Die Finanzverwaltung fasst unter die Gegenstände zur Ausrüstung eines privaten Kraftfahrzeugs alle Kraftfahrzeugteile einschließlich Kraftfahrzeug-Ersatzteile und Kraftfahrzeug-Zubehörteile (Umsatzsteuer-Richtlinien Abschn. 130 Abs. 1 Satz 2).

In der steuerlichen Literatur werden Gegenstände zur Ausrüstung eines Beförderungsmittels als alle dem Betrieb dienenden Teile, Ersatzteile und Zubehörteile beschrieben,
- die zum Gebrauch mitgeführten beweglichen Gegenstände (Warnlampe, Warndreieck, Abschleppseil, Planen, Werkzeuge u.ä.),
- die in ein Beförderungsmittel nicht fest eingebauten Ausrüstungsgegenstände (z.B. Dachgepäckträger, Schonbezüge), sowie
- Gegenstände, die in ein Beförderungsmittel eingebaut werden sollen oder die zum Ersatz von Teilen oder zur Reparatur eines Beförderungsmittels bestimmt sind (z.B. Nebelleuchte, Spoiler, Reservereifen oder eine nicht montierte Stoßstange; siehe Husmann in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, § 6 Rdnr. 120 UStG, vgl. auch Westenberger in Offerhaus/Söhn/Lange, § 6 Rdnr. 50 UStG).

Der Regierungsentwurf dieser Vorschrift führt zur Begründung der Regelung an: ?Sie [Die neue Regelung] betrifft die Lieferung von Gegenständen, mit denen ausländische Abnehmer ihre privaten Beförderungsmittel (z.B. private Kraftfahrzeuge, Sport- und Vergnügungsboote) im Inland ausrüsten oder versorgen. Um einen unversteuerten Letztverbrauch zu vermeiden und um die Lieferungen an inländische und ausländische Abnehmer gleich zu behandeln, ist in diesen Fällen die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen künftig ausgeschlossen? (Begründung des Regierungsentwurfs vom 15. März 1978, Bundesrats-Drucksache 145/78, Bundestags-Drucksache 8/1779, zitiert nach Plückebaum/Malitzky, UStG, Band I/2 D 30, S. 19).

Im allgemeinen Sprachgebrauch steht das Wort ?Ausrüstung? für die Gesamtheit der Gegenstände, mit denen jemand für einen bestimmten Zweck ausgestattet ist (Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bänden, 1987).

Das europäische Gemeinschaftsrecht schließlich gibt aufgrund der teilweisen Harmonisierung auf dem Gebiet der indirekten Steuern im Binnenmarkt zu dieser Frage in der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der Richtlinie 77/388/EWG in Art. 15 Folgendes vor:
?Art. 15 Steuerbefreiungen bei Ausfuhren nach einem Drittland, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen
Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:
(...)

2. Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, mit Ausnahme der vom Abnehmer selbst beförderten Gegenstände zur Ausrüstung oder Versorgung von Sportbooten und Sportflugzeugen sowie von sonstigen Beförderungsmitteln, die privaten Zwecken dienen. (...)?

c) Nach den genannten Grundsätzen waren im Streitfall bei der Lieferung der verfahrensgegenständlichen ?Restfahrzeuge?, denen in aller Regel die Sitze fehlten, keine Ausrüstungsgegenstände anzunehmen.

Bei den ausgeführten ?Restfahrzeugen? handelt es sich zunächst nicht um lose mitgeführte Ersatz- oder Zubehörteile eines Fahrzeugs, die unabhängig von dem Kfz, das für eine Ausfuhr abgemeldet werden muss, um den erforderlichen Ausfuhrbeleg zu erhalten (vgl. BMF vom 5. Dezember 1991 IV A 3-S 7131-40/91), aus- und gegebenenfalls wieder nach Deutschland eingeführt werden könnten und damit - unbemerkt - umsatzsteuerfrei im Inland zirkulieren könnten. Es handelt sich bei den ausgeführten ?Restfahrzeugen? vielmehr um das Beförderungsmittel selbst, auf das sich Ausrüstungsgegenstände lediglich beziehen können. Die von der gesetzlichen Regelung erfassten Ausrüstungsgegenstände können also lediglich solche Sachen sein, die einem Fahrzeug als untergeordneter Bestandteil oder als Zubehör zugeordnet werden können, nicht das Beförderungsmittel selbst.

Unschädlich ist hierbei, dass die ausgeführten ?Restfahrzeuge? wegen des Ausbaus von Sitzen und anderen Teilen zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung bzw. der Ausfuhr nicht fahrbereit waren. Ein Fahrzeug wird nicht schon dadurch zum Ausrüstungsgegenstand eines Fahrzeugs, dass es (derzeit) nicht fahrbereit ist. Anderenfalls müsste eine Kfz mit einer Reifenpanne, das von einer Privatperson eines Drittstaates in Deutschland abgeholt wird, als Ausrüstungsgegenstand eines Beförderungsmittels umsatzversteuert werden - ein offensichtlich nicht von dem Gesetzgeber beabsichtigtes Ergebnis, da die Gefahr eines unversteuerten Letztverbrauchs nicht besteht. Entgegen der Ansicht des FA kann die Entscheidung der Frage, ob ein gelieferter Gegenstand einen Ausrüstungsgegenstand für ein Beförderungsmittel darstellt, also nicht danach getroffen werden, ob der zu untersuchende Gegenstand sich tatsächlich fortzubewegen vermag. Diese - das Finanzgericht als lediglich normenkonkretisierende Verwaltungsvorschrift ohnehin nicht bindende - Begriffsbestimmung aus Abschnitt 33 a Abs. 2 Satz 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 betrifft die Frage des Ortes der sonstigen Leistung, konkret die Frage, ob der Ort der sonstigen Leistung bei der Vermietung von Beförderungsmitteln der Sitz des Vermieters oder des Mieters sein soll (§ 3 a Abs. 4 Nr. 11 UStG). Diese Frage betrifft den Ort der sonstigen Leistung und damit letztlich die Frage der internationalen Besteuerungshoheit über den Umsatz; sie hat mit der verfahrensgegenständlichen Abgrenzung der Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen nichts zu tun.

Ein Ausrüstungsgegenstand könnte gegebenenfalls dann anzunehmen sein, wenn das Fahrzeug in Deutschland so weit zerlegt würde, dass von dem gelieferten Gegenstand nicht mehr gesagt werden könnte, dass er wieder seinem Zweck, als Fortbewegungsmittel zu fungieren, zugeführt werde, oder der Gegenstand nach Hinzufügen der erforderlichen Teile zwar wieder fahrbereit wäre, aber ein anderes Fahrzeug darstellte. Es wird deshalb regelmäßig als Mindestvoraussetzung zu verlangen sein, dass bei einem ausgeführten Kfz jedenfalls das Chassis mit der das Beförderungsmittel individualisierenden Fahrgestellnummer den Gegenstand der Lieferung bildet.

Im Streitfall rechtfertigen die vorab ausgebauten Teile - im wesentlichen die Sitze des Fahrzeugs - nicht die Annahme, das betreffende ?Restfahrzeug? könne nicht mehr fahrbereit gemacht werden oder es werde nach Ausführung der Werkleistungen, die dazu erforderlich sind, um seine Fahrbereitschaft wieder herzustellen, nicht mehr dasselbe Beförderungsmittel sein. Das Beförderungsmittel wird durch die ausgelieferten ?Restfahrzeuge?, die eine bestimmte Fahrgestellnummer aufweisen, geprägt, nicht durch die noch einzubauenden Sitze.

Es besteht bei diesem Normenverständnis auch keine Gefahr, dass das gelieferte ?Restfahrzeug? wieder nach Deutschland eingeführt werden könnte, ohne hierfür mit Einfuhrumsatzsteuer belegt zu werden, da das ?sitzlose? Fahrzeug nicht als loser Zubehör in einem anderen Fahrzeug über die Grenze fahren könnte, wie es bei den oben genannten typischen Ausrüstungsgegenständen der Fall ist. Im übrigen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge in Polen wieder fahrbereit gemacht wurden.

3. Da die streitigen Lieferungen von Kraftfahrzeugen in das Drittland bereits als Ausfuhrlieferungen umsatzsteuerfrei sind, kam es nicht mehr darauf an, ob sie (lediglich) einer Differenzbesteuerung nach § 25 a UStG unterliegen können.

4. Der Höhe nach war der angefochtene Umsatzsteuerbescheid wie folgt zu ändern: Gegenstand des Verfahrens waren ausweislich des angefochtenen Steuerbescheids vom 10. September 2002 steuerfrei gebuchte Umsätze in Höhe von 485.200 DM (396.400 DM aus dem ersten bis dritten Quartal 2000, 88.000 DM aus dem vierten Quartal 2000). Davon waren 44.400 DM an Umsätzen in Abzug zu bringen, um die das FA die Umsatzsteuer in der durch die Einspruchsentscheidung erfolgten Teilabhilfe bereits vermindert hat. Es verbleiben damit steuerfreie Umsätze von 440.800 DM. Die Umsatzsteuer von 16 % daraus beträgt 60.800 DM, sodass dem Klageantrag, der die Erhöhung des festgesetzten Erstattungsbetrags von - 251.648 DM um 60.800 DM auf - 312.448 DM begehrte, zu entsprechen war.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO, deren vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 Abs. 1 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

RechtsgebietUStGVorschriften§ 4 S. 1 Nr. 1a UStG; § 3 Abs. 6 UStG

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