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19.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060119

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 30.08.2005 – 9 U 131/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 U 131/04
24 O 477/03 LG Köln
Verkündet am 30.08.2005

OBERLANDESGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 02.08.2005
durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach und Dr. Weber sowie den Richter am Amtsgericht Riemenschneider

f ü r R e c h t e r k a n n t :

Die Berufung des Beklagten gegen das am 08.07.2004 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 477/03 ?
wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

G r ü n d e :

I. Der Beklagte hat bei der Klägerin eine Volkaskoversicherung für sein Fahrzeug Ford Probe (amtliches Kennzeichen xx ? xx xx) abgeschlossen.
Am 30.12.2000 befuhr der Beklagte bei starkem Schneetreiben die L 539 aus I. in Richtung N.. Infolge Schneeglätte geriet der Kläger von der Fahrbahn und stieß gegen die Leitplanke, wobei Fahrzeug und Leitplanke beschädigt wurden. Der Beklagte fuhr nach Hause, ohne die Polizei zu verständigen, und meldete den Kaskoschaden bei der Klägerin.

Diese zahlte unter dem 21.5.2001 einen Betrag von 12.452,06 DM an die Reparaturwerkstatt. Mit Schreiben vom 18.05.2001 wies sie den Beklagten darauf hin, dass sie den zessionierten Entschädigungsbetrag vorerst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht geleistet habe.
Für die Behebung des Schadens an der Leitplanke stellte die Bauschlosserei
T. der Straßenmeisterei 567,24 DM in Rechnung (Bl. 30 GA), die der Beklagte beglich. Ein gegen den Beklagten eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde gemäß § 153 StPO eingestellt.

Mit der Klage hat die Klägerin Rückzahlung des Betrages von 6.621,68 ? verlangt, weil der Kläger sich unerlaubt vom Unfallort entfernt habe.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 6.621,68 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2003 zu zahlen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe den Entschädigungsbetrag ohne Rechtsgrund geleistet.

Auf das angefochtene Urteil, insbesondere seine tatsächlichen Feststellungen, wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Er macht geltend, er habe den Schaden an der Leitplanke nicht bemerkt. Eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit sei nicht gegeben.

Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Polizeibeamten C.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.08.2005 (Bl. 132 ff GA) Bezug genommen.
Die beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Hagen 863 Js 62/01 ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.

1. Der Klägerin steht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB ein Anspruch auf Zahlung von 6.621,68 ? zu.

a) Die Klägerin hat ihre Entschädigungsleistung ohne rechtlichen Grund erbracht. Sie ist wegen einer Obliegenheitsverletzung des Beklagten nach den §§ 7 a I S. 3, V Nr. 4 AKB (in der vereinbarten Fassung), 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin, die im Rückforderungsprozess die Beweislast trägt (vgl. BGH, r+s 1995, 81), zur Überzeugung des Senats bewiesen.

Nach § 7a I AKB hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Die Aufklärungspflicht erschöpft sich nicht allein in der Erteilung von Informationen, sondern betrifft auch das Verhalten am Unfallort. Das bloße Verlassen der Unfallstelle stellt nur, aber auch stets eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung (und in der Kfz-Haftpflichtversicherung) dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird (vgl. BGH, r+s 2000, 94; siehe auch Senat, r+s 1999, 231). Es handelt sich bei der strafrechtlich sanktionierten Rechtspflicht, die von der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit mitumfasst wird, um eine elementare allgemeine und jedem Versicherungsnehmer und Kraftfahrer bekannte Pflicht. Bei Unfallflucht entfällt die Aufklärungsobliegenheit auch dann nicht, wenn die Haftungslage eindeutig ist. Durch ein Verbleiben am Unfallort soll es dem Versicherer ermöglicht werden, die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht sachgerecht zu prüfen. Dazu gehört auch die Feststellung von mit dem Schadenereignis zusammenhängenden Umständen, aus denen sich Leistungsfreiheit ergeben kann.

Allerdings kann eine Obliegenheitsverletzung nicht angenommen werden, wenn der Versicherungsnehmer berechtigter Weise die Unfallstelle verlässt und nur den Versicherer umgehend benachrichtigt (vgl. OLG Karlsruhe, r+s 2002, 186).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt hat. Insoweit reicht bedingter Vorsatz aus (vgl. Tröndle/Fischer, StGB , 51. Aufl., § 142, Rn 33).

Der Polizeibeamte C. hat ausgesagt, dass er im Schnee eine Schleuderspur in Richtung Leitplanke bemerkt hat. An der Anstoßstelle seien deutliche Beschädigungen vorhanden gewesen. Die Leitplanke sei eingedrückt gewesen und mindestens ein Pfosten sei gelockert gewesen. Der Zeuge hat sodann die Anstoßstelle der als Nr. 2 bezeichneten Unfallstelle auf den Farbfotos in der Ermittlungsakte (Bl. 13 EA) zugeordnet, auf dem deutliche Beschädigungen zu erkennen sind. Zudem hat der Zeuge bekundet, dass die in der Rechnung der Bauschlosserei T. vom 29.01.2001 aufgeführten Reparaturarbeiten dem Schadenbild entsprechen. Schließlich hat der Zeuge ausgesagt, dass die an dem Fahrzeug des Beklagten von ihm festgestellten Schäden mit den Schäden an der Leitplanke korrespondieren und auf einen ziemlich frontalen Aufprall hindeuteten.

Angesicht dieser massiven Beschädigungen kann der Senat den Angaben des Beklagten nicht folgen, dass er auf den Schaden an der Leitplanke nicht geachtet habe. Später hat er auch eingeräumt, das er sich über den Schaden an der Leitplanke keine Gedanken gemacht habe, also von einem Schaden ausgegangen ist. Der Beklagte hat angegeben, dass er sich den Unfallschaden angesehen habe. Von seinem Fahrzeug seien Teile abgefallen gewesen. Das Nummernschild sei weg gewesen und es habe ein Teil der Frontschürze gefehlt. Danach ist davon auszugehen, dass der Beklagte sich im Sinne von § 142 StGB unberechtigt vom Unfallort entfernt hat.

b) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin hat im Schreiben vom 18.05.2001 an den Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an die Reparaturwerkstatt geleistet hat und sich die Nachprüfung vorbehält.

2. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs.1 S. 1 , 288 Abs.1 BGB.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO
lagen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.621,68 ?

RechtsgebieteVersicherungsrecht, ObliegenheitsverletzungVorschriften§§ 812 Abs. 1 BGB, § 7a AKB

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