07.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060392
Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.11.2005 – XII ZR 124/03
a) Zur Anwendbarkeit des § 572 a.F. BGB, wenn das vermietete Gewerbegrundstück schon vor Inkrafttreten des neuen Mietrechts zum 1. September 2001 veräußert und das Mietverhältnis vor diesem Zeitpunkt beendet war (im Anschluss an BGH Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 381/03 - NJW-RR 2005, 962).
b) Zur Darlegungs- und Beweislast des Mieters eines vor dem 1. September 2001 veräußerten Gewerbegrundstücks, wenn er vom Erwerber eine an den Vorvermieter gezahlte Kaution zurückverlangen will (im Anschluss an BGH Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 372/04 - NJW 2005, 3494).
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 124/03
Verkündet am:
16. November 2005
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. Mai 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger (Mieter) verlangt von den Beklagten die Rückzahlung einer der Vorvermieterin gezahlten Mietkaution.
Der Kläger mietete mit schriftlichem Vertrag vom Herbst 1992 von der E.-GmbH Büroräume in H. zu einem monatlichen Mietzins von 10.000 DM fest auf fünf Jahre. Das Mietverhältnis begann am 15. November 1992. Der Kläger zahlte die vereinbarte Kaution von 10.000 DM an die E.-GmbH. Durch Erwerb des Grundstücks wurde die Beklagte zu 1, eine GbR, mit Wirkung zum 1. August 1994 Vermieterin. Die Beklagten zu 2 und 3 sind die beiden Gesellschafter der Beklagten zu 1. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis, das unstreitig jedenfalls am 15. November 1997 endete, fristlos zum 31. August 1997. Er verlangt von der Beklagten die Rückzahlung der an die E.-GmbH gezahlten Kaution mit der Behauptung, die E.-GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3 gewesen sei, habe die Mietsicherheit der Beklagten zu 1 ausgehändigt. Die Beklagten bestreiten dies. Sie machen geltend, der Kläger sei zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages nicht berechtigt gewesen. Die Beklagte zu 1 rechnete deswegen gegen die Klageforderung hilfsweise mit Mietzinsforderungen für die Zeit von September bis Mitte November 1997 auf.
Das Landgericht hat die Beklagten zur Rückzahlung der Kaution in Höhe von 5.112,92 ¤ (= 10.000 DM) verurteilt. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten zu 1 hat es als nicht durchgreifend erachtet, weil die fristlose Kündigung des Klägers wirksam gewesen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, weil dem Kläger gegen die Beklagten nach § 572 Satz 2 BGB a.F. kein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution zustehe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision sucht der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagten seien nicht passiv legitimiert. Zwar sei nach § 566 a BGB i.V. mit § 578 Abs. 2 Satz 1 BGB der Erwerber von Mieträumen zur Zurückzahlung der Kaution verpflichtet, die der Mieter dem Veräußerer gestellt habe. Doch kämen diese ab 1. September 2001 geltenden Vorschriften nicht zur Anwendung, weil die Veräußerung der Mieträume vor diesem Zeitpunkt stattgefunden habe. In diesem Fall bleibe es, auch wenn das Mietrechtsreformgesetz für die zeitliche Geltung des § 566 a BGB keine Vorschrift enthalte, aufgrund des allgemeinen Rückwirkungsverbots entsprechend Art. 170 EGBGB bei der Anwendung des § 572 Satz 2 BGB a.F. Nach dieser Vorschrift aber sei der Erwerber zur Rückgewähr der Kaution, die der Mieter dem Veräußerer geleistet habe, nur verpflichtet, wenn sie ihm ausgehändigt worden sei oder er dem Veräußerer gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen habe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Zwar sei der Beklagte zu 3 auch Geschäftsführer und Gesellschafter der E.-GmbH. Auch habe er als Vertreter der neuen Vermieter den Wechsel in der Vermieterstellung ausgehandelt. Dies lasse es zwar nahe liegend erscheinen, dass die Kaution von der E.-GmbH an die Beklagten ausgehändigt worden sei; für einen entsprechenden Nachweis reiche dies jedoch nicht aus.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, auf die Frage der Rückgewähr der Kaution sei im Gegensatz zur Meinung des Oberlandesgerichts § 566 a BGB und nicht § 572 BGB a.F. anzuwenden. Denn aus dem Fehlen einer Übergangsvorschrift für § 566 a BGB folge, dass seit dem 1. September 2001 diese Vorschrift auch dann anwendbar sei, wenn die vermieteten Räume vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes veräußert worden seien. Dem kann nicht gefolgt werden.
Vielmehr verneint die ganz herrschende Meinung zu Recht die Anwendung des § 566 a BGB auf Veräußerungsvorgänge vor seinem Inkrafttreten am 1. September 2001 selbst dann, wenn das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch bestand (LG Berlin Grundeigentum 2002, 596; LG Aachen NJW-RR 2003, 586; Schmidt-Futterer/Gather Mietrecht 8. Aufl. § 566 a BGB Rdn. 4; Blank/Börstinghaus Miete 2. Aufl. § 566 a BGB Rdn. 30; Derleder WuM 2002, 239; Geldmacher DWW 2002, 182, 193; a.A. Franke ZMR 2001, 951, 952). Dieser Meinung hat sich auch der für Wohnraummiete zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 381/03 - NJW-RR 2005, 962) angeschlossen und ausgeführt, dass der Gesetzgeber in der Regelung des Art. 229 § 3 EGBGB zum Ausdruck gebracht habe, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit für Miet- und Pachtverträge Übergangsvorschriften erforderlich seien. Es entspreche daher dem Willen des Gesetzgebers, das berechtigte Vertrauen eines Grundstückserwerbers zu schützen, die dem Veräußerer gezahlte Kaution nur aus den in § 572 BGB a.F. genannten Gründen erstatten zu müssen, wenn der Erwerbsvorgang vor dem 1. September 2001 abgeschlossen sei. Eine Erstreckung der Regelung des § 566 a Satz 1 BGB stellte eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung dar.
Diese Ausführungen, denen sich der Senat auch für den Bereich der Gewerberaummiete anschließt, gelten erst recht, wenn, wie im vorliegenden Fall, nicht nur der Erwerbsvorgang, sondern auch das Mietverhältnis als solches bereits vor dem 1. September 2001 abgeschlossen und beendet war. Der Gesetzgeber hat in Art. 229 § 3 EGBGB bestimmt, dass auf am 1. September 2001 bestehende Mietverhältnisse unter bestimmten Voraussetzungen altes Recht anzuwenden ist. Daraus aber ist zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auf Mietverhältnisse, die zu diesem Zeitpunkt bereits beendet waren, das bis dahin bestehende Recht entsprechend dem in Art. 170 EGBGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken und dem verfassungsrechtlich geltenden Verbot echter Rückwirkung anzuwenden ist.
2. Zu Recht ist das Oberlandesgericht im Übrigen davon ausgegangen, dass der Mieter im Rahmen von § 572 Satz 2 BGB a.F. darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass dem Erwerber die Mietsicherheit vom Veräußerer ausgehändigt worden ist oder er dem Veräußerer gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen hat. Dies wird von der Revision hingenommen. Allerdings wird zum Teil die Meinung vertreten, dass im Streitfall der Erwerber beweisen müsse, dass er die Kaution nicht erhalten habe (vgl. Sternel Mietrecht 3. Aufl. Teil III Rdn. 237; MünchKomm/Voelskow 3. Aufl. § 572 Rdn. 7; Bub/ Treier/v. Martius Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III A Rdn. 784; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 8. Aufl. Rdn. 1429). Abgestellt wird dabei darauf, dass der umstrittene Vorgang in der Sphäre des Erwerbers liege. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Abweichung von der allgemeinen Regel, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale einer Norm nachweisen muss (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. vor § 284 Rdn. 17 a). § 572 Satz 2 BGB a.F. formuliert die Aushändigung der Mietsicherheit an den Erwerber als ein solches anspruchsbegründendes Merkmal. Es ist daher der Meinung zu folgen, die die Darlegungs- und Beweislast insoweit beim Mieter belässt (vgl. AG Lichtenberg NZM 2002, 385, 386; LG Frankfurt am Main WuM 1998, 31; Geldmacher DWW 2002, 182, 193; Blank/Börstinghaus Miete § 572 BGB Rdn. 18; Baumgärtel Handbuch der Beweislast im Privatrecht I, 2. Aufl., § 572 BGB Rdn. 4; Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. § 572 Rdn. 25; Bub/Treier/Scheuer aaO Kap. V Rdn. 321; Schmidt-Futterer/Gather Mietrecht 7. Aufl. § 572 Rdn. 25). Dies vertritt auch der VIII. Zivilsenat für das Wohnraummietrecht (Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 372/04 - NJW 2005, 3494).
Für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Grundstückserwerbers besteht kein Anlass, da es keinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass der Grundstückserwerber seinen Anspruch auf Auszahlung der vom Mieter an den Grundstücksveräußerer gezahlten Kaution auch tatsächlich gegen letzteren durchsetzt und die Kaution erhält (Bub/Treier/Scheuer aaO). Es lassen sich vielmehr auch Fälle denken, in denen - etwa bei drohender oder bestehender Insolvenz des Veräußerers - die Kaution von diesem nicht mehr zu erlangen ist.
Der Umstand, dass im vorliegenden Fall eine wirtschaftliche und personelle Verflechtung zwischen der E.-GmbH als ehemaliger Grundstückseigentümerin und Vermieterin und der GbR als Erwerberin und neuer Vermieterin vorlag (H.O. war Geschäftsführer und Gesellschafter der E.-GmbH und Mitgesellschafter der GbR und schloss den Nachtragsmietvertrag über den Eintritt der GbR in die Vermieterstellung), ist noch kein ausreichendes Indiz dafür, dass die Kaution von der alten auf die neue Vermieterin übertragen wurde, und kann daher keine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten rechtfertigen.
Der Mieter wird dadurch auch nicht unzumutbar benachteiligt. Wie der VIII. Zivilsenat aaO ausführt, kann er zum Beweis für die Kautionsübertragung etwa den früheren Vermieter oder andere Personen aus dessen Umfeld als Zeugen benennen oder unter den Voraussetzungen des § 445 ZPO auch die Vernehmung des beklagten Erwerbers als Partei beantragen.