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22.06.2006 · IWW-Abrufnummer 061729

Landgericht Coburg: Beschluss vom 19.05.2006 – 32 S 27/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Die Berufung beim Landgericht Coburg wurde zurückgenommen.

Nachstehend das Urteil des Vorinstanz - rechtskräftig -

Amtsgericht Kronach

1 C 0493/05
verkündet am 16.2.2006

In dem Rechtsstreit XXX

wegen SCHADENERSATZ

erlässt das Amtsgericht Kronach durch die Richterin Hofmann
im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 128 II, 495 a ZPO folgendes

ENDURTEIL

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt .die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.041,22 EUR festgesetzt.

Tat b e s t a n d

Die Parteien streiten wegen Schadensersatzansprüchen.

Am 25.4.2005 fuhr der Kläer mit seinem PKW Seat Leon (amtliches Kennzeichen XXX an der Hofeinfahrt des Anwesens des Beklagten zu 1) in XXX vorbei. Hierbei kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem PKW des Klägers von und einem Milchkübel, der aus Sicht des Klägers von rechts aus der Hofeinfahrt des Anwesens des Beklagten zu 1) herausrollte. Der Milchkübel wurde zuvor von dem Beklagten zu 2), dem Vater des Beklagten zu 1), geschoben. Da dieser einen kurzen Moment unachtsam war, entglitt ihm der Milchkübel, beschleunigte auf der abschüssigen Ausfahrt des Anwesens des Beklagten zu 1) und rollte auf die Straße. Der Beklagte zu 2) rannte sofort dem Milchkübel hinterher und versuchte ihn einzuholen, was jedoch nicht gelang.

Der Beklagte zu 2) schob früher, als er selbst das landwirtschaftliche Anwesen betrieb, jeden Tag selbst den Milchkübel vom Stall bis zur Milchentladestelle an der streitgegenständlichen Straße vorbei. Auch nach der Übergabe des Anwesens an den Beklagten zu 1) führte der Beklagte zu 2) diese Tätigkeit weiterhin sehr häufig für den Beklagten zu 1) aus. In den vergangenen Jahrzehnten war der Beklagte zu 2) der MilchkübeIwagen noch nie aus den Händen entglitten. Der Beklagte zu 1) sah den Beklagten zu 2) unzählige Male bei der Verbringurig des MilchkübeIwagens zu und konnte keine Unregelmäßigkeiten feststellen.

Eine Bremsung des Milchkübelwagens kann durch Herunterdrücken des Hecks des Milchkübelwagens auf einen Gummipfropfen bewerkstelligt werden.

Der Kläger beziffert seinen Schaden wie folgt:

Nettoschaden laut Kostenvoranschlag: 2.950,90.EUR
Wertminderung: 600,00 EUR
Kostenpauschale: 26,00 EUR
Gesamt: 3.581,90 EUR'

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1) zahlte an den Kläger einen Betrag von 2.540,68 EUR.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagten die volle Haftung treffe, da höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG vorliege.
Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 04.01.2006 seine Klage auf den Beklagten zu 2) erweitert hat, beantragt er nun:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.041,22 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach dem DÜG ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten werden überdies gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 87,29 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach dem DÜG ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass ein Milchkübel, der aus einer Hofeinfahrt herausrollt lediglich ein unabwendbares Ereignis darstelle, aber nicht höhere Gewalt sei. Daher seien nur 70 % des eingeforderten Schadensbetrages gezahlt worden.

Im übrigen könne sich der Beklagte zu 1) auch nach § 831 BGB entlasten.

Hinsichtlich des weiteren Tatsachen- und Rechtsvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Kronach nach §32 ZPO örtlich und nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.

II.

Die Klage ist allerdings unbegründet.

1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 1) kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.041,22 EUR zu.

a) Ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG scheidet aus, da hiernach nur Ansprüche gegen den Halter eines PKWs geltend gemacht werden können und nicht gegen den Eigentümer eines Milchkübels.

b) Es kommt allenfalls ein Anspruch aus § 831 BGB in Betracht.

Der Beklagte zu 2), der den Milchkübel schob, ist Verrichtungsgehilfe des Beklagten zu 1), da er von diesem zur Ausführung einer Verrichtung bestellt wurde und weisungsabhängig ist.

Vorliegend tritt die Ersatzpflicht allerdings nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein, da der Beklagte bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen und bei der Auswahl der Gerätschaft die erforderliche Sorgfalt beachtet hat.

Der Beklagte zu 2) schob schon über Jahrzehnte hinweg den Milchkübel an der streitgegenständlichen Straße vorbei. Bisher kam es noch nie zu einem derartigen Vorfall.
Der Beklagte zu 1) beobachtete den Beklagten zu 2) bei der Ausführung der Tätigkeit und konnte keine Unregelmäßigkeiten feststellen. Die Tätigkeit des Verrichtungsgehilfen wurde also von dem Beklagten zu 1) kontrolliert. Ein Auswahlverschulden hinsichtlich des Verrichtungsgehilfen ist nicht ersichtlich.

Der Milchkübelwagen wurde ebenfalls sorgfältig ausgewählt, da er mit einer funktionsfähigen Bremse ausgestattet war: Schadensfälle mit dem Milchkübelwagen waren in den vorangegangenen Jahrzehnten nicht vorgekommen.

Dem Beklagten zu 1) ist daher bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen und der Gerätschaft kein Verschuldensvorwurf zu machen.

Ein Anspruch gegen den Beklagten zu. 1) scheidet aus.

2. Auch ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) nach § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 1.041,22 EUR ist nicht gegeben.

Zwar steht dem Kläger grundsätzlich gegen den Beklagten zu 2) ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, da der Beklagte zu 2) schuldhaft das Eigentum des Klägers verletzte.

Hierdurch entstand. dem Kläger ein Schaden in Höhe von 3.581,90 EUR.

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1) beglich allerdings bereits einen Schadensbetrag von 2.540,68 ,EUR.

Da den Kläger ein Mitverschulden an dem Unfall nach § 254 BGB von 30 % trifft, ist der Schadensersatzanspruch durch Zahlung nach § 362 BGB vollumfänglich erloschen.

Der Kläger muss sich nämlich die abstrakte Betriebsgefahr seines PKWs in Höhe von 30 % im Rahmen seines Mitverschuldens zurechnen lassen. Zwar ist die Betriebsgefahr des PKWs des Klägers vorliegend nicht erhöht, da dem Kläger keine konkrete Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Er bremste sein Fahrzeug sofort ab; konnte den Zusammenstoß allerdings nicht verhindern.

Gleichwohl muss er sich die abstrakte Betriebsgefahr seines PKWs anrechnen lassen. Eine derartige Anrechnung kann auch nicht unterbleiben, da zur Überzeugung des Gerichts das Vorliegen von höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG analog vom Kläger nicht nachgewiesen werden konnte.

Höhere Gewalt wäre nur dann gegeben, wenn der Milchkübel tatsächlich wie ein Geschoss aus der Einfahrt in die Straße herausgeschossen kam. Dann hätte es sich um ein Ereignis gehandelt, mit dem der Kläger nicht hätte rechnen brauchen und was er auch nicht wegen der Häufigkeit hätte in Kauf nehmen müssen. Auf informatorische Befragung gab der Kläger allerdings in der mündlichen Verhandlung am 24.11.2005 an, dass der Milchkübel aus der Einfahrt herausgerollt kam. Der Beklagten zu 2) sei dem Milchkübel hinterhergerannt und habe noch versucht ihn festzuhalten, was nicht möglich gewesen sei. Es mag zwar sein, dass der Milchkübel mit hoher Geschwindigkeit und unerwartet für den Kläger auf die Fahrbahn rollte, gleichwohl schoss der Milchkübel nicht innerhalb von Bruchteilen von Sekunden auf die Straße. Das Vorliegen von höherer Gewalt ist daher zu verneinen.

Die Betriebsgefahr des PKWs des Klägers ist als Mitverschuldensbeitrag in Höhe von 30 % anzusetzen.

III.

Die Entscheidung bezüglich der Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebieteVerkehrsrecht, BGBVorschriften§ 7 Abs. 2 StVG; § 823 Abs. 1 BGB; § 831 BGB

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