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07.07.2006 · IWW-Abrufnummer 061519

Finanzgericht München: Urteil vom 15.04.2005 – 8 K 2890/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 8 K 2890/03

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache XXX

wegen Haftung für Lohnsteuer

hat der 8. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung XXX auf Grund mündlicher Verhandlung vom 15. April 2005 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Gründe:

I.

Bei dem Kläger, einem Verband e. V., fand im Jahr 2002 eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 12/1997 bis 12/2001 statt. Hierbei wurde u. a. festgestellt, dass seinem Hauptgeschäftsführer Dr. AB ein betriebliches Kfz auch zur privaten Nutzung sowie für Fahrten von seiner Wohnung in C zur Arbeitsstätte in D (einfache Entfernung 118 km) zur Verfügung gestellt worden war. Der Geschäftsführer benutzte nach dem Vortrag des Klägers das Kfz nur für die 3,5 km lange Fahrt von der Wohnung zum Bahnhof C. Von dort fuhr er mit der Bahn nach D (114,5 km). Die Kosten hierfür übernahm ebenfalls der Kläger.

Den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung des Kfz gem. § 8 Abs. 2 EStG versteuerte der Kläger nach der 1 %-Regelung, legte als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jedoch nur die Entfernung zwischen Wohnung und dem Bahnhof C (3,5 km) zu Grunde.

Der Lohnsteuer-Prüfer ging dagegen davon aus, dass gem. H 31 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) 2003 ("Park and Ride") für die Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte die Gesamtentfernung, d. h. 118 km anzusetzen seien und berechnete insoweit den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienst-Pkw neu. Soweit die so errechneten Beträge die tatsächlichen Kosten des Kfz überstiegen, ging er von diesen aus und zog die bislang vom Kläger versteuerten Beträge ab. Etwaige Werbungskosten, die der Hauptgeschäftsführer hätte geltend machen können, ließ er nicht zum Abzug zu. Insgesamt ergaben sich so Mehrsteuern i. H. v. 8.034,- ? Lohnsteuer/LSt, 447,14 ? Solidaritätszuschlag/SolZ und 641,30 ? Kirchenlohnsteuer/KiLSt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 10. Juni 2003 verwiesen.
Weitere Feststellungen des Außenprüfers betrafen die Übernahme der Kosten einer Unfallversicherung sowie die Versteuerung von Direktversicherungsbeiträgen durch den Kläger.

Der Beklagte (das Finanzamt/FA) ging entsprechend dem Vermerk des Prüfers in seinem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung davon aus, dass sich der Kläger auch hinsichtlich der auf die Kfz-Nutzung sowie die Versteuerung von Unfallversicherungsprämien entfallenden Mehrsteuern mit der Haftungsinanspruchnahme einverstanden erklärt hatte. Er erließ daher am 04. November 2002 einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid gem. § 42d Abs. 1 EStG i. H. v. insgesamt 8.396,- ? LSt, 466,94 ? SolZ und 670,30 ? KiLSt 1997 bis 2001.

Gegen den Lohnsteuer-Haftungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, den er im Wesentlichen wie folgt begründete: Der Berechnung des geldwerten Vorteils sei nur die tatsächlich von dem betroffenen Arbeitnehmer mit dem Kfz zurückgelegte Strecke von 3,5 km, nicht jedoch die Gesamtentfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 118 km zu Grunde zu legen. Der Formulierung des § 8 Abs. 2 EStG könne keinesfalls entnommen werden, dass grundsätzlich immer die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte heranzuziehen sei ohne Beachtung der tatsächlichen Nutzung des Fahrzeugs für eine (wesentlich) geringere Entfernung. Andernfalls läge ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor, da der Fiskus Einnahmen generieren würde, die niemals angefallen seien. Die Rechtsauffassung des FA sei auch insoweit widersprüchlich, als einerseits der Besteuerung auf der Einnahmenseite die gesamte Entfernung zugrunde gelegt werde, andererseits als Werbungskosten lediglich die Kosten für die tatsächlich zurückgelegte Entfernung von 3,5 km abzugsfähig seien. Hierin sei eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung zu sehen.

Zudem sei eine Pauschalierung nur dann erlaubt, wenn sie realitätsgerecht sei und nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte des Betroffenen führe. Im Streitfall sei tatsächlich nur eine Entfernung von 3,5 km mit dem Kfz zurückgelegt worden. Wenn jedoch auf Grund der Pauschalierung in § 8 Abs. 2 EStG 118 km zu Grunde gelegt würden, könne von einer realitätsbezogenen Pauschalierung nicht mehr gesprochen werden. Sollte dennoch die gesamte Entfernung von 118 km anzusetzen sein, müssten wie bei Gewinneinkünften (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG) Werbungskosten abgezogen werden, da es andernfalls zu einer Ungleichbehandlung der Überschusseinkünfte gegenüber den Gewinneinkünften komme. Vorstellbar wäre auch, bei einem Ansatz von 118 km die pauschalierungsfähigen, vom Kläger geleisteten Zuschüsse gem. § 40 Abs. 2 EStG (bisher für 3,5 km berechnet) gleichfalls anhand einer Entfernung von 118 km zu errechnen und von dem sich ergebenden geldwerten Vorteil abzusetzen.

Der Einspruch wurde mit EE vom 10. Juni 2003, auf die verwiesen wird, zurückgewiesen. Zu der Frage, ob es ermessensgerecht sei, nur den Kläger in Anspruch zu nehmen, führte das FA darin aus, dass dieser sich hiermit einverstanden erklärt habe.

Hiergegen richtet sich die Klage, die wie der Einspruch begründet wird. Ergänzend trägt der Kläger - erstmals vor-, er habe zu keinem Zeitpunkt sein Einverständnis mit der Haftungsinanspruchnahme erklärt. Der Vermerk des Lohnsteuer-Außenprüfers, Herrn E F, auf Seite 2 seines Berichts sei unzutreffend. Eine schriftliche Einverständniserklärung sei unstrittig nicht erteilt worden. Das Einverständnis hätte im Übrigen nur der Vorstand des Klägers selbst und nicht sein Hauptgeschäftsführer erteilen können.

Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid vom 04. November 2002 in Gestalt der EE vom 10. Juni 2003 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise Zulassung der Revision.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Ausführungen in der EE und trägt ergänzend hierzu vor, auch wenn der Vorstand des Klägers nicht selbst sein Einverständnis mit der Haftungsinanspruchnahme erteilt habe, so hätten doch nach der glaubhaften Auskunft des Außenprüfers sein Hauptgeschäftsführer Dr. BF und sein steuerlicher Vertreter, der jetzige Prozessbevollmächtigte, in zwei Besprechungen eindeutig die Klärung der materiell strittigen Rechtsfrage durch seine Haftungsinanspruchnahme, d. h. der des Klägers, beantragt und die Sicherstellung der Besteuerung per Kontrollmitteilung nicht für zweckmäßig erachtet. Diese Personen seien insoweit als vertretungsberechtigt anzusehen. Auch im nachfolgenden Einspruchsverfahren sei die alleinige Inanspruchnahme des Klägers nicht angegriffen worden. Vielmehr habe der Klägervertreter noch mit Schreiben vom 12. Mai 2003 um den Erlass einer EE gebeten, damit sein Mandant, d. h. der Kläger, die materiell strittige Rechtsfrage gerichtlich klären lassen könne. Der Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides vom 04. November 2002 sei mit Beschluss des Finanzgerichts München vom 24.03.2003 Az.: 7 V 372/03 abgewiesen worden. Auch in diesem Verfahren sei die alleinige Inanspruchnahme des Klägers mit keinem Wort gerügt worden. Dies sei erst im Klageverfahren erfolgt. Rein vorsorglich sei der Kläger daraufhin mit Schreiben vom 23. Juli und 25. August 2003 aufgefordert worden, verbindlich zu erklären, ob er mit seiner Inanspruchnahme einverstanden sei oder ob die Mehrsteuern im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung seines Hauptgeschäftsführers nachgeholt werden sollten. Hierauf teilte der Klägervertreter lediglich mit, er sehe keine Notwendigkeit, seinen Mandanten zu einer solchen Erklärung zu veranlassen.

Am 7. März 2005 wurde beschlossen, den Hauptgeschäftsführer des Klägers, Herrn Dr. AB, und den Lohnsteuer-Außenprüfer, Herrn EF, zu der Frage, ob sich der Kläger mit seiner Haftungsinanspruchnahme einverstanden erklärt habe, als Zeugen zu hören.

Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung und Zeugeneinvernahme vom 15. April 2005 wird verwiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat den Kläger zu Recht für die im Zusammenhang mit der Überlassung eines Dienst-Pkw an den Hauptgeschäftsführer nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung genommen.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579). Das FA hat danach zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Die sich daran nach § 191 Abs. 1 AO anschließende Ermessensentscheidung des FA, ob es jemand und ggf. wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will, ist dagegen gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Haftungsbescheid vom 04. November 2002 weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Zu dem steuerpflichtigen Arbeitslohn, von dem gem. §§ 38 ff. EStG Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen ist, gehören grundsätzlich alle Einnahmen, die durch das Dienstverhältnis veranlasst sind, also auch der geldwerte Vorteil, den ein Arbeitnehmer aus der Überlassung eines Dienstfahrzeugs hat (§ 8 Abs. 2 Einkommensteuergesetz/ EStG). Werden die durch die Privatfahrten verursachten Kosten nicht mittels eines Fahrtenbuches nachgewiesen, richtet sich der für die Überlassung des Dienstfahrzeuges für private Zwecke anzusetzende geldwerte Vorteil pauschal nach der sog. 1 %-Methode. Kann das Fahrzeug - wie im vorliegenden Streitfall - auch für die Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich dieser Wert gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 % des maßgeblichen Listenpreises, und zwar für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Soweit es den geldwerten Vorteil für mögliche Nutzung des Dienstfahrzeuges für die Fahrten zur Arbeitsstätte betrifft, ist damit eindeutig nur auf die Entfernungskilometer abzustellen und nicht auf die tatsächlich gefahrenen Kilometer. Diese Regelung ist nicht zu beanstanden. Denn § 8 Abs. 2 EStG beinhaltet eine typisierende, die Verhältnisse des Einzelfalles weitestgehend außer Betracht lassende Art der Wertermittlung anhand von Listenpreisen, bei welcher nicht nur die effektiven, von den tatsächlichen Anschaffungskosten abgeleiteten Betriebskosten unberücksichtigt bleiben, sondern insbesondere auch die individuellen Nutzungsverhältnisse.

Ergänzend wird, soweit es die Berechnung des geldwerten Vorteils des Zeugen aus der Überlassung des Dienstfahrzeugs betrifft, auf die EE vom 10. Juni 2003 verwiesen (§ 105 Abs. 5 FGO). Außerdem wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den den Beteiligten bekannten Aussetzungsbeschluss des Finanzgerichts in dieser Sache vom 24. März 2003 Az. 7 V 372/03 Bezug genommen.

2. Dem Einwand des Klägers, das FA hätte nicht ihn, sondern seinen Hauptgeschäftsführer, den Zeugen Dr. BF, in Anspruch nehmen müssen, folgt der Senat nicht. Zwar hat sich das FA dann, wenn die Nacherhebung der streitgegenständlichen Steuer beim Steuerschuldner selbst ohne größeren Aufwand zu realisieren ist, in der Regel an diesen zu wenden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber nur wegen unzutreffender rechtlicher Beurteilung, aber doch ohne grobes Verschulden die Lohnsteuer nicht zutreffend angemeldet und abgeführt hat (vgl. Tipke/Kruse, Komm, zur AO und FGO, § 191 Tz. 62). Hat sich der Arbeitgeber aber erkennbar mit seiner Haftungsinanspruchnahme einverstanden erklärt, kann sich das FA auch an ihn wenden. Dass sich der Kläger mit seiner Haftungsinanspruchnahme einverstanden erklärt hatte, steht für den Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest.

Wie der Zeuge F glaubhaft aussagte, war die in diesem Verfahren streitige Frage des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzungsmöglichkeit des dem Zeugen Dr. BF überlassenen Dienstfahrzeuges Gegenstand der Abschlussbesprechungen vom 05. März und 11. Oktober 2002. Die Richtigkeit dieser Aussage wird dadurch belegt, dass in der zweiten Abschlussbesprechung für die Berechnung des geldwerten Vorteils relevante Daten nachgeliefert wurden. Nach den insoweit eindeutigen Aussagen des Zeugen F, die er durch Schilderung verschiedener Einzelheiten untermauern konnte, war der Hauptgeschäftsführer des Klägers, der Zeuge Dr. BF, der sich insoweit selbst an nichts mehr erinnern konnte, bei der ersten Abschlussbesprechung sehr wohl anwesend. Der Zeuge F hat auch glaubwürdig dargelegt, dass und aus welchen Gründen sein Gesprächpartner, der Zeuge Dr. BF, das Einverständnis für die Haftungsinanspruchnahme des Klägers gab. Dazu war Herr Dr. BF, wie dieser selbst bekundete, sehr wohl befugt.

Zweifel an der Richtigkeit des vom Zeugen F detailliert geschilderten Sachherganges bestehen nicht, zumal der Zeuge Dr. BF sich eindeutig dahin erklärte, dass er im Fall des Falles für den Kläger das Einverständnis mit der Haftungsinanspruchnahme abgegeben hätte. Zu berücksichtigen ist auch, dass für das FA keine Notwendigkeit bestand, den Kläger in Haftung zu nehmen, da es ein Leichtes gewesen wäre, die Steuern per Kontrollmitteilung beim Hauptgeschäftsführer unmittelbar nachzuholen. Hinzu kommt, dass die Aussagen des Zeugen Dr. BF in keinem relevanten Punkt denen des Zeugen F widersprechen.
Das Verhalten des Klägers (keine eindeutige Stellungnahme zu den Anfragen des FA, ob er sich nun mit der Haftungsinanspruchnahme einverstanden erklärt oder ob die Einkommensteuer bei seinem Hauptgeschäftsführer nachgeholt werden solle), spricht eher gegen den Kläger, ist in jeden Fall aber kein Nachweis dafür, dass er damals sein Einverständnis nicht erklärt hatte. Für die Position des FA spricht weiter, dass der Kläger noch im Einspruchsverfahren erklärt hatte, die hier relevante Streitfrage selbst gerichtlich klären zu wollen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. Oktober 2002 Az. 1 K 159/98, EFG 2003, 355). Bei Würdigung all dieser Umstände und vor allem der Aussagen des Zeugen F kann der Senat in der Inanspruchnahme des Klägers keinen Ermessensfehler sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 8 Abs. 2 EStG

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