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28.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063438

Landgericht Berlin: Urteil vom 18.05.2006 – 62 S 59/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Berlin

Urteil

Geschäfts-Nr. 62 S 59/06
verkündet am 18.5.2006
5 C 501/05 Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg

In dem Rechtsstreit XXX

hat die Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 18.05.2006 durch XXX
für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. Januar 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg - 5 C 501/05 - geändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 148,98 ? nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem.9. September 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages plus 10 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugunsten der Beklagten zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Ergänzend wird folgendes ausgeführt:

Das am 25.01.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, mit welchem die auf Ausgleich des Betriebskostensaldos für das Jahr 2003 gerichtete Klage abgewiesen worden ist, ist der Klägerin am 30.01.2006 zugestellt worden. Diese. hat hiergegen am 20.02.2006 Berufung eingelegt und begründet.

Die Klägerin trägt vor, die Zeugin XXX habe die streitgegenständliche Betriebskostenabrechnung am 23.11.2004 erneut, versehen mit der neuen Anschrift der Beklagten; ausgedruckt und zur Postsammelstelle der Hausverwaltung gebracht. Die Zeugin XXX habe die Abrechnung sodann mit der gesammelten Tagespost auf den Postweg gebracht. Sie ist der Auffassung, für etwaige Versäumnisse der Postzustellung habe sie nicht einzustehen. Auf den tatsächlichen Zugang der Nebenkostenabrechnung komme es daher nicht an.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 148,89 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligem Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung und nehmen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen nebst Beweisantritten Bezug.

Die Kammer hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, sie habe die streitgegenständliche Betriebskostenabrechnung am an die Beklagten abgesandt, durch Vernehmung der Zeuginnen XXX und XXX. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.05.2006 verwiesen.

II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 513, 515, 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich der Betriebskostenforderung für das Abrechnungsjahr 2003 gemäß § 535 Abs. 2 BGB.

Die Abrechnung ist formell wirksam; sie wird auch inhaltlich von den Beklagten nicht beanstandet. Allerdings ist den Beklagten die Abrechnung nicht innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB mitgeteilt worden. Insoweit kann sich die Klägerin zunächst nicht auf den Einwurf in den Briefkasten der ehemaligen Wohnung der Beklagten am 16.11.2004 berufen. Diese waren zum fraglichen Zeitpunkt bereits ausgezogen: Auch wenn die Beklagten - was streitig ist - nicht sämtliche Briefkastenschlüssel an die Klägerin zurückgegeben haben, konnte die Klägerin nicht damit rechnen, dass durch den Einwurf in den Briefkasten ein tatsächlicher Zugang der Abrechnung an die Beklagten gewährleistet ist.

Der Geltendmachung der Forderung steht die Versäumung der Frist des § 556 Abs. 3 S. 2 BGB gleichwohl nicht entgegen. Denn die Wirkung des Ausschlusses mit Nachforderungen tritt dann nicht ein, wenn der Vermieter die verspätete Abrechnung nicht zu vertreten hat. Dabei handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand; an diesen sind strenge Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich hat der Vermieter jedes Verschulden zu vertreten (§ 276 Abs. 1 8G8). Er kann das Vertreten-Müssen in der Regel auch nicht dadurch vermeiden, dass er sich auf Untätigkeiten oder Verspätungen Dritter beruft. Denn er. muss grundsätzlich die Erfüllung der durch Dritte ihm gegenüber obliegenden Pflichten überwachen und rechtzeitig für deren Erfüllung sorgen (Schmjdt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, § 556. Rn -172). Der Vermieter muss nämlich nicht nur für sein eigenes Verschulden eintreten, sondern in gleicher Weise für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen, wie sich aus § 278 BGB ergibt. Vorliegend steht ein etwaiges Verschulden des Zustelldienstes in Rede. Ob dieser tatsächlich Erfüllungsgehilfe des Vermieters i.S.d. § 278 ZPO ist - ein bestehendes Weisungsrecht ist insoweit gerade nicht erforderlich (vgl. BGHZ 62, 124) -, .kann letztlich dahinstehen. Denn es bestehen jedenfalls insoweit Besonderheiten, als der Vermieter in der Sache keinerlei echte Einflussmöglichkeiten auf den Zustelldienst hat. Er erfährt regelmäßig weder (rechtzeitig) etwas über eingetretene Zustellverzögerungen, noch über Verluste von Zustellstücken. Es. besteht daher eine Parallele zu §§ 233 ff ZPO - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - (ebenso LG Potsdam GE 2005, 1357), wenngleich insoweit allerdings zu berücksichtigen ist, dass in dem dortigen Anwendungsbereich eine dem § 278 BGB vergleichbare Regelung gerade nicht besteht (vgl. Zöller-Greger, ZPO, § 233 Rn 20).
Es erscheint daher eine einschränkende Anwendung des. § 278 BGB sachgerecht. Der Vermieter kann sich entlasten, wenn auf dem Postweg unerwartete und nicht vorhersehbare Verzögerungen oder Postverluste eintreten, auf die der Vermieter keinen Einfluss nehmen kann.
Denn dann hat er alles Erforderliche Getan, um für die Mitteilung der Abrechnung an den Mieter zu sorgen (LG Potsdam, aaO.; vgl. auch Schmidt-Futterer/Langenberg, aaO.; Hannemann/Wiegner-Gies, Wohnraummietrecht, § 36 Rn 63). In diesen Fällen ist es aber immer erforderlich, dass der Vermieter jedenfalls die Abrechnung rechtzeitig abgesandt. hat und bei normalem Postweg mit dem rechtzeitigen Zugang rechnen durfte (AG Bremen WM 1995, 593; AG Oldenburg ZMR 2005, 204; vgl. auch LG Berlin, ZK 67, GE 2005, 1355).

So liegt der Fall hier.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin die streitgegenständliche Betriebskostenabrechnung am 23.11.2004 auf den Postweg gebracht hat; deren verspäteten Zugang hat sie nicht zu vertreten.

Die Zeugin XXX hat bekundet, sie habe die Betriebskostenabrechnung 2003 für die Beklagten für das Objekt XXX noch einmal ausgedruckt, nachdem die neue Anschrift der Mieter bekannt geworden war. Sie habe die Abrechnung kuvertiert, frankiert und in das Postausgangsfach bzw. Postausgangskörbchen gelegt. Daran könne sie sich erinnern, weil eine Kopie. der Abrechnung in der Mieterakte sei. Sie mache. grundsätzlich keine Kopie, ohne das Original tatsächlich zum Versand bereit gemacht und auf den Weg gebracht zu haben. Dies sei geschehen, nachdem die Klägerin am 22.11.2004 die neue Anschrift. der Beklagten in Erfahrung gebracht habe. Einen Rückbrief bezüglich der Abrechnung 2003 habe die Klägerin nicht bekommen. Die Zeugin XXX hat ausgesagt, dass sie seit Jahren dann, wenn sie Feierabend habe, die angesammelte Post zum Postamt bringe, und zwar entweder zu dem Postamt am XXX oder zu einem McPaper-Geschäft in der XXX. Sie nehme die gesammelte Post von allen Kollegen mit, im Schnitt täglich 100 Postsendungen.

Danach ist die Kammer aber überzeugt, dass die Klägerin die streitgegenständliche Abrechnung tatsächlich am 23.11.2004 auf den Postweg gebracht hat. Die Zeugin XXX hat detailliert und nachvollziehbar geschildert, dass sie die Abrechnung in den Postausgang verbracht hat. Die Zeugin XXX konnte zwar nur den generellen Ablauf schildern, zu der Abrechnung selbst konnte sie keine Angaben machen. Gleichwohl ist ihre Aussage hinreichend sicher, um der Kammer als Grundlage ihrer Überzeugungsbildung zu dienen. Denn die Zeugin XXX hat glaubhaft bekundet, dass sie am 23.11.2004 nicht krank gewesen sei, sondern ihre üblichen Aufgaben erledigt hat.
Es sei auch noch nie vorgekommen, dass einmal eine Postsendung in dem von ihr zum Transport verwandten Stoffbeutel verblieben sei.

Zinsen kann die Klägerin allerdings erst ab dem 09.09.2006 (Zustellung des Mahnbescheides) verlangen. Dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Beklagten in Verzug gesetzt wurden, ist nicht substantiiert vorgetragen worden. Die Klägerin hat die behaupteten "mehreren" Mahnungen der beauftragten Hausverwaltung nicht näher konkretisiert.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugunsten der Beklagten zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Vermieter im Rahmen des § 556 Abs. 2 ZPO für das Verschulden des Postzustelldienstes einzustehen hat.

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