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11.12.2006 · IWW-Abrufnummer 063638

Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 04.09.2006 – 3 U 78/06

1. Bei einer Kautionsabrede in einem Gewerbemietvertrag scheidet eine Nichtigkeit wegen Wucher ( § 138 Abs. 2 BGB ) oder wegen wucherähnlichen Geschäftes von vorneherein aus.



2. Die Höhe der Sicherheit, die Gewerbemietparteien vereinbaren können, ist ? anders als bei der Wohnraummiete ( § 551 BGB ) ? grundsätzlich nicht begrenzt.



3. Eine Kautionsabrede in einem Gewerbemietvertrag kann unwirksam sein, wenn sie schikanös außerhalb eines nachvollziehbaren Sicherungsinteresses des Vermieters festgesetzt ist.



4. Eine Kautionsvereinbarung in Höhe der 7-fachen Monatsmiete ist bei einem längeren Gewerbemietverhältnis regelmäßig nicht schikanös außerhalb eines nachvollziehbaren Sicherungsinteresses des Vermieters festgesetzt.



5. Eine Kautionsabrede in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vermieters in einem Gewerbemietvertrag mit einem mietenden Unternehmer hält der Generalklausel des § 307 BGB stand, auch wenn der Kautionsbetrag 3 Monatsmieten übersteigt.


Tenor

In pp. beabsichtigt der Senat, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.


Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der berufungsführenden Beklagten die Leistung von Kaution.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietete der Beklagten mit Mietvertrag vom 12./26.05.1999 in der Liegenschaft B. Straße? in F. eine im Erdgeschoss gelegene Ladenfläche von ca. 111,87 m² zur Nutzung als Reisebüro für zunächst fünf Jahre. Mit einem bereits durch die Klägerin vereinbarten Mietnachtrag Nr. 2 vom 17./19.09.2003 verlängerten die Parteien die Mietzeit bis zum 31.12.2006. Im Herbst 2004 stellte die Klägerin den Verlust einer Bürgschaft fest, die die Beklagte der früheren Vermieterin gegeben hatte, und erklärte daraufhin gegenüber der bürgenden Bank mit Schreiben vom 15.09.2004 (Anlage K 5, Bl. 61 d. GA), keine Rechte mehr aus der verloren gegangenen Bürgschaftsurkunde herzuleiten. Mit Anschreiben gleichen Datums (vgl. Anlage K 4, Bl. 60 d. GA) kündigte sie der Bürgin an, mit der Beklagten einen neuen Mietvertrag abzuschließen und bat um Neuausstellung einer Bürgschaft in Höhe von 7.015,56 ?. Die Korrespondenz dieses Datums übermittelte sie gleichzeitig der Beklagten. Am 07./08.10.2004 unterzeichneten die Parteien sodann einen Geschäftsraummietvertrag über das bereits genutzte Mietobjekt mit gleich bleibender Vertragszeit (bis zum 30.12.2006). Nach § 6 dieses Mietvertrages hatte die Mieterin der Vermieterin eine Barsicherheit in Höhe von 4 Bruttomonatsmieten (7.015,56 ?) zu leisten oder eine entsprechende Bürgschaft zu stellen.

Die Beklagte, die zunächst die Erfüllung ihrer Kautionsverpflichtung gegenüber der Vorvermieterin eingewandt hatte, hat die AGB- und Sittenwidrigkeit der Vereinbarung geltend gemacht. Außerdem sei die Klageforderung nicht fällig.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung hat es verneint, unter Hinweis auf einen unstreitigen Umbau der Mieträume durch die Beklagte zur Nutzung als Reisebüro und die vertraglich vereinbarte Rückbaupflicht der Mieterin. Auf die früher geleistete Mietbürgschaft brauche sich die Klägerin nicht verweisen zu lassen. Die Fälligkeit des Zahlungsanspruches ergebe sich aus § 271 BGB .

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Sie ist der Auffassung, die Kaution betrage fast 7 Monatsmieten und sei bei einer Mietdauer von einem Jahr und 4 Monaten sittenwidrig. Sie macht weiterhin die AGB-Widrigkeit geltend. Zudem beschränke sich der von ihr rückzubauende Umbau auf die Entfernung loser Raumteiler sowie von Werbetafeln, Regalen und von wegnehmbaren Mobiliar.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf keiner Rechtsverletzung und das Berufungsvorbringen enthält keine nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 ZPO .

1. Die Klägerin hat den vom Landgericht zutreffend ausgeurteilten Wahlanspruch aus § 6 des Mietvertrages vom 07./08.10.2004. Der Vereinbarung stehen keine Wirksamkeitshindernisse entgegen.

a) Die Voraussetzungen einer Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit ( § 138 BGB ) liegen nicht vor. Eine Nichtigkeit wegen Wucher ( § 138 Abs. 2 BGB ) oder wegen wucherähnlichen Geschäftes scheidet von vorneherein aus, denn bei der Kautionsabsprache handele es sich um eine bloße Sicherung, während nur Vertragsvereinbarungen, die auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind, wucherisch sein können (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 138 Rn. 66 m.w.N.). Die Fallgruppe einer sittenwidrigen Übersicherung mit einer Beeinträchtigung der Interessen Dritter fehlt ebenfalls greifbar.

Die Höhe der Sicherheit, die Gewerbemietparteien vereinbaren können, ist ? anders als bei der Wohnraummiete ( § 551 BGB ) ? grundsätzlich nicht begrenzt (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rn. 697). Dass sie hier schikanös außerhalb eines nachvollziehbaren Sicherungsinteresses des Vermieters festgesetzt wäre, läßt sich nicht ausmachen. Abgesehen davon, dass dies bei dem 7-Fachen einer Monatsmiete vor dem Hintergrund der senatsbekannten Miet- und Nutzungsentschädigungsausfälle bei streitigen Vertragsbeendigungen bei weitem noch nicht der Fall wäre, beträgt die Kaution entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs das 7-fache der anzusetzenden Monatsmiete, deren - auch wiederholter - Ausfall hier ohnedies nur ein Risiko von mehreren darstellt. Zweck der Kaution ist es, die Erfüllung der dem Mieter während und nach dem Ende der Vertragszeit obliegenden Verpflichtungen für den Fall der Insolvenz abzusichern. Gesichert sind alle Ansprüche aus dem Mietverhältnis, also nicht nur Mietforderungen und während der Vertragszeit entstandene Schadensersatzansprüche, sondern auch Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gem. § 556 a BGB und auf Ersatz des Mietausfallschadens bei vorzeitiger Vertragsauflösung. Auch alle Nebenansprüche und Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. § 1210 Abs. 2 BGB ) werden gedeckt (Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, die Nebenkostenvorauszahlungen in den Sicherungszweck miteinzubeziehen. Die Beklagte stellt weiterhin zu Unrecht auf eine Vertragsdauer von nur noch einem Jahr und vier Monaten ab. Wie sie verkennt, erstrecken sich ihre Verpflichtungen zum Rückbau und zu Schönheitsreparaturen nach § 3 des Mietvertrages auf die Zeit ab dem 12.05.1996. Sie umfassen damit einen Zeitraum von mehr als 6 Jahren. Die damit verbundenen Verpflichtungen können ? senatsbekannt ? bei einer solchen Zeitdauer ohne Weiteres schon alleine Beträge von mehreren tausend ? umfassen.

b) Eine AGB-widrige Vereinbarung lässt sich gleichfalls nicht feststellen. Selbst wenn § 6 des streitgegenständlichen Mietvertrages trotz der Vorkorrespondenz gerade zu der Erneuerung der Kaution, die eher für ein ?Aushandeln? i.S. des § 305 BGB spricht, eine Vertragsklausel darstellen sollte, wäre sie wirksam. Sie wäre nicht überraschend i.S.d. § 305 c BGB , auch wenn die neue Kaution höher lag als die alte. Das Überraschungsmoment fehlt schon deshalb, weil die Vereinbarung der streitgegenständlichen höheren Kaution bereits vor Vertragsabschluss Gegenstand der darauf zielenden Vertragskorrespondenz gewesen ist (vgl. Schreiben der Allianz Immobilien GmbH vom 15.09.2004, Anlage K 4, Bl. 60 d.GA sowie Freistellungserklärung gleichen Datums, Anlage K 5, Bl. 61 d.GA). Die Vertragskorrespondenz mit der Beklagten hatte gerade diesen und auch nur diesen Inhalt.

Im Übrigen ist der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB hier gem. § 310 Abs. 1 BGB eingeschränkt, da die Beklagte Unternehmerin ist. Die Kautionsabrede hielte auch der danach als Prüfungsmaßstab heranzuziehenden Generalklausel des § 307 BGB stand. Insoweit verweist der Senat auf seine vorstehenden Ausführungen zu einer grundsätzlich fehlenden Begrenzung der Kautionshöhe im Gewerbemietrecht.

2. Die Fälligkeit der alternativen Klageforderungen hat das Landgericht zutreffend aus § 271 BGB hergeleitet, wogegen die Beklagte im Übrigen auch keine Angriffe führt.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 7.015,56 ? festzusetzen.

RechtsgebieteBGB, MietwucherVorschriften§ 138 Abs. 2 BGB, Mietwucher

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