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07.01.2008 · IWW-Abrufnummer 080052

Oberverwaltungsgericht Münster: Beschluss vom 07.11.2007 – 9 A 4822/05

Die Fahrerlaubnis darf nicht entzogen werden, wenn der Fahranfänger während der Probezeit zwar eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begeht und deswegen seine Teilnahme an einem Aufbauseminar angeordnet wird, ihm aber keine Frist zur Teilnahme an dem Aufbauseminar gesetzt wird. (bku)


Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen

Beschluss
Das auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Düsseldorf vom 13. April 2005 wird hinsichtlich der Gebührenfestsetzung aufgehoben. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 155,60 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr für eine im Widerspruchsverfahren aufgehobene Ordnungsverfügung über die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Wegen eines Rotlichtverstoßes während der Probezeit forderte die Beklagte die Klägerin mit Verfügung vom 16. März 2004 auf, an einem Aufbauseminar teilzunehmen. Gleichzeitig setzte sie zur Vorlage der Teilnahmebestätigung eine Frist bis zum 21. Mai 2004. Mitte April teilte die Klägerin mit, sie sei gerade nach O. -J. umgezogen und werde sich in den kommenden zwei Wochen arbeitsbedingt in der Schweiz aufhalten. Als die Klägerin innerhalb der gesetzten Frist keine Teilnahmebestätigung vorgelegt hatte, verlängerte die Beklagte mit einem an die alte Adresse der Klägerin gerichteten Anschreiben die Frist bis zum 11. Juni 2004. Am 14. Juni 2004 legte die Klägerin kommentarlos einen Vertrag vom 18. Mai 2004 über die Teilnahme an einem Aufbauseminar vor, das in der Zeit vom 23. Juni 2004 bis 7. Juli 2004 stattfinden sollte.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2004 entzog die Beklagte der Klägerin die Fahrerlaubnis und setzte hierfür eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 150,– EUR zuzüglich Postgebühren von 5,60 EUR fest. In der Begründung gab sie an, sie habe nach Vorlage der Anmeldebescheinigung stillschweigend die Frist zur Vorlage der Teilnahmebescheinigung verlängert. Da sie keine weitere Nachricht von der Klägerin erhalten habe, der Kurs jedoch beendet sei, nehme sie an, die Klägerin habe daran nicht teilgenommen. Wenige Tage nach Zustellung der Verfügung legte die Klägerin die Teilnahmebescheinigung an dem Aufbauseminar vor und erhob Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung vom 28. Juli 2004. Darauf hob die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 4. August 2004 die Verfügung mit Ausnahme der Gebührenfestsetzung auf.

Am 10. August 2004 legte die Klägerin zusätzlich Widerspruch dagegen ein, dass die Gebührenfestsetzung im Abhilfebescheid aufrecht erhalten worden war und teilte mit, sie habe die Teilnahmebescheinigung am Tag nach Abschluss des Seminars zur Post gegeben. Den Widerspruch gegen die Gebührenfestsetzung wies die Bezirksregierung Düsseldorf mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005 zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Mit Beschluss vom 5. September 2007 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung im Kern vor, die Gebühr habe nicht festgesetzt werden dürfen, weil ihr der Führerschein nicht nach § 2a Abs. 2 StVG zu entziehen gewesen sei. Denn sie sei unstreitig der ihr auferlegten Pflicht zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nachgekommen. Nach Aufheben der Verfügung über die Entziehung der Fahrerlaubnis hätte auch die Gebührenfestsetzung aufgehoben werden müssen. Abgesehen davon sei ihr nach stillschweigender Fristverlängerung keine neue Frist gesetzt worden. Im Übrigen habe sie durch umgehende Absendung der Teilnahmebescheinigung alles getan, um diese der Beklagten zukommen zu lassen.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren neben der Aufhebung der streitigen Gebührenfestsetzung zunächst erstmals auch die Rückzahlung der Gebühr beantragt, die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags jedoch wieder zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

unter Änderung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Düsseldorf vom 13. April 2005 hinsichtlich der Gebührenfestsetzung aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei der vollziehbaren Anordnung nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG nicht nachgekommen, weil sie die Teilnahmebescheinigung nicht unverzüglich nach Abschluss des Aufbauseminars vorgelegt habe. Es sei nicht Sache der Behörde, sich die Information über die Seminarteilnahme selbst zu verschaffen. Die Teilnahmebescheinigung werde vielmehr gemäß § 37 Abs. 1 FeV zur Vorlage bei der Fahrerlaubnisbehörde ausgestellt. Es handele sich somit um eine „Bringschuld“. Der Gebührentatbestand sei unabhängig von der Aufhebung der Ordnungsverfügung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfüllt. Dem Abhilfebescheid liege insofern eine neue Sachlage zugrunde, als die Klägerin die Teilnahmebescheinigung nachträglich beigebracht habe. Dies habe jedoch keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung.

Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Hefter) und der Bezirksregierung Düsseldorf (ein Hefter) Bezug genommen.

II.
Das Verfahren ist gemäß den §§ 92 Abs. 3, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin den erst im Berufungsverfahren gestellten Zahlungsantrag wieder zurückgenommen hat.

Soweit die Klage noch rechtshängig ist, entscheidet der Senat gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die zugelassene Berufung ist begründet. Der Klage ist stattzugeben. Die Gebührenfestsetzung vom 28. Juli 2004, die im Abhilfebescheid vom 4. August 2004 aufrecht erhalten worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Beklagte war zur Erhebung der Verwaltungsgebühr nach Nr. 206 des Gebührentarifs zu § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) nicht berechtigt. Danach wird unter anderem eine Gebühr erhoben für die Entziehung einer Fahrerlaubnis. Der Gebührentatbestand setzt eine rechtmäßige bzw. bestandskräftige Entziehung der Fahrerlaubnis voraus. Denn die in § 1 GebOSt vorausgesetzte Sonderrechtsbeziehung kann nur dann angenommen werden, wenn die Amtshandlung der Verwaltung ihrerseits rechtmäßig ist (vgl. auch § 14 Abs. 2 VwKostG i.V.m. § 6 GebOST) oder zumindest mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann und deshalb rechtlich Bestand hat.

Vgl. zu vergleichbaren landesrechtlichen Bestimmungen OVG Rh.-Pf., Urteil vom 25. August 2005 – 12 A 10678/05 –, NVwZ-RR 2006, 252; der Sache nach ähnlich OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2006 – 5 A 4687/04 –.

Nach diesen Grundsätzen ist die streitige Gebührenfestsetzung rechtswidrig. Die mit Verfügung vom 28. Juli 2004 ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht bestandskräftig geworden, weil die Beklagte sie im Widerspruchsverfahren aufgehoben hat. Ungeachtet der Frage, ob bereits dieser Umstand zwingend auch zur Aufhebung der mit der Entziehung der Fahrerlaubnis verbundenen Gebührenfestsetzung hätte führen müssen, ist die Gebührenerhebung jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Fahrerlaubnis der Klägerin nicht entzogen werden durfte.

Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis ergeben sich hier aus § 2a Abs. 3 StVG. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis einer vollziehbaren Anordnung der zuständigen Behörde zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG in der festgesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Nach dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde unter anderem dann, wenn gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer schwerwiegenden innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, die in das Verkehrszentralregister einzutragen ist, seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen.

Nach diesen Bestimmungen ist die Fahrerlaubnis nicht zu entziehen, wenn dem Fahranfänger keine Frist zur Teilnahme an einem Aufbauseminar gesetzt worden ist, die er einzuhalten hatte. Im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut und die einschneidende Rechtsfolge setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG eine ausdrückliche Fristsetzung voraus. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung ist der Gesetzesbegründung: In der Zusammenschau mit dem Gesetzeswortlaut lässt sich ihr entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche Fristsetzung gerade deshalb verlangt, weil er die nicht fristgerechte Befolgung behördlicher Anordnungen als Weigerung des Betroffenen ansieht, diesen nachzukommen. Hieran anknüpfend soll die Ermächtigung zur Entziehung der Fahrerlaubnis den straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen im Rahmen der Fahrerlaubnis auf Probe den erforderlichen Nachdruck verleihen und deutlich machen, dass die Probezeit für den Fahranfänger eine Zeit der Bewährung ist, in der besondere Anforderungen an sein Verkehrsverhalten und auch an seine aktive Teilnahme an behördlich angeordneten Maßnahmen gestellt werden.

Vgl. Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes, BT-Drs. 10/4490, S. 20.

Der so begründeten einschneidenden Rechtsfolge stellt der Gesetzgeber als rechtsstaatliches Korrektiv das Erfordernis der Fristsetzung durch die Behörde gegenüber, das für den Betroffenen Klarheit schafft, unter welchen Voraussetzungen er mit der Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen muss. Das Erfordernis der Fristsetzung hat der Gesetzgeber in der seit dem 1.1.1999 geltenden Gesetzesfassung noch deutlicher herausgestellt, indem er es im Gegensatz zur Vorläuferfassung ausdrücklich nicht nur in § 2a Abs. 3 StVG, sondern zusätzlich in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 aufgenommen hat.

Der Klägerin kann danach nicht entgegen gehalten werden, sie sei einer vollziehbaren Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar in der hierfür festgesetzten Frist nicht nachgekommen, weil ihr keine entsprechende Frist mehr gesetzt war. Die ihr für die Vorlage einer Teilnahmebescheinigung an einem Aufbauseminar zunächst bis zum 21. Mai 2004 gesetzte und bis zum 11. Juni 2004 verlängerte Frist hat die Beklagte unstreitig nochmals stillschweigend verlängert, nachdem die Klägerin ihr einen Teilnahmevertrag über ein Ende Juni 2004 beginnendes Aufbauseminar vorgelegt hatte. Bei dieser stillschweigenden Fristverlängerung – die im Hinblick auf die besonderen Lebensumstände der Klägerin unmittelbar nach einem Umzug und Aufnahme einer Ausbildung mit zeitweiligem Auslandsaufenthalt sachlich geboten gewesen sein dürfte,

vgl. etwa VG Oldenburg, Beschluss vom 12. März 2003 – 7 B 575/03 –, juris –; ähnlich VG Meinigen, Beschluss vom 4. September 1995 – 2 E 494/95.Me –, ZfSch 1996, 159; Dauer, in: Hentschel, StVR, 39. Aufl. 2007, § 2a StVG Rn. 15 –

hat sie jedoch davon abgesehen, der Klägerin eine neue Frist zu setzen, deren Nichtbefolgung dieser entgegen gehalten werden könnte.

Da die Fahrerlaubnis schon aus diesem Grunde nicht entzogen werden durfte, stellt sich vorliegend nicht die vom Beklagten für klärungsbedürftig angesehene Frage, ob über den Wortlaut des § 2a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG hinaus die Fahrerlaubnis auch dann zu entziehen ist, wenn die Teilnahme an einem Aufbauseminar noch innerhalb einer festgesetzten Frist erfolgt, die in § 37 FeV vorgesehene Teilnahmebescheinigung jedoch erst nach Fristablauf vorgelegt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Kosten werden der Beklagten ganz auferlegt, weil der von der Klägerin zurückgenommene Zahlungsantrag nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts führt und deshalb keine besonderen Kosten verursacht.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

RechtsgebieteStVG, GebOStVorschriftenStVG § 2a Abs. 2, GebOSt § 1 Nr. 206

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