08.02.2008 · IWW-Abrufnummer 080430
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 11.12.2007 – X S 22/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
X S 22/07
Gründe:
I. Der Antragsteller verkaufte mit Vertrag vom 8. Dezember 2001 seinen Betrieb, die X-...technik (Fa. X), an einen Mitarbeiter, nachdem ihm die Rentenanstalt Y eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt hatte. Der Erwerber sei, so die Darstellung des Antragstellers im finanzgerichtlichen Verfahren, "ein typischer Techniker, verliebt in technische Details, aber mit Schwächen in der kaufmännischen Dimension, der Menschenführung und im Umgang mit Kunden". Deshalb schlossen der Antragsteller und der Erwerber des Betriebs zeitgleich einen Beratervertrag. Danach hatte der Antragsteller die Fa. X in allen grundsätzlichen Fragen der Unternehmensführung und Akquisition zu beraten. Zu dieser Beratungstätigkeit gehörten insbesondere auch "Organisation und Systeme, Akquisition und Vertrieb, Werbung und kaufmännische Verwaltung. Als Vergütung war für die Jahre 2002 bis 2004 ein Honorar von jährlich 45 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Ferner sollte der Antragsteller ein umsatzabhängiges Honorar von 5 % des Mehrumsatzes gegenüber dem Jahresabschluss 2001 von geschätzt 550 000 DM erhalten. Dieses Honorar hätte sich um die Umsatzsteuer erhöht. Tatsächlich wurde später kein umsatzabhängiges Honorar gezahlt.
Der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) gewährte für den Veräußerungsgewinn von unstreitig 86 725 DM weder den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) noch behandelte es den Veräußerungsgewinn als außerordentliche Einkünfte i.S. von § 34 EStG.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Mit Beschluss vom heutigen Tag ... hat der beschließende Senat auf diese Beschwerde hin die Revision zugelassen. Das Beschwerdeverfahren wird deshalb als Revisionsverfahren fortgesetzt.
Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller nach vorausgehendem erfolglosen Antrag beim FA sinngemäß die Vollziehung des im Hauptsacheverfahren angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2002 insoweit auszusetzen, als ihnen das FA den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und die Steuerbegünstigung nach § 34 EStG versagt hat.
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ist begründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache --hier wegen der anhängigen Nichtzulassungsbeschwerde der beschließende Senat-- die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn die in § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO genannten Voraussetzungen vorliegen. Ernstliche Zweifel, die nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO die AdV rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- vgl. z.B. Beschluss vom 11. August 2000 I S 5/00, BFH/NV 2001, 314, unter II.2. der Gründe; vgl. ferner die Nachweise bei Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 69 Rz 86).
2. Im vorliegenden Streitfall sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2002 insoweit zu bejahen, als das FA den Antragstellern den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG sowie die Steuerbegünstigung nach § 34 EStG versagt hat.
In dem angefochtenen, zur Hauptsache ergangenen klageabweisenden Urteil hat das FG --dem FA folgend-- die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung im Ganzen verneint, weil der Antragsteller aufgrund des Beratervertrags weiterhin für seinen früheren Betrieb tätig gewesen sei, Unternehmerinitiative entfaltet und Unternehmerrisiko getragen habe.
Angesichts des Umstands, dass die Tätigkeit als Angestellter oder freier Mitarbeiter in fremdem Namen und auf fremde Rechnung in der ehemaligen freiberuflichen Praxis einer Betriebsveräußerung nicht entgegensteht (BFH-Urteil vom 18. Mai 1994 I R 109/93, BFHE 175, 249, BStBl II 1994, 925), unterliegt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ernstlichen Zweifeln. Für die Begründung solcher Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO genügt es, dass die nach Aktenlage nicht fernliegende --ernstliche-- Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren obsiegt (ähnlich BFH-Beschlüsse vom 16. Juli 1997 III S 10/96, BFH/NV 1998, 178, unter 2.; in BFH/NV 2001, 314, unter II.2., und vom 4. Februar 1997 VII S 29/96, BFH/NV 1997, 588, 589, linke Spalte, wonach es genügt, dass sich aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht absehen lässt, ob die Klage letztlich Erfolg haben wird oder nicht).
Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen Tag ... die Revision gegen die im Hauptsacheverfahren angefochtene Vorentscheidung zugelassen.
4. Die Übertragung der Berechnung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO.