Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

12.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080765

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 22.11.2007 – L 5 KR 119/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

L 5 KR 119/06

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 20.3.2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 30.9.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.11.2003 abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 8.9.2003 in Bezug auf die Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig nach dem KSVG ist. Ferner wird festgestellt, dass der Kläger seit dem 8.9.2006 in Bezug auf die Rentenversicherung versicherungspflichtig nach dem KSVG ist.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Versicherungspflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).

Der 1956 geborene Kläger, der seinen Angaben zufolge seit ca 1978 als Goldschmied und Bildhauer arbeitet und von der Beklagten vom 14.2.1985 bis Ende 1988 als Mitglied der Künstlersozialkasse aufgenommen worden war, hatte sich 1988 von dieser abgemeldet. Diese Entscheidung hatte späteren Angaben des Klägers zufolge darauf beruht, dass er zwischenzeitlich verstärkt Reparaturaufträge übernommen und versucht hatte, ein eigenes Geschäft in M zu eröffnen, um seine Produkte zu verkaufen, was jedoch aus finanziellen Gründen gescheitert war. Anschließend hatte er ca drei Jahre als Angestellter bei einem Juwelier gearbeitet. Ab dem 1.3.2003 erhielt der Kläger bis zum 7.9.2003 Arbeitslosengeld.

Im März 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung seiner Versicherungspflicht nach dem KSVG. Er machte geltend: Er sei nun ausschließlich als selbstständiger Goldschmied und Bildhauer tätig. Seine Haupteinnahmequelle sei die bildende Kunst bzw das Design, wobei er für verschiedene Auftraggeber arbeite. Sein voraussichtliches Jahreseinkommen aus künstlerischer Tätigkeit bezifferte er auf ca 8.000 EUR. Er legte der Beklagten eine Visitenkarte, wonach er Goldschmiedekurse für Einsteiger und Fortgeschrittene leite, Kontoauszüge, ua über die Zahlungen von zwei Privatkunden, das Zeugnis der staatlichen Zeichenakademie in Hanau über seine Abschlussprüfung als Goldschmied vom Februar 1979 sowie einen Zeitungsartikel über eine Ausstellung in der ehemaligen Synagoge in P vor. Weiter erklärte er, seine Kunstgegenstände habe er bei S S in D , bei S in F , in einer Ausstellung in L sowie in verschiedenen mobilen Ausstellungen in ganz Deutschland ausgestellt; in letzter Zeit habe er an einer Ausstellung im kleinen Kunstbahnhof in St J teilgenommen.

Durch Bescheid vom 30.9.2003 lehnte die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers ab. Zur Begründung hieß es: Die Tätigkeit des Klägers sei nicht künstlerisch im Sinne des KSVG, sondern dem Kunsthandwerk zuzurechnen. Denn der Kläger beziehe als Produzent seiner Erzeugnisse seine Wertschätzung und sein Einkommen aus den mit handwerklicher Qualität hergestellten Endprodukten. Soweit der Kläger Goldschmiedekurse an Volkshochschulen leite, sei dies keine Weitergabe von künstlerischen Fähigkeiten, sondern eine Anleitung zum Kunsthandwerk.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend: Bei ihm stehe die künstlerische Tätigkeit im Vordergrund. Das Kunsthandwerk diene ihm allein als Ausdrucksform der Kunst. Er verwende auch goldschmiedeferne Techniken wie die Ölmalerei und die Schnitzerei. Beim zuständigen Finanzamt werde er als freischaffender Künstler geführt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 5.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, wobei sie zur Begründung ausführte: Die Bejahung der künstlerischen Tätigkeit des Klägers wäre nur dann unproblematisch, wenn sich dessen Betätigung allein auf die Anfertigung von Entwürfen konzentrieren würde, was jedoch nicht der Fall sei. Eine Zuordnung zur Kunst sei nur möglich, wenn der Betroffene mit seinen Werken in einschlägigen fachkundigen Kreisen als Künstler anerkannt sei (Hinweis auf Bundessozialgericht BSG 24.6.1998 B 3 KR 13/97 R), woran es vorliegend fehle.

Der Kläger hat am 5.12.2003 Klage erhoben und vorgetragen: Für die Zurechnung zur Kunst spreche in seinem Fall, dass er seine Arbeiten in verschiedenen Galerien ausgestellt habe. Seine Dozententätigkeit in Volkshochschulen habe die Vermittlung von Techniken zum Gegenstand, die als künstlerisch einzustufen seien. Zu beachten sei auch, dass er in der Vergangenheit mit gleichem Tätigkeitsprofil bereits Mitglied der Künstlersozialkasse gewesen sei und sich seither nichts in Bezug auf seine Anerkennung in Künstlerkreisen geändert habe. Es könne nicht angehen, dass die Versicherungspflicht davon abhängig sein solle, dass er Mitglied in einer Künstlervereinigung sei und an Wettbewerben teilnehme. Der Kläger hat Bescheinigungen des Malers und Grafikers D H vom Juli 2004 über eine Verkaufsausstellung im Kunstbahnhof E in St J von September 2002 bis Januar 2003 sowie des Fördervereins Heimatmuseum C Stube eV in P über Ausstellungen vom 9.9. 30.9.1997 im K haus K und vom 1.10.1997 31.10.1997 sowie vom 19.8. bis 30.8.2001 in der ehemaligen Synagoge P vorgelegt. Zudem hat er dem SG die Einladung zu einer Ausstellung in der ehemaligen Synagoge P am 12.9.2004, ein Ausstellungsplakat betreffend eine Ausstellung in der Synagoge mit Kopien von Ausstellungsobjekten und einer Darstellung seiner Person in dem Ausstellungskatalog sowie Lichtbilder über seine Ausstellungsobjekte übersandt. Die Volkshochschule der Stadt K sowie die Kreisvolkshochschule A haben dem SG im Oktober 2005 Auskünfte erteilt.

Das Sozialgericht (SG) hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.3.2006 persönlich angehört. Auf Nachfrage hat dieser ua erklärt: Er habe 2004 aus dem Umsatz aus seiner Tätigkeit ca 700 EUR Mehrwertsteuer zahlen müssen. Die Herstellung und der Verkauf des von ihm hergestellten Schmucks liefen dergestalt ab, dass die Interessenten zu ihm kämen und ihm ihre Wünsche mitteilten, worauf er ein entsprechendes Schmuckstück anfertige. Auch 2005 habe er wieder in der ehemaligen Synagoge in P ausgestellt. Er fertige nur kleine Kunstgegenstände; die größte Skulptur, die er hergestellt habe, messe ungefähr 30 cm. In den letzten drei Jahren habe er mehr Skulpturen als Schmuck gefertigt; diese stünden bei ihm zuhause; verkauft habe er eine Skulptur in Form eines Trinkhorns. 2005 habe er ca 17 Tage Kurstätigkeit an Volkshochschulen angeboten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides festzustellen, dass er im Hinblick auf die Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG versicherungspflichtig ist. Durch Urteil vom 20.3.2006 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger sei nicht versicherungspflichtig nach dem KSVG, weil seine Einnahmen überwiegend nicht aus künstlerischer, sondern aus kunsthandwerklicher Tätigkeit resultierten. Entscheidend sei, ob der Betroffene seinen Lebensunterhalt überwiegend mit Arbeiten bestreite, deren Schwerpunkt auf einer eigenen schöpferischen Leistung im Sinne einer eigenständigen künstlerischen Inspiration beruhe. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Eine wesentliche Einnahmequelle sei das Abhalten von Goldschmiedekursen, mit denen er 2004 ca 3.000 EUR verdient habe. Bei der Dozententätigkeit handele es sich überwiegend nicht um die Weitergabe von künstlerischen Fähigkeiten. Im Übrigen habe der Kläger für 2004 Mehrwertsteuer in Höhe von rund 700 EUR geleistet. Selbst wenn man davon ausgehe, dass diese nur auf die Schmuckherstellung (und nicht auf die Dozententätigkeit) entfallen sei, hätte die Schmuckherstellung zu Einnahmen in Höhe von rund 4.400 EUR geführt. Die Schmuckherstellung sei jedoch, wie sich aus den Einlassungen des Klägers ergebe, im Wesentlichen, dh zum weit überwiegenden Anteil, nicht eigenschöpferisch, sondern auftragsbestimmt, was einer kunsthandwerklichen Tätigkeit, aber keiner künstlerischen Tätigkeit aufgrund einer eigenständigen künstlerischen Inspiration entspreche. Lediglich die vom Kläger erwähnten Skulpturen entsprängen einer eigenständigen künstlerischen Inspiration und eigenen Entwürfen. Nach seinen Angaben habe er diese jedoch, abgesehen von einer einzigen Skulptur, nicht verkauft und somit bisher hiermit nicht seinen Lebensunterhalt bestritten.

Gegen dieses ihm am 26.4.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.5.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Der Senat hat Auskünfte der Volkshochschule der Stadt K und der Volkshochschule A eV, jeweils vom Juli 2007 eingeholt, die dem Senat Kursbeschreibungen zugesandt haben.

Der Kläger trägt vor: Seine Arbeiten seien in den seltensten Fällen nicht eigenschöpferisch. Auch wenn es sich um Aufträge handele, mache er zuvor einige Vorentwürfe, zu denen sich der Kunde äußern könne. Kunstgegenstände, die ohne Absprache mit dem Interessenten gefertigt würden, seien sehr schwer zu verkaufen. Seine Aussage bei seiner Anhörung durch das SG, dass er von seinen Skulpturen nur das "Trinkhorn" verkauft habe, sei nicht zutreffend; ihm sei bei seiner Anhörung durch das SG nur kein anderes Objekt eingefallen. Auch seine Angabe gegenüber dem SG, dass er 700 EUR Umsatzsteuer im Jahre 2005 abgeführt habe, treffe nicht zu; es seien 700 EUR an Nachzahlung, insgesamt aber 1.700 EUR gewesen. Zu seinen Gunsten spreche, dass die Volkshochschule A für seine Lehrtätigkeit Abgaben nach dem KSVG gezahlt habe. Er vermittle bei seinen Volkshochschulkursen nicht in erster Linie Technik, sondern leite die Teilnehmer zu eigenschöpferischer Tätigkeit (Umsetzen von Ideen in plastische Form) an. Ein Professor der bildenden Künste habe seine Arbeit als "additive und subtraktive Bildhauerei" definiert. Die Einnahmen durch den Verkauf von Material an seine Schüler machten etwas mehr als die Hälfte der zu versteuernden Einnahmen aus.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 20.3.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.9.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.11.2003 aufzuheben und festzustellen, dass er ab 8.9.2003 kranken- und pflegeversicherungspflichtig und ab dem 8.9.2006 rentenversicherungspflichtig nach dem KSVG ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei der Ansicht des BSG zu folgen, dass es für die Eigenschaft als Künstler iSd KSVG auf die Anerkennung als solcher in Fachkreisen ankomme. Im Ergebnis habe das SG die Klage aber zu Recht abgewiesen. Der Vortrag des Klägers, bei seinen Volkshochschulkursen stehe die Umsetzung von Ideen im Vordergrund, vermöge seinem Berufungsbegehren nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dass Gestaltung auch gelehrt werde, sei unbestritten. Dies sei aber bei vielen Lehrtätigkeiten der Fall, ohne dass von einer künstlerischen Lehrtätigkeit iSd § 2 Satz 1 KSVG gesprochen werden könne. Wenn der Kläger Künstler iSd KSVG sei, sei die Frage der Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG zu prüfen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz SGG zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger ist im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten und des SG ab dem 8.9.2003 kranken- und pflegeversicherungspflichtig und ab dem 8.9.2006 rentenversicherungspflichtig nach dem KSVG.

Nach § 1 KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung versichert, wenn sie die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen. Künstler ist gemäß § 2 Satz 1 KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft ausübt oder lehrt. Der dem KSVG zugrundeliegende Kunstbegriff verlangt eine eigenschöpferische Leistung, wobei diese allerdings entsprechend dem Schutzzweck der Künstlersozialversicherung auch ein relativ niedriges Niveau aufweisen kann (BSG 24.6.1998 B 3 KR 13/97 R, SozR 3 5425 § 2 Nr 8).

Ausgehend davon ist der Kläger Künstler iSd KSVG. Dass die Produkte des Klägers gestalterische Elemente aufweisen, die eigenschöpferischen Charakter haben, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten. Hinzukommen muss allerdings, dass die schöpferische Leistung über den Bereich des Handwerklichen hinausgeht, denn Produkte handwerklicher Tätigkeiten zählen nicht zum Bereich der Kunst (BSG 20.3.1997 3 RK 15/96, SozR 3 5425 § 2 Nr 5; 24.6.1998 aaO). Eine Tätigkeit ist dem Bereich des Handwerks zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs 2 der Handwerksordnung (HwO) vorliegen (BSG 24.6.1998 aaO). Danach ist ein Gewerbebetrieb ein Handwerksbetrieb, wenn er handwerksmäßig, dh nicht industriell betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten ein Gewerbe umfasst, das in der Anlage A zur HwO aufgeführt ist. Für zahlreiche Berufe ist allerdings ein fließender Übergang von Handwerk und Kunst festzustellen. Dazu zählt auch der Beruf des Goldschmieds (BSG 24.6.1998 aaO). § 2 Abs 2 der bis zum 30.6.2001 in Kraft befindlichen Verordnung zur Durchführung des KSVG (KSVGDV) führte ua die Tätigkeit des Goldschmieds sogar ausdrücklich als künstlerische im Bereich der bildenden Kunst auf. Bei einem solchen Beruf kommt es nach der Rechtsprechung des BSG entscheidend darauf an, ob der Betroffene mit seinen Werken in einschlägigen fachkundigen Kreisen als "Künstler" anerkannt und behandelt wird (BSG 20.3.1997 aaO, 24.6.1998 aaO). Hierfür ist bei Vertretern der bildenden Kunst vor allem maßgebend, ob der Betroffene an Kunstausstellungen teilnimmt, Mitglied von Künstlervereinen ist, in Künstlerlexika aufgeführt ist, Auszeichnungen als Künstler erhalten hat oder andere Indizien auf eine derartige Anerkennung schließen lassen (BSG 24.6.1998 aaO).

Den Einwänden des SG im angefochtenen Urteil (im Anschluss an LSG Baden-Württemberg 27.9.2002 L 4 RA 1653/01) gegen das Kriterium der Anerkennung in einschlägigen fachkundigen Kreisen folgt der Senat nicht. Dem SG ist zwar einzuräumen, dass Künstler nicht unbedingt zu Lebzeiten auf Anerkennung stoßen müssen und es auch manchem Künstler schwer fallen mag, sich bestimmten Künstlerverbänden oder vereinen anzuschließen. Die Mitgliedschaft in Künstlervereinen ist jedoch wie auch die anderen genannten Indizien nur ein Merkmal für die Anerkennung in Fachkreisen, für die zB auch die Teilnahme an Ausstellungen ausreichen kann. Entscheidend für die Anerkennung in den maßgebenden Kreisen als gewichtiges Abgrenzungsmerkmal zwischen einem Kunsthandwerker und einem Künstler spricht, dass sich ansonsten kein anderes geeignetes Kriterium für die Differenzierung zwischen Kunsthandwerk und Kunst findet. Dies zeigen auch die Ausführungen des angefochtenen Urteils. Die Abgrenzung danach, ob die Herstellung zB von Schmuck unter Berücksichtigung von Wünschen von Auftraggebern erfolgt so das SG , überzeugt nicht. Die Kunstgeschichte kennt viele Beispiele, bei denen Künstler ihre Werke unter Zugrundelegung von Wünschen von Auftraggebern angefertigt haben. Ob es sich um einen Künstler handelt, kann allerdings nicht allein nach der Anerkennung in einschlägigen Fachkreisen beurteilt werden; vielmehr ist eine Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.

Im Falle des Klägers liegen nach der Überzeugung des Senats ausreichende Indizien für eine Anerkennung in Fachkreisen vor. Dafür genügt es, dass der Kläger in nicht unerheblichem Umfang an Kunstausstellungen teilgenommen hat und noch teilnimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann insoweit auch die Teilnahme an Ausstellungen im lokalen Rahmen genügen. Der Schutzzweck des KSVG beschränkt sich nicht auf in einem größeren Gebiet bekannte Künstler, sondern erstreckt sich auch auf weitgehend unbekannte Künstler, die gerade sozial besonders schutzbedürftig sind. Der Beklagten kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie verlangt, dass die Ausstellungstätigkeit "schwerpunktmäßig" ausgeübt wird. Die Teilnahme an Ausstellungen ist nur ein Indiz dafür, dass der Betroffene in Fachkreisen als Künstler anerkannt wird und erfordert daher nicht zwingend die Beteiligung an einer Vielzahl von Ausstellungen. Voraussetzung ist allerdings insoweit ist der Beklagten zu folgen , dass es sich um Kunstausstellungen und nicht um Ausstellungen von Kunsthandwerk handelt. Ob dies der Fall ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Die Teilnahme allein an Ausstellungen, die im Wesentlichen dem unmittelbaren Verkauf dienen, belegt in der Regel die Eigenschaft als Künstler nicht, weil solche Ausstellungen typische Merkmale des Kunsthandwerks sind. Im Falle des Klägers wird die Anerkennung in Fachkreisen durch seine wiederholten Ausstellungen in der ehemaligen Synagoge in P , die nicht den unmittelbaren Verkauf der Exponate bezwecken und die zusammen allein mit Künstlern nicht Kunsthandwerkern erfolgen, belegt. Die aktenkundige Kopie eines Ausstellungsplakats zeigt, dass der Kläger zusammen mit einem figurativen Künstler und einer Künstlerin, die Skulpturen herstellt, ausstellt. Auf dem Plakat ist er mit dem Zusatz "Minimal-Art & Schmuck" als Künstler gleichrangig neben den anderen ausstellenden Künstlern, einem figurativen Künstler und einer Herstellerin von Skulpturen, aufgeführt. Im Ausstellungskatalog wird der Kläger mit seiner Herstellung von Kleinkunst- und Schmuckerzeugnissen in einer Art beschrieben, wie dies bei Künstlern üblich ist.

Für die Eigenschaft des Klägers als Künstler sprechen außerdem weitere Gesichtspunkte. Der Kläger repariert keinen Schmuck, sondern fertigt nur Gegenstände keine Massenproduktion, sondern immer unterschiedliche künstlerische Objekte an. Er ist nicht auf Bereiche beschränkt, die dem erlernten Beruf des Goldschmiedes zuzuordnen sind. Vielmehr setzt er auch goldschmiedeferne Techniken wie die Ölmalerei und die Schnitzerei ein. Seine nicht auf den Bereich des Goldschmieds eingegrenzte Produktionsweise wird auch durch die von ihm vorlegte Beschreibung des Ausstellungskatalogs in der Synagoge P bestätigt, wonach er acht verschiedene Materialien benutzt. Gegen eine Betätigung als Kunsthandwerker spricht ferner, dass der Kläger über keinen Verkaufsladen verfügt.

Entgegen der Auffassung des SG kommt es nicht darauf an, welchen Anteil seines Einkommens der Kläger aus der Schmuckherstellung, der Herstellung von Skulpturen und den Volkshochschulkursen jeweils erzielt. Eine Abgrenzung zwischen Schmuck und Skulpturen, sofern diese überhaupt möglich ist, ist entbehrlich, weil beide Bereiche zur künstlerischen Betätigung des Klägers zählen. Dass die Schmuckherstellung insoweit nicht abgrenzbar ist, zeigen seine Ausstellungen, die auch Schmuck betreffen.

Soweit der Kläger Kurse in Volkshochschulen gibt, betreibt er Lehre iSd § 2 Satz 1 KSVG von Kunst. Grundsätzlich gelten für die Wertung, ob es sich um einen Unterricht in einer künstlerischen Tätigkeit handelt, die gleichen Abgrenzungskriterien wie bei der schöpferischen Tätigkeit selbst (vgl BSG 14.12.1994 3/12 KR 62/93), wonach die Darbietung, die gelehrt wird, ein Mindestmaß an schöpferischer Gestaltung aufweisen muss. Auch insoweit ist, wenn Goldschmiedefähigkeiten gelehrt werden, zusätzlich eine Abgrenzung zwischen Kunst und Kunsthandwerk notwendig. Da es in Bezug auf die Lehrtätigkeit nicht um die eigene gestalterische Tätigkeit des Klägers geht, kann insoweit nicht entscheidend auf die Anerkennung und Behandlung in den einschlägigen Fachkreisen abgestellt werden. Vielmehr lässt sich die Abgrenzung nur nach Art und Inhalt des gebotenen Lehrstoffs vollziehen. Entscheidend ist, ob sich die angebotenen Veranstaltungen allein wesentlich auf technische Fähigkeiten beziehen oder ob die schöpferische Gestaltung eine wesentliche Bedeutung hat. Vorliegend ist Letzteres der Fall. Nach der Internet-Homepage des Klägers (auf diese wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen) betrifft der Lehrstoff ausdrücklich auch "designerische" Inhalte. Dafür sprechen die auf der Homepage abgebildeten Arbeitsergebnisse aus früheren Goldschmiedekursen. Dem Umstand, dass die Volkshochschule der Stadt K die Auffassung vertreten hat, laut der Kursausschreibung liege der Schwerpunkt der Kurse "Goldschmieden" vornehmlich in der Vermittlung handwerklicher Fertigkeiten, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Dies geht entgegen der Meinung dieser Volkshochschule aus der von dieser übersandten Kursbeschreibung nicht hervor.

Die Voraussetzungen von Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs 1 KSVG sind nicht erfüllt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist versicherungsfrei nach dem KSVG, wer in dem Kalenderjahr aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit ein Arbeitseinkommen erzielt, das 3.900 EUR nicht übersteigt. Gemäß § 3 Abs 3 KSVG bleibt die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren diese Grenze nicht übersteigt. Die Grenze von 3.900 EUR ist vorliegend überschritten, da wie dargelegt auch die Lehrtätigkeit des Klägers in die künstlerische Tätigkeit einzubeziehen ist; insoweit ist auch der Erlös aus dem Verkauf von Material als Einnahme aus der Lehrtätigkeit mit zu berücksichtigen. Der Kläger hatte ausweislich der vorgelegten Einkommensteuerbescheide ein Einkommen aus seiner künstlerischen Tätigkeit zuzüglich seiner Lehrtätigkeit im Jahr 2002 von 10.792, EUR, im Jahr 2003 von 4.855, EUR und 2004 von 8.338, EUR.

Hinsichtlich des Zeitraums vom 1.3.2003 bis zum 7.9.2003 sind wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld (vgl § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V) die Voraussetzungen für Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 1, Abs 2 Nr 1 KSVG erfüllt. Wegen des Bezugs des Existenzgründungszuschusses vom 8.9.2003 bis zum 7.9.2006 war der Kläger in diesem Zeitraum nicht rentenversicherungspflichtig nach dem KSVG (§ 2 Satz 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB VI ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebietKSVGVorschriften§ 2 Satz 1 KSVG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr