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28.11.2008 · IWW-Abrufnummer 083710

Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 14.10.2008 – 5 U 1030/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 5 U 1030/08
42 HK O 174/07 LG Dresden

Verkündet am 14.10.2008

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2008 durch

XXX

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 24.06.2008 - 42 HKO 174/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte zu 1) trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie der Streithelferin, davon 9,5 % als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 2) und zu 3). Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstrek-kung kann abgewendet werden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung durch den jeweiligen Vollstreckungsschuldner, und zwar hinsichtlich der Nummer 3 des Urteils des Landgerichts vom 24.6.2008 in Höhe von 105.000,- EUR, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe vor der Vollstreckung Sicherheit leistet und im Übrigen in Höhe von 110 % des für die Klägerin gegen den jeweiligen Vollstreckungsschuldner vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 282.904,04 EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Klägerin hat der Beklagten durch Vertrag vom 28.03.2006 (K 1) bis zum 31.01.2017 befristet Gewerberäume zum Betrieb eines Cafés vermietet. Sie verlangt mit ihrer Klage rückständige Miete und die Räumung des Mietobjekts. Ferner verlangt sie Auskunft über bisher erzielte Umsätze, da die Parteien (neben einer Grundmiete) eine Umsatzmiete vereinbart haben. Die Beklagte zu 1) hat in erster Instanz widerklagend Schadensersatzansprüche geltend gemacht und die Feststellung verlangt, dass sie berechtigt ist, die Bruttowarmmiete monatlich um mindestens 80 % zu mindern. Die Beklagten zu 2) und 3) werden von der Klägerin in Anspruch genommen, da diese für den von der Beklagten zu 1) geschuldeten Nettomietzins gebürgt haben. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die Beklagte zu 1) hat im Berufungsverfahren erklärt, dass den im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil vom 06.06.2007 von der Klägerin beigetrieben Beträge Tilgungswirkung zukommen soll, soweit diese Beträge von der Klägerin in ihrer Zahlungsklage in Abzug gebracht worden sind.

Das Landgericht hat durch ein End- und – hinsichtlich des Auskunftsanspruchs – Teilurteil der Klage ganz überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Die Zahlungsklage hält das Landgericht hinsichtlich der Hauptforderung im vollen Umfang und hinsichtlich des Zinsanspruches ganz überwiegend für begründet. Das Landgericht ist im Ergebnis der Beweisaufnahme insbesondere der Auffassung, dass die Beklagte zu 1) kein Recht hatte, die Mietzinsforderung zu mindern. Zwar liege in den von der Beklagten zu 1) dargestellten Lärmbelästigungen grundsätzlich ein Mietmangel. Hier seien jedoch besondere Umstände gegeben, nach denen ausnahmsweise dennoch kein Mangel anzunehmen sei. Für beide Parteien sei bei Abschluss des Mietvertrages erkennbar gewesen, dass während der über 10-jährigen Mietdauer eine Tiefgarage unter dem ...markt gebaut würde. Dieses Projekt werde von der Landeshauptstadt ....... seit Längerem verfolgt. Dies sei aus der Presseberichterstattung erkennbar gewesen. Insbesondere dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten zu 1), einem Mietwagenunternehmer, sei dies bekannt gewesen. Hinzu trete, dass die Beklagte zu 1) vom Zeugen H....... im Vorfeld des Mietvertrages darüber informiert worden sei, dass eine Tiefgarage unter dem ...markt errichtet werden würde. Dies habe insbesondere der Zeuge H....... bestätigt. Dessen Aussagen hält das Gericht für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig. Unabhängig davon sei hier eine Minderung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 des Mietvertrages ausgeschlossen gewesen, wonach eine Minderung der Miete nicht in Betracht kommt, wenn Umstände, welche die Vermieterin nicht zu vertreten habe, die gewerbliche Nutzung der Räume beeinträchtige.

Die Zahlungsklage gegen die Beklagten zu 2) und 3) hat nach Auffassung des Landgerichts nur teilweise Erfolg. Die Bürgschaft gelte nicht für die von der Beklagten zu 1) geschuldeten Betriebs- und Nebenkosten sowie die Umsatzsteuer. Daher könne die Klägerin lediglich 13.000,00 EUR je Monat beanspruchen.

Auf die einseitig gebliebene Erledigterklärung der Klägerin hinsichtlich des Anerkenntnis-Vorbehaltsurteils sei dieses teilweise aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen. Die Urkundsklage sei ursprünglich im vollen Umfang begründet gewesen. Durch freiwillige Zahlungen der Beklagten zu 1) i.H.v. 10.802,00 EUR sei die Forderung teilweise erloschen. Insoweit sei Erledigung eingetreten. Soweit jedoch aus dem Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil die Zwangsvollstreckung betrieben worden sei und hier Zahlungen erlangt worden seien, ziehe dies keine Erledigung nach sich. Deshalb sei insoweit die Klage auf Feststellung der Erledigung unter Aufhebung des entsprechenden Teils des Anerkenntnis-Vorbehaltsurteils abzuweisen.

Die Klage auf Räumung und Herausgabe der Mieträume hält das Landgericht für begründet. Das Mietverhältnis sei aufgrund der mit Schreiben vom 11.07.2007 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung zum 31.07.2007 beendet. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Beklagte mit annähernd zwei Monatsmieten über zwei aufeinanderfolgende Termine in Verzug befunden. Jedenfalls sei aber durch die außerordentliche fristlose Kündigung am 05.09.2007 das Mietverhältnis wirksam beendet worden.

Die Stufenklage auf Erteilung einer Auskunft über die monatlichen Bruttoumsätze der Beklagten zu 1) in den Monaten März bis Juli 2007 ist nach der im landgerichtlichen Urteil vertretenen Auffassung hinsichtlich der ersten Stufe der Auskunftserteilung begründet. Bisher sei über die Bruttoverkaufsumsätze keine Auskunft erteilt worden. Diese seien jedoch für die Berechnung der Umsatzmiete maßgeblich.

Die Widerklage der Beklagten zu 1) hält das Landgericht für unbegründet. Der Beklagten stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin zu. Die Klägerin habe keine Aufklärungspflichten gegenüber der Beklagten zu 1) verletzt. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des beabsichtigten Baus der Tiefgarage bestehe schon deshalb nicht, weil sie jedenfalls für den interessierten Beobachter ohne weiteres zu erkennen gewesen sei. Die Klägerin habe nicht annehmen können, dass die Beklagte zu 1), insbesondere deren damaliger Geschäftsführer, von diesem Bauvorhaben nichts gewusst habe. Zudem habe die Beklagte zu 1) ihre Behauptung nicht nachweisen können, die Klägerin habe eine demgegenüber überlegene Kenntnis von dem Bauvorhaben gehabt.

Der Feststellungsantrag, dass die Beklagte zu 1) berechtigt sei, den Mietzins i.H.v. 80 % zu mindern, hält das Landgericht aus den zur Klage dargelegten Gründen ebenfalls für unbegründet. Weitere Schadensersatzansprüche kämen ebenfalls nicht in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bau der Tiefgarage nicht zu einem Mangel geführt habe. Dies sei allenfalls dann anzunehmen, wenn sich eine Beeinträchtigung bei Abschluss des Mietvertrages bereits konkret zeige. D.h., die Beeinträchtigungen müssten für den Mieter vor Anmietung bereits erkennbar sein. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Bauarbeiten bei Abschluss des Vertrages noch nicht begonnen hätten und zudem die Beklagte zu 1) in einem Fragenkatalog gegenüber der Klägerin ausdrücklich angefragt habe, ob in den nächsten zwei Jahren Baumaßnahmen geplant seien, welche den Geschäftsbetrieb erheblich beeinflussen würden. Soweit das Gericht insoweit auf Pressemitteilungen verweise, könne hieraus keine konkrete Beeinträchtigung entnommen werden, weil das Ausmaß der Bauarbeiten überhaupt nicht Gegenstand dieser Mitteilungen gewesen sei. Auch müsse der Beklagte zu 2) (damals Geschäftsführer der Beklagten zu 1) als Mietwagenunternehmer die Beeinträchtigungen durch Lärm nicht kennen. Die Ausführungen des Landgerichts seien insoweit reine Spekulation. Zudem habe die Zeugin L.... R..... ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem Beklagten zu 2) besprochen worden sei, dass kein Projekt vorliege, das in nächster Zeit konkret zur Ausführung stehe. Man habe deshalb auch dieses Projekt nicht als Anlage zum Mietvertrag aufgenommen. Diese Aussage habe das Landgericht übergangen. Ferner halten die Beklagten daran fest, dass § 20 Abs. 2 S. 2 des Mietvertrages gemäß § 307 BGB unwirksam sei.

Die Beklagten beantragen unter Klarstellung, dass sich die Berufung nicht gegen Nummer 4. des landgerichtlichen Urteils richtet,

1. das Urteil des Landgerichts Dresden vom 24.06.2008, Gz. 42 HKO 174/07, abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) im Hinblick auf die durch sie genutzten Räume im Erdgeschoss, Zwischengeschoss und im I. Obergeschoss sowie im Kellergeschoss des Gebäudes ............ in D...... berechtigt ist, die vereinbarte Miete um mindestens 80 % zu mindern.

Die Berufungsbegründung enthielt lediglich den Antrag zu Nummer 1. Erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung haben die Beklagten mit dem Antrag zu Nummer 2. klargestellt, dass sie das Urteil auch insoweit anfechten. Vorsorglich haben die Beklagten erklärt, dass der auf Schadensersatz gerichtete Widerklageantrag zurückgenommen wird.

Die Klägerin, welche die Entscheidung des Landgerichts für richtig hält, beantragt die Zurückweisung der Berufung. Die Streithelferin der Klägerin hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.

B.

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat die Beklagten zu Recht zur Zahlung von 70.874,04 EUR verurteilt.

a) Mit zutreffenden, von der Berufung auch nicht angegriffenen Erwägungen, geht das Landgerichts davon aus, dass eine doppelte Rechtshängigkeit nicht vorliegt.

b) Jedenfalls nachdem die Beklagte zu 1) im Senatstermin erklärt hat, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil erlangten und von der Klägerin bei Berechnung ihres Zahlungsantrages in Abzug gebrachten Beträge, sollten als Zahlung behandelt werden, stellt sich die Forderung der Klägerin wie folgt dar:

Bruttomiete Januar bis Juli 2007 7 x 17.552,50 EUR = 122.867,50 EUR

Nutzungsentschädigung August/Septem-
ber 2007 2 x 15.470,00 EUR = 30.940,00 EUR

Forderung gesamt = 153.807,50 EUR

./. Zahlung 4 x 17.552,50 EUR
./. Zahlung 2 x 1.000,00 EUR
./. Zahlung 7.361,13 EUR (Zwangsvollstreckung)
./. Zahlung 3.362,33 EUR (Zwangsvollstreckung)

Zahlung gesamt ./. 82.933,46 EUR

verbleibende Forderung = 70.874,04 EUR

Die Anzahl und Höhe der geltend gemachten Mieten und diese Zahlungen sind bereits in erster Instanz unstreitig gewesen. Offen bleiben kann, ob die Beklagte zu 1) bereits ab August 2007 die Zahlung von Nutzungsentschädigung verlangen kann, was die Wirksamkeit der Kündigung vom 11.7.2007 voraussetzen würde. Bei Unwirksamkeit der Kündigung würde die Beklagte zu 1) nämlich weiter die (Brutto-)Miete in Höhe von 17.552,50 EUR anstatt der verlangen Nutzungsentschädigung schulden.

Aus dem Anerkenntnisurteil kann die Klägerin darüber hinaus nichts mehr vollstrecken, nachdem insoweit wegen (weiterer) Zahlungen in Höhe von 9.802,- EUR und 1.000,- EUR der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde und hinsichtlich des verbleibenden Betrages die Klägerin den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt hat.

c) Zu Recht ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Mietzinsansprüche der Klägerin nicht nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert sind.

aa) Die Bauarbeiten vor dem Café vermögen allerdings - das hat das Landgericht zu Recht angenommen - einen Mangel der vermieteten Sache im Ausgangspunkt zu begründen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob auch – wie von den Beklagten behauptet – Lärmgrenzwerte überschritten wurden.

Unter einem Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten Zustand zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Fehler in Betracht kommen können. So können bestimmte äußere Einflüsse oder Umstände - etwa die Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu einem gemieteten Geschäftslokal - einen Fehler des Mietobjekts begründen. Erforderlich ist allerdings, um Ausuferungen des Fehlerbegriffs zu vermeiden, stets eine unmittelbare Beeinträchtigung der Tauglichkeit oder eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache, wohingegen Umstände, welche die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren, nicht als Mängel zu qualifizieren sind. Dabei wirken Umstände, welche lediglich die Attraktivität der angemieteten Geschäftsräume beeinflussen, wenn sie auch von erheblicher Bedeutung sind, noch nicht unmittelbar auf die Gebrauchstauglichkeit ein (BGH, Urteil vom 16.02.2000 - XII ZR 279/97 = NJW 2000, 1714 [1715]).

Letztlich ist im Einzelfall zu bestimmen, ob ein außerhalb des Mietobjektes liegender Umstand einen solchen Einfluss hat, dass er unmittelbar die Gebrauchstauglichkeit des Objekt einschränkt oder gar aufhebt. Insoweit kommt dem vertraglich vereinbarten Zweck des Mietverhältnisses eine entscheidende Rolle zu. Je stärker der äußere Umstand mit dem Zweck des Mietvertrages in einem inneren Zusammenhang steht, um so eher kann man von einer unmittelbaren Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit ausgehen.

Hier ist zu sehen, dass die Räumlichkeiten zum Betrieb eines Restaurants und Cafés vermietet wurden. Das setzt voraus, dass die Lokalität nicht nur ungehindert erreicht werden kann, sondern dass sie auch nach ihrem Umfeld zum Verweilen einlädt. Der Vermieter schuldet es zwar grundsätzlich nicht, die Attraktivität des Umfeldes aufrechtzuerhalten (oder gar herzustellen). Wird – wie hier – das Objekt aber an einem zentralen städtischen und touristisch geprägten Platz vermietet, dann setzen beide Parteien letztlich voraus, dass diese Prägung jedenfalls nicht durch langwierige Bauarbeiten so erheblich beeinträchtigt wird, dass diese Eigenschaft über einen längeren Zeitraum praktisch aufgehoben ist. Hiervon muss aber dann ausgegangen werden, wenn über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr unmittelbar vor dem Objekt eine große, umzäunte Baugrube entsteht und hier umfangreiche, mit einer nicht unerheblichen Lärmentwicklung verbundene Bauarbeiten durchgeführt werden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8.12.1998 - 5 U 1774/98 Rdnr. 14 ff. m.w.N. [zitiert nach juris]; KG, Urteil vom 12.11.2007 – 8 U 194/06 Rdnr. 3 ff. = NJW-RR 2008, 1042 ff. [zitiert nach juris]). Der Vermieter kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass er keine Abhilfe schaffen kann (KG, a.a.O.).

bb) Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung entfällt des Minderungsrecht nicht schon wegen der in § 20 Abs. 2 des Mietvertrages vereinbarten Klausel, wonach eine Minderung der Miete ausgeschlossen ist, wenn die Nutzung der Räume durch Umstände beeinträchtigt wird, die der Vermieter nicht zu vertreten hat.

Diese Klausel verstößt in einem unstreitig von der Klägerin als Vermieterin gestellten und formularmäßig gestalteten Mietvertrag gegen § 307 I 1, II Nr. 1 BGB, weil sie die Minderung wegen des in Rede stehenden Mangels völlig ausschließt (BGH NJW 2008, 2497 Rn. 13 ff.).

cc) Mit dem Landgericht ist allerdings davon auszugehen, dass hier der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) bei Abschluss des Mietvertrages Kenntnis von diesem Mietmangel hat und die Kenntnis dazu führt, dass der Beklagten zu 1) das Recht zu Minderung nicht zusteht. Dies ergibt sich aus § 536b BGB, welcher sogar die grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel einschließt.

(1) Das Landgericht kommt im Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) – der Beklagte zu 2) – Kenntnis vom Bau der Tiefgarage hatte. Diese Feststellungen des Landgerichts hat der Senat gemäß § 529 Abs. 1 ZPO auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellung bestehen nicht.

Der Zeuge H......., der damalige verantwortliche Mitarbeiter der Klägerin hat dies in seiner Vernehmung ausdrücklich so bestätigt. Der Zeuge hat seine Angaben konkret daran festmachen können, dass über einen Treppenaufgang gesprochen wurde, welcher aus der geplanten Tiefgarage führt und den Blick aus dem Café stören könnte. Dies erklärt letztlich, warum sich der Zeuge hieran, auch ohne auf persönliche Aufzeichnungen zurückgreifen zu können, an das Gespräch noch erinnern kann. Der Senat sieht wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses auch kein Widerspruch darin, dass sich die Beklagte mit dieser Detailfrage beschäftigt, wegen des Baus der Tiefgarage an sich aber keine Einwände erhoben hat. Das Landgericht hat sich auch mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargestellt, warum diese gegeben ist, obwohl der Zeuge als Mitarbeiter in einem gewissen Näheverhältnis zur Klägerin steht. Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass der Zeuge seine Aussage unter Eid bestätigt hat.

Entgegen der Auffassung der Berufung, steht diesem Ergebnis die Aussage der Zeugin R....., ebenfalls Mitarbeiterin der Beklagten, nicht entgegen. Diese konnte zwar nicht bestätigen, dass über die Tiefgarage gesprochen wurde. Die Zeugin war aber nach ihren Angaben nicht bei allen Gesprächen anwesend und hat selbst auch klargestellt, dass sie sich hieran lediglich nicht mehr erinnere. Soweit die Berufungsbegründung darauf abstellt, die Zeugin habe im Zusammenhang mit der Erörterung des § 20 Abs. 2 des Mietvertrages in ihrer Vernehmung geäußert, dem Beklagten zu 2) gegenüber sei erklärt worden, dass in nächster Zeit kein Projekt anstünde, so relativiert sie diese Aussage hinsichtlich des Baus der Tiefgarage auf Frage dahingehend, dass sie sich daran nicht erinnern könne.

Auch dass die anstehenden Bauarbeiten nicht ausdrücklich in den Mietvertrag aufgenommen wurden, spricht nicht dagegen, dass hierüber mit der Beklagten zu 1) gesprochen wurde. Der Zeuge H....... hat dies damit erklärt, dass der Beginn der Bauarbeiten noch nicht feststand und man nicht alle im Umfeld geplanten Arbeiten im Mietvertrag aufnehmen wolle. Dies ist nachvollziehbar, weil andernfalls der Eindruck entstanden wäre, die Klägerin wolle für solche Arbeiten, die nicht ausdrücklich genannt sind, der Beklagten zu 1) gegenüber unabhängig davon, ob diese diesen Mangel begründen, einstehen.

(2) Entgegen der Auffassung der Berufung ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) als damaliger Geschäftsführer der Beklagten zu 1) so hinreichend konkrete Kenntnisse vom Umfang der Bauarbeiten hatte, dass dies für eine Kenntnis im Sinne des § 536b BGB ausreicht. Dem steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die Bauarbeiten noch nicht begonnen hatten.

(a) Auch ein nach Abschluss des Mietvertrages entstehender Mangel kann unter § 536b BGB fallen. Dies ist der Fall, wenn sich die Entstehung des Mangels im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages bereits so deutlich abzeichnet, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung bereits konkret absehbar und in ihren Auswirkungen erkennbar ist (vgl. Emmerich, in Staudinger (2006), § 536 Rdnr. 29). Dies ist dann nicht der Fall, wenn nur bestimmte Umstände, wie Lage des Objekts oder Materialien, gegeben sind, welche erst bei Hinzutreten weiterer Umstände zu einem Mangel führen können (vgl. Eisenschmid, in: MietR, 9. Auflage, § 536b Rdnr. 7).

Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Im vorliegenden Fall hat sich jedoch der (nunmehr eingetretene) Mangel bereits bei Abschluss des Mietvertrages hinreichend konkret gezeigt. Schon mit dem Hinweis, dass auf dem ...markt eine Tiefgarage entstehen soll, werden die Beeinträchtigungen, die hieraus für den Betrieb des Cafés und Restaurants entstehen können, hinreichend deutlich. Denn es liegt angesichts der Größe des ...marktes in D...... nahe, dass der Bau einer dort geplanten Tiefgarage zwangsläufig Auswirkungen auf den Fußgänger- und Autoverkehr hat und dass damit insbesondere die Zugänglichkeit des Objektes erheblich beeinträchtigt wird. Die Attraktivität eines Cafés und Restaurants, welches in einer zentralen Innenstadtlage letztlich auch von seinem Ausblick profitiert, wird erheblich geschmälert. Klar musste auch sein, dass die Errichtung einer Tiefgarage mit länger andauernden Bauarbeiten verbunden sein und dass hierdurch auch erheblicher Baulärm entstehen wird. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 1) mit der Information, es sei die Errichtung einer Tiefgarage beabsichtigt, die Möglichkeit hatte, sich selbst näher zu informieren und so etwa durch eine Anfrage bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, den Umfang der beabsichtigten Arbeiten selbst zu erfragen. Unterließ die Beklagte eine solche Anfrage, dann spricht dies dafür, dass sie sich besserer Kenntnis grob fahrlässig verschließt; auch insoweit würde § 536b BGB greifen.

Lediglich dann, wenn sich die Qualität des Mangels anders darstellt, als es der Mieter der Information des Vermieters bei wertender Betrachtung entnehmen konnte, würde man einen Ausschluss nach § 536b BGB nicht annehmen können. Dies ist dem Vortrag der Beklagten aber für den in Rede stehenden Zeitraum nicht zu entnehmen. Selbst wenn die Lärmbelästigungen - wie von den Beklagten behauptet - Grenzwerte für Baulärm zeitweise überschritten haben sollten, folgt daraus nicht, dass die Beklagte mit diesen Überschreitungen nicht rechnen konnte; dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um Bauarbeiten in beträchtlichem Umfang handelte, die den gesamten ...markt - und damit eine größere Fläche - eingenommen haben.

Der Klägerin ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie Aufklärungspflichten verletzt hat. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin über den Inhalt und Umfang der Baumaßnahme bereits weitergehende Kenntnisse hatte, hinsichtlich derer die Beklagte zu 1) erwarten konnte, dass sie darüber informiert wird.

d) Soweit die Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 09.10.2008 behaupten, die Klägerin habe der Beklagten zu 1) zugesichert, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre vor der Terrasse des Mietobjektes nicht gebaut würde, so ist dies - entgegen der Auflassung der Beklagten - nicht aus der Aussage des Zeugen H....... herzuleiten. Dieser hat nicht von Bauarbeiten vor der Terrasse, sondern auf der Terrasse gesprochen.

e) Den Beklagten kommt auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 535 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 320 BGB zu. Zwar sind von § 536b BGB nach überwiegender Auffassung nur die Rechte aus §§ 536 und 536a BGB und damit nicht das Zurückbehaltungsrecht umfasst (Weidenkaff, in Palandt, 67. Auflage, § 536b Rdnr. 2 m.w.N.). Dennoch kommt hier ein Zurückbehaltungsrecht aus mehreren Gründen nicht in Betracht:

aa) Die Parteien haben im Mietvertrag den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts vereinbart (§ 20 Nr. 1). Die Klausel ist wirksam, da unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen hiervon ausgenommen sind.

bb) Die Klägerin hat keinen Einfluss auf die Beseitigung des Mangels. Ist die Beseitigung unmöglich, kommt ein Zurückbehaltungsrecht nicht in Betracht. Der Zweck des Zurückbehaltungsrecht, den Vermieter damit zur Beseitigung des Mangels anzuhalten (Eisenschmid, in: MietR, 9. Auflage, § 536 Rdnr. 392) wird dann nicht mehr erreicht. Andernfalls würde sich der Charakter des Zurückbehaltungsrecht von dem einer aufschiebenden hin zu einer faktisch rechtsvernichtenden Einrede wandeln (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 23.04.1999 - 24 U 110/97 NZM 2000, 186 [187 f.]).

cc) Letztlich wird man, auch wenn § 536b BGB nicht unmittelbar gilt, bei Kenntnis des Mieters vom Mangel ein Zurückbehaltungsrecht regelmäßig auch unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verneinen müssen (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage, Rdnr. 273 m.w.N.).

2. Die Räumungsklage und die Klage auf Erfüllung der übernommenen Bürgschaft gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen für begründet gehalten. Insbesondere ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass bereits bei Zugang der Kündigung vom 11.07.2007 der bis dahin aufgelaufene Mietrückstand eine Kündigung rechtfertigte.

3. Die Widerklage hat das Landgericht mit zutreffender Begründung abgewiesen. Da der Beklagten der bevorstehende Bau der Tiefgarage auf dem ...markt bei Abschluss des Mietvertrages bekannt war, besteht kein Anspruch auf Feststellung eines Minderungsrechts.

C.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4, § 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 7 und Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 709 Satz 1 ZPO.

2. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Entscheidung liegen keine Rechtsfragen zu Grunde, die noch nicht als durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt anzusehen wären.

3. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß § 3 ZPO, § 41 Abs. 2 GKG. Er setzt sich wie folgt zusammen:

Zahlungsklage 70.874,04 EUR

Feststellungsklage
(einseitige Erledigterklärung) 1.400,00 EUR

Räumungsklage (12 x 17.552,50 ) 210.630,00 EUR

RechtsgebietMietrechtVorschriften§§ 536 Abs. 1, 536b BGB

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