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04.05.2009 · IWW-Abrufnummer 090925

Landgericht Köln: Urteil vom 21.01.2009 – 18 O 351/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Köln

18 O 351/08

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T A T B E S T A N D

Unter dem 30.6.2005 unterzeichnete die Beklagte den Beitritt an der Klägerin. Diese behauptet, die Beklagte habe sich dabei in der Vertragsurkunde verpflichtet, neben ihrer – tatsächlich in der Folgezeit eingezahlten – Einmalanlage eine monatliche Rateneinlage in Höhe von 840,-- Euro zu zahlen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte zunächst auch nachgekommen, habe die Zahlungen jedoch im März 2006 eingestellt.

Mit der vorstehenden Klage macht die Klägerin die aus ihrer Sicht ausstehenden Raten mit einer Gesamtsumme in Höhe der Klageforderung geltend. Darüber hinaus fordert sie Ersatz der vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 23.520,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.8.2008 zu zahlen;

die Beklagte des weiteren zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.085,04 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Klage aus mehreren Gründen – auch im Urkundsprozeß – unbegründet sei.

So handele es sich zunächst um einen Vertrag, der dem Haustürwiderrufsgesetz unterliege, und ein solcher Widerruf sei mit anwaltlichem Schreiben vom 10.7.2008 erfolgt. Der Widerruf sei auch nicht verfristet, weil die der Beklagten erteilte entsprechende Belehrung rechtsfehlerhaft sei und somit keine Fristen in Gang gesetzt habe.

Sei hiernach ein wirksamer Widerruf erfolgt, so habe eine Auseinandersetzung der Klägerin zu erfolgen, wobei der Beklagten ein entsprechendes Guthaben zustünde, welche mit den eventuell bestehenden Ratenverpflichtungen zu verrechnen seien; angesichts der Höhe der ursprünglichen Einmalanlage in Höhe von 50.000,-- Euro verbleibe in jedem Fall ein Überschuß zugunsten der Beklagten. Darüber hinaus sei die Klägerin selbst ihren vertraglichen Verpflichtungen zur Zahlung von monatlich 291,67 Euro als gewinnunabhängige Entnahme von 7 % auf die Einlage nur anfänglich nachgekommen; 28 Zahlungen stünden offen. Auch insoweit werde hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Schließlich sei im Hinblick auf massive Aufklärungsfehler der Klägerin bei Vertragsschluß mit besagtem Schreiben vom 10.7.2008 auch die außerordentliche Kündigung erklärt worden.

Zum Termin hat der Klägervertreter den streitgegenständlichen Vertrag im Original zu den Akten gereicht; der ausdrücklichen, schon mit der Terminsbestimmung verbundenen Aufforderung, den Vertragstext in Schriftgröße 12 vorzulegen, ist er nicht nachgekommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien und ihre zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klage scheitert schon daran, daß die Klägerin den Vertragstext entgegen der ausdrücklichen Aufforderung in der Terminsbestimmung nicht in einer üblichen Schriftgröße beigebracht hat (etwa Schriftgröße 12, in der Schriftsätze oder auch Urteile üblicherweise abgefaßt werden).

Es kann auch im Urkundsprozeß nicht ausreichen, eine Urkunde lediglich als solche zu den Akten zu reichen, es muß vielmehr der Inhalt in einer Weise zur Kenntnis gebracht werden, daß das Gericht in der Lage ist, denselben auch zu lesen. Hiervon kann vorliegend keine Rede sein, da der Text für Leute mit Sehschwäche nur dann gut lesbar ist, wenn man das Blatt sehr nahe vor die Augen hält, was – zumal bei mehrseitigen Texten – selbstredend nicht zumutbar erscheint. Kann aber der Richter den Text, auf den die Partei ihren Anspruch stützt, nicht in zumutbarer Weise lesen und weigert sich die Partei trotz Aufforderung, eine lesbare Fassung vorzulegen, so ist die Klage schon allein aus diesem Grunde abzuweisen.

Es kommt hinzu, daß der Anspruch auch materiell nicht besteht, weil der Vertragstext einschließlich seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anbetracht des extremen Kleindrucks unwirksam ist, der Klägerin mithin ohne Rücksicht auf den konkreten Inhalt Ansprüche aus diesem Vertragswerk nicht zustehen können.

Für die Wahrnehmbarkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehört auch deren problemlose Lesbarkeit, wovon dann nicht die Rede sein kann, wenn dieselben in extrem kleiner Druckschrift gehalten sind, was nicht nur für Sehbehinderte – also solche Menschen, die wegen einer allgemeinen Sehschwäche auf Brillen oder andere Lesehilfen angewiesen sind -, sondern generell für alle Vertragspartner gilt, denn selbst dann, wenn es dem Leser wegen ungewöhnlich guter Sehfähigkeit möglich ist, den Text als solchen zu lesen, wird das Lesen durch das Verwenden unnötig kleiner Drucktypen erheblich erschwert, so daß der Leser – weil er gegenüber dem Lesen von Schriftstücken in normaler Schriftgröße ungleich mehr Konzentration auf das Lesen als solches verwenden muß – entsprechend größere Hindernisse hat, den Inhalt zur Kenntnis zu nehmen, wobei gerade das Lesen juristischer Texte, also auch und gerade von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die dem Vertragspartner bindende vertragliche Verpflichtungen auferlegen sollen, welche er – zumal als juristischer Laie – nicht ohne weiteres überblickt, für den juristisch unerfahrenen Bürger schon generell erhebliche Konzentration verlangt, so daß ein Erschweren des Verständnisses durch extrem kleine Drucktypen des Textes den Kunden in der Regel vor unlösbare Probleme stellt, was um so schwerer wiegt, wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht der geringste Grund erkennbar ist, weshalb der Text nicht in einer größeren Schriftart gehalten wird, so daß sogar der Verdacht nicht fernliegt, die Aufmachung könne bewußt so gewählt worden sein, um den Kunden davon abzuhalten, den Text wirklich durchzulesen, was selbstredend als treuwidrig von Gesetz nicht gestützt werden kann, jedoch auch dann geltend muß, wenn der extreme Kleindruck aus reiner Nachlässigkeit oder in gedankenloser Nachahmung einer verbreiteten Unsitte erfolgt.

Man kann auch, anders ausgedrückt, sagen, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen dann unwirksam sind, wenn sie wegen extremen Kleindrucks nicht in zumutbarer Weise zur Kenntnis genommen werden können. Zwar wird man im Regelfall davon ausgehen können, daß Texte in Schriftgröße 12, wie sie üblicherweise in Schriftstücken Verwendung finden, auch von Sehschwachen unter Zuhilfenahme der üblichen Hilfsmittel (etwa Brille) ohne größere Schwierigkeiten zur Kenntnis genommen werden können. Bei der Verwendung erheblich kleinerer Schriftgrößen kann dies jedoch nicht mehr gesagt werden:

Es liegt auf der Hand, daß ein Leser – auch ein solcher mit normaler Sehstärke – bei extrem kleinen Drucktypen erhöhte Konzentration auf das Lesen als solches richten muß, was notwendigerweise die Konzentration auf den Inhalt schwächt; je kleiner der Drucktyp, um so größer wird die Schwierigkeit, neben den Worten als solchen auch ihre Bedeutung zur Kenntnis zu nehmen. Handelt es sich dann auch noch um Texte, die – wie Allgemeine Geschäftsbedingungen – wegen der Komplexheit der Regelungen erhöhte Anforderungen an Konzentration und Verständnis stellen, ist der Leser regelmäßig überfordert; geht es gar, wie im vorliegenden Fall, um Leser, die mit den geregelten Sachverhalten von Ausbildung und Berufs wegen alles andere als vertraut sind, übersteigt die Verwendung derart kleiner Drucktypen, wie sie die Klägerin hier ihrem Vertragswerk zugrunde gelegt hat, nach Ansicht der Kammer die Grenze des Zumutbaren, was zur Folge hat, daß sich die Klägerin insgesamt auf diesen Vertragstext nicht stützen kann.

Im aufgezeigten Sinne hat schon der Bundesgerichtshof (Urt. v. 3.2.1986 – II ZR 201/85) selbst für den kaufmännischen Geschäftsverkehr herausgestellt, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen kein Vertragsbestandteil werden, wenn "sie infolge ihrer drucktechnischen Gestaltung lediglich mit der Lupe und selbst dann nicht ohne Mühe lesbar sind". Um so mehr muß dies im Verhältnis zu Nichtkaufleuten (wie hier der Beklagten) gelten, hinsichtlich derer schon die Materialien zum AGB-Gesetz klargestellt haben, daß es "zur Möglichkeit, in zumutbarer Weise von Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen, auch gehört, daß diese mühelos lesbar sind".

Kann nach allem die Klägerin aus dem Vertragstext keine Ansprüche auf Zahlung rückständiger Raten fordern, so kann dahinstehen, wie die Beziehungen der Parteien abzuwickeln sind. Liegt es nämlich auf der Hand, daß der Beklagten Abwicklungsansprüche zustehen, die sich an ihrer Ersteinlage von 50.000,-- Euro orientieren, so wäre es Sache der Kläger gewesen, im Detail darzulegen, daß ihr gleichwohl noch Ansprüche zustehen. Hieran fehlt es.

Die Nebenentscheidung ergeht nach §§ 91, 709 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 305 II NR. 2 BGB

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