06.07.2009 · IWW-Abrufnummer 091513
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 04.03.2009 – L 12 AL 66/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
L 12 AL 66/08
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.08.2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach einem höheren Bemessungsentgelt.
Er stand in der Zeit vom 05.01.1970 bis 31.08.2005 in einem Arbeitsverhältnis bei der L GmbH & Co. KG. Am 01.05.2005 wurde er aufgrund der Insolvenz der Arbeitgeberin von der Arbeit freigestellt.
Am 02.05.2005 beantragte er die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung erhielt der Kläger in der Zeit vom 01.05.2004 bis 30.04.2005 ein Entgelt von insgesamt 37.133,59 EUR. In der Zeit vom 01.05.2003 bis 30.04.2004 erhielt er 43.458,65 EUR. Das niedrigere Entgelt in dem letzten Jahr der Beschäftigung beruhte darauf, dass am 16.12.2003 ein Firmentarifvertrag geschlossen worden war, wonach zur Sicherung der vorhandenen Arbeitsplätze und des gesamten Unternehmens für die Monate Januar 2004 bis einschließlich Dezember 2004 alle Tariflöhne und Gehälter um 10 % reduziert wurden.
Mit Bescheid vom 17.06.2005 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 01.05.2005 für die Dauer von 960 Tagen nach einem Bemessungsentgelt von täglich 101,74 EUR. Sie legte hierbei das niedrigere Entgelt zugrunde, welches in der Zeit vom 01.05.2004 bis 30.04.2005, also im Jahr vor der Arbeitslosigkeit, abgerechnet worden war.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.07.2005 Widerspruch ein. Es sei unbillig hart, bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes die zeitlich befristete Lohnverringerung zugrunde zu legen. Es habe sich um eine zeitlich befristete Maßnahme zur Beschäftigungssicherung gehandelt. Daher sei bei der Bemessung der Lohn zu Grunde zu legen, den er ohne die Verringerung erhalten hätte. Hilfsweise müssten jedenfalls die vollständigen letzten zwei Jahre vor Eintritt der Arbeitslosigkeit als Bemessungszeitraum zugrunde gelegt werden.
Mit Schreiben vom 25.07.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III eine Erweiterung des Bemessungszeitraums von einem Jahr auf zwei Jahre nur dann in Betracht komme, wenn es unbillig hart sei, von dem Bemessungsentgelt in dem einjährigen Bemessungszeitraum vor Eintritt der Arbeitslosigkeit auszugehen. Unter Berücksichtigung der seitens des Arbeitgebers mitgeteilten Arbeitsentgelte ergebe sich aus den letzten beiden Jahren ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 110,40 EUR. Dieses Bemessungsentgelt sei jedoch nicht um über 10 % höher als das bewilligte tägliche Bemessungsentgelt von 101,74 EUR auf Grundlage nur des letzten Jahres vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Die Unbilligkeitsgrenze von mehr als 10 % entspreche seit vielen Jahren ständiger Verwaltungspraxis.
Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht, den die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2005 zurückwies. Sie führte zur Begründung aus, dass der Bemessungszeitraum gemäß § 130 Abs.1 SGB III die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgelt-Abrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen umfasse. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr. Er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Der Bemessungszeitraum umfasse hier die Entgeltzeiträume vom 01.05.2004 bis 30.04.2005. Hieraus ergebe sich ein durchschnittliches tägliches Bemessungsentgelt von 101,74 EUR. Es liege auch kein Sonderfall der unbilligen Härte im Sinne des § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III vor, der eine andere Bemessung ermöglichen würde. Zwar ergebe sich bei Erweiterung der Rahmenfrist auf zwei Jahre ein höheres Bemessungsentgelt. Dieses betrage jedoch nur 110,40 EUR täglich und sei damit nicht um mindestens 10 % höher als das bewilligte Bemessungsentgelt in Höhe von 101,74 EUR. Eine Differenz von 10 % und weniger werde nach nicht zu beanstandender ständiger Verwaltungspraxis noch nicht als unbillig hart im Sinne des Gesetzes angesehen.
Hiergegen hat der Kläger am 14.09.2005 vor dem Sozialgericht Münster Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass sein Nachteil immerhin fast 10 % betrage. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass er während seines gesamten Berufslebens kontinuierlich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet habe. Der gesamte Versicherungsverlauf sei dadurch gekennzeichnet, dass er immer stetig steigende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet habe, bis auf den Zeitraum, der hier zu einer Minderung des Anspruchs führe. Dieser Zeitraum mache bezogen auf den Gesamtzeitraum weniger als 1/50 aus, solle sich jedoch nach Auffassung der Beklagten dahingehend auswirken, dass sich das Arbeitslosengeld um knapp 10 % vermindere. Allein daraus ergebe sich schon eine unbillige Härte. Ein starres Abstellen auf eine 10%-Prozent-Grenze führe zu Zufallsergebnissen. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich sein Nachteil aller Voraussicht nach über 32 Monate hinweg fortsetze. Angesichts seines Alters habe er kaum eine Chance auf den Erhalt eines neuen Arbeitsplatzes.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Bescheid vom 17.06.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Bemessung des ihm zu bewilligenden Arbeitslosengeldes einen Betrag von täglich 110,40 EUR zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist erstinstanzlich bei ihrer im Widerspruchsverfahren dargelegten Rechtsauffassung geblieben.
Das Sozialgericht hat das Klageverfahren im Hinblick auf ein anhängiges Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht (- B 7/7a AL 40/06 R -), das sich auf ein Urteil des 1. Senats des LSG NRW vom 31.05.2006 (- L 1 AL 10/06 -) zu der hier streitigen Rechtsfrage bezog, zunächst ruhend gestellt. Nachdem das BSG am 29.01.2008 im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG über die Revision entschieden hat und der Kläger seit Mai 2008 in den Altersruhegeldbezug eingetreten ist, hat das Sozialgericht den Rechtsstreit fortgeführt.
Mit Urteil vom 13.08.2008 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld nach einem höheren, auf die letzten zwei Jahre vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bezogenen Bemessungsentgelt von 110,40 EUR täglich zu zahlen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die von der Beklagten vorgenommene Berechnung nach dem niedrigeren Entgelt in dem unmittelbar vor der Arbeitslosigkeit liegenden Jahr stelle eine unbillige Härte gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III dar. Es sei zwar richtig, dass der Unterschied im Fall des Klägers bezogen auf den zeitlich auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen unter 10 % liege und damit die von der Beklagten für zwingend gehaltene Grenze nicht erreiche. Die Kammer folge jedoch den Ausführungen des 1. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen aus dessen Entscheidung vom 31.05.2006 - L 1 AL 10/06 -. Danach seien bei der Feststellung eines Härtefalles auch die Gründe für den Gehaltsunterschied mit in Betracht zu ziehen sind.
Es handele sich bei dem Rechtsbegriff der "unbilligen Härte" um ein wertausfüllungsbedürftiges Kriterium und nicht um ein rein rechnerisches. Wenn der Versicherte die Gefahr des Wegfalles des Arbeitsplatzes durch einen Lohnverzicht möglichst klein halte, um so die Solidargemeinschaft zu entlasten, dürfe dies nicht dazu führen, dass der betroffene Arbeitnehmer doppelt belastet werde, nämlich einerseits durch den Lohnverzicht und andererseits durch das daraus folgende niedrigere Arbeitslosengeld. Der finanzielle Unterschied betrage für den Kläger in Abhängigkeit vom zugrunde gelegten Bemessungszeitraum immerhin knapp 10 % und sei damit nicht unwesentlich, sondern wirke sich wirtschaftlich deutlich aus.
Gegen das ihr am 08.09.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 06.10.2008 Berufung eingelegt.
Zur Begründung macht sie geltend, das Urteil des LSG NRW vom 31.05.2006 - L 1 AL 10/06 -, auf das sich das Sozialgericht bezogen habe, sei nicht rechtskräftig geworden. Das Bundessozialgericht habe die Streitsache mit Urteil vom 29.01.2008 - B 7/7a AL 40/06 R - zur weiteren Klärung des Sachverhalts an das LSG NRW zurückverwiesen.
Im Ergebnis liege eine Unbilligkeit im Sinne des § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III nicht vor. Der Sinn der Härteklausel bestehe darin, ein vergangenheitsbezogenes Korrektiv für den Ausnahmefall anzubieten, dass der Vergleichszeitraum nicht repräsentativ sei. Hierbei handele es sich um ein objektives Kriterium. Unerheblich seien die Gründe für den Minderverdienst. Eine Unterteilung in billigenswerte und nicht billigenswerte Gründe für ein unterschiedliches Entgelt sei kaum möglich und würde zudem zu einer ungleichmäßigen Anwendung der Härtefallregelung führen. Eine unbillige Härte liege daher nur dann vor, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10 % erhöhte Bemessungsentgelt aus dem Bemessungsrahmen gemäß § 130 Abs. 1 SGB III übersteige. Nur in Einzelfällen könne bei einem niedrigeren Bemessungsentgelt ein Unterschreiten der Richtgröße von 10 % in Betracht kommen. Vorliegend betrage die Abweichung 8,5 % und bleibe damit um 1,5 Prozentpunkte hinter dem Richtwert von 10 % zurück. Ein besonderer Sachverhalt, der es rechtfertigen würde, von der bewährten Verwaltungspraxis abzuweichen, liege hier nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom vom 13.08.208 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
In seiner Berufungserwiderung beschränkt sich der Kläger darauf, auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug zu nehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Streitakte und der Leistungsakte der Beklagten (- 000 -) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den erweiterten Bemessungsrahmen von zwei Jahren gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III (in der Fassung vom 23.12.2003, gültig vom 01.01.2005 bis 31.12.2006) in Ansatz gebracht.
Grundsätzlich umfasst der Bemessungsrahmen gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 SGB III ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen jedoch unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen, ist gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern. Weitere Voraussetzungen dafür sind, dass der Arbeitslose dies verlangt und zudem die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt (§ 130 Abs. 3 S. 2 SGB III). Sämtliche Voraussetzungen sind erfüllt.
Eine unbillige Härte liegt im Falle des Klägers vor. Der Senat folgt der Rechtsauffassung der Beklagten nur insoweit, als eine unbillige Härte jedenfalls dann vorliegt, wenn der Unterschied zwischen dem Bemessungsentgelt im Regelbemessungszeitraum (1 Jahr) und dem Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungszeitraum (2 Jahre) mehr als 10 % beträgt. Diese von der Beklagten in ihren Arbeitsanweisungen (abgedruckt u.a. bei Gagel, SGB III, 33. Ergänzungslieferung 2008, § 130 SGB III, Rn. 64) gezogene 10-%-Grenze ist zwar nicht zwingend. Eine gesetzliche Grundlage, aus der sich eine starre Grenze bei exakt 10 % ergibt, existiert nicht. Auch die Rechtsprechung hat bislang keinen einheitlichen prozentualen Grenzbetrag festgelegt (vgl. Michalla-Munsche, in: Beck scher Online-Kommentar, Stand: 01.12.2008, § 130, Rn. 25). Das BSG hat in mehreren Entscheidungen jedenfalls deutlich gemacht, dass der Verdienst im Bemessungszeitraum deutlich geringer sein muss als der überwiegende Verdienst der maßgeblichen zwei Jahre (vgl. Rolfs, in: Gagel, SGB III, § 130 SGB III, Rn. 62 mit weiteren Nachweisen). Ausdrücklich bejaht hat dies das BSG bisher bei einer Differenz von 25 % (BSG, Urteil vom 25.08.1981 - B 7 RAr 59/80 -). Allerdings ist schon eine Gehaltsdifferenz von 10 % zur Überzeugung des Senats wirtschaftlich derart erheblich, dass sie die Annahme eine unbillige Härte auch ohne die Hinzunahme weiterer Kriterien rechtfertigt.
Liegt die Gehaltsdifferenz indes unter 5 % ist die Annahme einer unbilligen Härte regelmäßig ausgeschlossen. Erst ab Überschreitens einer Grenze von 5 % ist ein Gehaltsunterschied wirtschaftlich für den Betroffenen so deutlich spürbar, dass eine unbillige Härte in Betracht kommt (ebenso LSG NRW, Urteil vom 31.05.2006 - L 1 AL 10/06 -).
Liegt die Differenz - wie im Fall des Klägers - zwischen 5 % und 10 %, ist zu prüfen, ob sich eine unbillige Härte aus den Umständen des Einzelfalls ergibt. Zur Überzeugung des erkennenden Senats stellt der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte in § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III kein rechnerisches, sondern ein wertausfüllendes Kriterium dar. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des 1. Senats des LSG NRW an (LSG NRW, Urteil vom 31.05.2006 - L 1 AL 10/06 -).
Der unbestimmte Rechtsbegriff der unbilligen Härte setzt sich aus zwei Elementen zusammen, nämlich zum einen aus einer "Härte", die vornehmlich nach objektiven, insbesondere wirtschaftlichen Kriterien bestimmt werden mag. Das zweite Element der "Unbilligkeit" beinhaltet indes schon sprachlich einen deutlich wertenden Aspekt. Zur Überzeugung des Senats sind daher, wenn auch nicht bei der Frage der objektiven Härte, so doch jedenfalls bei der Prüfung der Unbilligkeit die weiteren Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Berücksichtigungsfähig sind zum einen die Auswirkungen eines niedrigeren Bemessungsentgelts auf den Lebensstandard des Arbeitslosen und zum anderen die Gründe, die zur Einkommensminderung geführt haben (Rolfs, in: Gagel, SGB III, § 130, Rn. 65; Söhngen, in: Juris-Praxisreport vom 23.10.2008). Letztere sind insbesondere dann von besonderem Gewicht, wenn die Einkommensminderung aus freiwilligen Gehaltseinbußen resultiert, die der Arbeitnehmer zum Erhalt seines Arbeitsplatzes hingenommen hat. Grundzweck des Arbeitslosengeldes ist es, den Arbeitnehmern das solidarisch versicherte Risiko des Lohnverlustes für einen angemessenen Zeitraum auszugleichen. Die Frage, wann eine unbillige Härte vorliegt, kann daher nicht unabhängig vom Versicherungs- und vom Solidargedanken beurteilt werden. Denn dieser wird unter anderem dadurch geprägt, dass der Versicherte die versicherte Gefahr - nämlich den Wegfall des Arbeitsplatzes - durch zumutbare eigene Anstrengungen möglichst klein halten soll, um so die Solidargemeinschaft zu entlasten. Folglich wäre es ein Widerspruch, entsprechende pflichtgemäße Anstrengungen im Falle des Versicherungsfalls nicht zu Gunsten, sondern zu Lasten des Versicherten zu bewerten (LSG NRW, Urteil vom 31.05.2006 - L 1 AL 10/06 -).
Soweit das BSG mit Urteil vom 29.01.2008 – B 7/7a AL 40/06 R - die Streitsache LSG NRW - L 1 AL 10/06 - an den dortigen Senat zurückverwiesen hat, steht dies der vom erkennenden und vom 1. Senat des LSG NRW vertretenen Rechtsauffassung zum Verständnis des unbestimmten Rechtsbegriffs der unbilligen Härte im Sinne des § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III nicht entgegen. Die Zurückverweisung ist lediglich deshalb erfolgt, weil in dem vom 1. Senat des LSG NRW entschiedenen Fall die Lohnforderung des Klägers aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Arbeitgebers nur gestundet war. Im Falle der Insolvenz sollte der volle Lohn nachgezahlt werden. Ob das gestundete Arbeitsentgelt noch zugeflossen oder nur wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen ist, hatte das LSG nicht abschließend geklärt. Nur dies hat zur Zurückverweisung durch das BSG geführt, denn unter diesen Voraussetzungen wäre der gestundete Lohn gemäß § 131 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 SGB III fiktiv bei der Regelberechnung zu berücksichtigen, so dass es nicht auf das Vorliegen einer "unbilligen Härte" gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III ankäme. Die vom 1. Senat aufgeworfene Rechtsfrage nach der prozentualen Höhe des Arbeitsentgeltverlusts bzw. weiterer berücksichtigungsfähiger Kriterien als Voraussetzung für die Annahme eines Härtefalls hat das BSG offen gelassen.
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Ausdehnung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre gemäß § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III sind im Falle des Klägers gegeben. Der Kläger hat gemäß § 130 Abs. 3 S. 2 SGB III ein entsprechendes Vorgehen der Beklagten ausdrücklich verlangt und die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen lagen der Beklagten vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Denn das Bundessozialgericht hat bislang weder über die Mindestgrenze für das Vorliegen einer unbillige Härte im Sinne des § 130 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB III noch über die dabei zu berücksichtigenden Gründe für einen etwaigen Gehaltsunterschied entschieden.