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05.08.2009 · IWW-Abrufnummer 091916

Landessozialgericht Thüringen: Urteil vom 22.01.2009 – L 1 RJ 743/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 1 RJ 743/03

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 1. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen.

Der Kläger betreibt seit 1992 ein Detektivbüro. Zwischen 1995 und 2000 waren für ihn zwischen zehn und 16 Detektive tätig. Hauptaufgabenbereich war die Diebstahlsüberwachung im Einzelhandel. Mit den Beigeladenen zu 4) bis 8) schloss der Kläger Rahmenverträge. Hiernach wurden diesen Beigeladenen Einzelaufträge erteilt. Die Entlohnung erfolgte auf Stundenlohnbasis.

Im März 1999 führte die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1997 eine Betriebsprüfung bei dem Kläger durch. Im Ergebnis forderte sie mit Bescheid vom 17. November 1999 Beiträge in Höhe von insgesamt 172.074,94 DM nach wegen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 4) bis 8) und weiterer Detektive. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 15. März 2000 half die Beklagte teilweise ab und erklärte den bisherigen Bescheid für hinfällig; sie legte eine vollständige neue Berechnung vor und reduzierte dabei die Höhe der Beitragsforderung auf 118.863,07 DM (60.773,72 EUR). Hinsichtlich der Beigeladenen zu 4) bis 8) verblieb es bei der Feststellung von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Den Widerspruch im Übrigen wies sie später mit Bescheid vom 12. Juli 2001 zurück. Die Beigeladenen hätten keinen Einfluss auf die zwischen dem Kläger und den Auftragsfirmen abgeschlossenen Verträge gehabt. Sie hätten sich der Einsatzverpflichtung nicht entziehen können, weil dann der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, seine Verträge zu erfüllen. Sie seien verpflichtet gewesen, Tätigkeitsnachweise zu führen und diese zur Kontrolle dem Kläger vorzulegen. Die Dienste hätten sie ausnahmslos persönlich erbracht. Während ihrer Vertragszeit mit dem Kläger seien sie für keine weiteren Auftragsgeber tätig gewesen. Sie seien wie Arbeitnehmer nach geleisteten Anwesenheitsstunden bezahlt worden und nicht etwa erfolgsorientiert oder im Wege einer Projektvergütung. Mehrere Detektive hätten zum Nachweis der Tätigkeiten die Stechuhren des zu überwachenden Objektes benutzen müssen, teilweise sei die Tätigkeit von dem Kläger auch vor Ort kontrolliert worden. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit seien sie an die Öffnungszeiten der Kaufhäuser und Supermärkte gebunden gewesen. Aufgrund der Tätigkeit pro Detektiv von 120 bis 220 Stunden pro Monat ausschließlich für den Kläger sei es den Beigeladenen gar nicht möglich gewesen, andere Aufträge zu erfüllen. Sie hätten zu keiner Zeit ein unternehmerisches Risiko getragen. Die Gewinnchancen, aber auch die Gefahr des Verlustes hätten einzig und allein bei dem Kläger gelegen. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung hätten im Falle der Beigeladenen überwogen. Danach liege grundsätzlich Versicherungspflicht aufgrund von abhängigen Beschäftigungen vor.

Mit der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, dass die Beigeladenen nicht verpflichtet gewesen seien, jeden Einzelauftrag anzunehmen. Der Rahmenvertrag habe nicht ausgeschlossen, dass die Beigeladenen Aufträge anderer Auftraggeber annehmen. Die Beigeladenen seien auch nicht verpflichtet gewesen, die Einzelaufträge persönlich zu erfüllen. Außerdem hätten sie das volle Haftungsrisiko für alle von ihnen geschuldeten Schäden während der Ausführung der Aufträge übernehmen müssen. Die Beigeladenen hätten auch eigene Betriebsstätten unterhalten.

Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 1. Juli 2003 die Klage abgewiesen. Die Beigeladenen zu 4) bis 8) seien keine selbständigen Unternehmer gewesen. Für die Ausübung ihrer Aufgaben als Detektive in den jeweiligen Betriebsräumen seien sie notwendigerweise an die Öffnungszeiten der Kaufhäuser gebunden gewesen. Sie hätten weder Einflussmöglichkeiten auf Arbeitzeit, Arbeitslauf noch Lohnhöhe gehabt. Ein Unternehmerrisiko habe nicht bestanden. Die Beigeladenen hätten keine Möglichkeit gehabt, das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Arbeit zu beeinflussen. Es sei weder eine Gewinnbeteiligung noch eine Provision vereinbart worden. Dass sie bei Ausübung der eigentlichen Überwachungstätigkeit keine Einzelweisungen des Klägers erhalten hätten, liege in der Natur der Sache. Bei der Detektivtätigkeit handelt es sich um eine Dienstleistung höherer Art, bei der die Weisungsgebundenheit durch funktionsgerechte Teilhabe am Arbeitsprozess verwirklicht worden sei. Der Umstand, dass die Beigeladenen nicht zur Auftragsübernahme verpflichtet gewesen seien, spreche zwar grundsätzlich für das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit, jedoch sei insoweit zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen zwischen 160 und 220 Stunden monatlich allein für den Kläger tätig gewesen seien. Die Anmeldung bzw. Zulassung als Detektiv habe für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung keine Bedeutung. Sie berühre weder das Verhältnis zum Kläger noch das Verhältnis zu den Auftraggebern des Klägers.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, der Beigeladene zu 5) und der Beigeladene zu 4) seien für andere Unternehmen tätig gewesen. Das Sozialgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Beigeladenen zunächst einmal mit dem Kläger ein entsprechendes Honorar hätten aushandeln müssen, um überhaupt als Detektiv in den Kaufhäusern tätig sein zu können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 1. Juli 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 15. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein Unternehmerrisiko ist nach Auffassung der Beklagten bei den Beigeladenen nicht vorhanden gewesen. Ein solches setze den Einsatz wesentlicher finanzieller Mittel voraus, um einen ungewissen Gewinn zu erzielen und das Risiko, für die Tätigkeit überhaupt kein Entgelt zu erhalten. Der Einsatz der Beigeladenen als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer für den Kläger schließe es im Übrigen nicht aus, dass der eine oder andere Beigeladene als Auftragnehmer bei der Tätigkeit für einen anderen Unternehmer als Selbständiger zu bewerten sei.

Die Beigeladenen zu 4) bis 8) stellen keine Anträge.

Der Kläger und die Beigeladenen zu 4) bis 8) wurden in dem Erörterungstermin vom 11. April 2008 vor der Berichterstatterin des Senates gehört. Die Vertreter des Klägers und der Beklagten und die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben übereinstimmend erklärt, dass an der Glaubhaftigkeit der zu Protokoll genommenen Aussagen keine Zweifel bestünden. Auf die Niederschrift vom 11. April 2008 im Übrigen wird Bezug genommen.

Der Beigeladene zu 5) wurde erneut in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2009 informatorisch angehört. Auf die Niederschrift wird insofern Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die Gerichts- und Beklagtenakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein der Bescheid vom 15. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2001, der den Bescheid vom 17. November 1999 vollständig ersetzt hat. Mit dem Bescheid vom 15. März 2000 hat die Beklagte den ursprünglichen Bescheid für "hinfällig" erklärt. Darin ist eine Aufhebung zu sehen. Das hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2009 auch zu Protokoll bestätigt.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 1. Juli 2003 wird nach § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verwiesen.

Nach dem Ergebnis der Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten in dem Termin am 11. April 2008 bestehen zur Überzeugung des Senates keine Zweifel an dem Vorliegen von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen für den fraglichen Zeitraum. Vielmehr belegen die Erklärungen der Beigeladenen zu 4) bis 8), dass sie durch die Tätigkeit als Detektiv für den Kläger eine langjährige, feste Einnahmequelle hatten. Sie waren alle, bis auf den Beigeladenen zu 5), mindestens 175 Stunden pro Monat und ausschließlich für den Kläger tätig. Lediglich der Beigeladene zu 7) war in dem gesamten Zeitraum ein bis zwei Wochen für eine andere Firma tätig. Der Beigeladene zu 4) hatte tatsächlich keine anderen Auftraggeber. Der Beigeladene zu 5) hat eigenen Angaben zufolge etwa 140 bis 150 Stunden für den Kläger gearbeitet und konnte damit auf eine feste monatliche Einnahmequelle zurückgreifen. Ergänzend war er - nach seinen Angaben 50 bis 60 Stunden - für andere Auftraggeber tätig. Der Senat stellt diese Angabe nicht in Zweifel; sie belegt aber, dass die Haupteinnahmen des Beigeladenen aus der hier streitigen Tätigkeit stammten. In dem Erörterungstermin wurde noch einmal bestätigt, dass die Beigeladenen selbst keinen Kontakt mit den Kaufhäusern, Lebensmittelmärkten, in denen sie eingesetzt wurden, aufnahmen, sondern vielmehr der Kläger allein die Akquirierung von Aufträgen und die Durchführung der Arbeitseinsätze vornahm. Die Beigeladenen zu 4) bis 8) haben teilweise dieser tatsächlichen Ausgestaltung als Beschäftigungsverhältnis auch Rechnung getragen, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt ihr Gewerbe aufgaben und dann offiziell bei dem Kläger als Arbeitnehmer mit der Ausübung der gleichen Tätigkeit begannen, so wie der Beigeladene zu 7), der Beigeladene zu 4) und die Beigeladene zu 8). In keinem Fall hat diese arbeitsvertragliche Vereinbarung zu einer erhöhten Stundenzahl geführt, vielmehr waren die Beigeladenen danach eher in zeitlich geringerem Umfang als Detektive für den Kläger tätig. Ein bestätigendes Indiz ist auch die Art und Weise, wie die Abrechnung der Stunden vorgenommen wurde. Die Beigeladenen zu 4), 6), 7) und 8) haben übereinstimmend bestätigt, dass sie jeweils die in ihren Einsatzfilialen abgestempelten Stundennachweise dem Kläger vorgelegt haben, dieser hat die Stunden aufgeschrieben und die Rechnung erstellt, die dann vom dem jeweiligen Beigeladenen unterschrieben worden ist. Lediglich der Beigeladene zu 5) hat die Rechnungen auf seinem eigenen Firmenformular erstellt.

Aber auch der Beigeladene zu 5) war in dem hier streitigen Zeitraum abhängig bei dem Kläger beschäftigt. Er hatte kein eigenes Unternehmerrisiko während der Ausübung seiner Tätigkeit für den Kläger zu tragen. Er musste kein Kapital vorhalten und einsetzen, und - das hat die informatorische Anhörung des Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung eindeutig ergeben - er hatte keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltungen zwischen den Kaufhäusern (Kunden) und dem Kläger, der ganz allein die Akquirierung der Aufträge und die Durchführung der Einsätze vornahm (vgl. zu vergleichbaren Fallgestaltungen auch Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts - LSG - vom 25. Januar 2006, Az.: L 5 KR 130/04; Urteil des LSG für das Saarland vom 13. Juli 2006, Az.: L 1 R 86/05). Der Beigeladene hat tatsächlich alle Einsätze in eigener Person erbracht und war den Kunden des Klägers zuvor als Detektiv avisiert worden. Die Vorhaltung eigener Geschäftsräume war für die Ausübung dieser Tätigkeit nicht notwendig.

Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Deswegen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten (§193 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebietSGB IVVorschriften§ 7 SGB IV

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