Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

03.03.2010 · IWW-Abrufnummer 093016

Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 27.05.2009 – 3 U 279/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Urteil
3 U 279/08
4 O 236/08 Landgericht Verden

Verkündet am27. Mai 2009
In dem Rechtsstreit XXX
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgerichts ..., des Richters am Oberlandesgericht ... und der Richterin am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2009 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Verden vom 6. November 2008 4 O 236/08 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 98.739,49 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
ab dem 15. Juli 2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der .... IS.Nr.1 05(06/11) mit der ISIN DE ... im Nennwert von
100.000,00 €.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.924,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15. Juli 2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung eines im September 2005 getätigten Wertpapierkaufs wegen behaupteter Falschberatung in Anspruch.
Am 5. September 2005 fand ein Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau mit dem Mitarbeiter der Beklagten B... statt, bei dem dem Kläger für die beabsichtigte Anlagesumme (100.000 €) das aus dem Tenor ersichtliche Wertpapier empfohlen wurde. Die Anleihe mit einer Laufzeit von 6 Jahren sollte im ersten Jahr in Höhe von 4 % verzinst werden. Ab dem zweiten Anlagejahr sollte die Verzinsung variabel, gekoppelt an die Entwicklung des 12 Monats-Euribor erfolgen. Der Zinssatz im Einzelnen berechnet sich nach einer Formel, die aus der Produktinformation (Bl. 89 d. A.) zu ersehen ist. Gleichzeitig garantiert wurde die 100 %ige Rückzahlung des angelegten Kapitals am Laufzeitende bzw. bei vorzeitiger Fälligkeit. Gleichzeitig hat sich die Beklagte die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung der Anlage vorbehalten, während für den Anleger eine feste Laufzeit von 6 Jahren gilt.
Der Kläger hat, nach einer Vormerkung für den Wertpapierkauf am 5. September 2005 am 23. September 2005 eine Summe von 100.000 € gezeichnet (Bl. 17, 18 d. A.). Er hat bislang folgende Zinszahlungen erhalten (unter Abzug von 30 % Zinsabschlagsteuer und 5,5 % Sollzinsen):
23. September 2006 4 % 2.734,00 € (Bl. 3 d. A.)
23. September 2007 2,237 % 1.528,99 € (Bl. 19 d. A.)
23. September 2008 0,055 % 37,60 € (Bl. 110 d. A.)
Die Parteien streiten über die vom Kläger mit der Anlage verfolgte Intention sowie über den Inhalt des Beratungsgespräches am 5. September 2005.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei es darum gegangen, einen höheren als den seinerzeit erzielbaren Zinssatz (0,5 %) zu erhalten bei Sicherung seiner Einlage und einer Festanlage nicht über ein Jahr hinaus. Ihm sei die Anlage vom Mitarbeiter der Beklagten B... unter Hinweis auf die garantierte Sicherheit für den Vermögensbestand und die – vergleichsweise hohe - Verzinsung von 4 % im ersten Jahr angepriesen worden. Nach dem ersten Jahr sei der Zinssatz variabel; es sei aber mit 3,5 % Zinsen zu rechnen. Einen Hinweis auf das Kursrisiko, insbesondere auf das realisierte überdurchschnittliche Risiko, dass die Anlage keine oder nur minimal Zinsen abwerfen würde, habe der Mitarbeiter der Beklagten B... eben so wenig erteilt wie auf den Umstand, dass die Anlage nicht börsennotiert und deshalb quasi nicht frei handelbar sei. B... habe vielmehr gesagt, die Anlage könne jederzeit verkauft werden. Die Produktinformation sei nicht Gegenstand der Erörterungen gewesen; sie sei ihm erst nach Zeichnung der Anlage bei Verlassen der Bank überreicht worden. Der Kläger hat ferner behauptet, bei ordnungsgemäßer Belehrung das Geld fest verzinslich für 3,5 % angelegt zu haben; die Y-Bank habe ihm im September 2005 Tagesgeld mit einer Verzinsung von 1,75 % angeboten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn 100.000 € nebst Zinsen in Höhe von 3,5 p. a. vom 23. September 2005 bis 31. Januar 2008 und ab dem 1. Februar 2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, abzüglich am 24. September 2006 gezahlter 2.734 €, und abzüglich am 23. September 2007 gezahlter 1.528,99 € und abzüglich am 23. September 2008 gezahlter 37,60 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der ... IS Nr. 105 (06/11) mit der ISIN DE ... im Nennwert von 100.000 €,
2. an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.923,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine unzureichende Risikoaufklärung des Klägers im Beratungsgespräch am 5. September 2005 in Abrede genommen. Der Kläger sei vor Zeichnung der Anlage nach Maßgabe seiner dokumentierten Angaben (Bl. 87 f. d. A.) anleger- und objektgerecht beraten worden. Dem Kläger sei es um eine Substanzgarantie bei möglichst hohen Zinsen gegangen. Deshalb sei ihm die Anlage angeboten worden, weil diese nach 6 Jahren die Rückerstattung des Kapitals zu 100 % garantiert, ebenso wie im ersten Jahr den Erhalt von 4 % Zinsen. Ab dem Folgejahr habe die Chance auf über dem Sparbriefzins liegender Verzinsung bestanden. Die mögliche Zinsentwicklung sei dem Kläger anhand von Beispielen, wie sie in der Produktinformation (Bl. 89 d. A.) aufgeführt sind, erläutert worden. Zudem seien dem Kläger die handschriftlich auf die Produktinformation (Bl. 16 d. A.) gesetzten Beispiele erläutert worden. Hierbei sei der Kläger sowohl auf das Risiko eines steigenden 12-Monats-Euribor und eines damit fallenden Zinssatzes sowie darauf, dass das Papier vor September 2011 praktisch nicht zu Geld zu machen sei, hingewiesen worden.
Die Beklagte hat sich zudem darauf berufen, dass der Kläger zwischen der Vormerkung für den Wertpapierkauf am 5. September 2005 und seiner Zeichnung am 23. September 2005 von dem Geschäft habe Abstand nehmen können. Sie war der Auffassung, dass ihre Anlageempfehlung sachgerecht gewesen sei, weil die Erwartung der Analysten 2005 dahin gegangen sei, dass sich der 12-Monats-
Euribor zumindest nicht nach oben entwickeln würde.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. November 2008 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger vor dem Kauf anleger- und objektgerecht beraten worden sei. Die Produktinformation habe ausdrücklich auf die mit der Anlage verbundenen Risiken, insbesondere die Gefahr, nur eine unterdurchschnittliche Verzinsung zu erzielen, hingewiesen. Diese habe dem Kläger auch rechtzeitig vorgelegen, was sich aus den handschriftlichen Zusätzen des Beraters auf dem vom Kläger vorgelegten Exemplar ergebe. Darüber hinaus hat das Landgericht Zweifel geäußert, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstanden ist, weil er das Geld bei Fälligkeit zu 100 % zurückerhält.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Er hält die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung von den handschriftlichen Zusätzen auf der Produktinformation auf das Vorliegen und Erörtern des Prospekts im Rahmen des Beratungsgespräches für unzutreffend. Tatsächlich lasse sich aus den handschriftlichen Zusätzen nicht folgern, dass das Papier auch im Einzelnen besprochen worden sei. Er ist der Auffassung, dass zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs die überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen erheblichen Anstieg des 12-Monats-Euribor gesprochen habe. Der Kläger verweist darauf, dass der Schaden darin begründet sei, dass er nicht innerhalb eines Jahres wieder über sein Kapital verfügen könne und er auch keine Erträge erhalte, was ihn in seiner Vermögensdisposition beinträchtige.
Der Kläger beantragt,
neben dem Antrag auf Aufhebung des Urteils des Landgerichts
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 100.000 € nebst Zinsen in Höhe von 3,5 p. a. vom 23. September 2005 bis 31. Januar 2008 und ab dem 1. Februar 2008 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich am 24. September 2007 gezahlter 1.528,99 € und abzüglich am 23. September 2008 gezahlter 37,60 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der ... IS Nr. 105 (06/11) mit der
ISIN DE ... im Nennwert von 100.000 €.
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.924,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz ab dem 15. Juli 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben aufgrund Beschlusses vom 8. April 2009 (Bl. 252 d. A.) gemäß prozessleitender Verfügung des Vorsitzenden vom 16. März 2009 (Bl. 243 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen J... H... und J... B... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2009 (Bl. 257 ff. d. A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 i. V. m. § 249 BGB wegen Verletzung der ihr aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrag obliegenden Verpflichtung zu.
1. Zwischen den Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Ein Beratungsvertrag kommt stillschweigend zustande, wenn die Bank mit dem Kunden ein Beratungsgespräch führt und dabei erkennen kann, dass die Beratung für den Kunden von erheblicher Bedeutung ist und sie zur Grundlage von Vermögensdispositionen (z. B. einer Kapitalanlageentscheidung) machen will. Hier ließ sich der Kläger am 5. September 2005 von dem damaligen Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen B..., über Möglichkeiten der Kapitalanlage eines Betrages von 100.000 € beraten und hat auf der Grundlage der Beratung die Entscheidung getroffen, das empfohlene Wertpapier (... IS Nr. 105 (06/11) mit der ISIN DE ...) zum Nennwert von 100.000,00 € zu zeichnen.
2. Ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag hat die Beklagte schuldhaft verletzt, weil sie den Kläger nicht vollständig und richtig über die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben, aufgeklärt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Bank den Kläger nicht umfassend und richtig, orientiert an seinem Informationsbedürfnis und den Besonderheiten der Anlage über die damit im Zusammenhang stehenden Risiken informiert hat.
a) Der Kläger verfügte ausweislich der Dokumentation der Kundenangaben vom 8. September 2005 nicht über Erfahrungen mit Anlagen der streitgegenständlichen Art, so dass sein Informationsbedürfnis im Hinblick auf die Funktionsweise der Anlage als hoch einzuschätzen ist.
b) Für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte durch ihren damaligen Mitarbeiter B... den Kläger umfassend über Erwartungen und Risiken der getätigten Anlage informiert hat, kann die Produktinformation über das Anlageobjekt ... IS Nr. 105 (06/11) mit der ISIN DE ... nicht herangezogen werden. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat überzeugt, dass die Produktinformation dem Kläger im Rahmen des Beratungsgespräches, bei dem es auch zur Zeichnung der Anlage gekommen ist, nicht vorgelegen hat und die Funktionsweise der Zinsformel jedenfalls nicht in der dort dargelegten Ausführlichkeit besprochen wurde. Die Zeugin H... hat angegeben, dass das erste Blatt der Produktinformation lediglich dem Zeugen B... vorgelegen habe, der darauf handschriftliche Zusätze gesetzt habe. Einzelne Punkte der auf diesem Blatt befindlichen Angaben seien nach ihrer Erinnerung nicht erörtert worden. Der Zeuge B... meinte zwar, dass er die Produktinformation ausgehändigt habe, konnte sich aber an den Vorgang im Einzelnen und deshalb auch an den Zeitpunkt, wann das einzelne Blatt überreicht wurde sowie an den Gesprächsinhalt, nicht mehr erinnern. Da der Senat Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Angaben der Zeugen nicht hat, steht fest, dass der Inhalt der Produktinformation nicht Gegenstand der Beratung war und auch nicht im Einzelnen erläutert wurde.
Hinzu kommt, dass die auf der dem Kläger letztlich übergebenen Produktinformation vom Zeugen B... aufgebrachten handschriftlichen Darstellungen verschiedener Szenarien der Zinsentwicklung die in der Produktinformation enthaltenen Angaben zu der Funktionsweise des Produkts und den damit verbundenen Risiken relativieren. Denn sämtliche Szenarien enden mit einem Zinssatz von 3,5 %, was missverständlich ist und nach den Angaben der Zeugin H... auch bei ihr zu der Auffassung geführt hat, dass nach der mit Ablauf des ersten Jahres endenden Zinsfestschreibung auf 4 % in den Folgejahren mit einem Zinssatz von 3,5 % Zinsen zu rechnen sei. Eine Erklärung dafür, weshalb die von ihm auf der Produktinformation dargestellten Szenarien stets mit einem Zinssatz von 3,5 % endeten, vermochte der Zeuge B... im Rahmen seiner Befragung nicht zu geben.
c) Ungeachtet des Inhalts der erst nach Zeichnung der Anlage überreichten Produktinformation hat der Kläger den Beweis geführt, dass der beratende Mitarbeiter der Beklagten den Kläger über die Funktionsweise der der gezeichneten Anlage zugrunde liegenden Zinsformel nicht hinreichend aufgeklärt hat. Aufgrund des Umstandes, dass bei dem streitgegenständlichen Wertpapier der Zinssatz nur dann steigt, wenn der allgemeine Zinssatz, orientiert an dem Basiszinssatz der EZB sinkt, hätte es hier einer besonders gründlichen und umfassenden Aufklärung über die Funktionsweise und die damit verbundene Risiken bedurft. Dass eine diesen Anforderungen genügende Aufklärung nicht erfolgt ist, hat der Kläger bewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass er über die Funktionsweise der Zinsformel und gerade über den Umstand, dass sich der Zinssatz des Wertpapiers gegenläufig zum allgemeinen Marktzins entwickeln würde, nicht aufgeklärt worden ist. Die Zeugin H... hat angegeben, dass die Formel zwar erläutert worden sei, sie die Erläuterung aber nicht so genau verstanden habe. Sie sei danach davon ausgegangen, dass der Zinssatz mit dem allgemeinen Zinsniveau steigen würde. Die Angaben der Zeugin erscheinen nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Insbesondere, dass die Zeugin eingeräumt hat, nicht nachgefragt zu haben, weil es ihr unangenehm gewesen sei, die Erläuterungen des Zeugen B... nicht verstanden zu haben, spricht dafür, dass sie unbefangen und frei ihre Erinnerungen an das geführte Gespräch wiedergegeben hat. Wenngleich sie als Ehefrau des Klägers ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreit haben dürfte, hat die Zeugin dem Senat den Eindruck vermittelt, dass sie sich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht hat. Die Angaben des Zeugen B... stehen dem nicht entgegen, da er konkrete Erinnerungen an das geführte Beratungsgespräch nicht mehr hatte und in Ansehung der geringen Anzahl der vermittelten Anlagen des Produkts ... IS Nr. 105 (06/11) mit der ISIN DE ... nicht mehr sagen konnte, welche Hinweise er im Allgemeinen bei Vermittlung dieser Anlage gegeben hat. Darüber hinaus hat der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat nach § 141 Abs. 1 ZPO bestätigt, dass er ebenso wie seine Ehefrau die Funktionsweise der Zinsformel nicht nachvollzogen hätte, weshalb auch er davon ausgegangen sei, dass der Zinssatz des von ihm gezeichneten Papiers im Falle steigender Zinsen ansteigen würde.
3. Dem Kläger ist aufgrund der unzureichenden Aufklärung über die mit der Anlage verbundenen Risiken, insbesondere über die Funktionsweise der Zinsformel und der damit voraussichtlichen Entwicklung des Zinssatzes nach Abschluss des Zinsbindungszeitraums ein Schaden entstanden, weil er die Anlage zu einem Nennwert von 100.000 € gezeichnet hat, was er bei anlage und objektgerechter Beratung unterlassen hätte. Dass der Kläger auch bei umfassender Aufklärung über die Funktionsweise der Zinsformel das Wertpapier gezeichnet hätte, hat die Beklagte nicht dargelegt. Darüber hinaus liegt es nahe, dass der Kläger das Wertpapier nicht gezeichnet hätte, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass der Zinssatz der Anlage sinkt sobald der Marktzins steigt. Im Jahr 2005 bestand für einen erheblichen Anstieg des 12-Monats-Euribor eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Der Basiszinssatz, an den der 12-Monats-Euribor angelehnt ist, befand sich 2005 bereits über einen längeren Zeitraum auf einem historischen Tiefststand, so dass sein Ansteigen deutlich wahrscheinlicher als sein weiteres Absinken war. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass der Kläger, wenn er die vorgenannten Zusammenhänge nachvollzogen hätte, was ihm bei einer ausreichenden Aufklärung über die Funktionsweise der Zinsformel möglich gewesen wäre, die Anlage nicht getätigt hätte.
Die Entstehung eines kausalen Schadens ist auch nicht - wie die Beklagte meint - dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger das Geschäft zwischen Wertpapierkauf am 5. September 2005 und Zeichnung der Anlage am 23. September 2005 hätte rückgängig machen können. Aus Sicht des Klägers war das Geschäft mit der Erteilung des Auftrages zum Wertpapierkauf abgeschlossen und ergab sich auch aus dem vom Kläger unterschriebenen Zeichnungsschein. Dass die Beklagte den Kläger darüber informiert hätte, dass er abweichend vom Inhalt des Zeichnungsscheins den Wertpapierkauf rückgängig machen konnte, hat sie selbst nicht vorgetragen.
4. Die festgestellte objektive Informationspflichtverletzung indiziert das Verschulden der Bank.
5. Die Beklagte hat dem Kläger den infolge der schuldhaften Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen. Hierfür ist der Kläger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er die Anlage nicht gezeichnet hätte. Die Beklagte hat mithin seinen Vertrauensschaden zu ersetzen. Der Anspruch richtet sich auf Rückzahlung des aufgewandten Betrages und auf Ersatz etwaiger Folgeschäden Zug um Zug gegen Übertragung der Anlage (BGH, Urteil vom 21. März 2006 XI ZR 63/05, juris). Zu ziehen ist eine Gesamtbilanz, die auch die adäquat kausal im Zusammenhang mit der getätigten Anlage stehenden Vorteile ausgleicht.
a) Danach steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des von ihm eingezahlten Kapitals (100.000 €) Zug um Zug gegen Übertragung der ... IS Nr. 105 (06/11) mit der ISIN DE ...) zu.
b) Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung von Zinsen in Höhe von 3.040,08 € zu, die er erzielt hätte, wenn er das Geld die streitgegenständliche Anlage hinweggedacht wie ursprünglich geplant angelegt hätte.
aa) Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er die 100.000,00 € an sich bei der „Y-Bank“ als Tagesgeld anlegen wollte und hiervon nur wegen des vom Zeugen B... unterbreiteten günstigeren Angebots (4 % Zinsen im ersten und etwa 3,5 % Zinsen ab dem 2. Jahr) abgewichen sei. Dort hätte er das Geld zu einem Zinssatz von 1,75 % anlegen können, so dass er pro Jahr Zinsen in Höhe von 1.750 € erhalten hätte. Diesen Sachverhalt hat die Zeugin H... in ihrer Vernehmung bestätigt. Dass der Kläger ohne die streitgegenständliche Anlage höhere Zinseinnahmen als 1,75 % pro Jahr erzielt hätte, insbesondere in Höhe von 3,5 %, hat er mit Substanz nicht dargelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass auf dem Geldmarkt für kurzfristige Anlagen, die eine ständige Liquidität der Mittel ohne Substanzverlust gewährleisten, worauf es dem Kläger nach seinen Angaben angekommen ist, zu erzielen war.
bb) Von dem durch den Kläger im Falle einer Anlage als Tagesgeld zu erzielenden Zinsbetrag pro Jahr (1.750 €) sind in Abzug zu bringen die dann von ihm zu entrichtende Zinsabschlagsteuer (30 % = 525 €) sowie Sollzinsen (5,5 % = 28,88 €), so dass sich sein Zinsschaden auf 1.196,12 € pro Jahr beläuft.
cc) Ein Anspruch auf Erstattung der im Falle einer Anlage des Geldes als Tagesgeld erhaltenen Zinsen steht dem Kläger bis zur Rechtshängigkeit seiner Forderung mit Zustellung der Klage am 15. Juli 2008 zu, da sich die Beklagte zuvor nicht im Verzug befand. Die vorgerichtlichen Schreiben des Klägers sowie seines Prozessbevollmächtigten stellen verzugsbegründende Mahnschreiben im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB nicht dar, weil darin die Beklagte nicht nach Fälligkeit der Forderung zur Rückzahlung der angelegten Summe aufgefordert wurde. Der Kläger hat darin lediglich der beklagten Bank freigestellt, ihm entweder die 100.000 € zurückzuzahlen oder sie nach dem üblichen Zinssatz zu verzinsen. Dies stellt eine eindeutige Aufforderung zur Leistung nicht dar, so dass Verzug nicht eingetreten ist.
dd) Damit beläuft sich der Schadensersatzanspruch des Klägers im Hinblick auf entgangene Vertragszinsen auf insgesamt 3.040,08 € (jeweils 1.196,12 € für die Jahre 2006 und 2007; 647,84 € für das Jahr 2008).
c) Im Wege der Vorteilsausgleichung hat der Kläger der Beklagten die aufgrund der Zeichnung des Wertpapiers erhaltenen Zinszahlungen (unter Abzug der Zinsabschlagsteuer und von Sollzinsen im Zeitraum September 2005 bis September 2008 insgesamt 4.300,59 €) zu erstatten.
d) Danach berechnet sich die Hauptforderung des Klägers wie folgt:
Rückzahlung der Einlage 100.000,00 €
zzgl. Zinsen 3.040,08 €
abzüglich erhaltener Zinszahlungen 4.300,59 €
gesamt 98.739,49 €
6. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Verzugszinsen erst ab Rechtshängigkeit gemäß § 291 BGB zu, weil sich die Beklagte vor Zustellung der Klageschrift am 15. Juli 2008 nicht im Verzug befand (s. o.).
7. Dem Kläger steht darüber hinaus gemäß § 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung durch die vorprozessuale Einschaltung seines Rechtsanwalts in der geltend gemachten Höhe (2.924,07 €) zu. Der Schadensersatzanspruch umfasst auch die Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung. Da es sich hier nicht um eine ganz einfach gelagerte Angelegenheit handelt, war die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung der Ansprüche notwendig. Die Beklagte hat sich gegen die Höhe des Gebührenanspruchs nicht gewandt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO und die über die Nichtzulassung der Revision aus § 543 Abs. 1 ZPO.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr