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17.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100874

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 25.11.2009 – 7 K 1213/07

1. Wurde aufgrund eines telefonischen Hinweises auf die tägliche Durchführung von Sanierungsarbeiten an einem Einfamilienhaus eine Prüfung nach den §§ 2 ff. SchwarzArbG vorgenommen, so hat der betroffene Hauseigentümer mangels einer Regelung in der AO über die Gewährung von Akteneinsicht keinen unmittelbaren Anspruch auf Akteneinsicht, sondern nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Akteneinsichtsgesuch.



2. Auch wenn der Hauseigentümer angibt, die genauen Details über die Durchführung der Prüfung aus den Akten zu seiner Rehabilitation sowie im Hinblick auf mögliche Ansprüche wegen der Rechtswidrigkeit der Prüfung zu benötigen, ist die Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs durch die Behörde nicht zu beanstanden, wenn die Behörde auf das grundsätzliche Offenbarungsverbot bezüglich der Identität des Anrufers verweist, der Hauseigentümer die Einzelheiten der Prüfung auch bei seinem während der Prüfung anwesenden Arbeitnehmer erfragen kann und darüber hinaus keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine uneingeschränkte oder auch nur eingeschränkte Akteneinsicht des Hauseigentümers für geboten erscheinen lassen.


FG Berlin-Brandenburg v. 25.11.2009
7 K 1213/07
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße in M, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist.
Am 22.02.2007 teilte ein Anrufer, von dem jedenfalls der Nachname und eine Telefonnummer bekannt waren, dem Beklagten mit, dass auf dem vorbezeichneten Grundstück täglich ein Arbeitnehmer mit Sanierungsarbeiten beschäftigt sei.
Dies nahm eine aus fünf Personen bestehende Prüfgruppe der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Beklagten zum Anlass, am 18.04.2007 eine Prüfung gemäß §§ 2 ff. Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG – vorzunehmen. Dabei wurde eine Person festgestellt, die angab, vom Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt zu werden.
Am 26.04.2007 beantragte der Kläger, ihm Akteneinsicht zu gewähren.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte am 07.05.2007 ab, wogegen der Kläger am 10.05.2007 Einspruch einlegte. Der Kläger begründete seinen Einspruch u. a. damit, dass er die Auffassung des Beklagten, wonach die Prüfung vom 18.04.2007 keine Hausdurchsuchung darstelle, nur anhand der Akteneinsicht überprüfen könne. Dadurch könne er feststellen, welche bzw. in welchem Umfang Eingriffsmaßnahmen vorgelegen hätten.
Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 22.06.2007 zurück. Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass nach der Abgabenordnung – AO – keine Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Akteneinsicht bestehe. Daher könne diese nur in besonderen Einzelfällen vom Gesetzgeber gewünscht sein. Die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht verstoße im vorliegenden Fall nicht gegen den Anspruch des Klägers auf pflichtgemäße Ermessensausübung. Es seien keine Gründe vorgetragen worden, die ausnahmsweise die Gewährung der Akteneinsicht rechtfertigen würden. Insbesondere sei nicht dargelegt worden, aus welchen Gründen die Akteneinsicht gerade im Falle einer anonymen Anzeige erforderlich sei und dazu benötigt werde, den Umfang der Eingriffsmaßnahmen zu überprüfen. Die vorhandenen Angaben über den Hinweisgeber unterlägen dem Datenschutz, der im Regelfall Vorrang vor den persönlichen Interessen des Einzelnen haben müsse. Es sei nicht erkennbar, dass der hiesige Hinweisgeber gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen habe oder verfassungsrechtliche Grundrechte verletzt würden. Daher müsse bei einer Abwägung der hier tangierten Interessen der Wunsch des Klägers nach weiteren Informationen zurückstehen. Einen Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz greife nicht ein, da dieses auf den Beklagten als Bundesbehörde nicht Anwendung finde. Ein Anspruch auf Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG – sei im Rahmen eines gesonderten Verwaltungsverfahrens zu prüfen. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf den Text der Einspruchsentscheidung Bl. 18 ff. der Gerichtsakte Bezug.
Daraufhin hat der Kläger am 24.07.2007 Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte einen Antrag auf Akteneinsicht nach dem IFG mit Verfügung vom 09.10.2007 zurückgewiesen, wogegen der Kläger Widerspruch eingelegt hat. Über den weiteren Verlauf dieses Verfahrens ist nichts bekannt.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass nur der in der Prüfakte vorliegende Tätigkeitsbericht der eingesetzten Beamten Aufschluss über den Hergang der Maßnahmen gebe. Nur anhand dieser Unterlagen könne überprüft werden, ob eine Durchsuchung stattgefunden habe oder eine bloße Besichtigung. Nur anhand der Akteneinsicht könne überprüft werden, ob der Beklagte vor Beginn der Maßnahmen bei der Bewertung des teilweise anonymen Hinweises überhaupt Sorgfaltspflichten eingehalten habe. Wenn dies nicht der Fall gewesen sei, stelle sich sogar die Strafbarkeitsfrage bezüglich des Einsatzgeschehens. Erst die Akteneinsicht ermögliche es dem Kläger, überhaupt sicher zu beurteilen, welche rechtlichen Schritte er ergreife oder ggf. unterlasse. Es sei ggf. an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme oder Amtshaftungsansprüche (wegen der Anwaltsgebühren) zu denken. Schließlich könne sich der Beklagte nicht auf Datenschutz zugunsten des Hinweisgebers berufen, da dieser keinen Datenschutz genieße, wenn er bewusst falsche Angaben erteilt habe. Denn dann hätte er eine Straftat im Sinne des § 164 Strafgesetzbuch begangen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 07.05.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2007 zu verpflichten, ihm uneingeschränkte Einsicht in die Verwaltungsvorgänge im Zusammenhang mit der auf dem Grundstück A-Straße in M am 18.04.2007 vorgenommenen Prüfung zu gewähren,
hilfsweise, die Akteneinsicht insoweit zu gewähren, als dass die Akte dergestalt zur Einsicht übergeben wird, dass die Identität des „Informanten” geschwärzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
Dem Gericht hat ein Verwaltungsvorgang … vorgelegen, der vom Beklagten über den streitbefangenen Vorgang geführt wird.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig (vgl. z. B. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 25.09.2003 4 K 1904/02, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2004, 522; vgl. auch § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG).
Die Klage ist unbegründet.
Die Ablehnung der begehrten Akteneinsicht verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Prüfungsmaßstab im Streitfall allein die Vorschriften des § 22 SchwarzArbG in Verbindung mit den Vorschriften der AO ist. Das IFG ist Gegenstand eines gesonderten Verwaltungsverfahrens. Die Vorschriften sind auch nicht inzidenter im hiesigen Verfahren zu prüfen, weil insoweit der Rechtsweg allein zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (§ 9 Abs. 4 IFG; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.02.2009 5 So 31/09, Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland 2009, 258; Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 18.08.2009 8 K 1011/09, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2009, 1858).
Abweichend von den Verfahrensregelungen anderer Verwaltungsmaterien enthält die AO keine Vorschrift über die Gewährung von Akteneinsicht. Daraus wird gefolgert, dass der Steuerpflichtige lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch hat (Bundesfinanzhof – BFH –, Beschluss vom 04.06.2003 VII B 138/01, Sammlungen der Entscheidungen des BFH – BFHE – 202, 231, BStBl 2003 II S. 790 m. w. N.). Diese Ermessensentscheidung ist vom Gericht nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbar.
Davon ausgehend lassen die Erwägungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden keinen Ermessensfehler erkennen.
Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung über die Akteneinsicht in der AO den Schluss rechtfertigt, dass die Einsichtnahme in die Akten während eines laufenden Verwaltungsverfahrens lediglich ausnahmsweise zur Gewährung des rechtlichen Gehörs in Betracht kommt (BFH, Beschluss vom 04.06.2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl 2003 II S. 790). Ferner hat der Beklagte zu Recht in die Ermessenserwägungen einbezogen, dass die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen personenbezogenen Angaben Dritter einem grundsätzlichen Offenbarungsverbot unterliegen. Gemäß § 15 Satz 1 SchwarzArbG hat der Beklagte insoweit zutreffend auf die §§ 77 ff. des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – verwiesen. Im Wesentlichen Gleichlautendes ergibt sich aus § 15 Satz 3 SchwarzArbG i. V. m. § 30 AO.
Das Gericht versteht den Hinweis des Beklagten darauf, dass sich der Umfang der Eingriffsmaßnahmen aus den genannten gesetzlichen Vorschriften ergebe, dahingehend, dass er eine Gewährung von Akteneinsicht zur Wahrung der Rechte des Klägers für entbehrlich hält. Auch diese Würdigung ist nicht zu beanstanden. Alles in allem sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine uneingeschränkte oder auch nur eingeschränkte Akteneinsicht des Klägers für geboten erscheinen lassen.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, er benötige die Akteneinsicht, um die Erfolgsaussicht etwaiger Feststellungsklagen und Amtshaftungsansprüche zu prüfen, ist ihm entgegenzuhalten, dass er den tatsächlichen Ablauf der Prüfungsmaßnahmen bei der auf dem Grundstück tätigen Person – nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung ein langjähriger Freund – erfragen kann. Dass dieser zu sachkundigen Auskünften nicht in der Lage ist, hat der Kläger nicht vorgetragen und ist auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Die Frage, ob es sich bei dem Gebäude A-Straße im Prüfungszeitpunkt um eine besonders nach Artikel 13 Grundgesetz – GG – geschützte Wohnung handelt, konnte der Kläger ebenfalls aufgrund seiner Kenntnis vom Zustand des Gebäudes und seiner Nutzung sowie der hinlänglich dazu veröffentlichten Rechtsprechung überprüfen.
Da eine Person auf dem Grundstück mit Bauarbeiten beschäftigt war, bestand auch ein hinreichender Anlass für eine Prüfung nach §§ 2 ff. SchwarzArbG. Da die Prüfung gemäß §§ 2 ff. SchwarzArbG keinen Tatverdacht i. S. der Strafprozessordnung – StPO – voraussetzt und keine Besonderheiten vorliegen, die Anlass zu einer abweichenden Würdigung gegen könnten (wie etwa bei einer wiederholten Prüfung in kurzen Abständen o. ä.), kann es dahinstehen, welche Hinweise genau dem Beklagten von Seiten des Hinweisgebers gegeben wurden. Die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Prüfung i. S. des § 3 Abs. 1 SchwarzArbG (Vorliegen von Geschäftsräumen oder Grundstücken i. S. dieser Norm) erfüllt sind, hängt nicht vom Inhalt des Hinweises ab.
Dementsprechend besteht auch kein besonders Rehabilitierungsinteresse des Klägers, was Anlass geben könnte, die Identität des Hinweisgebers zu offenbaren. Da die Prüfung gemäß §§ 2 ff. SchwarzArbG nicht das Bejahen eines Tatverdachts i. S. der StPO voraussetzt, geht mit der Durchführung der Prüfung kein Unwerturteil einher. Es ist aus der dem Gericht vorliegenden Akte nicht ersichtlich, dass der Hinweisgeber den Kläger der strafbaren Handlungen bezichtigt hätte. Auch der Beklagte hat derartiges nicht behauptet.
Sofern der Kläger meint, die Art und Weise der Prüfung sei unverhältnismäßig gewesen, wäre es ihm auch ohne Kenntnis des Inhalts der Verwaltungsakte möglich, aufgrund seiner eigenen Wahrnehmungen oder der seines Freundes die Art und Weise der Prüfung zum Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebieteSchwarzArbG, AO, FGOVorschriftenSchwarzArbG § 2 SchwarzArbG § 3 Abs. 1 SchwarzArbG § 15 S. 1 SchwarzArbG § 15 S. 3 SchwarzArbG § 22 SGB X § 77 AO § 5 AO § 30 FGO § 102

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