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08.07.2010 · IWW-Abrufnummer 101694

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 10.12.2009 – 25 Sa 1863/09

1. Dadurch dass die Tarifvertragsparteien von ihrer Befugnis nach § 202 BGB zur Verlängerung der regelmäßigen gesetzlichen Verjährungsfrist auf vier Jahre Gebrauch gemacht haben (BAG vom 21.01.2009 - 10 AZR 67/08 -), ändert sich nicht deren Charakter als regelmäßige Verjährungsfrist.



2. Auf die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 4 VTV finden deshalb die für die regelmäßige gesetzliche Verjährungsfrist des § 195 BGB geltenden Vorschriften Anwendung.



3. Hat ein Arbeitgeber an die Zusatzversorgungskasse des B. (ZVK) zu geringe Sozialkassenbeiträge gemeldet und gezahlt, beginnt die Verjährungsfrist des § 25 Abs. 4 VTV für die weitergehenden Beitragsansprüche nach § 199 Abs. 1 BGB nicht schon mit dem Schluss des Jahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem die ZVK von den Umständen, auf die sich die höhere Beitragsforderung begründet, Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen müssen.



4. Ein Arbeitgeber schuldet einem arbeitsvertraglich als Fachwerker oder Facharbeiter beschäftigten Arbeitnehmer auch dann den Mindestlohn nach der Lohngruppe 2 des für das Baugewerbe geltenden TV Mindestlohn, wenn er den Arbeitnehmer tatsächlich nur als einfachen Werker eingesetzt hat.


25 Sa 1863/09

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 25. Kammer,

auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2009

durch die Richterin am Arbeitsgericht Dr. H. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Frau N. und Herr Sch.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.06.2009 - 62 Ca 64467/08 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 4.714,04 EUR (viertausend-siebenhundertvierzehn 04/100) zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für den Zeitraum von Dezember 2003 bis März 2005 für einzelne Arbeitnehmer über einen erstinstanzlich rechtskräftig ausgeurteilten Betrag hinaus weitere Beiträge nach den Sozialkassentarifverträgen für das Baugewerbe unter Berücksichtigung des geltenden Mindestlohns nachzuzahlen, und dabei u. a. auch darüber, ob die Ansprüche teilweise verjährt sind.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des B. (ZVK) und als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer Maßgabe des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Beklagte unterhält in den neuen Bundesländern einen Trockenbaubetrieb und nimmt am Sozialkassenverfahren teil.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Beklagte stellte das Hauptzollamt P. u. a. fest, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum bestimmten Arbeitnehmern, die in den alten Bundesländern eingesetzt waren, nicht den in den alten Bundesländern geltenden Mindestlohn der maßgeblichen Lohngruppe gezahlt hatte. Am 22. Juli 2008 erließ das Hauptzollamt gegen die Beklagte nach § 29a OWiG einen Verfallbescheid über 70.000,00 EUR und stellte das Ermittlungsverfahren ein. Nachdem die Klägerin hiervon Kenntnis erhalten hatte, forderte sie die Beklagte mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 auf, die Differenz zwischen den im Zeitraum von Dezember 2003 bis März 2005 gezahlten und den unter Berücksichtigung des Mindestlohns zu zahlenden Beiträgen auszugleichen. Ob das Schreiben der Beklagten zugegangen ist, ist streitig.

Mit der am 30. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 19. Januar 2009 zugestellten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Sozialkassenbeträge für den Zeitraum von Dezember 2003 bis März 2005 in Höhe von insgesamt 4.862,80 EUR in Anspruch genommen, ohne anzugeben, auf welchen konkreten Sachverhalt und welche Arbeitnehmer sich die Forderung bezieht und wie sich diese zusammensetzt. In einem weiteren Schriftsatz vom 5. März 2009 hat sie die Forderung dann unter Bezugnahme auf die Ermittlungen des Hauptzollamts P. näher begründet und dem Schriftsatz eine Aufstellung für den Monat Dezember 2003 sowie eine weitere Aufstellung für den Zeitraum von Januar 2004 bis März 2005 beigefügt. In der Aufstellung für Dezember 2003 (Bl. 14 d. A.) sind die Bruttolohndifferenzen bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer aufgelistet. In der Aufstellung für den Zeitraum von Januar 2004 bis März 2005 (Bl. 15 - 21 d. A.) sind die geleisteten Arbeitsstunden, der gezahlte Lohn, der der Forderung zugrunde gelegte Mindestlohn sowie der sich daraus ergebende nachzuzahlende Sozialkassenbetrag bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer angegeben. Die Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin für nicht einlassungsfähig gehalten und im Übrigen die Einrede der Verjährung erhoben. Die Verjährung sei durch die Erhebung der Klage nicht gehemmt, weil die Klageforderung in der Klageschrift nicht hinreichend individualisiert worden sei. Es sei für sie nicht erkennbar gewesen, welche Forderung geltend gemacht werde. Sie habe sich deshalb gegen die Forderung nicht verteidigen können. Das Schreiben vom 23. Dezember 2008 habe sie nicht erhalten.

Mit Urteil vom 11. Juni 2009, auf dessen Tatbestand (Bl. 47 - 48 d. A.) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage im Hinblick auf einen Betrag von 148,66 EUR stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die auf den Zeitraum von Dezember 2003 bis Dezember 2004 bezogene Forderung sei verjährt. Durch die Erhebung der Klage sei die Verjährung nicht gehemmt worden, weil die Beklagte die Berechtigung der Forderung nach den Angaben in der Klageschrift nicht habe prüfen können. Die Beitragsmeldung der Beklagten sei nie beanstandet worden. Aufgrund welchen Sachverhaltes die Klägerin nunmehr weitere Beiträge geltend mache, sei für die Beklagte weder aus der Klageschrift noch aus anderen Umständen erkennbar gewesen, weil das Ermittlungsverfahren beim Hauptzollamt bereits im Juni 2008 abgeschlossen gewesen sei und der Zugang des außergerichtlichen Schreibens vom 23. Dezember 2008 nicht habe festgestellt werden können. Bezogen auf den Zeitraum von Januar bis März 2005 habe die Klägerin nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe 2 dargelegt, weshalb der Klage insoweit nur auf der Basis des niedrigsten in den alten Bundesländern geltenden Mindestlohns der Lohngruppe 1 habe stattgegeben werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 49 - 52 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses der Klägerin am 31. Juli 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. August 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung der Klägerin, welche sie mit am 30. September 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin behauptet unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, nach dem dem Verfallbescheid vom 22. Juli 2008 zugrunde liegenden vom Hauptzollamt und der Beklagten einverständlich festgestellten Sachverhalt seien sämtliche mit der Lohngruppe 2 bewerteten Arbeitnehmer von der Beklagten als Facharbeiter eingestellt worden, verfügten über eine mindestens zweijährige Berufsausbildung und seien auch entsprechend eingesetzt worden. Für die Frage, welcher Mindestlohn geschuldet sei, komme es entscheidend auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung an. Die in der Aufstellung für Dezember 2003 angegebenen Bruttodifferenzlöhne seien auf der Grundlage einer Liste des Hauptzollamtes für das Jahr 2003 mit Angaben zum gezahlten Bruttolohn, dem geschuldeten Mindestlohn und den im Dezember 2003 geleisteten Arbeitsstunden bezogen auf die einzelnen Arbeitnehmer berechnet worden. Wegen der Einzelheiten verweist die Klägerin auf die Ablichtung der Liste (Bl. 89 f. d. A.). Die für den Zeitraum von Dezember 2003 bis Dezember 2004 geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verjährt. Für Dezember 2004 ergebe sich dies schon daraus, dass die Beiträge erst am 15. Januar 2005 fällig gewesen seien. Im Übrigen habe sie von dem Sachverhalt, auf den die Klageforderung gestützt werde, erstmals mit Schreiben des Hauptzollamts vom 14. August 2009 Kenntnis erlangt, weshalb die tariflich geregelte Verjährungsfrist auch erst nach Einreichung der Klage überhaupt zu laufen begonnen habe. § 199 BGB sei auf die Verjährungsfrist auch anwendbar. Außerdem habe die Beklagte aufgrund des Ermittlungsverfahrens Kenntnis davon gehabt, welche Beitragsforderungen auf sie zukommen und deshalb auch bei Zustellung der Klage genau gewusst, um was es gehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.06.2009 - 62 Ca 64467/08 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 4.714,04 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, insbesondere auch im Hinblick auf die teilweise Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nach § 25 Abs. 4 VTV. Auf § 199 BGB werde nur in § 25 Abs. 1 VTV im Hinblick auf die vierjährige Ausschlussfrist Bezug genommen. Es sei auch unzutreffend, dass der Verfallbescheid auf einem einvernehmlich festgestellten Sachverhalt beruhe. Sie habe die gegen die Einreihung der Arbeitnehmer in die Lohngruppe 2 beispielhaft mit Schreiben vom 22. Mai 2006 (Bl. 129 - 139 d. A.) erhobenen Einwände zu keinem Zeitpunkt zurückgenommen. Hieran werde auch weiterhin festgehalten.

Wegen des Weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung vom 30. September 2009 (Bl. 67 - 71 d. A.) und den versehendlich auf den 30. September 2009 datierten Schriftsatz der Klägerin vom 9. Dezember 2009 (Bl. 145 - 147 d. A.) sowie auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 9. November 2009 (Bl. 122 - 128 d. A.) Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2009 hat die Beklagte um Stellungnahmefrist zum Hinweis des Gerichts, dass jeweils der Mindestlohn geschuldet sei, der der vertraglich vereinbarten Tätigkeit entspreche, sowie vorsorglich auf den Schriftsatz der Klägerin vom 9. Dezember 2009 gebeten.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach § 8 Abs. 2, § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht i. S. v. § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO eingelegt und begründet worden. Die Berufung ist daher zulässig.

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte über den erstinstanzlich rechtskräftig ausgeurteilten Betrag von 148,66 EUR hinaus einen Anspruch auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für den Zeitraum von Dezember 2003 bis März 2005 in Höhe von weiteren 4.714,04 EUR. Die Ansprüche sind weder verfallen noch verjährt.

1. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 18 Abs. 1, § 22 Abs. 1 i. V. mit § 21 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 20. Dezember 1999 in der für den streitgegenständlichen Zeitraum jeweils gültigen und für allgemeinverbindlich erklärten Fassung. Danach hat ein Arbeitgeber, der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt, auf die Summe der Bruttolöhne der gewerblichen Arbeitnehmer die monatlich anfallenden Sozialkassenbeiträge spätestens bis zum 15. des folgenden Monats bei der Klägerin als Einzugsstelle einzuzahlen. Dem ist die Beklagte nur unzureichend nachgekommen.

a) Die Beklagte fällt unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Sie unterhält einen Baubetrieb, nämlich einen Trockenbaubetrieb i. S. d. § 1 Abschnitt V Nr. 37 VTV, und hat im streitgegenständlichen Zeitraum für die im Streit stehenden Arbeitnehmer auch Beiträge abgeführt. Jedoch hat sie den Arbeitnehmern nicht den diesen geschuldeten Mindestlohn gezahlt und Beiträge auch nur auf der Grundlage der tatsächlich gezahlten Löhne entrichtet. Die Klägerin kann deshalb eine Beitragsnachzahlung auf der Basis der Differenz zwischen den gezahlten und den geschuldeten Bruttolöhnen verlangen.

b) Nach § 3 des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) in der für streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung vom 29. Oktober 2003, der nach der Vierten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe für sämtliche Arbeitgeber und Arbeitnehmer des Baugewerbes unabhängig von deren Tarifbindung gilt, richtet sich die Höhe des zu zahlenden Mindestlohns nach der Arbeitsstelle. Bei einem Einsatz auf einer auswärtigen Arbeitsstelle ist der für diese Arbeitsstelle geltende Mindestlohn zu zahlen, solange die Arbeitnehmer auf der auswärtigen Arbeitsstelle tätig sind, es sei denn, der Mindestlohn am Einstellungsort ist höher. Danach schuldete die Beklagte den in den alten Bundesländern eingesetzten Arbeitnehmern den für die alten Bundesländer geltenden Mindestlohn. Dieser betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 10,36 EUR in der Lohngruppe 1 und 12,47 EUR in der Lohngruppe 2.

aa) Ob der Mindestlohn der Lohngruppe 1 oder der der Lohngruppe 2 maßgeblich ist, richtet sich nach den Eingruppierungsregeln des § 5 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) vom 4. Juli 2002 in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung und insbesondere nach dem in § 5 Nr. 2 BRTV aufgeführten Eingruppierungsmerkmalen, welche in der Anlage zum TV Mindestlohn nochmals enthalten sind. Danach steht Werkern ohne Ausbildung, die einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung ausführen, der Mindestlohn nach der Lohngruppe 1 zu und Fachwerkern, mit einer baugewerblichen Stufenausbildung in der ersten Stufe, die fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung verrichten, nach der Lohngruppe 2.

bb) Gemessen daran kann der Klägerin von der Beklagten die geltend gemachte Beitragsnachzahlung verlangen. Sie hat schlüssig dargelegt, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum den namentlich benannten Arbeitnehmern nicht den vorgeschriebenen Mindestlohn gezahlt hat, und welche monatlichen Bruttolohndifferenzsummen sich daraus ergeben. Die Höhe der auf die jeweiligen Bruttolohnsummen anfallenden Beiträge ist der Beklagten bekannt, weshalb für sie auch die Zusammensetzung der Gesamtforderung ohne weiteres nachvollziehbar sein musste.

(1) Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die Ermittlungen des Hauptzollamtes Potsdam und des zulässigen Verweises auf entsprechende Listen im Einzelnen vorgetragen, welche namentlich benannten Arbeitnehmer in welchem Zeitraum wie viele Arbeitsstunden in den alten Bundesländern eingesetzt waren, welchen Stundenlohn die Beklagte an die jeweiligen Arbeitnehmer gezahlt hat, welcher Mindestlohn nach den Ermittlungen des Hauptzollamtes geschuldet war und welche Bruttolohndifferenzen sich daraus ergeben, auf die Sozialkassenbeiträge nachzuentrichten sind. Weiter hat sie vorgetragen, dass diejenigen Arbeitnehmer, die durch das Hauptzollamt in die Lohngruppe 2 eingereiht worden sind, bei der Beklagten als Facharbeiter eingestellt gewesen seien, über die in der Lohngruppe 2 erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügten und entsprechend eingesetzt worden seien. Dem ist die Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten. Sie hat das Vorbringen bis auf den tatsächlichen Einsatz einzelner in die Lohngruppe 2 eingereihter Arbeitnehmer nur pauschal bestritten, ohne ihrerseits darzulegen, inwieweit das Vorbringen der Klägerin nicht zutreffend sein soll. Damit genügte sie ihrer Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht, weshalb das Vorbringen der Klägerin nach § 138 Abs. 3 ZPO insoweit als zugestanden gilt.

(2) Soweit die Beklagte unter Verweis auf ihr Schreiben an das Hauptzollamt vom 22. Mai 2006 vorgetragen hat, die Arbeitnehmer F. L., R. Sch., E. St. und K. T. seien zumindest überwiegend nur mit einfachen Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung i. S. d. Lohngruppe 1 des TV Mindestlohn eingesetzt worden, kam es hierauf nicht an. Denn die Höhe des geschuldeten Mindestlohns richtet sich nicht nach dem tatsächlichen Einsatz der Arbeitnehmer, sondern nach der vertraglich geschuldeten Tätigkeit. Dies ergibt sich zum einen aus § 5 Ziff. 2.2 BRTV, wonach für die Eingruppierung in die jeweiligen Lohngruppen neben der Ausbildung, den Fertigkeiten und Kenntnissen insbesondere die auszuübende Tätigkeit maßgebend ist. Zum anderen ergibt sich dies daraus, dass ein Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 BGB nur zur Leistung der vertraglich vereinbarten Arbeitstätigkeit verpflichtet ist und der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nach § 615 Abs. 1 BGB i. V. m. § 296 BGB in Annahmeverzug gerät, wenn er den Arbeitnehmer nicht entsprechend einsetzt (vgl. ErfK-Preis, § 615 BGB Rn. 59 m. w. N.), mit der Folge, dass der Arbeitnehmer Vergütung entsprechend der vertraglich vereinbarten Arbeitstätigkeit verlangen kann und sich hierauf lediglich die tatsächlich gezahlte Vergütung anrechnen lassen muss.

Die Klägerin hat dargelegt, dass die in die Lohngruppe 2 eingereihten Arbeitnehmer bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigt waren. Dies hat die Beklagte nicht, jedenfalls nicht substantiiert bestritten. Weiter hat die Klägerin vorgetragen, dass die Arbeitnehmer über eine mindestens zweijährige Berufsausbildung verfügen, wobei dem Kontext des Vorbringens der Klägerin zu entnehmen war, dass damit eine zweijährige Berufsausbildung im Bereich des Baugewerbes gemeint ist. Eine zweijährige Berufsausbildung im Bereich des Baugewerbes ist gleichbedeutend mit der baugewerblichen Stufenausbildung in der ersten Stufe i. S. d. in der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn erforderlichen Qualifikation (Biedermann/Möller, Kommentar zum BRTV 2006 S. 376). Demzufolge war die Beklagte verpflichtet, die genannten Arbeitnehmer als Facharbeiter entsprechend ihren in der baugewerblichen Stufenausbildung in der ersten Stufe erworbenen Fertigkeiten und Kenntnissen einzusetzen und nach der Lohngruppe 2 des TV Mindestlohn zu vergüten.

(3) Aufgrund der Angaben der Klägerin zu den geleisteten Arbeitsstunden, dem gezahlten und dem tatsächlich geschuldeten Stundenlohn sowie den sich daraus ergebenden Bruttolohndifferenzen lassen sich die nachzuzahlenden Beiträge ohne weiteres berechnen. Im Dezember 2003 war ein Beitrag in Höhe von 18,6 Prozent, im Jahr 2004 in Höhe von 18 Prozent und im Zeitraum von Januar bis März 2005 in Höhe von 17,5 Prozent auf die jeweiligen Bruttolohndifferenzsummen zu zahlen. Hiervon ist auch die Klägerin bei ihrer Berechnung ausgegangen.

2. Die Beitragsansprüche der Klägerin sind auch weder nach § 25 Abs. 4 VTV verjährt, noch nach § 25 Abs. 1 VTV jeweils i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB verfallen, weil die Beklagte von dem Bestehen der Ansprüche erst im August 2008 Kenntnis erlangt hat.

a) Die Ansprüche sind nicht nach § 25 Abs. 4 VTV verjährt.

Nach § 25 Abs. 4 VTV beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche der Kassen gegen den Arbeitgeber vier Jahre. Dadurch haben die Tarifvertragsparteien von ihrer Befugnis nach § 202 BGB zur Verlängerung der ansonsten geltenden regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren Gebrauch gemacht (BAG vom 21.01.2009 - 10 AZR 67/08 -, DB 2009, 1660). Hiergegen und gegen die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit dieser Regelung bestehen keine Bedenken (BAG vom 21.01.2009 - 10 AZR 67/08 -, aaO.). Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Beklagten findet § 199 BGB auf die verlängerte regelmäßige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 4 VTV auch Anwendung. Denn die Vorschrift des § 199 BGB bezieht sich nach ihrem Wortlaut gerade auf die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Durch die Verlängerung dieser Frist ändert sich deren Charakter als regelmäßige Verjährungsfrist nicht (im Ergebnis ebenso BAG vom 21.01.2009 - 10 AZR 67/08 -, aaO.).

Danach waren die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie erst im August 2008 durch das Schreiben des Hauptzollamtes P. vom 14. August 2008 Kenntnis davon erlangt, dass die Beklagte bestimmten Arbeitnehmern im streitgegenständlichen Zeitraum nicht den geschuldeten Mindestlohn gezahlt hat und insoweit auch höhere Beitragsansprüche als die angemeldeten und entrichteten Beiträge bestanden. Soweit die Beklagte dies lediglich bestritten hat, war dies unerheblich, weil die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn der Verjährungsfrist beim Schuldner liegt (Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 194, Rn. 23 und § 199 Rn. 46). Die Beklagte hat weder vorgetragen, noch unter Beweis gestellt, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von dem Bestehen der Ansprüche zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen müssen. Hierfür gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte, weil nach § 21 Abs. 1 VTV in der monatlichen Beitragsmeldung der Ort und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden sowie die gezahlte Vergütung nicht anzugeben sind, sondern lediglich der Sozialkassenbeitrag als solcher und die Zahl der von dem Tarifvertrag erfassten gewerblichen Arbeitnehmer. Demzufolge begann die vierjährige Verjährungsfrist erst Ende 2008.

Indem die Klägerin die Ansprüche am 30. Dezember 2008 anhängig gemacht und die Ansprüche mit Schriftsatz vom 5. März 2009 näher begründet hat, hat sie diese rechtzeitig innerhalb der Verjährungsfrist i. S. d. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtshängig gemacht, ohne dass es noch darauf ankam, ob der Ablauf der Verjährungsfrist bereits durch die Klageerhebung gehemmt war.

b) Die Ansprüche sind auch nicht nach § 25 Abs. 1 VTV verfallen.

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 VTV verfallen Ansprüche der Sozialkassen gegen den Arbeitgeber, wenn sie nicht innerhalb von vier Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 VTV gilt für den Beginn der Ausschlussfrist § 199 BGB entsprechend. Demzufolge begann die vierjährige Ausschlussfrist ebenso wie die vierjährige Verjährungsfrist nicht, bevor die Klägerin von dem den Ansprüchen zugrunde liegenden Sachverhalt durch das Hauptzollamt Kenntnis erlangt hat. Da die Ausschlussfrist danach zum Zeitpunkt der näheren Begründung der Ansprüche unter keinen Umständen bereits abgelaufen war, kann vorliegend auch offen bleiben, ob die Ausschlussfrist bereits mit Erlangung der Kenntnis im August 2008 begonnen hat oder wie die Verjährungsfrist erst Ende 2008.

3. Nach alledem war auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von weiteren 4.714,04 EUR zu verurteilen. Der Bitte der Beklagten um Gewährung einer weiteren Stellungnahmefrist war schon deshalb nicht nachzukommen, weil der Schriftsatz der Klägerin vom 9. Dezember 2009 keine neues entscheidungserhebliches Tatsachenvorbringen enthält und die Frage, ob sich die Vergütung nach der vertraglich vereinbarten Tätigkeit richtet, bereits von der Klägerin auf Seite 4 der Berufungsbegründung angesprochen worden war.

III. Als voll unterlegene Partei hat die Beklagte nach § 46 Abs. 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

RechtsgebieteBGB, BGG, TV Mindestlohn, Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)VorschriftenTarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § 18 Abs. 1 Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § 22 Abs. 1 Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § 25 Abs. 4 BGG § 195 BGB § 199 Abs. 1 BGB § 202 BGB TV Mindestlohn § 3

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