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19.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102243

Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 01.06.2010 – 2 V 454/10

1. Beinhalten die Einrittskarten für eine sog. Dinner-Show eine Variete/Theatershow und ein außerhalb der Show serviertes 4-Gänge-Menü, welches nur als Ganzes in Anspruch genommen werden kann, liegt nach summerischer Prüfung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung eine einheitliche dem Regelsteuersatz unterliegende Leistung vor. Weder stehen die künstlerische Leistung und die Restaurationsleistung im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung zueinander, noch liegen – wie vom FG Bremen in seinem Beschluss v. 13.10.2009 2 V 115/09 angenommen – zwei selbstständige, mit dem ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1999 und dem Regelsteuersatz zu besteuernde Leistungen vor.



2. Die entgegenstehende Entscheidung des FG Bremen führt zur Aussetzung der Vollziehung i. S. d. § 69 Abs. 2 S. 2 FGO.


Tatbestand

Gründe
I.

Die Beteiligten streiten um die umsatzsteuerliche Behandlung einer sog. Dinnershow.

Die Antragstellerin führte in den Jahren 2002 bis 2004 Veranstaltungen mit dem Titel „… Dinnershow” durch, deren Bestandteil eine Varieté/Theatershow und die Bewirtung mit einem Vier-Gänge-Menü war. Getränke berechnete die Antragstellerin den Gästen gesondert. Die Gäste saßen an Tischen und nicht in Stuhlreihen. Das Essen wurde außerhalb des Hauptprogramms serviert. Die Eintrittskarten kosteten im Jahr 2002 EUR 68 und in den Jahren 2003 und 2004 EUR 79. Im Jahr 2002 erfolgte die Umsatzversteuerung mit 16% für das Essen und 7% für die Show. Ab dem Jahr 2003 behandelte die Antragstellerin die Umsätze einheitlich mit 7%.

Der Antragsgegner folgte der Umsatzsteuererklärung für 2002 und stimmte der Umsatzsteuererklärung 2003 und 2004 zu.

Im Jahr 2005 fand eine Umsatzsteuersonderprüfung für das Jahr 2004 statt, die insoweit keine Feststellungen traf. Im Jahr 2007 führte der Antragsgegner eine Außenprüfung u.a. für die Umsatzsteuer 2002 bis 2004 durch. Dabei gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die beiden Leistungen dieser Veranstaltungen gleichwertig nebeneinander stünden. Aus der Sicht des Durchschnittsbesuchers stehe das Kombinationserlebnis im Vordergrund. Die Showteile würden sich mit dem Essen abwechseln, die Show sei mit dem Menü abgestimmt. Daher liege eine einheitliche Leistung vor, die mit dem Regelsteuersatz von 16% zu besteuern sei. Die Kostenanteile in Relation zu den Gesamtkosten hätten im Jahr 2002 für die künstlerische Produktion 65,91%, im Jahr 2003 77,49% und im Jahr 2004 73,69% betragen. Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Prüfung und änderte mit Bescheiden vom 22. Dezember 2009 die Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2004 gemäß § 164 Abs. 2 AO, indem er die Bemessungsgrundlage aus der Dinnershow vollständig jeweils dem Steuersatz von 16% unterwarf. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Den von der Antragstellerin gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. März 2010 ab.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass jeder Umsatz im Grundsatz als einzelne Leistung zu betrachten sei. Es seien die charakteristischen Merkmale jeweils zu ermitteln um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger eine oder mehrere Leistungen erbringe. Bei der Dinnershow hätten beide Bestandteile einen eigenständigen Wert für den Gast. Sie würden nicht hinter der Gesamtleistung zurücktreten, da eine Aufteilung nicht wirklichkeitsfremd sei. Zwischen den künstlerischen und den gastronomischen Leistungen bestünde kein Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung. Das Menü verfolge einen eigenen Zweck und sei kein bloßes Mittel, um die Show in Anspruch nehmen zu können. Es sei bei Varietés nicht generell üblich, ein Menü zu servieren. Im vorliegenden Fall sei die Verwaltungsauffassung zu Beherbungsleistungen anwendbar.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2004, alle vom 22. Dezember 2009 in Höhe von EUR 12.228,53 für 2002, von EUR 18.026,27 für 2003 und von EUR 18.130,06 für 2004 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass aufgrund der organisatorischen Verknüpfung zwischen Menü und Show eine einheitliche Leistung vorliege. Hierfür spreche auch das Gesamtentgelt. Es liege ein Leistungsbündel vor. Es sei der Regelsteueransatz anzuwenden, da die Kosten für die gastronomischen Leistungen nicht von untergeordneter Bedeutung seien. Daher sei auch nicht von einer reinen Theateraufführung auszugehen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der dem Gericht übersandten Verwaltungsakten verwiesen.



Gründe

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 2, 3 FGO kann die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind dann anzunehmen, wenn bei der summarischen Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken, wobei die überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs nicht erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, Beschluss vom 21. November 2001 – VII B 108/01, BFH/NV 2002, 315 m. w. N.).

Bei summarischer Prüfung bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2004 vom 22. Dezember 2009. Diese ergeben sich bereits daraus, dass das Finanzgericht Bremen in einem vergleichbaren Sachverhalt eine Entscheidung getroffen hat, nach der von zwei selbständigen Leistungen auszugehen ist (Beschluss vom 13. Oktober 2009 – 2 V 115/09, EFG 2010, 84). Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen und auch eingelegt worden. Sollte der Bundesfinanzhof der Auffassung des Finanzgerichts Bremen folgen, dürften die hier aufgeworfenen Rechtsfragen ebenfalls geklärt und die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sein. Für ernstliche Zweifel in rechtlicher Hinsicht genügt es, wenn der Bundesfinanzhof über eine Rechtsfrage noch nicht entschieden hat, über die bei den Finanzgerichten oder der Literatur unterschiedliche Auffassungen bestehen (Gräber, FGO-Kommentar, 6. Aufl., § 69 Rn. 87).

Der Auffassung des Finanzgerichts Bremen vermag sich der Senat allerdings nicht ohne weiteres anschließen. Der Antragsgegner hat die Umsätze aus dem Verkauf der Eintrittskarten für die Dinner-Show insgesamt dem Regelsteuersatz unterworfen. Die Dinner-Show fällt hinsichtlich der Varieté-/Theatershow unter die Vorschrift zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG ( Abschn. 166 Abs. 2 Satz 2 UStR 2002 ). Hinsichtlich des Vier-Gänge-Menüs kommt der Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG zur Anwendung. Die Gesamtleistung der Antragstellerin kann zwar als einheitliche sonstige Leistung beurteilt werden.

a) Für die Frage, ob mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, ist zunächst jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. ( EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96, Card Protection Plan, Slg. 1999, I-973, UR 1999, 254, Urteil des Bundesfinanzhofes vom 13. Juli 2006 – V R 24/02, BFHE 213, 430, BStBl II 2006, 935). Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 17. August 2008 – V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712).

b) Zwischen den künstlerischen Leistungen und den Restaurationsleistungen besteht jedenfalls kein Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung. Eine das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilende Nebenleistung ist gegeben, wenn die Leistung im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit dieser in engem Zusammenhang steht, indem sie diese ermöglicht, abrundet, ergänzt oder verbessert, und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. Juni 1995 – V R 90/93, BFHE 178, 248, BStBl II 1995, 914). Bei dem Vier-Gänge-Menü handelt es sich aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht um eine im Verhältnis zu der Varieté-/Theatershow steuerlich unselbständige Nebenleistung. Das Vier-Gänge-Menü ist kein bloßes Mittel, um die Varieté-/Theatershow unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Es erfüllt einen eigenen Zweck, nämlich den Hunger bzw. Appetit auf Essen von gehobener Qualität am Abend zu stillen. Den Besuchern kommt es bei lebensnaher Betrachtung nicht allein auf die künstlerischen Darbietungen an. Vielmehr ist wesentlich für den Erwerb einer Eintrittskarte auch die hiermit einhergehende Möglichkeit zum Genuss der einzelnen Gänge eines Vier-Gänge-Menüs vor und zwischen den künstlerischen Darbietungen. Im Zuschauerraum am Sitzplatz mit Tischen servierte Vier-Gänge-Menüs sind nicht für Varieté-/Theatershows üblich, was gerichtsbekannt ist. Die Besucher eines Theaters oder einer Oper haben meist nur Gelegenheit, in den Pausen kleinere Speisen zu sich zu nehmen, welche extra zu bezahlen sind. Die Antragstellerin gibt an, dass sie das Essen mit EUR 15 und die Show mit EUR 53 im Jahr 2002 kalkuliert hat. Dass das Vier-Gänge-Menü aus der eigenen Sicht der Antragstellerin einen wesentlichen Leistungsbestandteil darstellt, zeigt sich darin, dass sie die Veranstaltung selbst als „Dinner-Show” bezeichnet. Bei dieser mit einem Trennungsstrich verbundenen Wortschöpfung aus „Dinner” und „Show” liegt die Betonung mindestens ebenso stark auf dem vorangestellten Wort „Dinner” wie auf dem nachfolgenden Wort „Show”. Auch nach der eigenen Konzeption der Antragstellerin ist das Vier-Gänge-Menü also nicht von einer derart untergeordneten Bedeutung, dass die Varieté-/Theatershow der Gesamtleistung das Gepräge geben könnte. Vielmehr stehen künstlerische und kulinarische Leistung in einem gleichgeordneten Verhältnis (Beschluss des Finanzgerichts Bremen vom 13. Oktober 2009 – 2 V 115/09, EFG 2010, 84).

c) Es sprechen aber nach summarischer Prüfung die Umstände der Streitsache eher für eine einheitliche Leistung. Das Wesen und der wirtschaftliche Gehalt der gegen Zahlung eines einheitlichen Eintrittspreises erbrachten Leistungen der Antragstellerin besteht in einer Mischung aus Unterhaltung und Essen im Ambiente eines Spiegelzeltes. Varieté-/Theatershow und Vier-Gänge-Menüs sind miteinander verbunden und greifen durch die zeitliche Abfolge von künstlerischen Darbietungen und einzelnen Gänge ineinander (vgl. insoweit Ablauf Prüfungshandakte). Mit dem Erwerb einer Eintrittskarte wird das Recht erworben, dieses Angebot als Ganzes in Anspruch zu nehmen. In den Streitjahren konnte die Show nur besucht werden, wenn auch das Essen mit gebucht wurde, die Antragstellerin bot die Leistung nur insgesamt an. Daher prägt gerade die Kombination den Charakter der Veranstaltungen und stellt den besonderen Anreiz für den Besucher dar. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist die Bereitstellung des Gesamtpakets aus Varieté-/Theatershow und Vier-Gänge-Menü eine einheitliche Leistung. Die einzelnen künstlerischen und kulinarischen Bausteine treten hinter die Gesamtleistung zurück. Die Varieté-/Theatershow und das Vier-Gänge-Menü sind nach Auffassung des Gerichts so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die Antragstellerin veranstaltet selbst in anderen Räumlichkeiten Varietévorführungen, bei denen kein Menü während der Vorstellung angeboten wird, sondern vorher.

d) Ob schließlich für die einheitliche Leistung der Regelsteuersatz oder der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 a) UStG Anwendung finden kann, bestimmt sich nach dem Zweck der Steuerermäßigung. Da die Restaurationsleistungen keine bloßen Nebenleistungen zu den Varietévorstellungen sind, erscheint es sachgerecht, den Regelsteuersatz von 16% gemäß § 12 Abs. 1 UStG nach der in den Streitjahren geltenden Fassung anzuwenden. Denn Zweck der Steuerermäßigung ist es, die künstlerischen Leistungen zu begünstigen, nicht aber Theatern oder Varietés zu weiteren Einnahmen zu verhelfen (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 14. Mai 1998 – V R 85/97, BStBl II 1999, 145).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietUStG UStRVorschriftenUStG 1999 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1999 § 12 Abs. 1 UStR 2002 Abschn. 166 Abs. 2 S. 2 FGO § 69 Abs. 2 S. 2 FGO § 69 Abs. 3 S. 1

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