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28.09.2010 · IWW-Abrufnummer 101984

Finanzgericht Köln: Urteil vom 27.01.2010 – 4 K 2882/07

1) Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallende Flug- und Fahrtkosten, die ein Ehegatte aufwendet, um den anderen Ehegatten an dessen Beschäftigungsort aufzusuchen, sind keine Aufwendungen für Familienheimfahrten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG.



2) Ein Abzug dieser Aufwendungen kommt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht, setzt aber voraus, dass der andere Ehegatte aus beruflichen Gründen an einer Familienheimfahrt gehindert ist.


Finanzgericht Köln v. 27.01.2010

4 K 2882/07

Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Flug- und Fahrtkosten des Klägers als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung der Klägerin.

Die Kläger haben im Jahr 2002 geheiratet. Ihre Familienwohnung befindet sich in K. Sie unterhalten dort einen gemeinsamen Hausstand. Der Kläger ist als Architekt und Bausachverständiger in K selbständig tätig. Die Klägerin war in den Streitjahren (wie auch in der Zeit davor) als leitende Angestellte bei der F-Versicherung in H nichtselbständig tätig. Während der Woche bewohnte die Klägerin in H eine ihr gehörende Wohnung mit einer Größe von 109 qm.

Im Juli 2003 wurde für die Klägerin vom Versorgungsamt H eine Behinderung von 50 % festgestellt. Diese beruhte auf drei Bandscheibenvorfällen und einem Herzinfarkt.

Bei den Steuerveranlagungen und den sich anschließenden Einspruchsverfahren der Jahre 2003 und 2004 machte die Klägerin Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Diese bestanden im Wesentlichen aus Flugkosten für Flüge zwischen H und P oder S, Fahrtkosten mit dem Pkw zwischen den Wohnungen in K und H, Fahrtkosten mit dem Pkw zu den Flughäfen H, P und S und Kosten für die Wohnung der Klägerin in H. Während die Fahrten mit dem Kraftfahrzeug zwischen den Wohnungen in H und K ausschließlich von der Klägerin durchgeführt wurden (im Jahr 2003 fünf Besuche und im Jahr 2004 sechzehn Besuche), wurden die Flüge nur zum Teil von der Klägerin und im Übrigen von dem Kläger durchgeführt. Während die Klägerin im Jahr 2003 achtzehn mal und im Jahr 2004 sechzehn mal hin und zurück flog, besuchte der Kläger die Klägerin im Jahr 2003 sechzehn- und im Jahr 2004 zweimal. Das Finanzamt (FA) erkannte die Unterkunfts-, Fahrt- und Flugkosten der Klägerin in beiden Streitjahren im Wesentlichen an, während es die Flugkosten (einschließlich der Kosten für die Anfahrten zu den Flughäfen) des Klägers nicht berücksichtigte. Die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung der Klägerin anerkannten Werbungskosten betrugen im Jahr 2003 11.930 EUR und im Jahr 2004 11.710 EUR.

Die Nichtanerkennung der Kosten des Klägers als Werbungskosten der Klägerin begründete das Finanzamt (FA) damit, dass zwar bei verheirateten Arbeitnehmern, die aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt führten, durch Familienheimfahrten entstehende Kosten grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten abzugsfähig seien, weil die berufliche Veranlassung solcher Fahrten regelmäßig im Vordergrund stehe. Der Begriff der Familienheimfahrt setze nach seinem Wortlaut und Sinngehalt aber voraus, dass der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort zu seiner Familie am Wohnort fahre. Eine Familienheimfahrt liege dagegen nicht vor, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort von seinem Ehegatten oder anderen Familienangehörigen besucht werde.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Berücksichtigung der Flug- und Fahrtkosten des Klägers für Familienheimfahrten (sog. umgekehrte Familienheimfahrten) als Werbungskosten der Klägerin.

Die strittigen Familienheimfahrten verursachten folgende Kosten:

2003 2004
a) Flugkosten 4.851,99 EUR 1.022,63 EUR
b) Fahrtkosten Flughafen H 158,40 EUR 19,80 EUR
c) Fahrtkosten Flughafen K
von P 327,60 EUR 0,00 EUR
von S 100,80 EUR 52,50 EUR
Gesamtkosten 5.438,79 EUR 1.094,93 EUR

Die Kläger machen geltend, die Klägerin sei aus beruflichen Gründen gehindert gewesen, alle Familienheimfahrten selbst durchzuführen.

Für die Bewältigung der Reisestrecke H – K sowie auch umgekehrt, sei eine Reisedauer von mindestens fünf Stunden je Fahrt/Flug zu unterstellen. Hieraus folge, dass bei vorhandenen zwei Wochenendtagen sich bereits eine Reisezeit von rund neun bis zehn Stunden je Wochenende ergäbe. Dies sei für die einzelne Person als Dauerbelastung nicht verkraftbar. Die berufliche Leistungsfähigkeit würde durch eine so intensive Reisetätigkeit gemindert. Beruflich sei es der Klägerin auch nicht möglich gewesen, jede Woche die Wochenarbeitszeit zu verkürzen, da dies letztendlich auch zu Leistungsdefiziten geführt hätte. Ein ständiges „früher gehen und später anfangen” wäre sicherlich auch nicht der beruflichen Fortentwicklung dienlich gewesen.

Der Kläger sei deshalb – im Wechsel – zu der Klägerin nach H gefahren. Es seien die gleichen Kosten entstanden, die auch bei einer Familienheimfahrt der Klägerin entstanden wären. Die „dienstliche Veranlassung Klägerin” ergäbe sich auch schon aus der Lebensführung, da der „Familienverdienstausfall” bei Fahrten des Klägers weitaus höher ausfalle. Es sei nicht davon auszugehen, dass eine private, die Abziehbarkeit ausschließende, Mitveranlassung vorliege.

Seien die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben, die Arbeitnehmerin aus beruflichen Gründen an einer Familienheimfahrt gehindert und besuche sie deshalb der Kläger am Arbeitsort, sehe die Rechtsprechung die Fahrtkosten des Klägers als abziehbar an. Die Kosten würden ja auch beim Arbeitnehmer selbst, also bei einer Familienheimfahrt, Werbungskosten darstellen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteueränderungsbescheid 2003 vom 15.09.2006 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2007 und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 02.11.2006 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 29.06.2007 dergestalt zu ändern, dass weitere Werbungskosten für 2003 i. H. v. 5.438,79 EUR und für 2004 i. H. v. 1.094,93 EUR berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, Kosten für „umgekehrte Familienheimfahrten” könnten nicht als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anerkannt werden. Besuchsfahrten des Ehepartners seien keine Familienheimfahrten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG, da dieser Begriff eindeutig als Fahrt vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands definiert sei.

Die Rechtsprechung habe zwar bisher unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 EStG Besuchsfahrten des Ehepartners als Werbungskosten anerkannt, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen an einer Familienheimfahrt gehindert sei, da seine Abwesenheit am Beschäftigungsort aufgrund einer Weisung oder Empfehlung des Arbeitgebers nicht vertretbar oder erwünscht sei. Der Nachweis einer derartigen dienstlichen Veranlassung sei von den Klägern nicht erbracht worden.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.

1. Das FA hat zu Recht die Kosten für die Besuchsfahrten des Klägers zum Beschäftigungsort der Klägerin nicht als Werbungskosten der Klägerin berücksichtigt.

a) Werbungskosten sind auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Sätze 1 bis 4 EStG).

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift können die Kosten für die Besuchsfahrten des Klägers nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Denn diese Vorschrift erlaubt lediglich den Abzug von Aufwendungen für Familienheimfahrten. Familienheimfahrten liegen aber nur dann vor, wenn Fahrten vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück durchgeführt wurden. Im Streitfall ist aber die Anerkennung der Kosten für Fahrten des Klägers vom Ort des eigenen Hausstands zum Beschäftigungsort der Klägerin und zurück streitig.

b) Ein Abzug der Aufwendungen für Besuchsreisen des Klägers zum Arbeitsort der Klägerin kommt auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, sind nach dieser Vorschrift, sofern die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben sind, die Fahrtkosten des am Ort des eigenen Hausstands wohnenden Ehegatten zum Arbeitsort des anderen Ehegatten und zurück abziehbar, soweit diese beim Arbeitnehmer selbst, also bei einer Familienheimfahrt, Werbungskosten darstellen würden (vgl. BFH-Urteile vom 28.01.1983 VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl 1983 II S. 313 vom 21.08.1974 VI R 201/72, BFHE 113, 444, BStBl II 1975, 64; und vom 02.071971 VI R 35/68, BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67). Dies gilt allerdings nach den zitierten Urteilen nur dann, wenn der Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen an einer Heimfahrt gehindert ist. Nach Ansicht des BFH ist die Lücke, die sich für Fälle der vorliegenden Art aus dem Begriff der Familienheimfahrt ergibt, unter Heranziehung des allgemeinen Werbungskostenbegriffs des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu schließen. (Demgegenüber leitet das Sächsische Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 19.08.2002, 1 K 1322/00 in diesen Fällen die Abziehbarkeit der geltend gemachten Aufwendungen nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern aus § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG ab).

Im Streitfall scheidet eine Berücksichtigung der Kosten für die Besuchsfahrten des Klägers auch unter diesem Gesichtspunkt aus, weil die Klägerin nicht aus beruflichen Gründen an einer Heimfahrt gehindert war. Berufliche Gründe liegen dann vor, wenn es entweder dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber untersagt ist, die Heimfahrt durchzuführen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28.01.1983 VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl 1983 II S. 313 wo der Kläger dienstlich unabkömmlich war) oder zumindest der maßgebliche Umstand für die Verhinderung der Heimfahrt im dienstlichen Bereich seine Ursache hat (z. B. freiwillige Teilnahme des Arbeitnehmers an einer Fortbildungsveranstaltung am Arbeitsort).

Im Streitfall war die Klägerin demgegenüber jeweils ausschließlich aus privaten Gründen daran gehindert, ihren Ehemann auch an den Wochenenden zu besuchen, an denen sie Besuch von ihm erhielt. Denn der Grund für die wechselseitigen Besuchsfahrten lag nach ihrem Vortrag darin, dass wegen der weiten Entfernung ihres Arbeitsorts vom Familienwohnsitz und ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung die Klägerin nicht in der Lage war, jedes Wochenende von H nach K zu fahren.

c) Eine noch weitergehendere Anerkennung von Besuchsreisen als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung hält der Senat nicht für geboten. Eine allgemeine, in der großen räumlichen Entfernung zwischen Beschäftigungsort und Familienwohnsitz liegende, Verhinderung an der Durchführung regelmäßiger wöchentlicher Heimfahrten reicht nach Ansicht des Senats zum Werbungskostenabzug nicht aus. Denn Familienheimfahrten stellen dem Grunde nach private Aufwendungen dar, die gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig wären, wenn sie nicht durch die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG (ausnahmsweise) zum Werbungskostenabzug zugelassen wären (vgl. hierzu Sächsisches Finanzgericht Gerichtsbescheid vom 19.08.2002 1 K 1322/00).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob nicht im heutigen Wirtschaftsleben, bei dem der Mobilität des einzelnen Arbeitnehmers hohe Bedeutung zukommt, Aufwendungen für Besuchsreisen im Rahmen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung unabhängig davon als Werbungskosten abzugsfähig sein könnten, ob der Arbeitnehmer seinen Ehegatten am Familienwohnsitz aufsucht oder ob er von seinem Ehegatten am Arbeitsort besucht wird.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 9 Abs 1 Satz 1 EStG § 9 Abs 1 Nr 5

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