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27.04.2011 · IWW-Abrufnummer 110374

Landgericht Dortmund: Urteil vom 18.11.2010 – 2 S 39/10

Eine Regelung in den Versicherungsbedingungen eines Krankenversicherers, die das in den MB/KK gegebene Leistungsversprechen bei Hilfsmitteln auf solche " in einfacher Ausführung" beschränkt, ist wegen Intransparenz unwirksam, weil sie so konturenlos ist, dass der Versicherte nicht verlässlich bestimmen kann, welcher Anspruch ihm zustehem soll.


Datum:18.11.2010
Landgericht Dortmund
Zivilkammer
Urteil
Aktenzeichen:2 S 39/10
Vorinstanz: Amtsgericht Dortmund, 431 C 3536/09
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.06.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 712,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 712,67 € die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger ist Beamter im Ruhestand und beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 70 %. Er unterhält bei der Beklagten bereits seit Jahrzehnten eine private Krankenversicherung für Beihilfeberechtigte mit der Tarifbezeichnung BTI/30. Zudem hat er bei der Beklagten auch noch eine sogenannte Beihilfeergänzungsversicherung mit der Tarifbezeichnung EBT70 abgeschlossen. Die Beihilfeergänzungsversicherung dient dazu, Krankheitskosten, die nicht oder nicht mit dem vollen Prozentsatz von 70 % beihilfefähige sind, bis zur Höhe von 70 % zu erstatten. Dem Krankenversicherungsvertrag liegen die MB/KK zugrunde sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Versicherung ambulanter und stationärer Heilbehandlungskosten von beihilfeberechtigten Personen nach den Tarifen BTI und BTII sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die die Beihilfeergänzungsversicherung nach dem Tarif EBT. Die beiden zuletzt genannten Versicherungsbedingungen regeln die Erstattung von Hilfsmitteln. Danach waren erstattet die Kosten für Hilfsmittel "in einfache Ausführung". (Nur) Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Beihilfeergänzungsversicherung enthalten zu dieser Regelung einen Sternchenzusatz mit der Erläuterung: "Bei Brillenfassungen gilt z. Zt. ein Wert von bis zu 52,00 € als einfache Ausführung".
Der Kläger
ist seit Jahrzehnten schwerhörig. Mittlerweile besteht eine fortgeschrittene, an Taubheit grenzende Schallempfindungsschwerhörigkeit mit beidseitigem Tinnitus. Ihm wurde ein Grad der Behinderung von 100 zuerkannt, die Schwerhörigkeit wurde dabei mit einem Einzelgrad der Behinderung von 60 berücksichtigt und führte zur Zuerkennung des Merkmals "Rf". Seit 1975 bedarf der Kläger an beiden Ohren eines Hörgerätes.
Im Juni 2008 benötigte der Kläger neue Hörgeräte, da seine alten Geräte verbraucht waren. Nach Erhalt einer entsprechenden ohrenärztlichen Verordnung probierte er bei einem Hörakustiker verschiedene Geräte aus. Das beste Hörergebnis erzielte er mit Hörgeräten der Marke Q. Mit diesen Geräten erreichte er einen Hörgewinn von 80 %. Deshalb erwarb er diese Hörgeräte zu einem Preis von 2.070,00 € pro Stück zuzüglich einer Fernbedienung. Die Beihilfe erstattete dem Kläger einen Betrag von 1.435,00 €. Auf den Erstattungsantrag des Klägers zahlte die Beklagte 600,00 € aus dem Tarif BTI/30. Zur Erläuterung führte sie aus, dass die Kosten für Hörgeräte in einfacher Ausführung (sowohl für Im-Ohr-Hörgeräte als auch für Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte) deutlich unter 1.000,00 € liegen und deshalb die Tarifleistung ausgehend von 1.000,00 € erstattet werde. Auf die Nachfrage des Klägers u.a. nach einer Erstattung aus dem Beihilfeergänzungstarif teilte die Beklagte mit, dass sie ihrer Berechnung Kosten für die Hörgeräteversäumung in Höhe von 1.000,00 € je Ohr zugrunde gelegt habe, so dass aus diesem Tarif kein Leistungsanspruch bestehe, da die Beihilfe Kosten in Höhe von 1.025,00 € je Ohr als beihilfefähig anerkannt habe.
Da der Kläger auch seinen Dienstherrn auf Gewährung einer höheren Beihilfe gerichtlich in Anspruch nimmt – das Verfahren befindet sich zur Zeit in der Berufungsinstanz –, stützt er seine Klage ausdrücklich nur auf den Tarif BTI. Er hält die Taribedingung für unklar und begehrt Zahlung weiterer 712,67 €.
Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage, ob Mitte 2008 andere preiswerte Hörgeräte als das vom Kläger erworbene "Q" auf dem Markt waren, mit welchem der Kläger ein vergleichbares Hörergebnis hätte erzielen können der Klage in Höhe von 130,67 € stattgegeben und die Berufung für beide Parteien zugelassen. Zur Begründung der Sachentscheidung hat es ausgeführt, dass der Kläger aufgrund der vereinbarten Versicherungsbedingungen einen Anspruch auf medizinisch notwendige Heilbehandlung seiner extremen Schwerhörigkeit durch Versorgung mit einem Hörgerät in "einfacher Ausführung" habe. Solche Geräte seien nach dem eingeholten Sachverständigengutachten für 1.000,00 bis 1.200,00 € pro Ohr zu kaufen gewesen. Auf einen Anspruch ausgehend von einem Kaufpreis i.H.v. 1100 € sei der Kläger aufgrund der Versicherungsbedingungen beschränkt, wonach er einen Anspruch lediglich auf Hilfsmittel "in einfacher Ausführung" habe. Wenn ein Versicherungsnehmer in der Situation des Klägers diese unter den Parteien umstrittene Einschränkung lese, dann werde er die Einschränkung nicht dahingehend verstehen, er müsse sich mit Hilfsmittel begnügen, die einen geringeren Wirkungsgrad aufweisen als die Hilfsmittel, die das medizinisch Notwendige leisten. Nicht das medizinisch erreichbare Ziel solle eingeschränkt werden, sondern unter Umständen der Weg dort hin, welcher einfacher und mühsamer gestaltet sein kann, wenn man ihn an den vereinbarten Leistungen der Beklagten orientiere. Für den klassischen Fall des Hilfsmittels Brille habe die Beklagte dies in ihren Bedingungen dadurch verdeutlicht, dass sie die Beschränkung am Brillengestellt festgemacht und erläutert habe, also nicht etwa als Beispiel den medizinischen Wirkungsgrad der Gläser erläutert und die Leistung auf dieser Ebene eingeschränkt. Hätte die Beklagte eine Einschränkung auf der Ebene der Wirksamkeit vornehmen wollen, dann hätte sie ihr Beispiel nicht mit dem Brillengestell, welches für die Sehhilfe ohne Bedeutung ist, sondern anhand der Brillengläser erläutern müssen. Bei Brillengläsern hätte man das Ganze z.B. am Gewicht der Gläser festmachen können, also die schwerere und dadurch nicht zu bequeme, aber preiswertere Glaslösung den teureren, aber bequemeren Kunststoffglas gegenüber gestellt, weil auch mit dem preiswerteren einfachen Glas das medizinisch Notwendige, aber zu günstigeren Preisen erzielt werden könne. Ausgehend von einem Preis von 1.100,00 € für ein Hörgerät pro Ohr und Kosten für das gemäß Sachverständigengutachten ebenfalls medizinisch notwendige Fernbedienteil steht dem Kläger ein weiterer Erstattungsanspruch in Höhe von 130,67 € zu.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er eine falsche Auslegung der Regelung in den Versicherungsbedingungen über die Erstattungspflicht für Hilfsmittel "in einfacher Ausführung" rügt. Er verfolgt mit der Berufung seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Sie sieht in der Tarifregelung eine Leistungsbegrenzung (sekundäre Risikobeschreibung), deren Erforderlichkeit sich daraus ergebe, dass Hersteller von Hilfsmittel keinerlei amtlichen Abrechnungsgrenzen unterlägen, wie z.B. Ärzte durch die GOÄ oder Zahnärzte durch die GOZ. Die exorbitant voranschreitende technische Entwicklung auf dem Hilfsmittelsektor mache daher ein Korrektiv erforderlich, um einen Versicherungsschutz noch bezahlbar zu machen. Das vom Kläger angeschaffte Hörgerät sei kein solches von "einfacher Ausführung", vielmehr ein Gerät der digitalen Spitzenklasse, welches vom Gerätehersteller selbst in die Oberklasse der angebotenen Geräte eingestuft werde. Die Regelung sei auch nicht intransparent, weil sie beispielhaft anhand eines Brillengestelles bzw. der Kosten dafür präzisiert worden sei. Der mündige Versicherungsnehmer sei in der Lage, die Leistungseinschränkung zu deuten. In Zweifelsfällen hätte der Kläger bei der Beklagten nachfragen können.
II.
Die zulässige – weil zugelassene – rechtzeitige Berufung des Klägers hat Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Krankheitskostenversicherung Erstattung von 30 % der Kosten verlangen, die er für die Anschaffung zweier Hörgeräte nebst Fernbedienteil hat aufwenden müssen. Dieser Kostenanteil macht – wie unter den Parteien der Höhe nach unstreitig ist – den ihm zuerkannten Betrag von 712,67 € aus.
1.Die medizinische Notwendigkeit der Versorgung des extrem schwerhörigen Klägers mit Hörgeräten auf jedem Ohr hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil festgestellt. Die Beklagte hat trotz Zulassung der Berufung auch zu ihren Gunsten gegen das Urteil keine Rechtsmittel eingelegt, so dass das Berufungsgericht die aufgrund eines eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens festgestellte medizinische Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung nebst Fernbedienteil zugrunde zu legen hat.
2.Entgegen der im angefochtenen Urteil geäußerten Auffassung kann sich die Beklagte nicht auf B I Ziffer 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach dem Tarif BTI berufen, wonach Kosten nur für Hilfsmittel "in einfacher Ausführung" erstattet werden. Diese Regelung in den Versicherungsbedingungen ist unwirksam, weil sie den Kläger unangemessen benachteiligt. Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich daraus, dass diese Regelung in den Versicherungsbedingungen nicht klar und verständlich ist, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
a)Die Regelung in B I Ziffer 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Tarif BTI unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Nach der Rechtsprechung sind Risikobegrenzungen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nur insoweit entzogen, als sie den Kernbereich der Versicherungsleistung beschreiben, ohne dessen Vorliegen mangels Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Nicht kontrollfrei sind dagegen Klauseln, die nach ihrem Wortlaut und erkennbarem Zweck das vom Versicherer gegebene Hauptleistungsversprechen lediglich einschränken, verändern, ausgestalten oder sonst modifizieren (BGH VersR 2007, 1690). Um eine solche das Hauptleistungsversprechen einschränkende Regelung handelt es sich bei der Bestimmung in B I Ziffer 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Tarif BTI, wonach lediglich die Kosten für Hilfsmittel in einfacher Ausführung erstattet werden. Es kommt mithin nicht auf die Entscheidung der Frage an, ob das Transparenzgebot auch auf grundsätzlich kontrollfreie Leistungsbeschreibungen anwendbar ist.
b)Die unter den Parteien streitige Regelung in B I Ziffer 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Tarif BTI wird dem Erfordernis des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nach ausreichender Transparenz nicht gerecht. Denn das Transparenzgebot schließt auch das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Klausel genügt deshalb dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt. Unter dem Gesichtspunkt der Unbestimmheit ist demnach ein Verstoß gegen das Transparenzgebot dann zu bejahen, wenn eine Klausel so unpräzise formuliert ist, dass für den VN selbst der Kern der von der Klausel erfassten Fälle nicht überblickt werden kann (BGH VersR 2009, 1659; VersR 2007, 1690; Beckmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Auflage, § 10 Rdnr. 234; Bruns in Langheidt-Wandt, Münchner Kommentar VVG, § 307 BGB Rdnr. 86; HK-VVG Brömmelmeyer, Einleitung Rn.71). Ein solcher Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot liegt z.B. dann vor, wenn die versicherte Person auch nach der gebotenen verständigen Durchsicht nicht in der Lage ist, verlässlich zu bestimmen, welcher Anspruch ihr nach der Regelung in den Versicherungsbedingungen zustehen soll (vgl. BGH VersR 2009, 1659 unter II 3b (4)).
Gegen dieses Bestimmtheitsgebot verstößt die streitige Bedingungsregelung, wonach dem Kläger lediglich Kosten für Hilfsmittel in "einfacher Ausführung" erstattet werden sollen. Diese Regelung ist so konturenlos, dass der Kläger als aufmerksamer Leser der Versicherungsbedingungen nicht erkennen kann, in welcher Höhe ihm ein Leistungsanspruch bei der Anschaffung von Hörgeräten zustehen soll.
aa)Bei der Regelung ist bereits unklar, ob es sich um eine Konkretisierung oder Einschränkung des in den MB/KK gegebenen Hauptleistungsversprechens auf Kostenerstattung für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handelt. Es bleibt offen, ob kein Leistungsanspruch besteht, soweit die Versorgung über das medizinisch Erforderliche hinausgeht im Sinne einer qualitativen Überversorgung oder ob dann keine Leistungspflicht der Beklagten bestehen soll, wenn die Versorgung mit dem Hilfsmittel zwar medizinisch erforderlich, aber beispielsweise zu teuer ist.
bb)Ferner lässt sich der Regelung auf Erstattung der Kosten für Hilfsmittel in "einfacher Ausführung" nicht entnehmen, ob es sich bei diesem Merkmal um ein quantitatives, qualitatives oder rein monetäres Kriterium handeln soll.
(1) Um ein quantitatives Kriterium würde es sich handeln, wenn die Beklagte hätte zum Ausdruck bringen wollen, dass sie Kosten nicht für mehrfache Hilfsmittel erstatten will, also der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Kostenerstattung für Reservehilfsmittel hat.
(2) Um ein qualitatives Kriterium würde es sich handeln, wenn die Beklagte hätte zum Ausdruck bringen wollen, dass sie nur die Kosten für einfache im Sinne von schlichte Hilfsmittel erstatten will. Dann könnte der verständige Versicherungsnehmer der Regelung entnehmen, dass er keinen Anspruch auf die beste Qualität hätte, sich andererseits aber auch nicht mit der schlechtesten Qualität im Sinne einer "einfachsten" Ausführung begnügen müsste. Im wäre deutlich, dass er sich aus der Bandbreite der zwischen den extremen liegenden Angebote bedienen müsste. Unklar bliebe aber dann, welche Qualität aus der breiten Palette eines oder verschiedener Anbieter maßgebend sein soll.
(3) Rein monetär werde die Vertragsbestimmung zu verstehen, wenn die Beklagte – so wie sie es in diesem Verfahren ausgeführt hat – die Regelung als eine Preisbegrenzung verstanden wissen will, obwohl es für die medizinische Notwendigkeit auf Kostengesichtspunkte gerade nicht ankommt (BGH VersR 2003, 581). Ein solches Verständnis könnte der Sternchenzusatz in den Bedingungen für den Beihilfeergänzungstarif nahelegen, auf den auch das Amtsgericht abhebt. Dabei wird allerdings verkannt, dass sich ein solcher Sternchenzusatz in den hier maßgeblichen Regelungen für den Tarif BTI gerade nicht befindet. Der verständige Versicherungsnehmer kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Sternchenzusatz des Beihilfeergänzungstarifes allein wegen des gleichen Regelungswortlautes in den Allgemeinen Bedingungen für den Tarif BTI ebenfalls gelten soll. Aus der Tatsache, dass der Sternchenzusatz in den letztgenannten Bedingungen fehlt, kann auch im Umkehrschluss gefolgert werden, dass er bei diesen Allgemeinen Bedingungen gerade nicht gelten soll.
Aber selbst wenn man den Sternchenzusatz – wie vom Amtsgericht und auch von der Beklagten angenommen – auch für die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Tarif BTI gelten lässt, bliebe die Preisgrenze, bis zu der ein Leistungsanspruch der versicherten Person bestehen soll, offen und wäre auch nicht ansatzweise erkennbar. Denn es fehlt eine Preisangabe wie bei der beispielhaft aufgeführten Brillenfassung. Die genannte Preisangabe für ein Brillengestell hilft bei anderen Hilfsmitteln, insbesondere bei der Anschaffung eines Hörgerätes, nicht weiter, da offenkundig Hörgeräte zu einem Preis von bis zu 52,00 €, wie er bei der Brillengfassung genannt ist, nicht zu erhalten sind, allenfalls in "einfachster" Ausführung, auf die der Kläger schon nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen –wie ausgeführt- nicht beschränkt ist.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Anforderungen an die Transparenz von Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht überspannt werden dürfen (Bruns, a.a.O., Rdnr. 89; Staudinger in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 4. Aufl., Teil A Rn. 111). Es ist allerdings der Auffassung, dass es der Beklagten möglich ist, Preisgrenzen der Erstattungsfähigkeit von Hörgeräten anzugeben, wenn die streitige Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Tarif BTI in diesem Sinne verstanden werden soll, wie die Beklagte in diesem Verfahren ausführt. Dies zeigt die entsprechende Regelung für Brillenfassungen im Beihilfeergänzungstarif. Die bestehende, völlig konturenlose Regelung hält die bestehende Ungewissheit um die Höhe des bestehenden Leistungsanspruches nicht mehr in erträglichen Grenzen. Dies wurde durch den vorliegenden Rechtsstreit auch nur allzu deutlich. Während die Beihilfe einen Betrag von 1.025,00 € je Hörgerät für erstattungsfähig hält, geht die Beklagte von einem Betrag von deutlich unter 1.000,00 € aus. Der in erster Instanz eingeschaltete Sachverständige hat einen Preisrahmen von 1.000,00 bis 1.200,00 € ermittelt und das Amtsgericht hat einen Betrag von 1.100,00 € zugrunde gelegt. Der versicherten Person kann nach Auffassung des Gerichts schlechterdings nicht zugemutet werden, eine Marktanalyse über die Preise aller verfügbaren Hörgeräte vorzunehmen. Ebenso kann es nicht Sinn und Zweck einer Vertragsbestimmung sein, dass der Versicherungsnehmer sich auf eine Marktanalyse seines Vertragspartners, des Versicherers, verlassen muss, um seinen Leistungsanspruch bestimmen zu können. Deshalb hilft auch die Anregung der Beklagten nicht weiter, dass der Kläger bei ihr hätte nachfragen können, um die Höhe seines Leistungsanspruches zu ermitteln. Dadurch würden der Beklagten gerade diejenigen Beurteilungsspielräume eröffnet, die ihr als Klauselverwender durch das Bestimmtheitsgebot gerade verschlossen werden sollen.
Nach alledem hält das Berufungsgericht die streitige Klausel wegen Intransparenz für unwirksam, so dass sich die Beklagte hierauf zur Eingrenzung ihrer Leistungsverpflichtung nicht berufen kann.
3.Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt der Anspruch des Klägers auf vollständige Kostenerstattung im tariflichen Umfang auch nicht gegen das Übermaßverbot des § 5 MB/KK. Denn seit der sogenannten Alpha-Klinik-Entscheidung des BGH (VersR 2003, 981) ist herrschende Rechtsprechung, dass das Kürzungsrecht des Versicherers bei sogenannter Übermaßbehandlung gemäß § 5 Abs. 2 MB/KK sich nicht auf Übermaßvergütungen erstreckt.
4.Das Gericht vermag der Beklagten auch nicht darin zu folgen, dass sich eine Einschränkung des Leistungsanspruches des Klägers aus § 5 Abs. 2 Satz 2 MB/KK 2009 ergeben soll. Diese Regelung, wonach der Versicherer insoweit nicht zur Leistung verpflichtet ist, soweit die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstige Leistungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen, entspricht inhaltlich § 192 Abs. 2 VVG 2008. Das VVG 2008 findet allerdings auf den im Jahre 2008 eingetretenen Versicherungsfall in einem Altvertrag ebenso wenig Anwendung wie die MB/KK 2009. Die MB/KK 2009 kann das Gericht dem streitigen Versicherungsfall schon deswegen nicht zugrunde legen, weil die Beklagte nichts dazu vorgetragen hat, dass sie entsprechend den Voraussetzungen in Artikel 2 Nr. 2 EGVVG für eine Anpassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen an das VVG 2008 Sorge getragen hat. Deshalb kommt es nicht auf die Entscheidung der Frage an, ob eine solche Anpassung überhaupt das Übermaßverbot in § 192 Abs. 2 VVG hätte erfassen können, welches gemäß § 208 VVG nicht zu den zwingenden oder halbzwingenden Vorschriften der Krankenversicherung gehört. Schließlich würde auch die Regelung in § 192 Abs. 2 VVG inhaltlich die von der Beklagten aufgeworfene Problematik nicht treffen. Denn die genannte Vorschrift betrifft ein auffälliges Missverhältnis von Aufwendungen für eine Heilbehandlung im Verhältnis zu den erbrachten Leistungen. Ein solches Missverhältnis wird indes von der Beklagten gar nicht geltend gemacht, die im gesamten Rechtsstreit gerügt hat, dass eine Überversorgung mit den erworbenen Hilfsmitteln im Verhältnis zur bestehenden Erkrankung des Klägers vorliegt, mithin eine Diskrepanz zwischen zwei Parametern gegeben sein soll, die von § 192 Abs. 2 VVG gar nicht angesprochen wird.
5.Nach alledem musste auf die Berufung des Klägers das angefochtene Urteil abgeändert und dem Klageanspruch in voller Höhe stattgegeben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.

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