Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

05.09.2000 · IWW-Abrufnummer 000976

Landgericht München I: Urteil vom 10.08.2000 – 12 O 3779/00

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht München I

Geschäftsnummer: 12 O 3779/00

Verkündet am
10.08.2000

Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Landgericht München I
Im Namen des Volkes!
URTEIL

In dem Rechtsstreit

Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V., vertr. d.d. Präsidenten Bonn

Prozeßbevollmächtigte:

Prozeßbevollmächtigte:

wegen Forderung

erläßt das Landgericht München I, 12. Zivilkammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Fuchs sowie den Richter am Landgericht Bischoff und die Richterin am Landgericht Christ aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2000 folgendes

ENDURTEIL:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt,

bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

es zu unterlassen,

folgende Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Verkehr in Versicheruugsvertreterverträgen zu verwenden und/oder sich auf diese Bestimmungen zu berufen:

1. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß in Höhe des Kapitalwerts einer auf der Grundlage dieses Vertretungsvertragsverhältnisses von den Gesellschaftern finanzierten Versorgung aus Billigkeitsgründen kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entsteht. Diese Regelung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Angerechnet werden sowohl eine Alters-, BU- sowie Hinterbliebenenversorgung des Vertreters und seiner Hinterbliebenen in der Form einer zu beanspruchenden Rente als auch eine unverfallbare Rentenanwartschaft.

2. Da dem Vertreter eine Teilnahme an Versorgungseinrichtungen der Gesellschaften gerade in Erwartung einer Anrechnung der Versorgungsleistungen auf einen Ausgleichsanspruch ermöglicht wird, sind sich die Parteien einig, daß eine Anrechnung aus Billigkeitsgründen auch dann erfolgen soll, wenn zwischen Beendigung des Vertragsverhältnisses und tatsächlichem Einsetzen der Versorgungszahlung ggf. ein langer Zeitraum liegt.

3. Die VVW-Ansprüche aus der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die Allianz Gesellschaften tätig sind, können durch die Gesellschaft gekürzt bzw. entzogen werden:

Anspruchsinhabern, die eine Handlung zuschulden kommen lassen, welche die Gesellschaft berechtigt oder, wenn das Vertragsverhältnis bereits beendet ist, seinerzeit berechtigt hätte, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Dies gilt auch, wenn nachträglich eine solche bei Bestehen des Vertragsverhältnisses begangene Handlung bekannt wird. Insbesondere gilt dies für Abwerbemaßnahmen nach Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft, da der Bestand Grundlage der Versorgungszusage ist.

II. Der Kläger hat die Befugnis, die Urteilsformel mit der Bezeichnung der Beklagten auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger, im übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 510.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Gegenstand der Klage ist die Frage der Zulässigkeit der im Tenor wiedergegebenen Bestimmungen in von der Beklagten verwandten formularmäßigen Versicherungsvertreterverträgen und den diese ergänzenden formularmäßigen Bestimmungen der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

Die Beklagte verwendet in der neusten Fassung ihrer Versicherungsvertreterverträge folgende Bestimmungen betreffend die Anrechnung der Versorgung auf einen Ausgleichsanspruch:

8.3.1 Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß in Höhe des Kapitalwerts einer auf der Grundlage dieses Vertretungsvertragsverhältnisses von den Gesellschaften finanzierten Versorgung aus Billigkeitsgründen kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entsteht. Diese Regelung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Angerechnet werden sowohl eine Alters-, BU- sowie Hinterbliebenenversorgung des Vertreters und seiner Hinterbliebenen in der Form einer zu beanspruchenden Rente als auch eine unverfallbare Rentenanwartschaft.

8.3.2 ...

8.3.3 Da dem Vertreter eine Teilnahme an Versorgungseinrichtungen der Gesellschaften gerade in Erwartung einer Anrechnung der Versorgungsleistungen auf einen Ausgleichsanspruch ermöglicht wird, sind sich die Parteien einig, daß eine Anrechnung aus Billigkeitsgründen auch dann erfolgen soll, wenn zwischen Beendigung des Vertragsverhältnisses und tatsachlichem Einsetzen der Versorgungszahlungen ggf. ein langer Zeitraum liegt. (Vgl. Formular eines Vertretungsvertrages Anlage K 1, auf die ergänzend Bezug genommen wird.)

Weiterhin verwendet die Beklagte in ihren Bestimmungen für die Alters-, Berufsunfähigkeit- und Hinterbliebenenversorgung (nachfolgend als VVW-Bestimmungen bezeichnet) der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die Allianz Gesellschaft tätig sind, folgende Klauseln:

9.1 Die VVW-Ansprüche (unverfallbare Anwartschaft, Rentenleistungen) können durch die Gesellschaft gekürzt bzw. entzogen werden:

9.1.1 ...

9.1.2 Anspruchsinhabern, die sich eine Handlung zuschulden kommen lassen, welche die Gesellschaft berechtigt oder, wenn das Vertragsverhältnis bereits beendet ist, seinerzeit berechtigt hätte, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Dies gilt auch, wenn nachträglich eine solche bei Bestehen des Vertragsverhältnisses begangene Handlung bekannt wird. Insbesondere gilt dies für Abwerbemaßnahmen nach Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft, da der Bestand Grundlage der Versorgungszusage ist. (Vgl. Anlage K 2, auf die ergänzend Bezug genommen wird.)

Der Kläger verfolgt gemäß § 2 seiner Satzung den Zweck, die beruflichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Belange des Berufsstandes der selbständigen Versicherungskaufleute wahrzunehmen und zu fördern und übt diese Tätigkeit auch aus.

Der Kläger ist der Auffassung, daß die angegriffenen Klauseln unwirksam seien.

Es handele sich um für eine Vielzahl von Versicherungsvertreterverträgen vorformulierte Bedingungen im Sinne von § 1 AGBG, für die keine der Bereichsausnahmen gemäß § 23 AGBG eingreife. Auch § 8 AGBG stehe einer Inhaltskontrolle nicht entgegen.

Die Anrechnungsklausel in Ziffer 8.3.1 des Versicherungsvertretervertrages - und ebenso und erst recht die Klausel in Ziffer 8.3.3 - sei im Rahmen der im Verbandsklageverfahren vorzunehmenden abstrakt-generalisierenden Auslegung und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der kundenfeindlichsten Auslegung unwirksam, da sie aus mehreren Gründen gegen § 9 AGBG verstoße.

So verstoße gegen die Klausel gegen den Unabdingbarkeitsgrundsatz in § 89 b Abs. 4 HGB und sei deshalb nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Nach § 89 b Abs. 4 HGB sei der dem Handelsvertreter nach § 89 b Abs. 1 HGB zustehende Ausgleichsanspruch insoweit unabdingbar, als er nicht im voraus ausgeschlossen werden könne, wobei unter diesem Verbotstatbestand alle Abreden fielen, die zum Nachteils des Handelsvertreters das Entstehen oder die Höhe des Ausgleichsanspruchs beeinträchtigten oder modifizierten. Hierzu zählten auch die Abreden über die Abgeltung durch eine Alterssicherung. Zwar sei zu berücksichtigen, daß sich die Höhe des Ausgleichsanspruches gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB auch nach dem Kriterium der Billigkeit bemesse, ein Ausgleichsanspruch also nur dann beeinträchtigt werde, wenn die Anrechnung der Alterssicherung nicht der Billigkeit entspreche. Dies sei jedoch nicht der Fall. Denn die Anrechnungsklausel sehe zwingend die Anrechnung der Versorgung auf den Ausgleichsanspruch vor, ohne daß allen Umständen des Einzelfalles, also auch solchen die einer Berücksichtigung der Versorgungsanwartschaft entgegenstehen könnten, Rechnung getragen würden. Zu solchen Umständen, die einer Anrechnung entgegenstünden, zähle insbesondere auch eine erhebliche Fälligkeitsdifferenz.

Darüber hinaus lasse sich die Anrechnungsklausel nicht mit dem Schutzzweck des § 89 b Abs. 4 HGB vereinbaren, da durch die Anrechnungsklausel § 89 b Abs. 4 HGB seiner zwingenden Natur beraubt werde. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, daß die Klausel in der Regel lange vor einer Vertragsbeendigung vereinbart würde und zu diesem Zeitpunkt der Handelsvertreter in besonderem Maß schutzwürdig sei, da der Ausgleichsanspruch zu diesem Zeitpunkt nach Grund und Höhe noch ungewiß sei.

Die Klausel Ziffer 8.3.1 sei ferner gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 i.V.m. § 11 Nr. 15 AGBG unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Änderung der Beweislast unwirksam.

Schließlich sei die Klausel in Ziffer 8.3.1 auch deshalb gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, weil sie eine unzulässige Erklärungsfiktion beinhalte.

Letztlich verstoße die Klausel auch gegen das Transparenzgebot und sei deshalb gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Nach der Rechtsprechung des BGH müsse durch die Fassung einer Klausel der Gefahr vorgebeugt werden, daß der Kunde von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werde, diese Grundsätze würden auch im unternehmerischen Verkehr gelten, wobei allerdings gemäß § 24 Abs. 2 AGBG auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessene Rücksicht zu nehmen sei. Diesem Gebot werde die Anrechnungsklausel in Ziffer 8.3.1 nicht gerecht, da sie die Rechtslage betreffend der Anrechnung von Versorgungsleistungen auf den Ausgleichsanspruch nicht zutreffend wiedergebe, sie sei deshalb geeignet, betroffene Versicherungsvertreter von der rechtzeitigen Wahrnehmung ihrer Rechte gegen die Beklagte abzuhalten.

Die Rentenkürzungs- bzw. Entziehungsklausel in Ziffer 9.1.2 VVW sei ebenfalls gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Diese Regelung könne sich nicht auf § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB stützen, vielmehr sei auf § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG abzustellen. Das BetrAVG enthalte für die Kürzung und Entziehung von Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung keine ausdrücklichen Regelungen, jedoch habe die Rechtsprechung des BGH und des BAG aus dem Zweck des § 1 Abs. 1 BetrAVG i.V.m. § 242 BGB gefolgert, daß die betriebliche Altersvorsorge im Anwendungsbereich des BetrAVG nur bei schwersten Verfehlungen entzogen werden dürfe, wobei Pflichtverletzung, die zur fristlosen Kündigung berechtigten, nicht ausreichten. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Kürzung von Ruhegeldansprüchen lege die Rechtsprechung einen ähnlich strengen Maßstab wie bei Entzug an. Von diesem Grundgedanken weiche die streitgegenständliche Klausel wesentlich ab, da ein Entzug bzw. eine Kürzung der Ruhegeldansprüche bereits bei leichteren Verfehlungen, die ihrerseits zur fristlosen Kündigung ausreichen könnten, vorsehe.

Bezüglich der Anrechnungsklausel sei weiterhin zu berücksichtigen, daß der Versicherungsvertreter den Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB selbst verdient habe, da der Ausgleichsanspruch nämlich nur deshalb zu zahlen sei, weil auf Provision in Ziffer 9.2.1 des Vertretervertrages verzichtet werde. Die Anrechnungsklausel führe im übrigen zu erheblichen Gewinne auf seiten der Beklagten.

Auf seiten des Versicherungsvertreters werden dessen Interessen insbesondere dann gefährdet, wenn er bei Ausscheiden im mittleren Alter seines Lebens stehe. Dann sei er nämlich darauf angewiesen, eine neue Existenz aufzubauen, hierfür benötige er Zeit und Geld. Dieser Zweck könne nur durch den Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB erfüllt werden, nicht jedoch durch Anrechnung einer Rentenanwartschaft.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von DM 500.000,00 oder von Ordnungshaft, folgende Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im unternehmerischen Verkehr in Versicherungsvertreterverträgen zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen:

a) Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß in Höhe des Kapitalwerts einer auf der Grundlage dieses Vertretungsvertragsverhältnisses von den Gesellschaftern finanzierten Versorgung aus Billigkeitsgründen kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entsteht. Diese Regelung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Angerechnet werden sowohl eine Alters-, BU- sowie Hinterbliebenenversorgung des Vertreters und seiner Hinterbliebenen, in der Form einer zu beanspruchenden Rente als auch eine unverfallbare Rentenanwartschaft.

b) Da dem Vertreter eine Teilnahme an Versorgungseinrichtungen der Gesellschaften gerade in Erwartung einer Anrechnung der Versorgungsleistungen auf einen Ausgleichsanspruch ermöglicht wird, sind sich die Parteien einig, daß eine Anrechnung aus Billigkeitsgründen auch dann erfolgen soll, wenn zwischen Beendigung des Vertragsverhältnisses und tatsächlichem Einsetzen der Versorgungszahlung ggf. ein langer Zeitraum liegt.

c) Die VVW-Ansprüche aus der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der hauptberuflichen Vertreter, die ausschließlich für die Allianz Gesellschaften tätig sind, können durch die Gesellschaft gekürzt bzw. entzogen werden:

Anspruchsinhabern, die eine Handlung zuschulden kommen lassen, welche die Gesellschaft berechtigt oder, wenn das Vertragsverhältnis bereits beendet ist, seinerzeit berechtigt hätte, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Dies gilt auch, wenn nachträglich eine solche bei Bestehen des Vertragsverhältnisses begangene Handlung bekannt wird. Insbesondere gilt dies für Abwerbemaßnahmen nach Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft, da der Bestand Grundlage der Versorgungszusage ist.

2. dem Kläger die Befugnis zuzusprechen, die Urteilsformel mit der Bezeichnung der Beklagten auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger, im übrigen auf eigene Kosten, bekanntzumachen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie führt im wesentlichen aus:

Der Kläger verhalte sich rechtsmißbräuchlich, soweit er sich gegen die Regelung in Ziffer 8.3.1 und 8.3.3 der Vertragsbestimmungen zum Handelsvertretervertrag wende. Die genannten Vertragsziffern würden nämlich der Regelung unter Abschnitt V. 1. der "Grundsätze" zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs entsprechen; diese Grundsätze seien von den Verbänden der Versicherungswirtschaft einerseits und den selbständigen Versicherungsvertretern und den Verbänden der selbständigen Versicherungsvertreter andererseits erarbeitet worden, der Kläger selbst sei bei der Gestaltung der Grundsätze maßgeblich beteiligt gewesen, habe sie mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft vereinbart und empfehle sie seinen Mitgliedern. Der Kläger verhalte sich rechtsmißbräuchlich, indem er zum einen die von ihm selbst miterarbeiteten und empfohlenen "Grundsätze" für unwirksam erklären lassen wolle und zum anderen sich weiterhin zu diesen Grundsätzen bekenne, einen wesentlichen Bestandteil der Gesamtregelung aber nicht mehr anerkennen wolle. Das vorprozessuale Verhalten des Klägers sei zu berücksichtigen. Für die Beklagte sei im Bezug auf die Grundsätze ein Vertrauenstatbestand entstanden.

Die vom Kläger angegriffene Klausel 8.3.1 und 8.3.3 seien mit den wesentlichen Grundgedanken des § 89 b HGB zu vereinbaren und deshalb nicht gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Zu berücksichtigen sei auch, daß die Vertreter der Beklagten Kaufleute seien, zu deren Vertragsaufgaben auch der Abschluß von Lebensversicherungsverträgen gehöre, die der individuellen und der betrieblichen Altersversorgung dienten, so daß sie mit dem finanziellen und rechtlichen Problemen und Auswirkungen der betrieblichen Altersversorgung vertraut seien. Zudem seien sie Kaufleute, ihre Schutzbedürftigkeit sei gering.

Aus der gefestigten Rechtsprechung des BGH ergebe sich, daß die Anrechnung der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB angemessen und billig sei. Der BGH habe insbesondere dargelegt, daß trotz rechtlicher Unterschiede zwischen beiden Ansprüchen doch eine funktionelle Verwandtschaft bestehe und eine doppelte Belastung des Unternehmers durch eine freiwillige Finanzierung einer Altersversorgung und durch Ausgleichszahlung wirtschaftlich nicht gerechtfertigt wäre. Dies gelte auch dann, wenn die Fälligkeitszeitpunkte zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung erheblich differierten. Die Unabdingbarkeitsvorschrift gemäß § 89 b Abs. 4 HGB greife nicht ein, da die streitgegenständlichen Klauseln eine Einigung über die Billigkeit als Anspruchsvoraussetzung eines Anspruchs gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB beinhalteten.

Der Rechtsprechung zu § 89 b HGB käme insbesondere deshalb gravierende Bedeutung im Rahmen einer Überprüfung gemäß § 9 AGBG zu, weil die gesetzliche Regelung gravierende Vollzugsdefizite aufweise, deshalb seien die vereinbarten "Grundsätze" auch unverzichtbar.

Entscheidend sei schließlich auch, daß durch die angegriffenen Klauseln eine einverständliche Regelung zwischen den Vertretern und der Beklagten getroffen werde, die im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei.

Schließlich würde der Versicherungsvertreter durch die Regelung wirtschaftlich nicht benachteiligt werden, sondern vielmehr wirtschaftlich besser gestellt werden als derjenige, der nur den vollen Ausgleichsanspruch erhielte. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Gesichtspunkte im Rahmen der Billigkeit dazuführen könnten, daß eine Anrechnung nicht der Billigkeit entspreche.

Die angegriffenen Klauseln enthielten keine Änderung der Beweislast und auch keine Fiktion einer Einwilligungserklärung.

Sie verstießen auch nicht gegen das Transparenzgebot, da die Klauseln der Rechtsprechung des BGHs entsprechen würden.

Die Klausel in 9.1 und 9.1.2 VVW sei ebenfalls nicht unwirksam. Die Rechtsprechung des BAG und des BGH, auf die sich der Kläger beziehe, gelte nur für Dienst- und Anstellungsverhältnisse, nicht jedoch auf hauptberuflichen Verteter. Bei diesen sei die zugesagte Versorgung als Teil des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB zu betrachten.

Die Beklagte sei berechtigt, die Provisionsansprüche so zu regeln, wie es in Ziffer 9.2 der Vertragsbestimmungen vorgesehen sei. Dies stelle keinen Verzicht dar. Entgegen der Behauptung des Klägers führe die Anrechnungsklausel zu keinen Gewinnen auf seiten der Beklagten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgrunde:

Die zulässige Klage erwies sich als begründet. Die angegriffenen Vertragsklauseln sind unwirksam.

A

Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 AGBG für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der gerügten Klauseln aktivlegitimiert.

Der Einwand der Beklagten, die Angriffe des Klägers gegen die Anrechnungsklauseln sei rechtsmißbräuchlich, da er an den "Grundsätzen", die dieser Regelung zugrundeliegen würden, selbst mitgearbeitet habe und diese Grundsätze einerseits empfehle, andererseits aber in einem wesentlichen Punkt angreife, greift im Ergebnis nicht durch. Dabei kann offenbleiben, ob im Einzelfall aufgrund eines bestimmten vorprozessualen Verhaltens die Einrede des Rechtsmißbrauchs begründet sein kann. Jedenfalls im vorliegenden Fall hat die Beklagte solche Gründe nicht vorgetragen. Allein der Umstand, daß der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt an der Fassung der "Grundsätze" mitgearbeitet hat, nimmt ihm nicht die Befugnis, nunmehr die rechtliche Überprüfung einzelner Klauseln anzustoßen. Fehl geht auch der Einwand der Beklagten, eine Doppelinanspruchnahme der Beklagten würde angestrebt. Denn bei Unwirksamkeit der Anrechnungsklauseln ist keineswegs für den Einzelfall entschieden, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch billig ist oder nicht.

B

I.

Bei den inkriminierten Klauseln handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Versicherungsvertreterverträgen, die von der Beklagten verwendet werden (§ 1 Abs. 1 AGBG). Es liegt auch keine Bereichsausnahme gemäß § 23 Abs. 1 AGBG vor, da vorformulierte Bedingungen in Handelsvertreterverträgen selbst dann, wenn es sich um Einfirmenvertreter im Sinne von § 92 a HGB handelt, diese nicht § 23 Abs. 1 AGBG unterfallen (vgl. Palandt/Heinrichs, 58. Auflage, § 23 AGBG Rn. 1 sowie Ulmer/Brandher/Hensen, Kommentar zum AGBG, 8. Auflage, § 23 Rn. 10).

Auch § 8 AGB steht einer Inhaltskontrolle nicht entgegen, da es sich bei den angegriffenen Klauseln weder um Preisklauseln noch um eine Leistungsbeschreibung handelt.

II.

Die Anrechnungsklauseln in Ziffer 8.3.1 und 8.3.3 der von der Beklagten verwendeten Versicherungsvertreterverträge sind gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 89 b Abs. 4 und § 89 b Abs. 2 Nr. 3 HGB unwirksam.

1. Die Auslegung der beiden Klauseln ergibt, daß in ihnen generell, zwingend und ohne Berücksichtigung des Einzelfalls in Höhe des Kapitalwertes einer auf der Grundlage dieses Vertretervertragsverhältnisses von der Beklagten finanzierten Versorgung kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entsteht und daß eine Anrechnung aus Billigkeitsgründen auch dann erfolgen soll, wenn eine zeitlich ggf. auch lange Fälligkeitsdifferenz zwischen dem Ausgleichsanspruch und der Versorgungszahlung vorliegt.

Für die Überprüfung, ob es sich bei den angegriffenen Klauseln um unwirksame Bestimmungen handelt, ist die Unklarheitenregel insoweit anzuwenden, als im Zweifel von der zur Unwirksamkeit führenden kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen ist, wobei teilweise unwirksame Klauseln völlig unwirksamen gleichstehen.

Dabei ist für die Auslegung von dem Empfängerhorizont des rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden/Durchschnittsvertragspartners auszugehen und die AGB sind so auszulegen, wie sie von einem verständlichen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden.

Der Einwand der Beklagten, die Vertreter der Beklagten seien Kaufleute, die mit den finanziellen und rechtlichen Problemen und Auswirkungen der betrieblichen Altersversorgung vertraut seien und deren Schutzbedürftigkeit deshalb geringer sei, verfängt insoweit nicht. Denn entscheidend kommt es hier auf die rechtlichen und finanziellen Auswirkungen der inkriminierten Klauseln für das Entstehen bzw. die Höhe des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters an, wobei besonders zu berücksichtigen ist, daß die Höhe und die eventuellen wirtschaftlichen Folgen einer Beschränkung des Ausgleichsanspruchs für den Versicherungsvertreter beim Abschluß des Vertrages regelmäßig nicht überblickbar sein dürften.

Aus der Besonderheit des Verbandsklageverfahrens folgt weiterhin für die Auslegung, daß die Klauseln abstrakt-generalisierend ausgelegt werden müssen und individuell-konkrete Momente eines einzelnen Vertrages keine Berücksichtigung finden können.

b) Unter Zugrundelegung der genannten Grundsätze für die Auslegung ergibt sich folgender Inhalt der beiden angegriffenen Klauseln:

Die Klausel 8.3.1 schließt - teilweise, nämlich in Höhe des dann jeweils bestehenden Kapitalwertes der Altersversorgung - einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b Abs. 1 HGB aus, da festgelegt wird, daß in Höhe des Kapitalwertes kein Ausgleichsanspruch entsteht.

Diese Regelung enthält - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - keine Einigung der Vertragsparteien über das Merkmal der Billigkeit gemäß § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB als Anspruchsvoraussetzung. Unter Zugrundelegung des Grundsatzes der kundenfeindlichsten Auslegung ist nämlich davon auszugehen, daß hier ein Teilausschluß vorgenommen wird, für den zwar auf Billigkeitsgründe abgehoben wird, dass jedoch der Gegenstand der Vereinbarung nicht die "Billigkeit" selbst ist. Hinzu kommt, daß hier nicht als Anspruchsvoraussetzung Gründe der Billigkeit für das Entstehen geregelt werden, sondern im Gegenteil auf Veranlassung der Beklagten letztlich negative Billigkeitsgründe gegen das Entstehen eines Anspruchs angezogen werden.

Weiterhin ergibt sich, daß die Klausel generell, zwingend und für jeden Fall ohne Ausnahme das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs in Höhe des Kapitalwerts einer bestehenden Altersversorgung ausschließt und damit eine Einzelfallprüfung und Einzelfallabwägung ausgeschlossen ist.

Damit ergibt sich bereits aus der Klausel 8.3.1, daß insbesondere auch bei Auseinanderfallen der Fälligkeit eines Ausgleichsanspruchs und des Anspruchs auf Zahlung der Altersversorgung dieser Umstand keine Berücksichtigung finden kann, sondern auch bei einem solchen Fall ein Ausgleichsanspruchs zumindest teilweise ausgeschlossen ist. Dies wird dann in der Klausel. 8.3.3. noch ausdrücklich festgelegt, wobei auch hier - wie für die Klausel 8.3.1 - gilt, daß hier nicht "Gründe der Billigkeit" vereinbart werden, sondern daß der Anspruch ausgeschlossen wird auch für diesen Fall.

Die Klausel 8.3.3. regelt damit einen Sonderfall, der bereits von der Klausel 8.3.1 erfaßt wird.

Schließlich ergibt die Auslegung der Klausel 8.3.1, dass für den Verwender der Eindruck entstehen muß, daß Nicht Entstehen des Ausgleichsanspruchs in Höhe des Kapitalwerts der Altersversorgung - und zwar in der generellen, zwingenden und ausnahmslosen Geltung der Regelung - entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

2. Die Klauseln 8.3.1 und 8.3.3 verstoßen - unter Zugrundelegung des sich aus der Auslegung ergebenden Inhaltes - gegen die gesetzliche Regelung in § 89 b Abs. 4 Satz 1 und § 89 B Abs. 1 Nr. 3 HGB und sind damit gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.

a) Wie unter 1. dargelegt, enthalten die beiden Klauseln keine Regelung der Billigkeit als unmittelbaren Regelungsgegenstand, sondern beinhalten einen partiellen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs. Damit verstoßen sie bereits unmittelbar gegen § 89 b Abs. 4 Satz 1. Denn bei der abstrakt-generalisierenden Betrachtung kann nicht darauf abgestellt werden, ob möglicherweise im Einzelfall von vornherein gar kein Anspruch des Versicherungsvertreters entstanden ist, etwa weil die Zahlung eines Ausgleichs nicht der Billigkeit entspricht, sondern es müssen in die Betrachtung die denkbaren Fälle einbezogen werden, in denen ein solcher Anspruch besteht, der dann durch die inkriminierte Klausel ausgeschlossen wird.

Aber selbst dann, wenn man der Argumentation der Beklagten folgen würde, daß die Klausel nur die Billigkeit als Anspruchsvoraussetzung regeln würde, führt dies im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung. Eine Aushebelung der Verbotswirkung des § 89 b Abs. 4 HGB dadurch, daß man den Regelungsgehalt der Vereinbarung nicht direkt auf den Ausschluß, sondern auf eine Anspruchsvoraussetzung des Anspruchs bezieht, widerspricht Sinn und Zweck der Regelung in § 89 b Abs. 4 HGB. Dies gilt jedenfalls insoweit, als Tatbestände geregelt werden, die möglicherweise einen Anspruch entstehen lassen könnten.

Dies gilt entsprechend für die Klausel 8.3.3.

b) Darüber hinaus verstoßen beide Klauseln auch gegen § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB. Danach ist, sofern die Voraussetzungen nach § 89 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 vorliegen, eine Zahlung eines Ausgleichs vorzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände dies der Billigkeit entspricht. Damit hat der Gesetzgeber zum einen festgelegt, daß alle Umstände zu berücksichtigen sind und andererseits der Prüfungsmaßstab die Billigkeit ist. Aus dieser Regelung ergibt sich jedenfalls, daß eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist. Genau dies jedoch wird durch den Inhalt der beiden angegriffenen Klauseln ausgeschlossen.

Dabei ist darauf hinzuweisen, daß bei den im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigenden einzelnen Umstände jedenfalls alle vertragsbezogenen Umstände im Einzelfall zu prüfen sind; darüber hinaus kann es aber in besonderen Ausnahmefällen ebenfalls billig sein, auch vertragsfremde Umstände, z.B. Lebensumstände des Versicherungsvertreters zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 43, 162). Auch dies wird durch die vorliegenden Klauseln ausgeschlossen.

c) Die beiden Klauseln sind aber nicht nur deshalb unwirksam, weil sie die notwendige Einzelfallprüfung und Einzelabwägung generell ausschließen, sondern auch deshalb, weil die festgeschriebene "Anrechnung" des Kapitalwertes der Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch insbesondere für die Fälle einer erheblichen Fälligkeitsdifferenz nicht von vornherein und immer der Billigkeit entsprechen muß. Insbesondere in den Fällen, in denen ein Versicherungsvertreter bereits eine unverfallbare Anwartschaft auf die Altersversorgung erworben hat, gleichwohl er jedoch in mittleren Jahren bei der Beklagten ausscheidet und sich insoweit eine neue Existenz aufbauen muß, sind generell Fallgestaltungen denkbar, in denen die volle Anrechnung des Kapitalwertes nicht der Billigkeit entspricht, weil damit dem Sinn und Zweck des Ausgleichsanspruchs als Gegenleistung für die durch die Provision noch nicht voll abgegolten Leistungen des Vertreters nicht ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. z.B. OLG Köln, Versicherungsrecht 1997, S. 615 und OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, S. 225 f.).

Dem steht - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1994, S. 1350 f., Versicherungsrecht 1984, S. 184 ff. und BGHZ 45, S. 269 f.) entgegen. Aus keiner Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt sich, daß generell, zwingend und für jeden Fall eine Anrechnung des Kapitalwertes der Altersversorgung in voller Höhe der Billigkeit entspricht. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof jeweils eine Einzelfallprüfung und eine Einzelabwägung vorgenommen und bezüglich der Anrechnung ausgeführt, daß "im Regelfall" (Unterstreichung von der entscheidenden Kammer) ausschließlich mit Mitteln des Unternehmers aufgebrachte Versorgungsleistungen aus Billigkeitsgründen auf den Ausgleichsanspruch des Vertreters anzurechnen sind. Dabei ergibt sich insbesondere aus der Entscheidung des BGHs (NJW 1994, S. 1350 f.), daß weitere Umstände, insbesondere eine ausdrücklich vorgenommene Vereinbarung eine Rolle spielen. Eine solche Vereinbarung hat auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung im Versicherungsrecht 1984, S. 184 f., als erheblich betrachtet, wobei in dem dort genannten Fall eine Vereinbarung zwischen dem Vertreter und der dortigen Beklagten auf Abschluß einer Risikolebensversicherung unter Anrechnung des gemäß dieser auszuzahlenden Betrages erst ein Jahr nach Abschluß des Vertretervertrages getroffen wurde, wobei davon auszugehen ist, daß es sich insoweit um eine Individualvereinbarung gehandelt hat, und erst später diese Vereinbarung abgelöst wurde durch eine Altersversorgung im Rahmen des Versorgungswerks der dortigen Beklagten (Schreiben vom 23.07.90), wobei insoweit dann die Anrechnung in AGBs geregelt war. Diese Fallkonstellation ist schon vom Sachverhalt her nicht vergleichbar einer in den AGBs der Beklagten vorgesehenen generellen Anrechnungsregelung, die unmittelbar bei Vertragsabschluß von seiten des Vertreters akzeptiert wird, wobei ihm faktisch dann, wenn er mit der Beklagten abschließen will, tatsächlich kaum Spielraum bleiben dürfte, sich einer solchen Anrechnungsklausel zu widersetzen.

Fehl geht in diesem Zusammenhang auch der Einwand der Beklagten, sie solle "doppelt" in Anspruch genommen werden. Denn ein Anspruch des Versicherungsvertreters nach § 89 b HGB entsteht nur insoweit, als er unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht. Damit ist bei der Prüfung der Billigkeit auch dann, wenn die angegriffenen Klauseln unwirksam sind, der Umstand der bestehenden Altersversorgung, die von der Beklagten finanziert wurde, natürlich zu berücksichtigen und kann gleichwohl im Einzelfall zu einer teilweisen oder vollen Anrechnung des Kapitalwertes führen.

Auch soweit die Beklagte auf die Schwierigkeiten einer Berechnung des Ausgleichsanspruchs hinweist, liegt dieser Einwand neben der Sache. Denn auch bei Anrechnung des Kapitalwertes der Altersversorgung ist zunächst der Ausgleichsanspruch der Höhe nach zu berechnen.

Soweit die Beklagte auf die "Grundsätze" abhebt, kann offenbleiben, welche rechtliche Relevanz diesem überhaupt zukommt. Jedenfalls können sie eine Einzelprüfung und Einzelabwägung nach dem Maßstab der Billigkeit nicht ersetzen.

Auch soweit die Beklagte auf die "funktionale Verwandtschaft" zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung hinweist, führt das zu keiner anderen Beurteilung. Welche Folgen eine etwaige funktionelle Verwandtschaft zwischen diesen beiden Ansprüchen für das Entstehen und den Umfang des Ausgleichsanspruchs haben kann, ist gerade im Rahmen der Billigkeitsprüfung im Einzelfall festzustellen. Gerade im Hinblick auf die rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede und insbesondere die unterschiedlichen Auswirkungen beider Ansprüche im Zeitpunkt des Ausscheidens des Vertreters für diesen, ist erst eine sorgfältige Prüfung erforderlich, inwieweit der Interessenlage der Vertragsparteien durch eine - partielle oder volle - Anrechnung Rechnung zu tragen ist. Nicht kann umgekehrt aus einer behaupteten funktionellen Verwandtschaft der Grundsatz der Anrechnung abgeleitet werden.

3. Schließlich verstößt die Klausel 8.3.1 und ebenso die Klausel 8.3.3, die insoweit in untrennbarem Zusammenhang mit der vorgenannten Klausel steht gegen das Transparenzgebot.

a) Auch das Transparenzgebot ist als Prüfungsmaßstab im Rahmen der Verbandsklage heranzuziehen (vgl. Palandt, Anmerkung 4 zu § 13 AGBG).

b) Wie bereits dargelegt, wird durch die Formulierung "diese Regelung beruht auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs" der Eindruck beim Vertragspartner der Beklagten erweckt, die Regelung betreffend der Nichtentstehung eines Ausgleichsanspruchs beruhe bzw. entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wie ebenfalls dargestellt, ist dies sachlich nicht zutreffend, da sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ergibt, daß die Anrechnung der Altersversorung generell und zwingend immer vorzunehmen ist. Durch die - fehlerhafte - Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und die damit unzutreffende Darstellung der Rechtslage wird für die Beklagte die Möglichkeit eröffnet, begründete Ansprüche des Vertreters unter Hinweis auf die Klauselgestaltung abzuwehren. Die Klauselfassung enthält die Gefahr, daß der Vertreter von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Insoweit liegt auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.

Insgesamt ergibt sich mithin, daß die beiden angegriffenen Klauseln unwirksam sind.

III.

Ebenfalls unwirksam ist die Rentenkürzungs- bzw. Rentenentziehungsklausel in Ziffer 9.1.2 der VVW. Die Unwirksamkeit ergibt sich gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG i.V.m. den durch die Rechtsprechung herausgebildeten Grundsatz, daß die betriebliche Altersvorsorge im Anwendungsbereich des BetrAVG nur bei schwersten Verfehlungen entzogen werden kann, wobei ein ähnlich strenger Maßstab wie bei Entzug auch bei der Kürzung von Ruhegeldansprüchen zugrundezulegen ist.

1. Die Auslegung der Klausel 9.1.2 ergibt, daß Gründe, die die Beklagte während der Laufzeit des Vertrages zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen bzw. falls das Vertragsverhältnis bereits beendet ist, seinerzeit berechtigt hätten, zur Kürzung oder Entziehung von VVW-Ansprüchen (unverfallbare Anwartschaft, Rentenleistungen) berechtigen.

2. Diese Regelung enthält eine unangemessene Benachteiligung. Für die Ziffer 9.1.2 kann nicht nach § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB als Maßstabsnorm zurückgegriffen werden. Denn es geht hier nicht um die Frage eines Ausglelichsanspruchs bzw. einer Anrechnung des Kapitalwerts der Altersversorgung, sondern vielmehr um den Versicherungsvertretern von der Beklagten zugesagte Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung. Insoweit ist § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG maßgeblich.

Für die Kürzung oder Entziehung von Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung enthält das BetrAVG selbst keine ausdrückliche Regelung. Die Rechtsprechung hat aus Sinn und Zweck des BetrAVG abgeleitet, daß solche Ansprüche nur bei schwersten Verfehlungen entzogen werden dürfen (vgl. z.B. BGH NJW-RR 1997, 348 f.).

Die Regelung in der angegriffenen Klausel weicht von diesen Grundsätzen ab, da nach der Klausel bereits Gründe, die für eine fristlose Kündigung ausreichen, zur Kürzung oder Entziehung der Ansprüche berechtigen, im Ergebnis mithin die Entziehung und Kürzung bereits bei geringeren Verfehlungen, die ihrerseits bereits zur fristlosen Kündigung ausreichen, möglich ist.

Die Grundsätze der Rechtsprechung des BAG und des BGH sind der Sache nach auch im Verhältnis zu den Versicherungsvertretern anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die zugesagte Versorgung ihrer hauptberuflichen Vertreter nicht als Teil des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB gewertet werden. Dies ergibt sich schon daraus, daß Ausgleichsanspruch und Altersversorgung - wie bereits ausgeführt - nicht genau dieselbe Zielrichtung haben und auch der Höhe nach nicht deckungsgleich sein müssen.

Insgesamt ergibt sich mithin, daß die Klage in vollem Umfang begründet ist. Kostenentscheidung: § 91 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO. Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung war ein möglicher Vollstreckungsschaden zu berücksichtigen.

RechtsgebieteHGB, AGBG, AGB, BetrAVG, BGB, ZPOVorschriftenHGB § 89 b HGB § 89 b Abs. 4 HGB § 89 b Abs. 1 HGB § 89 b Abs. 1 Nr. 3 HGB § 89 b Abs. 3 Satz 2 HGB § 92 a HGB § 89 b Abs. 2 Nr. 3 HGB § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB § 89 B Abs. 1 Nr. 3 HGB § 89 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGBG § 1 AGBG § 23 AGBG § 8 AGBG § 9 AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG § 11 Nr. 15 AGBG § 24 Abs. 2 AGBG § 13 Abs. 2 Nr. 2 AGBG § 23 Abs. 1 AGB § 8 BetrAVG § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG § 1 Abs. 1 BGB § 242 ZPO § 91 ZPO § 709

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr