01.10.2009 · IWW-Abrufnummer 093054
Arbeitsgericht Oberhausen: Urteil vom 14.08.2008 – 4 Ca 488/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
ARBEITSGERICHT OBERHAUSEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Oberhausen
auf die mündliche Verhandlung vom 03.07.2008
durch XXX für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass sich die Vergütung des Klägers als Leitender Arzt der Klinik für Kinderheilkunde des F. L. P. ab dem 01.03.2008 nach der Entgeltgruppe IV, Stufe 1, des Tarifvertrages für die Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigungen der Kommunalen Arbeitgeberverbände in der jeweiligen Fassung, zzgl. 15 %, berechnet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 32.902,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus
1.731,73 € seit 01.09.2006, aus 1.731,73 € seit 01.10.2006,
aus 1.731,73 € seit 01.11.2006, aus 1.731,73 € seit 01.12.2006,
aus 1.731,73 € seit 01.01.2007, aus 1.731,73 € seit 01.02.2007,
aus 1.731,73 € seit 01.03.2007, aus 1.731,73 € seit 01.04.2007,
aus 1.731,73 € seit 01.05.2007, aus 1.731,73 € seit 01.06.2007,
aus 1.731,73 € seit 01.07.2007, aus 1.731,73 € seit 01.08.2007,
aus 1.731,73 € seit 01.09.2007, aus 1.731,73 € seit 01.10.2007,
aus 1.731,73 € seit 01.11.2007, aus 1.731,73 € seit 01.12.2007,
aus 1.731,73 € seit 01.01.2008, aus 1.731,73 € seit 01.02.2008 und aus
1.731,73 € seit dem 01.03.2008 zu zahlen.
3. Die Kosten hat die Beklagte zu tragen.
4. Der Streitwert beträgt 62.342,-- €.
T a t b e s t a n d
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages.
Der Kläger ist als leitender Arzt der Klinik für Kinderheilkunde im f. L. P. (FLP) tätig. Er ist Mitglied des Marburger Bundes (MB).
In seinem Arbeitsvertrag vom 26.04.1991, § 8, heißt es „Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1 a zum BAT (VKA), (....) entsprechend der tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung, (...).“
Der Marburger Bund kündigte den BAT im Jahr 2005. Am 01.08.2006 einigten sich die Gewerkschaft ver.di und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auf den TVöD-BT-K. Am 17.08.2006 einigten sich der MB und die VKA auf den TV-Ärzte/VKA, welcher einvernehmlich rückwirkend zum 01.08.2006 in Kraft trat. Aufgrund der Ersetzungsvorschriften der jeweiligen Überleitungstarifverträge wurde der BAT zum 01.08.2006 ersetzt durch den TVöD und den TV-Ärzte/VKA (vergl. TVöD/VKA –TVÜ/VKA; TV-Ärzte/VKA-TVÜ-Ärzte/VKA).
Die Beklagte vergütete den Kläger seit August 2006 nach dem TVöD mit monatlich € 5.743,27 brutto (ohne nicht Vergütungsgruppen relevante Leistungen).
Der Kläger meint, ihm stehe Bezahlung nach dem TV-Ärzte/VKA zu nach der Entgeltgruppe (EG) IV, welche als höchste Entgeltgruppe der höchsten Verg ütungsgruppe BAT I entspreche. Das ergebe sich aus der Regelung des Dienstvertrages und der tatsächlichen jahrzehntelangen Handhabung durch die Parteien, welche eine dynamische Grundvergütungsregelung getroffen hätten.
Der TV-Ärzte/VKA sei an die Stelle des BAT getreten und habe diesen ersetzt. Dessen Anwendung entspreche dem hypothetischen Willen der Parteien bei Vertragsabschluss. Auch die Regelung des BAT sei durch das Verhandlungsmandat des MB zugunsten von ver.di (früher ÖTV) zustande gekommen.
Bei dem nunmehr selbst vom MB abgeschlossenen TV-Ärzte/VKA handele es sich um einen Tarifvertrag speziell für Ärzte, der gerade die Nachfolgeregelung für die vom Marburger Bund repräsentierten Ärzte sei.
Der TV-Ärzte zeige mit der Regelung zur sogenannten außertariflichen Vergütung, dass die höchste Entgeltgruppe (EG IV) nicht die Obergrenze der Vergütung bilden soll. Nach § 16 des TV-Ärzte/VKA seien leitende Oberärzte in die EG IV einzugruppieren, denen die ständige Vertretung der leitenden Ärzte ausdrücklich übertragen ist.
Dementsprechend müsse die Eingruppierung des Klägers als Chefarzt zumindest in die EG IV Stufe 1 des TV- Ärzte/VKA erfolgen.
Des Weiteren müsse aufgrund des Abstandsgebotes ein Aufschlag von 15% an den Kläger gezahlt werden. Denn er als Chefarzt weise höhere Eingruppierungsmerkmale als ein leitender Oberarzt auf. Ende 2005 habe die Vergütung nach BAT I a € 4.293,34 und die nach BAT I, jeweils höchste Lebensaltersstufe, € 4.971,06 betragen, also einen Differenzfaktor von 15,78%, nach unten gerundet 15%. Es entspreche dem Parteiwillen, diese Differenzierung auch bei Gültigkeit eines Nachfolgetarifvertrages beizubehalten.
Ab 01.08.2006 habe ihm nach der EG IV TV-Ärzte/VKA € 6.500,00 zuzüglich 15%, also € 7.475,00 monatlich zugestanden. Der Kläger verlangt diesen Betrag für 19 Monate von August 2006 bis Februar 2008 abzüglich des in diesem Zeitraum gezahlten Betrages von € 109.122,13 (monatlich € 5.743,27 brutto).
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass sich die Vergütung des Klägers als Leitender Arzt der Klinik für Kinderheilkunde des Ev. L. P. (gemäß § 8 Abs. 1 des Dienstvertrages) ab dem 01.03.2008 nach der Entgeltgruppe IV, Stufe 1, des Tarifvertrages für die Ärztinnen und Ärzte an Kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigungen der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) in der jeweiligen Fassung, zzgl. 15% berechnet;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 32.902,87 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB
aus € 1.731,73 seit 01.09.2006,
aus € 1.731,73 seit 01.10.2006,
aus € 1.731,73 seit 01.11.2006,
aus € 1.731,73 seit 01.12.2006,
aus € 1.731,73 seit 01.01.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.02.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.03.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.04.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.05.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.06.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.07.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.08.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.09.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.10.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.11.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.12.2007,
aus € 1.731,73 seit 01.01.2008,
aus € 1.731,73 seit 01.02.2008,
aus € 1.731,73 seit 01.03.2008, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, der TVöD in der kirchlichen Fassung solle den bisherigen BAT ersetzen.
Im Arbeitsvertrag des Klägers sei eine lediglich kleine dynamische Bezugsklausel aufgeführt, welche die dynamische Wirkung durch Fortentwicklung des BAT verloren habe. Es gebe keine ablösende Vereinbarung auf den TV-Ärzte/VKA, auch keine Regelungslücke. Vielmehr sei die Regelung getroffen worden, mit dem TVöD. Der TV-Ärzte/VKA sei ein neues Konstrukt, welches durch eine andere Gewerkschaft geschlossen worden sei. Der BAT als Flächentarifvertrag könne nicht durch einen Sparten-/Spezialtarifvertrag ersetzt werden. Bei der Beklagten gelte der TVöD- BT (besonderer Teil) –K (Krankenhaus-/Kirchenfassung). Dieser sehe eine eigene Vergütung für Ärzte vor. Zuvor habe bei der Beklagten der BAT in der kirchlichen Fassung gegolten. Währenddessen sei der TV-Ärzte/VKA ein Regelwerk, welches außerkonfessionell sei. Dieses sehe überdies keine Anwendung für Chefärzte vor.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze und Anlagen sowie die Erklärungen zu den Sitzungsniederschriften verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Die Klage ist begründet.
II.
1. Der Kläger verlangt im Wege der Feststellungklage gem. § 256 ZPO zu Recht Bezahlung nach der Entgeltgruppe IV Stufe 1 des TV-Ärzte/VKA zzgl. 15%.
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Das ergibt sich aus der Auslegung des Arbeitsvertrages des Klägers.
In dem Vertrag ist Vergütung nach dem BAT vereinbart, des Weiteren Vergütung entsprechend den tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung. Damit ist nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages lediglich auf die Anwendbarkeit des BAT mit einer dynamischen Verweisung auf ihn ergänzende tarifliche Regelungen verwiesen worden.
Nach diesem Wortlaut gingen die Vertragsparteien offenkundig davon aus, dass der BAT weiterhin unbegrenzt Anwendung finden würde.
Von dieser Einschätzung abweichend wurde er zum 01.08.2006 durch die entsprechenden Überleitungsvorschriften der Überleitungstarifverträge zum TVöD und dem TV-Ärzte ersetzt. Ab diesem Zeitpunkt fand der BAT keine Anwendung mehr.
Dass ab August 2006 sich die Vergütung des Klägers weiterhin nach dem BAT und die ihn ergänzenden Tarifvorschriften in seiner damals geltenden Fassung richtete, trägt auch die Beklagte selbst nicht vor.
In dem Arbeitsvertrag der Parteien existiert insoweit eine Regelungslücke, welche tarifliche Regelung bei Nichtgültigkeit des BAT und der ihn ergänzenden Vorschriften Anwendung finden sollte.
Diese Lücke muss geschlossen werden durch Erforschung des tatsächlichen Willens der Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrages im Sinne der §§ 133, 157 BGB.
Unter Bewertung der Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass der TV-Ärzte/VKA der für das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbare Tarifvertrag sein sollte:
- Der Kläger ist Mitglied des Marburger Bundes,
welcher tarifvertragsschließende Partei war. Der MB war auch schon zuvor, vertreten durch die ÖTV, später durch ver.di, Vertragspartner bei Abschluss des BAT. - 9 - - 10
- Der TV-Ärzte/VKA ist der Tarifvertrag schlechthin,
welcher gerade die Interessen der Ärzte vertritt. Währenddessen ist der von der Beklagten favorisierte TVöD allgemein ein Tarifvertrag für die öffentlichen Dienste, welcher auch die im Krankenhaus bediensteten, unter anderem Ärzte, berücksichtigt. Dabei handelt es sich gerade um Mitglieder der Gewerkschaft ver.di, welche von dieser vertreten werden.
- Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass
der TV-Ärzte, anders als der BAT, kein Flächentarif, sondern ein Spezialtarif sei. Zwar kann der TV-Ärzte/VKA damit nicht Nachfolgetarif des gesamten BAT sein, hat diese Funktionsfähigkeit jedoch in seinem Bereich, nämlich dem Regelungsbereich für Ärzte im öffentlichen Dienst oder – hier- im Krankenhaus.
Auch der Hinweis der Beklagten, bei ihr gelte der TVöD in der kirchlichen Fassung, der TV-Ärzte sei ein außerkonfessioneller Tarifvertrag, welcher aus diesem Grunde kein Anwendung finden könne, geht fehl. Denn auch im Arbeitsvertrag der Parteien ist lediglich von der Anwendbarkeit des BAT und den tariflichen Regelungen zum BAT die Rede ohne Bezug auf eine konfessionelle oder eine Krankenhaus- Fassung. Dass die Parteien abweichend von dieser arbeitsvertraglichen Abrede zu einem späteren Zeitpunkt die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages nur in kirchlicher Fassung vereinbart haben, hat die Beklagte selbst nicht vorgetragen.
b) Dem Kläger steht die Zahlung nach der Entgeltgruppe IV, Stufe 1, des TV-Ärzte/VKA zu.
Es handelt sich dabei um die höchste Entgeltgruppe des TV-Ärzte/VKA. Zwar sind dort Chefärzte oder leitende Ärzte nicht genannt, jedoch ist der Kläger in der Vergangenheit ebenfalls nach der höchsten Vergütungsgruppe des BAT, nämlich I, vergütet worden. Entsprechend ist dem Kläger wie den tarifgebundenen ärztlichen Mitarbeitern Vergütung in der jeweiligen prozentualen Steigerung und Änderung gewährt worden.
Gemäß § 16 d TV-Ärzte/VKA sind in die EG IV die leitenden Oberärzte einzugruppieren, denen die ständige Vertretung des leitenden Arztes ausdrücklich übertragen wurde.
Damit ist klar, dass dem (leitenden) Chefarzt, wie dem Kläger, mindestens Vergütung nach der höchsten Entgeltgruppe, der EG IV, zustehen muss, um mindestens so gestellt zu sein, wie die ihm nachgeordneten leitenden Oberärzte.
c) Dem Kläger steht auch die geltend gemachte Erhöhung von 15% auf Vergütung nach EG IV zu.
Dies ergibt sich aus dem Erfordernis der ausgewogenen Gehaltsstruktur, bezogen auf ihm untergeordnete Ärzte und weitere untergeordnete Mitarbeiter. Dies ergibt sich weiter aus bis August 2006 durchgeführten Handhabungen der Vertragsparteien.
Der Kläger als Vorgesetzter der leitenden Oberärzte muss eine höhere Vergütung erhalten, die ihn als Vorgesetzten und Chef der jeweiligen Abteilung ausweist.
Entsprechend ist bei der Beklagten in der Vergangenheit verfahren worden, indem der Kläger mit einer Vergütung nach BAT I von Ende 2005 € 4.971,06 über 15% mehr erhalten hat als die Vergütung BAT 1 a von € 4.293,34 ausgemacht hat. Eine solch höhere Vergütung ist ihm als Chefarzt durchgehend gezahlt worden. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum dies nunmehr nicht der Fall sein sollte. Entsprechend sieht der TV-Ärzte oberhalb der Entgeltgruppe IV, so der Vortrag des Klägers, zwar keine betragsmäßig aufgeführte Erhöhung vor, weist jedoch auf eine sogenannte AT- Vergütung als Möglichkeit hin. Damit zeigt der TV-Ärzte/VKA, dass für Vorgesetzte der leitenden Oberärzte eine höhere Vergütung tarifvertraglich vorgesehen ist. Es ist nach dem hypothetischen Parteiwillen davon auszugehen, dass diese, wie bisher, in den (mindestens) 15% Mehrvergütung liegen soll.
Dagegen spricht nicht, dass nach § 8 des Arbeitsvertrages der Parteien der Kläger privat liquidationsberechtigt ist. Ungeachtet dieser zusätzlichen Einkünfte hat der Kläger in der Vergangenheit auch die höhere Vergütung nach BAT I erhalten.
2. Der Zahlungsanspruch war im beantragten Umfang gegeben. Insoweit wird auf die Berechnungen des Klägers verwiesen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Ziffer 1 i. V. mit § 288 Abs. 1 BGB.
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. mit § 91 Abs. 1 ZPO. 2. Die Streitwertentscheidung erging nach § 42 Abs. 3 GKG, § 32 RVG.
Rechtsmittelbelehrung XXX