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07.02.2012

Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 07.11.2011 – 14 Sa 1021/11

Das Verhalten des Geschädigten kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruches wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes aufgrund tatsächlicher Nichtbeschäftigung den Anspruch entfallen lassen.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.06.2011 - 2 Ca 1549/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 27.06.2011, Bl. 68 ff. d.A., wird Bezug genommen nach §§ 69 Abs. 3 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da ein Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Entschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nicht bestehe. Weder sei eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers noch ein schweres Verschulden der Beklagten festzustellen. Eine tatsächliche Weiterbeschäftigung ab Ende 2005 sei in Düsseldorf zu den ursprünglichen Bedingungen nicht mehr möglich gewesen, da das Callcenter, in dem der Kläger beschäftigt war, Ende 2005 geschlossen worden sei. Der Kläger sei zu diesem Zeitpunkt tariflich ordentlich unkündbar gewesen. Eine Sonderbehandlung des Klägers durch die Kündigung im Jahre 2007 habe nicht stattgefunden. Auch ihm seien Bewerbungstermine bei anderen Tochtergesellschaften vermittelt worden. Bis zum Ende des Verfahrens der Kündigungsschutzklage im September 2007 sei jedenfalls ein Verschulden der Beklagten bezüglich der Nichtbeschäftigung nicht festzustellen.

Auch im Folgenden sei kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegeben. Die Beklagte habe den Eindruck haben können, dem Kläger käme es nicht auf die tatsächliche Beschäftigung an, insbesondere nachdem er seine Klage auf Beschäftigung nicht weiterverfolgt habe, obwohl der Vergleichsvorschlag im September 2008 nicht zu einer Lösung geführt habe. Beschwerden nach dem Betriebsverfassungsgesetz habe der Kläger ebenfalls nicht eingelegt. Bis Juni 2007 habe der Kläger elf Bewerbungen, danach lediglich eine Bewerbung abgegeben.

Das Arbeitsgericht geht von einem erheblichen Mitverschulden des Klägers aus. Er habe ein konkretes Beschäftigungsangebot in Berlin abgelehnt. Diesbezüglich habe sich der Kläger nicht darauf berufen können, er sei davon ausgegangen, die Beklagte hätte nicht beabsichtigt, ihn tatsächlich dort zu beschäftigen. Jedenfalls sei ein schweres Verschulden des Arbeitgebers nicht gegeben.

Das Urteil wurde dem Kläger am 26.07.2011 zugestellt, die Berufung am 19.08.2011 eingelegt, die Berufungsbegründung ging am 26.09.2011 beim Landesarbeitsgericht ein.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die Klage in vollem Umfang weiter.

Der Kläger habe der Zusage der Beklagten im Rechtsstreit um die tatsächliche Beschäftigung vertraut, ihn vertragsgemäß weiterzubeschäftigen und aus diesem Grunde das gerichtliche Verfahren auf Beschäftigung nicht weiterverfolgt. Unstreitig saß der Kläger zwei Jahre allein in einem Großraumbüro von 250 qm Größe. Die Funktionsfähigkeit von Computer und Telefon war zumindest teilweise eingeschränkt bzw. nicht gegeben. Freigestellt war der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht.

Der Kläger behauptet, bei ihm seien Hautausschläge, Bluthochdruck, Schlafprobleme und depressive Gemütszustände aufgetreten und psychosomatisch zu erklären.

Er meint, es sei nicht seine Aufgabe gewesen, sich eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der Beklagten in Berlin zu suchen. Mit dem Versuch einer Kontaktaufnahme beim Berliner Betriebsrat habe er seiner Mitwirkungspflicht genügt.

Abgesehen von den tatsächlich erfolgten zwölf Bewerbungen habe seine Stelle ständig betriebsintern im Netz ausgeschrieben gestanden. Ein Beschäftigungsangebot in Berlin habe es de facto nicht gegeben.

Er stellt nun den Antrag,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.06.2011 - 2 Ca 1549/11 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 25.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit betragen sollte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Sie behauptet, eine tatsächliche Beschäftigung in Berlin sei nicht zustande gekommen, da der Kläger Einfluss auf den Betriebsrat in Berlin genommen habe, um eine Beschäftigung dort zu vereiteln. Der Kläger habe dem Betriebsrat in Berlin mitgeteilt, er sei mit einer Versetzung nicht einverstanden.

Die Beklagte bestreitet, dass die vom Kläger vorgetragenen Erkrankungen ursächlich auf die Nichtbeschäftigung zurückzuführen seien. Tatsächlich sei eine Beschäftigungsmöglichkeit im Callcenter Düsseldorf nicht mehr möglich gewesen, nachdem dieses nach Berlin verlagert worden sei.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

I.Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist diese statthaft, form- und fristgerecht eingelegt worden.

II.Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Zwar sind grundsätzlich Leistungsklagen zu beziffern, jedoch bedarf eine Klage auf Schadenersatz, dessen Bemessung dem Gericht überlassen bleibt, wie beispielsweise Schmerzensgeldansprüche oder Schadenersatzansprüche, die auf einer Schadensschätzung des Gerichtes beruhen, einer Bezifferung nicht (Musielak, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 253 Rz. 35).

III.Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1. Der Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes folgt aus dem Schutzauftrag der Art. 1 u. 2 GG und wird aus § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 1, Art. 2 GG hergeleitet (OLG Hamm v. 19.11.2008, 11 U 207/07, AFB 2009 S. 504 mit Verweis auf BGH, MDR 2006, 930 u.w.Rspr.).

a)Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit (Küttner, Personalhandbuch, Persönlichkeitsrecht Rz. 1).

Die Zubilligung einer Geldentschädigung bei der allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch die Verletzungen der Würde und der Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen bliebe. Dies hätte die Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als bei einem Schmerzensgeldanspruch stünden bei einer Entschädigung wegen der Persönlichkeitsrechtsverletzung regelmäßig die Gesichtspunkte der Genugtuung des Opfers und der Prävention im Vordergrund (OLG Hamm, a.a.O.).

b)Voraussetzung eines Anspruches auf Entschädigung bzw. Schmerzensgeld wegen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ist, dass es sich um einen schweren und rechtswidrigen sowie schuldhaften Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt (BAG v. 21.02.1979, 5 AZR 586/77). Voraussetzung des Ersatzanspruchs eigener Art wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist weiterhin, dass Art und Schwere des Eingriffes die Zuerkennung einer Geldentschädigung erfordern und das Persönlichkeitsrecht nicht auf andere Weise geschützt werden kann (Küttner, a.a.O., Rz. 14).

c)Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist subsidiär. Der Beeinträchtigte darf nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung auszugleichen sein, und es bedarf einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung (Praxiskommentar Juris, § 823 BGB Rz. 44, BVerfG v. 04.03.2004, 1 BvR 2098/01, NJW 2004 S. 2371). Ein Anspruch auf eine Geldentschädigung besteht wegen der Subsidiarität der Anspruchsgrundlage nicht, wenn und soweit andere Rechtsschutzmöglichkeiten zu Gebote stehen (Sächsisches LAG v. 17.02.2005, BB 2005 S. 1576, vgl. auch: Rixecker, MünchKom. z. BGB, 5. Aufl. 2006, Anh. z. § 12, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rz. 232 f., Hanseatisches OLG, 7 U 71/08 v. 04.11.2008, Beck RS 2009, 20092). Der Anspruch auf Geldentschädigung entsteht erst dann, wenn der Eingriff nicht durch sonstige Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeglichen oder beseitigt werden kann (Rixecker a.a.O., Rz. 232).

d)Nicht jede rechtswidrige und schuldhaft begangene Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes löst einen Anspruch auf eine Geldentschädigung aus. Voraussetzung ist vielmehr, dass es sich in der Gesamtwürdigung um ein schwerwiegenden Eingriff handelt und dieses ein unabwendbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung begründet (OLG Hamm, a.a.O.).

2. Vorliegend ergibt sich für die Kammer, dass eine entsprechende schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechtes des Klägers durch die Beklagte nicht festzustellen ist.

a)Zwar ist auch zur Überzeugung des Gerichtes die tatsächliche Nichtbeschäftigung des Klägers über mehrere Jahre grundsätzlich geeignet, eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Beklagte zu begründen. Insbesondere hätte die Beklagte im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht unabhängig von einer Klage auf Beschäftigung für eine tatsächliche Beschäftigung des Klägers Sorge tragen müssen. Soweit dies aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich war, wäre auch eine -einvernehmliche - Freistellung des Klägers in Betracht gekommen.

Es verbleibt bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, den Mitarbeiter tatsächlich zu beschäftigen. Der Arbeitgeber konnte sich nicht darauf beschränken, dem Kläger die Möglichkeit der Bewerbung unternehmensintern oder bei anderen Unternehmen zu geben. Er hätte seinerseits aktiv werden müssen, insbesondere und verstärkt, nachdem sämtliche anderen Mitarbeiter anderweitig beschäftigt worden oder tatsächlich ausgeschieden sind. In keiner Weise hinzunehmen ist es, dass der Kläger über einen längeren Zeitraum allein beschäftigungslos in einem Großraumbüro verbrachte und dabei angehalten wurde, täglich die Bürozeiten abzusitzen.

b)Trotz dieses Verhaltens, das im Regelfall eine entschädigungspflichtige Persönlichkeitsrechtsverletzung, auch mit einer entsprechenden Schwere beinhaltet, ist zur Überzeugung des Gerichtes vorliegend eine Geldentschädigung wegen der Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht angezeigt.

Zu berücksichtigen ist, dass zum einen eine tatsächliche Beschäftigung des Klägers am bisherigen Standort in Düsseldorf aufgrund der Aufgabe des Standortes seitens der Beklagten nicht mehr möglich war.

Weiter ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Verhalten des Klägers über den gesamten Zeitraum seiner Nichtbeschäftigung zu berücksichtigen. Der Kläger hat innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren lediglich zwölf Bewerbungen geschrieben. Er ist, wie sich aus der Berufungsbegründung ergibt, der Auffassung, es habe nicht zu seinen Aufgaben gehört, sich um eine Beschäftigung bei der Beklagten, beispielsweise bei der avisierten Stelle in Berlin, zu bemühen.

Zur Überzeugung des Gerichtes ist insbesondere das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Beschäftigungsklage aus dem Jahre 2008 zu berücksichtigen. Der Kläger hat zwar eine Klage auf tatsächliche Beschäftigung eingereicht, dieses Verfahren jedoch, nachdem die Beklagte ein tatsächliches Angebot zur Beschäftigung abgegeben hat und es - aus welchen Gründen kann vorliegend dahinstehen - zu einer tatsächlichen Beschäftigungsaufnahme des Klägers in Berlin nicht gekommen ist, nicht wieder aufgenommen und fortgeführt. Der Kläger hätte ohne Weiteres die Möglichkeit gehabt, einen vollstreckbaren Titel auf eine tatsächliche Beschäftigung in seinem Arbeitsverhältnis zu erwirken. Die Klage wurde jedoch von ihm nicht weiterverfolgt, stattdessen wartete der Kläger den Ablauf seiner Dienstzeit, hier handelte es sich um weitere zwei Jahre, ab.

c)Es wäre dem Kläger möglich gewesen, die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Nichtbeschäftigung zu verhindern durch Fortführung der Klage auf eine tatsächliche Beschäftigung. Dass er dies nicht getan hat, spricht in der Gesamtschau gegen eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung und vielmehr dafür, dass es dem Kläger nicht auf die tatsächliche Beschäftigung ankam.

d)Der Gesamtwürdigung der Umstände liegt auch der Gesichtspunkt des Mitverschuldens zugrunde. An der Persönlichkeitsrechtsverletzung trifft den Kläger ein erhebliches Mitverschulden. Dies folgt aus den oben aufgeführten Umständen, insbesondere der Passivität des Klägers hinsichtlich eines weiteren Einsatzes und hinsichtlich des Führens der Beschäftigungsklage. Diese Klage hätte zudem auch eher betrieben werden können. Der Kläger hätte bereits ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Nichtbeschäftigung zumindest seinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung geltend machen können. Im Ergebnis führt die Gesamtwürdigung der Umstände nicht dazu, dass eine Geldentschädigung als Ausgleich für eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung angezeigt und erforderlich wäre. Denn Voraussetzung einer Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes bleibt eine schwere Beeinträchtigung und das Fehlen anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten, wobei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen muss (LG Berlin v. 18.03.2008, 27 O 884/07 - zitiert nach Juris -).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG.

Die Revision wurde zugelassen gem. § 72 ArbGG, da eine Abweichung von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - 4 Sa 68/05 v. 12.06.2006 - hinsichtlich der Subsidiarität des Entschädigungsanspruches nicht ausgeschlossen werden kann und diesbezüglich auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage besteht.

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