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  • 20.01.2016 · IWW-Abrufnummer 146179

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 26.11.2015 – C-522/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Europäischer Gerichtshof

    Urt. v. 26.11.2015

    Az.: C-522/14

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 26. November 2015(1)

    Rechtssache C‑522/14

    Sparkasse Allgäu

    gegen

    Finanzamt Kempten

    (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

    „Niederlassungsfreiheit – Regelungen eines Mitgliedstaats, die Banken verpflichten, Steuerbehörden für Zwecke, die mit der Erhebung der Erbschaftsteuer zusammenhängen, über Vermögenswerte verstorbener Kunden zu informieren – Anwendung dieser Regelungen auf Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat, in dem die Übermittlung solcher Informationen wegen des Bankgeheimnisses untersagt ist“

    Einleitung

    1. Die Niederlassungsfreiheit, eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts, erlaubt es u. a. Gesellschaften, die ihren Sitz in einem der Mitgliedstaaten haben, eine Zweigstelle in einem anderen Mitgliedstaat zu errichten. Diese Form der Ausübung einer grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit bringt zweifellos aus der Sicht sowohl von Unternehmern als auch ihrer Kunden viele Vorteile mit sich. Gleichzeitig verursacht sie Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die ausländische Zweigstelle den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten – denen des Herkunftsstaats und denen des Aufnahmestaats – unterliegt. Unterschiede zwischen diesen beiden Rechtsordnungen können zu Beschränkungen bei der Ausübung der oben genannten Freiheit führen.

    2. Mit einem solchen Fall haben wir es in der vorliegenden Rechtssache zu tun. Die einander entgegenstehenden deutschen und österreichischen Regelungen erschweren die Ausübung grenzüberschreitender Banktätigkeit in Form einer Zweigstelle und können diese sogar unmöglich machen. Der Gerichtshof steht somit vor der Frage, ob dies als natürliche Konsequenz der fehlenden Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten anzusehen ist oder als Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit, die dem entsprechenden Mitgliedstaat zugerechnet werden kann und die dieser Staat somit zu beseitigen hat.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3. Die vorliegende Rechtssache fällt in den Anwendungsbereich von Art. 49 AEUV in Verbindung mit Art. 54 AEUV (Niederlassungsfreiheit).

    4. In Bezug auf den Bankensektor wurden die Grundsätze der Ausübung der Niederlassungsfreiheit in den Vorschriften der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(2) präzisiert. Insbesondere heißt es in Art. 16, Art. 23, Art. 26 Abs. 1 und Art. 31 der Richtlinie 2006/48:

    „Artikel 16

    Die Aufnahmemitgliedstaaten dürfen für Zweigstellen von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstituten keine Zulassung sowie kein Dotationskapital verlangen …



    Artikel 23

    Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die in der Liste in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten in ihrem Hoheitsgebiet gemäß Artikel 25, Artikel 26 Absätze 1 bis 3, Artikel 28 Absätze 1 und 2 sowie den Artikeln 29 bis 37 sowohl über eine Zweigstelle als auch im Wege des Dienstleistungsverkehrs von jedem Kreditinstitut ausgeübt werden können, das durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats zugelassen ist und kontrolliert wird, soweit die betreffenden Tätigkeiten durch die Zulassung abgedeckt sind.



    Artikel 26

    1. Bevor die Zweigstelle des Kreditinstituts ihre Tätigkeiten aufnimmt, verfügt die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats … über einen Zeitraum … zur Vorbereitung der Beaufsichtigung des Kreditinstituts … und gegebenenfalls zur Angabe der Bedingungen, die für die Ausübung dieser Tätigkeiten im Aufnahmemitgliedstaat aus Gründen des Allgemeininteresses gelten.



    Artikel 31

    Die Artikel 29 und 30 berühren nicht die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Unregelmäßigkeiten in seinem Gebiet zu verhindern oder zu ahnden, die den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufen, die er aus Gründen des Allgemeininteresses erlassen hat. Dies umfasst auch die Möglichkeit, einem Kreditinstitut, bei dem Unregelmäßigkeiten vorkommen, die Aufnahme neuer Geschäftstätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet zu untersagen.“

    Deutsches Recht

    5. Gemäß § 33 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (im Folgenden: ErbStG) hat, wer sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befasst, diejenigen in seinem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und diejenigen gegen ihn gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.

    Österreichisches Recht

    6. Gemäß § 9 Abs. 1 und 7 des Bankwesengesetzes (im Folgenden: BWG) dürfen Zweigstellen von Kreditinstituten, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, Tätigkeiten im Hoheitsgebiet der Republik Österreich erbringen, wobei sie verpflichtet sind, eine Reihe von Vorschriften des österreichischen Rechts, darunter § 38 BWG, einzuhalten.

    7. Diese zuletzt genannte Vorschrift regelt das sogenannte Bankgeheimnis. Danach dürfen Kreditinstitute, ihre Gesellschafter, Organmitglieder, Beschäftigte sowie sonst für Kreditinstitute tätige Personen Geheimnisse, die ihnen aufgrund der Geschäftsverbindungen mit Kunden anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten. In § 38 Abs. 2 BWG werden Ausnahmen vom Bankgeheimnis genannt, unter denen sich keine mit dem deutschen Recht vergleichbare Anzeigepflicht gegenüber den Steuerbehörden findet.

    8. In § 101 BWG wurde für den Fall der Verletzung des Bankgeheimnisses eine strafrechtliche Sanktion vorgesehen.

    Sachverhalt, Verfahrensverlauf und Vorlagefrage

    9. Die Sparkasse Allgäu ist ein Kreditinstitut im Sinne der Richtlinie 2006/48, das aufgrund einer in der Bundesrepublik Deutschland erteilten Erlaubnis tätig ist. Sie betreibt u. a. eine Zweigstelle in Österreich.

    10. Am 25. September 2008 forderte das Finanzamt Kempten (die zuständige deutsche Steuerbehörde) die Sparkasse Allgäu auf, für die Zeit ab dem 1. Januar 2001 die gemäß § 33 ErbStG erforderlichen Informationen über Kunden ihrer österreichischen Zweigstelle, die deutsche Inländer sind, anzuzeigen.

    11. Die Sparkasse Allgäu legte gegen diese Entscheidung Einspruch ein, der ebenso wie ihre Klage beim Gericht erster Instanz ohne Erfolg blieb. Unter diesen Umständen legte die Klägerin des Ausgangsverfahrens Revision bei dem vorlegenden Gericht ein.

    12. Diesem Gericht sind Zweifel gekommen, ob die Klägerin des Ausgangsverfahrens die oben genannte Entscheidung unter Berufung auf Art. 49 AEUV mit Erfolg anfechten kann. Unter diesen Umständen hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen Finanzamt anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?

    13. Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 19. November 2014 beim Gerichtshof eingegangen. Schriftliche Erklärungen wurden eingereicht von den Parteien des Ausgangsverfahrens, der deutschen, der griechischen und der polnischen Regierung sowie der Europäischen Kommission. Gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hat der Gerichtshof entschieden, keine mündliche Verhandlung abzuhalten.

    Analyse

    14. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist das Auskunftsersuchen, das das Finanzamt Kempten an die Sparkasse Allgäu gerichtet hat, mit dem deutschen Recht vereinbar. Die ausländische Zweigstelle dieser Bank besitze nämlich keine eigene Rechtspersönlichkeit und unterliege deshalb ebenso wie die Zentrale der Bank und ihre Zweigstellen in Deutschland den deutschen Rechtsvorschriften. Andererseits haben aber die österreichischen Behörden auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2006/48 die Vorschriften ihres Rechts über das Bankgeheimnis unter den Vorschriften angeführt, zu deren Einhaltung Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die ihre Tätigkeit im Hoheitsgebiet Österreichs ausüben. Auf diese Weise steht die Sparkasse Allgäu einem Konflikt zweier miteinander unvereinbarer Verpflichtungen gegenüber, was ihr die Tätigkeit in Österreich und damit die Ausübung der Niederlassungsfreiheit erschweren und sogar unmöglich machen kann.

    15. Angesichts dessen ist zu überlegen, ob wir es hier mit einer mit Art. 49 AUEV unvereinbaren Beschränkung zu tun haben und ob diese Beschränkung lediglich aus dem Zusammentreffen der Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten folgt oder ob man diese Beschränkung einem dieser Staaten zurechnen kann. Sollte festgestellt werden, dass eine solche Beschränkung tatsächlich existiert, wird zu prüfen sein, ob sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Ich werde indessen damit beginnen, einen gewissen Zweifel in tatsächlicher Hinsicht zu klären, der vom Beklagten des Ausgangsverfahrens und von der deutschen Regierung in ihren Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache vorgetragen wurde.

    Einleitende Bemerkung

    16. Das Finanzamt Kempten und die deutsche Regierung ziehen in ihren Erklärungen die Behauptung der Sparkasse Allgäu in Zweifel, dass das österreichische Recht ihr die Erfüllung der Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG unmöglich mache und eine eventuelle Erfüllung dieser Pflicht sie strafrechtlichen Konsequenzen aussetzen würde. Sie meinen, dass erstens das österreichische Recht die Möglichkeit vorsehe, Informationen bei Einverständnis des Kunden zu übermitteln, und dass zweitens strafrechtliche Sanktionen nur dann drohten, wenn das Bankgeheimnis verletzt werde, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, was im Fall der Übermittlung von Informationen an Steuerbehörden nicht gegeben sei.

    17. Das vorlegende Gericht geht indessen bei seinem Vorabentscheidungsersuchen klar davon aus, dass sich die Sparkasse Allgäu nicht zugleich an das deutsche und das österreichische Recht halten kann. Dies ist nach meiner Auffassung eine berechtigte Annahme. Erstens muss, soweit es um ein eventuelles Einverständnis des Kunden geht, berücksichtigt werden, dass die Informationen, die nach § 33 ErbStG zu übermitteln sind, verstorbene Personen betreffen, die ein solches Einverständnis naturgemäß nicht erteilen können. Die Sparkasse Allgäu darf jedoch eine solche Zustimmung nicht vorab von ihren Kunden verlangen und das Erbringen von Dienstleistungen in ihrer österreichischen Zweigstelle davon abhängig machen, da die österreichischen Vorschriften über das Bankgeheimnis dann gegenstandslos würden. Zweitens reicht, soweit es um eventuelle Sanktionen geht, die der Sparkasse Allgäu im Fall einer Verletzung des Bankgeheimnisses drohen, der Hinweis – ohne eine detaillierte Auslegung der österreichischen Strafvorschriften vorzunehmen –, dass das in § 38 Abs. 1 BWG aufgestellte Verbot der Übermittlung von Informationen kategorisch formuliert und, vorbehaltlich der in Abs. 2 dieser Vorschrift genannten Ausnahmen, bedingungslos ist. Gemäß Art. 31 der Richtlinie 2006/48 haben die Mitgliedstaaten indessen das Recht, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Hoheitsgebiet die Ausübung einer Tätigkeit durch Zweigstellen von ausländischen Kreditinstituten unter Verletzung der für sie geltenden Vorschriften zu verhindern, einschließlich des Rechts, diese Tätigkeit eventuell zu verbieten.

    18. Angesichts der Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist die Sparkasse Allgäu somit nicht imstande, im Hoheitsgebiet Österreichs eine Tätigkeit in Form einer Zweigstelle gleichzeitig im Einklang mit den deutschen Vorschriften betreffend die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG und den österreichischen Vorschriften über das Bankgeheimnis auszuüben.

    Zur Frage des Bestehens einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

    Die Niederlassungsfreiheit und ihre Beschränkung im Bankensektor

    19. Kreditinstitute, die aufgrund einer in einem der Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnis tätig sind, darunter die Sparkasse Allgäu, sind Gesellschaften im Sinne von Art. 54 Abs. 2 AEUV und kommen somit aufgrund von Art. 54 Abs. 1 AEUV in den Genuss der Niederlassungsfreiheit.

    20. Die Niederlassungsfreiheit umfasst gemäß Art. 49 Abs. 1 AEUV u. a. das Recht, Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als desjenigen des Sitzes oder des Wohnsitzes des Betreffenden zu gründen(3). In Bezug auf den Bankensektor ist die Ausübung dieser Freiheit durch die Errichtung von Zweigniederlassungen nur teilweise in der Richtlinie 2006/48 geregelt. In dem Bereich, der nicht durch die Bestimmungen dieser Richtlinie geregelt ist, müssen somit die allgemeinen Grundsätze über die Niederlassungsfreiheit Anwendung finden.

    21. Auch wenn die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen sollen, verbieten sie es nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert(4).

    22. Der Gerichtshof vertritt zudem den Standpunkt, dass als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit alle Maßnahmen anzusehen sind, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen, auch wenn sie ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar sind(5).

    23. Ein Element der Diskriminierung stellt somit keine unabdingbare Voraussetzung für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar(6). Das gilt auch für Beschränkungen, die sich aus den Vorschriften des Herkunftsstaats ergeben. Es spielt keine Rolle, dass sie auch auf die Tätigkeit des betreffenden Unternehmers im Herkunftsstaat Anwendung finden, wenn sie ihm gleichzeitig die Ausübung dieser Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten – und damit die Ausübung der Niederlassungsfreiheit – erschweren oder unmöglich machen(7).

    24. Gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV umfasst die Ausübung der Niederlassungsfreiheit u. a. die Wahl der Rechtsform, in der ein Betroffener beabsichtigt, die Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat auszuüben (Agentur, Zweigniederlassung, Tochtergesellschaft). Nationale Vorschriften, die diese Wahl beschränken oder mit denen dahin gehend Einfluss genommen wird, dass eine Rechtsform statt einer anderen gewählt wird, stellen somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar(8).

    25. Die Freiheit der Wahl der Rechtsform, in der der Betroffene seine Tätigkeit in dem anderen Mitgliedstaat ausüben wird, ist im Bankensektor besonders wichtig. Nach den Vorschriften der Richtlinie 2006/48 (und derzeit der Richtlinie 2013/36) ist nämlich, wenn ein Kreditinstitut, das aufgrund einer in einem Mitgliedstaat erteilten Zulassung tätig ist, eine Zweigstelle in einem anderen Mitgliedstaat errichtet, lediglich die Bewältigung eines geringen Verwaltungsaufwands erforderlich(9). In Bezug auf Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten gilt nämlich der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen(10). Dagegen erfordert die Aufnahme einer Tätigkeit in Form einer Tochtergesellschaft, also eines in rechtlicher Hinsicht separaten Unternehmens, die Erlangung einer Zulassung in dem Mitgliedstaat, in dem die Tätigkeit ausgeübt werden wird, und die Erfüllung der Voraussetzungen im Bereich des Anfangskapitals und der Eignung der Geschäftsführer der Gesellschaft und ihrer Aktionäre oder Gesellschafter(11). Es ist auch kein Zufall, dass in der Richtlinie 2006/48 die Errichtung einer Zweigstelle als Grundform der Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch Kreditinstitute angesehen wird(12).

    26. Nimmt ein Kreditinstitut in einem anderen Mitgliedstaat eine Tätigkeit in Form einer Tochtergesellschaft auf, so ist dies somit ein Geschäftsvorhaben völlig anderen Gewichts als eine dort vorgenommene Errichtung einer Zweigstelle. Es erfordert nämlich unvergleichlich größere organisatorische Anstrengungen und einen viel höheren finanziellen Aufwand. Die Gründung einer Tochtergesellschaft, die normalerweise nicht nur in rechtlicher, sondern auch in finanzieller und organisatorischer Hinsicht ein eigenständiges Unternehmen ist, erfordert auch eine entsprechende Dimension der Tätigkeit, die ein solches wirtschaftlich eigenständiges Funktionieren dieses Unternehmens erlaubt. Dagegen kann eine Zweigstelle, die von der Zentrale im Herkunftsstaat unterstützt wird, in einer viel kleineren Dimension und auf einem gesonderten Teil des Marktes des Aufnahmestaats, beispielsweise ausschließlich in Grenzgebieten, tätig sein.

    27. Das bedeutet, dass sich in vielen Fällen, in denen die Errichtung einer Zweigstelle in einem anderen Mitgliedstaat wirtschaftlich sinnvoll wäre, die Gründung einer Tochtergesellschaft als unrentabel erweisen kann. Mit anderen Worten kann ein Betroffener, der nicht die Möglichkeit hat, eine Zweigstelle in einem anderen Mitgliedstaat zu errichten, ganz davon absehen, dort eine Tätigkeit aufzunehmen. Angesichts dessen stellt die Beschränkung der Freiheit der Wahl der Rechtsform, insbesondere Erschwernisse bei der Errichtung einer Zweigstelle, im Bankensektor eine erheblich weiter gehende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar als in weniger stark regulierten Sektoren. Im Extremfall bedeutet die Verhinderung der Errichtung einer Zweigstelle somit eine grundlegende Verringerung der Attraktivität der Ausübung der Niederlassungsfreiheit als solcher, also eine Verletzung des Wesensgehalts dieser Freiheit.

    Die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

    – Verletzung des Grundsatzes der Inländerbehandlung

    28. Gemäß dem Wortlaut von Art. 49 Abs. 2 AEUV „umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen … nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen“(13). Mit anderen Worten muss ein Unternehmen, dass von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht, die Möglichkeit haben, mit den einheimischen Unternehmen unter gleichen Bedingungen in den Wettbewerb treten zu können(14). Das bedeutet vor allem, dass es verboten ist, im Aufnahmestaat Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten – unmittelbar oder mittelbar – zu diskriminieren.

    29. Wie ich jedoch in Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, bezieht sich das Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht nur auf den Aufnahmestaat, sondern auch auf den Herkunftsstaat. Das bedeutet, dass der Herkunftsstaat den Unternehmen mit Sitz in seinem Hoheitsgebiet ebenfalls die Ausübung einer Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten unter den für einheimische Unternehmen geltenden Bedingungen ermöglichen muss.

    30. Wenn also Fragen betreffend die Organisation eines Wirtschaftsteilnehmers, seine Registrierung oder die Erlaubnis für die Ausübung der Tätigkeit dem Recht des Herkunftsstaats unterliegen können, so sollten jedoch die Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen als solche, also die Beziehungen dieses Wirtschaftsteilnehmers zu den Kunden, den Regelungen des Aufnahmestaats unterliegen, wie dies bei inländischen Unternehmen der Fall ist. Dagegen hat jeder zusätzliche Verwaltungsaufwand, verbunden mit der Verantwortung für seine Bewältigung(15), der sich aus dem Recht des Herkunftsstaats für die von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machenden Unternehmen ergibt, zur Folge, dass diese Unternehmen schlechter am Markt aufgestellt sind als inländische Unternehmen.

    31. Meiner Meinung nach wird es durch die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG für deutsche Kreditinstitute erschwert und weniger attraktiv gemacht, von der Niederlassungsfreiheit durch die Errichtung einer Zweigstelle, also in der durch die Richtlinie 2006/48 vorgesehenen grundlegenden Form, Gebrauch zu machen.

    32. Es ist dabei ohne Bedeutung, dass – wie insbesondere die deutsche Regierung in ihren Erklärungen unterstreicht – die in Rede stehende Pflicht in nicht diskriminierender Weise sowohl Zweigstellen deutscher Banken, die im Hoheitsgebiet Deutschlands errichtet wurden und tätig sind, als auch Zweigstellen dieser Banken in anderen Mitgliedstaaten betrifft. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Kriterium der Diskriminierung nämlich für die Beurteilung des Bestehens einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht auschlaggebend(16).

    – Verletzung der Freiheit der Wahl der Rechtsform für die Tätigkeit

    33. Die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG betrifft Zweigstellen deutscher Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten. Wie aus den Erläuterungen im Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, hängt dies damit zusammen, dass sich nach deutschem Recht rechtliche Verpflichtungen, die auf den in Deutschland tätigen Kreditinstituten lasten, auf solche Zweigstellen erstrecken. Im Umkehrschluss erstreckt sich diese Pflicht somit nicht auf die durch deutsche Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten gegründeten Tochtergesellschaften.

    34. Demnach ist die Zweigstelle einer deutschen Bank in einem anderen Mitgliedstaat wegen der auf ihr gemäß § 33 ErbStG lastenden Anzeigepflicht schlechter gestellt als die Tochtergesellschaft einer solchen Bank. Somit beeinflusst diese Pflicht, soweit sie auch in anderen Mitgliedstaaten errichtete Zweigstellen betrifft, die Wahl der Rechtsform der Tätigkeit deutscher Banken in anderen Mitgliedstaaten, indem die Errichtung einer Zweigstelle erschwert oder weniger attraktiv gemacht wird.

    35. Wie ich jedoch oben dargelegt habe, gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass sich erstens das Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht nur auf den Aufnahmestaat, sondern auch auf den Herkunftsstaat bezieht(17) und dass zweitens als Beschränkung dieser Freiheit u. a. Vorschriften anzusehen sind, die die Wahl der Rechtsform für eine grenzüberschreitende Tätigkeit beeinflussen, insbesondere durch die Besserstellung einer Tochtergesellschaft gegenüber einer Zweigstelle(18). Wenn man diese Grundsätze gemeinsam betrachtet, erscheint logisch, dass das Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auch den Fall betrifft, dass ein Herkunftsstaat in anderen Mitgliedstaaten errichtete Zweigstellen seiner Unternehmen weniger günstig behandelt als Tochtergesellschaften dieser Unternehmen.

    – Das Zusammentreffen der deutschen Vorschriften mit den Vorschriften des Aufnahmestaats

    36. Die Lage wird dadurch verschlechtert, dass sich zumindest in einigen Mitgliedstaaten die Pflicht nach § 33 ErbStG als mit ihren nationalen Vorschriften, zu deren Befolgung die in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten, somit auch aus Deutschland, gemäß Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2006/48 verpflichtet sind, unvereinbar erweisen kann. In einem solchen Fall wird die Errichtung einer Zweigstelle durch deutsche Kreditinstitute in diesen Staaten nicht nur erschwert und weniger attraktiv, sondern schlicht unmöglich sein. Und weil das Fehlen der Möglichkeit, die Zweigstelle als Form für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit zu wählen, entsprechend meinen Ausführungen in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge die Ausübung der Niederlassungsfreiheit wirtschaftlich vollkommen unrentabel machen kann, kann die Beschränkung der Freiheit der Wahl der Rechtsform für die Tätigkeit sogar ganz davon abhalten, von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen.

    – Ergebnis

    37. Die sich aus § 33 ErbStG ergebende Pflicht stellt somit eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, weil sie: erstens deutschen Kreditinstituten, die in anderen Mitgliedstaaten tätig sind, zusätzliche Pflichten auferlegt, die sich nicht aus den Rechtsvorschriften dieser Staaten ergeben, zweitens die Freiheit der Wahl der Rechtsform für diese Tätigkeit durch eine Besserstellung der Tochtergesellschaft gegenüber der Zweigstelle beschränkt und drittens potenziell, aber – wie die vorliegende Rechtssache zeigt – nicht nur hypothetisch die Ausübung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit in Form einer Zweigstelle unmöglich und dadurch auch die Ausübung der Freiheit wirtschaftlich unrentabel machen kann.

    Zur Möglichkeit der Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs über das Zusammentreffen von Steuerregelungen der Mitgliedstaaten

    38. Die deutsche Regierung und die Kommission schlagen in ihren Erklärungen vor, in der vorliegenden Rechtssache analog die Rechtsprechung des Gerichtshofs über das Zusammentreffen von Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten über direkte Steuern anzuwenden(19).

    39. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein kann, die eventuell ungünstigen Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen, die auf eine Betriebsstätte anwendbar ist, die in diesem Staat belegen ist und zu einer im ersten Staat ansässigen Gesellschaft gehört(20). Die Niederlassungsfreiheit kann nämlich nicht dahin verstanden werden, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine Besteuerung zu gewährleisten, die jede Ungleichheit, die sich aus den nationalen Steuerregelungen ergibt, beseitigt(21).

    40. Jedoch stellt erstens, wie ich in den Nrn. 28 bis 35 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt habe, die auf Zweigstellen deutscher Banken in anderen Mitgliedstaaten lastende Pflicht nach § 33 ErbStG für sich genommen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Ihr eventuelles Zusammentreffen mit Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten kann die Situation nur verschlechtern und potenziell die Ausübung dieser Freiheit gänzlich unmöglich machen.

    41. Zweitens betreffen die in der vorliegenden Rechtssache behandelten nationalen Vorschriften im Unterschied zu den Rechtssachen betreffend das Zusammentreffen von Vorschriften der Mitgliedstaaten über direkte Steuern(22) nicht die Besteuerung desjenigen, der von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht. Die Vorschrift des § 33 ErbStG dient zwar, wie die im Ausgangsverfahren beklagte Behörde in ihren Erklärungen vorgebracht hat, der Erleichterung der Erhebung der Steuer, jedoch bei den Kunden der Bank und ihren Erben und nicht bei den Banken selbst. Die Lage wäre identisch, würden die aufgrund der genannten Vorschrift erteilten Auskünfte nicht der Erhebung von Steuern, sondern beispielsweise der Bekämpfung der Geldwäsche dienen. Dagegen betreffen die österreichischen Vorschriften über das Bankgeheimnis die Besteuerung überhaupt nicht.

    42. Wenn also in den in der vorstehenden Nummer genannten Rechtssachen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufgrund von Vorschriften über das Verhältnis von Steuerzahlern zu den zuständigen Steuerbehörden geprüft wurde, so geht es in der vorliegenden Rechtssache um Vorschriften, die die Grundsätze der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit regeln, also unmittelbar das Verhältnis des Unternehmers zu den Kunden betreffen. Es besteht hier daher keine Analogie, die eine Anwendung der genannten Rechtsprechung auf die vorliegende Rechtssache begründen würde.

    43. Drittens basieren die Befugnisse der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern auf im Völkerrecht klar definierten und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannten Grundsätzen. Die Mitgliedstaaten sind nämlich für die Besteuerung der gesamten Einkünfte von inländischen Steuerpflichtigen (unbeschränkte Steuerpflicht) und in Bezug auf gebietsfremde Steuerpflichtige für die Besteuerung der Einkünfte aus ihrer inländischen Tätigkeit zuständig(23). Deshalb ist nach der Rechtsprechung des Gerichts die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten einer der Gründe, die eine Beschränkung der Freiheiten des Binnenmarkts, darunter der Niederlassungsfreiheit, rechtfertigen können(24).

    44. Die direkten Steuern stellen dabei eine besondere Materie dar, weil sie eine der grundlegenden Kompetenzen souveräner Staaten und eine der grundlegenden Quellen ihrer Haushaltseinnahmen betreffen. Der Unionsgesetzgeber hat sich bisher nicht dazu entschlossen, diesen Bereich zu harmonisieren, und überlässt es den einzelnen Mitgliedstaaten, eventuellen Nachteilen, wie etwa einer Doppelbesteuerung, durch Regelungen in Form bilateraler Verträge vorzubeugen. In Ermangelung einer entsprechenden Harmonisierung lassen sich die Grundsätze, die die Beseitigung jeglicher Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit gebieten, im Bereich der direkten Steuern kaum ganz strikt anwenden. Das würde nämlich zur Aushöhlung souveräner Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten führen(25).

    45. Die oben dargelegten Argumente gelten nicht für nationale Vorschriften, die, wie in Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, nicht das Verhältnis von Steuerzahlern zu den zuständigen Steuerbehörden, sondern die Grundsätze der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit regeln. In diesem Bereich haben sich die Mitgliedstaaten im AEU-Vertrag verpflichtet, die Freiheit der Ausübung dieser Tätigkeit in grenzüberschreitenden Fällen zu garantieren. Man kann somit von ihnen verlangen, den territorialen Anwendungsbereich ihrer nationalen Vorschriften so festzulegen, dass es nicht zu Kollisionen dieser Vorschriften mit Vorschriften anderer Mitgliedstaaten kommt.

    46. Viertens schließlich unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache von den Rechtssachen, die die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern betreffen, durch die Art der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die sich aus den betreffenden nationalen Vorschriften ergeben können. Eine weniger günstige steuerliche Behandlung kann den betroffenen Wirtschaftsteilnehmer natürlich in finanzieller Hinsicht empfindlich treffen. Dadurch wird ihm jedoch die Ausübung der Tätigkeit allgemein oder in einer bestimmten Rechtsform nicht erschwert und erst recht nicht unmöglich gemacht. Sie wirkt sich höchstens auf die Bewertung der Rentabilität der betreffenden Tätigkeit aus, jedoch ist in diesem Zusammenhang die Höhe der Besteuerung nur einer von sehr vielen Faktoren, unter denen die Marktgegebenheiten (Umfang der Nachfrage, Konkurrenz, Betriebskosten, Höhe der Preise) in der Regel eine weit größere Rolle spielen. Im Übrigen sind die Unterschiede zwischen den Steuersystemen verschiedener Mitgliedstaaten für Unternehmer, die grenzüberschreitend tätig sind, nicht immer nachteilig – diese Unternehmen sind oft in einer günstigeren Situation als inländische Unternehmen. Zudem haben Wirtschaftsteilnehmer einen gewissen Spielraum, der es ihnen erlaubt, Steuerbelastungen auszugleichen, sei es durch Senkung der Kosten oder Anhebung der Preise. Die steuerliche Behandlung stellt somit normalerweise nicht den für die Entscheidung über die Aufnahme einer grenzüberschreitenden Tätigkeit ausschlaggebenden Faktor dar. Es handelt sich dabei eher, wie Generalanwalt L. A. Geelhoed es ausgedrückt hat, um „Quasibeschränkungen“(26).

    47. Diese „Quasibeschränkungen“ sind von tatsächlichen Beschränkungen, etwa solchen, die die Bedingungen der Ausübung der Tätigkeit selbst betreffen, zu unterscheiden. Zum einen haben die Wirtschaftsteilnehmer diesbezüglich einen sehr kleinen oder gar keinen Anpassungsspielraum – im Prinzip können sie sich nur an die geltenden Regeln halten oder auf die Tätigkeit verzichten. Zum anderen können Vorschriften über die Bedingungen der Ausübung der Tätigkeit diese in einem solchen Maß erschweren, dass sie, wie in der vorliegenden Rechtssache, praktisch unmöglich oder vollkommen unrentabel wird. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die die Bedingungen der Ausübung einer Tätigkeit betreffen, haben somit einen weit größeren Einfluss auf die Entscheidung, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen, als Beschränkungen lediglich steuerlicher Art.

    48. Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, dass die durch den Gerichtshof in der Rechtsprechung zur gleichzeitigen Anwendung der Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern(27) bestimmten Regeln nicht als horizontale Regeln angesehen werden können, die bei jeder Art von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit Anwendung finden. Somit können sie auch in der vorliegenden Rechtssache nicht angewandt werden.

    49. Zur Begründung ihrer These führt die Kommission noch das Urteil Hervein u. a.(28) an, das einen anderen Bereich, nämlich Sozialversicherungen, betrifft. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass der Vertrag es den Erwerbstätigen aufgrund der Unterschiede der Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit der Mitgliedstaaten nicht garantiert, dass die Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf mehr als einen Mitgliedstaat oder deren Verlagerung in einen anderen Mitgliedstaat hinsichtlich der sozialen Sicherheit neutral ist(29). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beiträge zur Sozialversicherung den Charakter von – den direkten Steuern ähnlichen – öffentlichen Abgaben besitzen. Somit finden hier dieselben Argumente Anwendung, die ich in den Nrn. 40 bis 47 der vorliegenden Schlussanträge besprochen habe(30). Auch das Urteil Hervein u. a. spricht somit nicht dafür, die Anwendung der Grundsätze, die in der Rechtsprechung hinsichtlich des Zusammentreffens der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern bestimmt wurden, auf Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die die Bedingungen der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit betreffen, auszuweiten.

    Die österreichischen Vorschriften als eigenständige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

    50. Man könnte eventuell meinen – so wie die im Ausgangsverfahren beklagte Behörde und die deutsche Regierung es in ihren Erklärungen behaupten –, dass die österreichischen Vorschriften über das Bankgeheimnis ebenfalls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, soweit sie Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten betreffen und diesen Zweigstellen die Erfüllung eventueller, mit diesem Geheimnis in Widerspruch stehender Pflichten, die sich aus dem Recht des Herkunftsstaats ergeben, unmöglich machen.

    51. Dies ist nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache, so dass ich diese Frage nicht weiter erörtern werde. Ich weise nur darauf hin, dass die Vorschriften über das Bankgeheimnis für die Bank tatsächlich eine gewisse Verpflichtung darstellen, gleichzeitig jedoch von den Kunden als vorteilhaft angesehen werden können. Eine Befreiung der Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten von diesem Geheimnis könnte somit dazu führen, dass sie sich im Vergleich zu inländischen Banken in einer schlechteren Wettbewerbsposition befinden. Auf diese Weise würden wir in dem Bestreben, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zu beseitigen, eine andere einführen. Dieses Paradox bestätigt meiner Meinung nach, dass die Beschränkung dieser Freiheit im vorliegenden Fall eher in den deutschen Vorschriften zu suchen ist.

    52. Selbst wenn wir auf österreichischer Seite eine parallele Beschränkung der Niederlassungsfreiheit annehmen, hätten wir es hier indessen unabhängig von den oben dargelegten Erwägungen nicht mit einer sich aus dem Zusammentreffen deutscher und österreichischer Vorschriften ergebenden Beschränkung, sondern mit zwei voneinander unabhängigen Beschränkungen zu tun. Ich bin jedoch nicht der Ansicht, dass eine eventuelle Beschränkung einer der Freiheiten des Binnenmarkts im Aufnahmestaat einen ausreichenden Grund dafür darstellt, auf die Aufhebung einer solchen Beschränkung im Herkunftsstaat zu verzichten. Würde man im vorliegenden Verfahren annehmen, dass die Sparkasse Allgäu sich eher an österreichische Gerichte wenden und dort geltend machen sollte, dass die Anwendung der österreichischen Vorschriften über das Bankgeheimnis auf ihre österreichische Zweigstelle unionsrechtswidrig ist, dann ist es möglich, dass diese Gerichte dieser Rüge in der Annahme, dass das Problem vielmehr § 33 ErbStG betrifft und die deutschen Gerichte es beheben sollten, nicht stattgeben.

    53. Es würde somit zu der paradoxen Situation kommen, dass Beschränkungen der Freiheiten des Binnenmarkts, die sich aus den Rechtsvorschriften des Herkunftsstaats oder des Aufnahmestaats ergeben, relativ leicht und unbedingt beseitigt werden, dass es jedoch, wenn sich eine solche Beschränkung gleichzeitig und unabhängig aus den Rechtsvorschriften dieser beiden Staaten ergibt, keine Möglichkeit gäbe, sie aufzuheben, weil unklar wäre, welcher der betroffenen Staaten dies zuerst tun sollte.

    Schlussfolgerung zum Bestehen einer Beschränkung

    54. Aufgrund all dieser Überlegungen komme ich zu der Schlussfolgerung, dass die Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG, soweit sie auch die in anderen Mitgliedstaaten errichteten Zweigstellen deutscher Kreditinstitute bindet, als gemäß Art. 49 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen ist.

    Zur Rechtfertigung der Beschränkung

    55. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann laut der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten, bereits klassischen Formel statthaft sein, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(31). Es ist somit zu prüfen, ob die sich aus § 33 ErbStG ergebende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit diese Voraussetzungen erfüllt.

    Die Frage der Diskriminierung

    56. Vor dieser Prüfung muss die Frage eines möglicherweise diskriminierenden Charakters der nationalen Vorschriften erörtert werden. Das vorlegende Gericht führt in seinem Beschluss aus – und ebenso trägt es die deutsche Regierung in den in der vorliegenden Rechtssache eingereichten Erklärungen vor –, dass die Vorschrift des § 33 ErbStG keinen diskriminierenden Charakter habe, weil sie unterschiedslos auf Zweigstellen deutscher Banken in anderen Mitgliedstaaten und auf Banken, die im Hoheitsgebiet Deutschlands tätig seien, Anwendung finde. Damit ist die Frage der Diskriminierung jedoch nicht erschöpft. Zweifellos haben wir es hier nicht mit einer direkten Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu tun, weil inländische und grenzüberschreitende Sachverhalte formal gleich behandelt werden.

    57. Das Konzept der Diskriminierung im Unionsrecht beschränkt sich jedoch nicht auf die direkte Diskriminierung. Gemäß der bereits klassischen Formel bedeutet Diskriminierung eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte(32) sowie eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte(33), es sei denn, dass im einen wie im anderen Fall eine entsprechende Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.

    58. Unter diesem Gesichtspunkt lässt die vorliegende Rechtssache, die Vorschriften des Herkunftsstaats betrifft, die das Verhältnis zwischen ausländischen Zweigstellen und ihren Kunden regeln, Zweifel in dreierlei Hinsicht aufkommen. Ist erstens eine Gleichbehandlung von ausländischen Zweigstellen deutscher Kreditinstitute und von Zweigstellen derselben Institute im Hoheitsgebiet Deutschlands angesichts der Tatsache gerechtfertigt, dass ausländische Zweigstellen die Tätigkeit in einem anderen wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld ausüben? Ist zweitens eine unterschiedliche Behandlung ausländischer Zweigstellen deutscher Kreditinstitute gegenüber Kreditinstituten mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten, die jedoch ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf denselben Märkten wie diese Zweigstellen ausüben, gerechtfertigt? Ist schließlich drittens eine unterschiedliche Behandlung deutscher Kreditinstitute, die ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten in Form einer Zweigstelle ausüben, gegenüber den gleichen Kreditinstituten, die eine grenzüberschreitende Tätigkeit in Form einer Tochtergesellschaft ausüben, gerechtfertigt?

    59. Meiner Meinung nach gibt es zwei Herangehensweisen an dieses Problem.

    60. Die erste Herangehensweise stützt sich auf die besondere rechtlich-organisatorische Lage einer Zweigstelle als Rechtsform, in der eine Tätigkeit ausgeübt werden kann. Eine Zweigstelle besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern ist nur ein gesonderter Teil der juristischen Person, die das Hauptunternehmen bildet. Dieses Unternehmen unterliegt zusammen mit allen seinen sowohl inländischen als auch ausländischen Zweigstellen grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem sich sein Sitz befindet. Mit anderen Worten betreffen die sich aus dem Recht dieses Staates ergebenden Pflichten natürlicherweise auch ausländische Zweigstellen des Unternehmens. Deshalb befinden sich diese Zweigstellen einerseits in einer mit inländischen Unternehmen objektiv vergleichbaren Lage und andererseits in einer Lage, die sich von der Lage sowohl von ausländischen Unternehmen als auch von Tochtergesellschaften inländischer Unternehmen objektiv unterscheidet. Bei einer solchen Herangehensweise wäre es objektiv gerechtfertigt, ausländische Zweigstellen deutscher Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie inländische Unternehmen, aber anders als ausländische Unternehmen und Tochtergesellschaften inländischer Unternehmen zu behandeln.

    61. Die zweite meiner Meinung nach mögliche Herangehensweise an dieses Problem besteht darin, die wirtschaftliche Substanz einer ausländischen Zweigstelle als einer der möglichen Formen der Ausübung einer grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen der Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen. Unter diesem Blickwinkel ist eine ausländische Zweigstelle, obwohl sie rechtlich mit dem Staat verbunden ist, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, funktional ein ausländisches Unternehmen und sollte demnach genauso behandelt werden wie andere ausländische Unternehmen (darunter ausländische Tochtergesellschaften inländischer Unternehmen). Damit kann die rechtliche Bindung an den Staat, in dem das Unternehmen (die Zentrale) seinen Sitz hat, nicht mehr als objektives Unterscheidungskriterium dienen und wird nur zu einer zweitrangigen Eigenschaft, die keine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen kann. Bei einer solchen Herangehensweise bedeutet es eine faktische Diskriminierung, wenn ausländische Zweigstellen deutscher Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie inländische Unternehmen, aber anders als ausländische Unternehmen und Tochtergesellschaften inländischer Unternehmen behandelt werden.

    62. Die Wahl der einen oder der anderen Herangehensweise beeinflusst meiner Auffassung nach die Möglichkeit der Rechtfertigung der sich aus § 33 ErbStG ergebenden Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.

    Rechtfertigung

    63. Sowohl das vorlegende Gericht als auch die deutsche Regierung geben in ihren Ausführungen als Rechtfertigung für die Vorschrift des § 33 ErbStG die Notwendigkeit an, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen und eine wirksame Steuererhebung zu gewährleisten. Diese Vorschrift diene nämlich zum einen der Kontrolle, ob ein Erbe eines verstorbenen Bankkunden seinen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer nachkomme, und zum anderen der Kontrolle, ob dieser Kunde zu Lebzeiten seinen steuerlichen Verpflichtungen in Bezug auf seine Vermögenswerte bei der Bank nachgekommen sei. Diese Rechtfertigung wird in der Rechtsprechung des Gerichtshofs(34) sowohl in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit als auch auf andere Freiheiten des Binnenmarkts berücksichtigt.

    64. Die Annahme dieser Rechtfertigung erfordert jedoch, dass sie der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Zu diesem Zweck muss die in Rede stehende nationale Vorschrift erstens geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf zweitens nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist(35). Letztendlich ist das nationale Gericht am ehesten dazu berufen, den Sachverhalt und damit auch die Verhältnismäßigkeit der nationalen Vorschriften zu beurteilen. Der Gerichtshof kann jedoch insoweit auf der Grundlage der im Rahmen des Verfahrens vorgetragenen Informationen Hinweise geben(36).

    – Problem mit der Rechtfertigung, wenn man eine Diskriminierung annimmt

    65. Soweit es um Kreditinstitute geht, die Vermögenswerte deutscher Inländer im Ausland(37) verwahren und verwalten können, bezieht sich die Vorschrift des § 33 ErbStG nur auf Zweigstellen deutscher Banken. Sie betrifft dagegen weder Tochtergesellschaften dieser Banken, noch – aus offensichtlichen Gründen – Banken aus anderen Staaten.

    66. Wenn man davon ausgeht, dass sich ausländische Zweigstellen in einer vergleichbaren Lage wie Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten befinden, dann ist die Beschränkung der Anwendung der deutschen Vorschriften lediglich auf Zweigstellen meiner Meinung nach durch nichts gerechtfertigt. In einer solchen Situation muss die Rechtfertigung für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nämlich im Kontext der Vorschrift, die diese Beschränkung festlegt, auf objektiven Kriterien beruhen. In diesem Kontext befinden sich indessen alle Kreditinstitute, die Vermögenswerte deutscher Inländer verwahren und verwalten können, in einer vergleichbaren Lage, weil diese Vermögenswerte gleichermaßen erbschaftsteuerpflichtig sind und es gleichermaßen einer wirksamen Kontrolle der Erfüllung der entsprechenden Pflicht bedarf. Wenn es also das Erfordernis, die Wirksamkeit von steuerlichen Kontrollen zu gewährleisten, rechtfertigen kann, diesen Personen zusätzliche Pflichten wie die Anzeigepflicht gegenüber den Steuerbehörden aufzuerlegen, so bedürfte die diesbezügliche unterschiedliche Behandlung von Zweigstellen einer gesonderten Rechtfertigung, an der es jedoch fehlt.

    67. Bei einer solchen Betrachtungsweise ist der Umstand der Verbindung der ausländischen Zweigstelle zu der Rechtsordnung des Herkunftsstaats zweitrangig und rechtfertigt es nicht, diesen Zweigstellen Pflichten in Bezug auf die Bedingungen aufzuerlegen, unter denen sie Dienstleistungen erbringen. Der Herkunftsstaat sollte deshalb davon absehen, solche Pflichten aufzuerlegen.

    – Rechtfertigungsmöglichkeit, wenn man davon ausgeht, dass sich Zweigstellen in einer besonderen Lage befinden

    68. Ich bin jedoch der Meinung, dass man eher davon ausgehen sollte, dass die in anderen Mitgliedstaaten als dem Staat des Sitzes des Unternehmens tätigen Zweigstellen von Kreditinstituten sich wegen der besonderen Verbindung zu der Rechtsordnung des Herkunftsstaats in einer anderen Lage als ausländische Kreditinstitute befinden. Diese besondere Verbindung rechtfertigt es, bestimmte Pflichten, die auf inländischen Banken lasten, auch ihren ausländischen Zweigstellen aufzuerlegen, auch wenn ausländische Unternehmen nicht denselben Pflichten unterliegen. Das gilt insbesondere dann, wenn die entsprechende Pflicht, wie in der vorliegenden Rechtssache, lediglich das Verhältnis der ausländischen Zweigstelle zu den im Herkunftsstaat ansässigen Kunden betrifft. Für Inländer ist es nämlich einfacher, ein Konto bei einer ausländischen Zweigstelle einer inländischen Bank zu eröffnen als bei einer ausländischen Bank. In diesem Fall rechtfertigt das Erfordernis, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zu gewährleisten, die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, sofern sie geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

    69. Die Einführung der Anzeigepflicht führt meiner Meinung nach zur Erreichung des Ziels, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zu gewährleisten. Die Steuerbehörden sind nämlich anhand der von der Bank erhaltenen Informationen in der Lage, die ihnen durch Steuerzahler in ihren Steuererklärungen übermittelten Daten zu überprüfen. Zudem erlauben es diese Informationen den Steuerbehörden in einem Fall, in dem der Steuerzahler der Pflicht zur Abgabe einer solchen Erklärung nicht nachkommt, den Eintritt eines Steuertatbestands festzustellen und Maßnahmen zur Erhebung der geschuldeten Steuer zu ergreifen.

    70. Ich denke auch, dass die erörterte deutsche Vorschrift nicht über das erforderliche Maß hinausgeht. Erstens können die Steuerbehörden nämlich dieselben Informationen aus keiner anderen Quelle ebenso sicher und vollständig erlangen. Somit wäre die Überprüfung der Richtigkeit der in der Steuererklärung gemachten Angaben erheblich erschwert.

    71. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass in der Entscheidung, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, das Ersuchen um Auskunftserteilung durch die ausländische Zweigstelle der Sparkasse Allgäu auf Informationen betreffend Kunden dieser Bank, die deutsche Inländer sind, beschränkt wurde. Meiner Ansicht nach ist dieser Aspekt äußerst wichtig. Denn obwohl die Erbschaftsteuerpflichtigkeit etwas weiter gefasst ist(38), betrifft sie in der Praxis zweifellos vor allem Nachlässe deutscher Inländer. Sollten die deutschen Behörden Auskünfte betreffend alle Kunden ausländischer Zweigstellen deutscher Banken verlangen, so wie es bei inländischen Zweigstellen der Fall ist, würde das für die ausländischen Zweigstellen eine bedeutende Behinderung ihrer Tätigkeit bedeuten. Durch die Beschränkung des Ersuchens auf Auskünfte betreffend deutsche Inländer haben die deutschen Behörden somit das unter dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit am wenigsten belastende Mittel angewandt. Dadurch können die Zweigstellen deutscher Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf Kunden, die nicht deutsche Inländer sind, unter genau denselben Bedingungen wie einheimische Banken tätig sein.

    72. Ich bin daher der Meinung, dass die Vorschrift des § 33 ErbStG in Bezug auf das Ziel, dem sie dienen soll, verhältnismäßig ist, so dass die mit dieser Vorschrift bewirkte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit als gerechtfertigt angesehen werden kann.

    – Das Problem des in Österreich geltenden Bankgeheimnisses

    73. Ich bin mir natürlich der Schwächen einer solchen Entscheidung im Hinblick auf die Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit bewusst. Es lässt sich nämlich kaum übersehen, dass, wenn das vorlegende Gericht auf der Grundlage des Urteils des Gerichtshofs die Vorschrift des § 33 ErbStG als mit dem Unionsrecht vereinbar ansieht und, was damit einhergeht, die Entscheidung, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, bestätigt, dies in keiner Weise die Probleme der Sparkasse Allgäu löst. Diese Bank wird nämlich weiterhin mit zwei sich widersprechenden rechtlichen Verpflichtungen konfrontiert sein. Dies trifft umso mehr zu, als das Ersuchen der deutschen Steuerbehörde die Übermittlung von Informationen aus vergangenen Jahren betrifft, also über verstorbene Kunden, die etwa ihr Einverständnis zur Übermittlung dieser Informationen nicht erteilen können.

    74. In diesem Fall wären meiner Ansicht nach die österreichischen Behörden aufgrund der Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet, die Vorschriften über das Bankgeheimnis so auszulegen oder ihre Anwendung so einzuschränken, dass den Zweigstellen deutscher Kreditinstitute, die im Hoheitsgebiet Österreichs tätig sind, die Übermittlung von Informationen aufgrund von § 33 ErbStG ermöglicht wird(39). Das betrifft die Pflicht zur Übermittlung dieser Informationen natürlich nur insoweit, als sie mit dem Unionsrecht vereinbar und damit insbesondere auf das erforderliche Minimum beschränkt ist.

    Ergebnis

    75. Angesichts aller vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die ihm vom Bundesfinanzhof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

    Art. 49 AEUV ist dahin gehend auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats, die Zweigstellen inländischer Kreditinstitute in anderen Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, bei diesen Zweigstellen verwahrte Vermögenswerte von Inländern des ersten dieser Mitgliedstaaten im Fall des Todes ihres Eigentümers den inländischen Steuerbehörden anzuzeigen, nicht entgegensteht, sofern diese Pflicht auf das zur Gewährleistung wirksamer steuerlicher Kontrollen erforderliche Minimum beschränkt ist.