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19.09.2003 · IWW-Abrufnummer 032096

Mietrecht kompakt 10/2003

Die 14 wichtigsten Grundsätze bei der Eigenbedarfskündigung



1. Form


Die Kündigung ist von allen Vermietern an alle Mieter zu richten. Sie ist konkret zu begründen (§ 573 Abs. 3 S. 1 BGB). Gründe, die im Kündigungsschreiben nicht aufgeführt sind, werden nicht berücksichtigt. Ausnahme: Nicht angegebene Gründe werden berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind (§ 573 Abs. 3 S. 2 BGB).

Der Eigenbedarf ist zu konkretisieren. Der Vermieter muss die Personen angeben, für die die Wohnung benötigt wird. Dazu gehört im Fall von Familienangehörigen (s.u., 12.) auch der Grad der Verwandtschaft. Bei Haushaltsangehörigen ist neben dem Namen auch die Funktionsbezeichnung mitzuteilen (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573 BGB Rn. 218).

Der Vermieter muss außerdem Tatsachen mitteilen, die das Nutzungs- und Überlassungsinteresse ausfüllen. Die Angabe ?
wegen Eigenbedarfs? oder ?
weil ich die Wohnung für eigene Zwecke benötige? reicht nicht aus (LG Detmold WuM 90, 301; LG Mannheim ZMR 90, 19;

LG Karlsruhe WuM 89, 384; LG Hamburg WuM 89, 385).

Praxishinweis: Der Mieter muss auf Grund der im Kündigungsschreiben mitgeteilten Gründe in der Lage sein, die Erfolgsaussicht der Kündigung überschlägig zu überprüfen (einzelne Beispiele aus der Rechtsprechung bei Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., Rn 219). Unklarheiten gehen zu Lasten des Vermieters.

2. Frist

Es gelten keine Besonderheiten. Die Kündigungsfrist ist nach der Vertragsdauer gestaffelt
573c Abs. 1 BGB).

Praxishinweis: Die Kündigungsfrist gilt für jede Kündigung ab dem 1.9.01. Sie gilt grundsätzlich auch bei seit langem bestehenden Mietverhältnissen, die vor dem In-Kraft-Treten der Mietrechtsreform abgeschlossen wurden).

Für die Eigenbedarfskündigung gelten Sperrfristen, wenn die Wohnung nach Überlassung an den Mieter in Wohnungseigentum überführt und veräußert wurde (§ 577a BGB; eingehend Horst, Praxis des Mietrechts, Rn. 1370).

3. Bedarf an der Wohnung

Notwendig ist ein Wohnungsbedarf. Der bloße Wunsch, in der eigenen Wohnung zu leben, reicht nicht aus. Der Vermieter muss vernünftige und nachvollziehbare Gründe dartun, aus denen er im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung wohnen möchte. Dafür genügt jedes auch höchst persönliche Interesse von nicht ganz unerheblichem Gewicht, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht (BVerfG DWW 94, 75).

4. Bedarf zum Wohnen

Der Eigenbedarf ist nur beachtlich, wenn er zum Wohnen geltend gemacht wird.

Praxishinweis: Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist z.B. unzulässig, wenn der Vermieter die Wohnung beruflich als Arbeitsraum nutzen möchte (LG Wiesbaden WuM 90, 510).

5. Aktueller Wohnbedarf

Der Wohnbedarf muss aktuell bestehen. Nur die gegenwärtig absehbaren Nutzungswünsche sind zu beachten. Eine Vorratskündigung ist unzulässig (BVerfG NJW 90, 3259).

Beispiel: Vermieter V. geht davon aus, dass sein Sohn S. in fünf Jahren das Studium abschließt. Kündigt V. schon heute wegen Eigenbedarfs für S. zu diesem Zeitpunkt, ist dies unzulässig.

6. Vorhersehbarer Bedarf

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gründe für den Eigenbedarf schon bei Abschluss des Mietvertrags bestanden, der Eigenbedarf also vorhersehbar war und trotzdem kein Zeitmietvertrag (§ 575 BGB) geschlossen wurde (BVerfG NJW 89, 970).

Beispiel: Beim Abschluss des Mietvertrags weiß Vermieter V. bereits um seine Pflegebedürftigkeit. V. rechnet mit der Tatsache, dass er alsbald eine Pflegeperson benötigt, für die er dann ? unzulässig ? wegen Eigenbedarfs kündigt.

Der Bedarf ist vorhersehbar, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wonach Eigenbedarf eintreten könnte. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (BVerfG ZMR 93, 505). Es ist nicht erforderlich, dass der Vermieter den künftigen Bedarf sicher kannte (LG Berlin NZM 98, 433).

Praxishinweis: Kennt der Mieter dagegen bei Vertragsschluss die Umstände, insbesondere, weil er vom Vermieter ausdrücklich darauf hingewiesen wurde oder nur einen Zeitmietvertrag abgeschlossen hat, kann er gegen eine spätere Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs kein rechtsmissbräuchliches Verhalten (§ 242 BGB) einwenden (Herrlein/Kandelhard, Praxiskommentar Mietrecht, § 573 BGB Rn. 35). Eine Vorausplanung über mehr als fünf Jahre verlangt die Rechtsprechung nicht. Tritt der Eigenbedarf erst dann auf, ist die Kündigung wirksam (BVerfG WuM 89, 114; LG Gießen WuM 96, 416; LG Paderborn, WuM 94, 331).

7. Überhöhter Wohnbedarf

Grundsätzlich sind der Selbstnutzungswunsch und die Art und Weise, wie sich der Berechtigte zum Wohnen einrichten möchte, zu respektieren. Ein überhöhter Wohnbedarf, der sich durch vernünftige und nachvollziehbare Gründe nicht mehr rechtfertigen lässt, scheidet aber als Grundlage einer Eigenbedarfskündigung aus.

Ein Kind ohne entsprechendes Einkommen soll daher nicht in ein Einfamilienhaus (AG Bonn WuM 90, 214; LG Köln WuM 90, 119) und ein Kind in der Berufsausbildung nicht in eine große Vier-Zimmer-Wohnung ziehen dürfen (LG München WuM 90, 352).

8. Anbietpflicht bei freier Alternativwohnung

Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (§ 242 BGB), wenn vergleichbarer Ersatzwohnraum entweder für den Vermieter (BVerfG NJW 89, 46; NJW 94, 310; NJW 94, 435) oder für den Mieter (BVerfG ZMR 92, 230; LG Wuppertal WuM 98, 599) vorhanden ist.

Der Vermieter ist grundsätzlich verpflichtet, dem gekündigten Mieter eine Wohnung als
Ersatz anzubieten, wenn eine solche frei ist. Denn eine Wohnungskündigung stellt einen erheblichen Eingriff in die Lebensführung des Mieters dar. Dabei besteht die Verpflichtung zum Angebot einer freien Alternativwohnung aber nur für Wohnungen in demselben Haus oder innerhalb der Wohnanlage. Außerdem gilt sie nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (BGH MK 03, 114, Abruf-Nr. 031564 und 031565; LG Hamburg ZMR 03, 265).

Eine andere Frage ist, zu welchen Bedingungen der Vermieter dem Mieter die freie Alternativwohnung anbieten muss: Bietet er die Alternativwohnung zu angemessenen Bedingungen an und lehnt der Mieter das Angebot ab, hat der Vermieter seiner Anbietpflicht genügt. Er kann die Wohnung an einen Dritten vermieten und seine Eigenbedarfskündigung mit der
Räumungsklage durchsetzen. Macht der Mieter in diesem Fall die Annahme von Bedingungen abhängig (z.B. Erstattung der Umzugskosten), gilt dasselbe (§ 150 Abs. 2 BGB; Herrlein/Kandelhard, a.a.O., § 573 BGB Rn. 33). Stellt der Vermieter unangemessene Bedingungen, verletzt er seine Anbietpflicht. Seine Räumungsklage ist dann rechtsmissbräuchlich.

Praxishinweis: Vermietet der Vermieter die freie Alternativwohnung an einen Dritten und spricht er erst danach die Eigenbedarfskündigung aus, ist diese Kündigung unwirksam
242 BGB). Wird die Alternativwohnung erst nach der Eigenbedarfskündigung frei, ist wie folgt zu unterscheiden:
  • Ist die Wohnung, für die der Eigenbedarf geltend gemacht werden soll, für die Nutzungszwecke des Vermieters besser geeignet, als die Alternativwohnung, bleibt die Eigenbedarfskündigung wirksam. Der Vermieter muss die Alternativwohnung allerdings dem gekündigten Mieter zur Miete anbieten.
  • Sind dagegen beide Wohnungen für die Zwecke des Vermieters gleich geeignet, darf der Vermieter die Eigenbedarfskündigung nicht weiter verfolgen und muss in die Alternativwohnung einziehen (Herrlein/Kandelhard, Praxiskommentar Mietrecht, a.a.O., § 573 BGB Rn. 32).

9. Wegfall des Eigenbedarfs

Mit dem Wegfall der Nutzungsabsicht nach der Kündigung fällt automatisch der Kündigungsgrund weg. Dann ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter von der Kündigung keinen Abstand nimmt und sie weiter verfolgt.

Dies gilt nur während, nicht aber nach Ablauf der Kündigungsfrist (BGH MK 03, 114; a.A. OLG Düsseldorf ZMR 92, 386; LG Hamburg WuM 89, 256; BayOblG WuM 87, 129; LG Karlsruhe WuM 80, 249). Die abweichende Auffassung ist durch die aktuelle BGH-Entscheidung überholt.

10. Auswechseln und Nachschieben von Kündigungsgründen

Fällt allerdings der ursprüngliche Kündigungsgrund weg und entsteht ein neuer Kündigungsgrund, bleibt die Bedarfslage also bestehen, kann der Vermieter an der Kündigung festhalten und seinen Räumungsanspruch auf den neuen Grund stützen. Der Kündigungsgrund ist dann nachträglich entstanden und zu berücksichtigen (§ 573 Abs. 3 S. 2 BGB).


Beispiel: Eigenbedarf für den Sohn S. des Vermieters V. ist weggefallen. Stattdessen ist Eigenbedarf für dessen Tochter T. entstanden (OLG Köln 10.3.03, 16 U 72/02, n.v., Abruf-Nr. 032094).

11. Vorgetäuschter Eigenbedarf

Wird der Eigenbedarf vorgetäuscht, sei es, dass er nie bestand oder dass er später weggefallen ist, und ist der Mieter hierüber pflichtwidrig nicht informiert worden, ist die Kündigung nicht nur unwirksam, sondern der Vermieter auch schadenersatzpflichtig (§§ 280, 281, 241, 823 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB).

Praxishinweis: Hier ist streng auf die Kausalität zwischen schadenstiftender Handlung und dem Eintritt der einzeln geltend gemachten Schadensposten zu achten. Wird die Kündigung in diesem Fall durch Räumungsklage weiter betrieben, kommt ein versuchter oder vollendeter Prozessbetrug (§ 263 StGB) als strafbares Verhalten hinzu.

12. Personenkreis

Der Vermieter kann zunächst auf Grund seines eigenen Wohnbedarfs kündigen.

Zu den Berechtigten zählen Haushalts- und Familienangehörige des Vermieters. Haushaltsangehörige sind alle Personen, die schon seit längerer Zeit und auf Dauer in den Haushalt des Vermieters aufgenommen sind und in enger Haushaltsgemeinschaft mit ihm leben.

Dazu gehören Lebenspartner des Vermieters und Personen, mit denen er einen ?
auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt? führt (§ 563 Abs. 2 S. 4 BGB; z.B. Hausgehilfen, Pflegepersonen, Auszubildende und Arbeitnehmer, die in den Hausstand aufgenommen worden sind).

Familienangehörige sind ohne Rücksicht darauf einbezogen, ob sie in demselben Haushalt mit dem Vermieter zusammenleben oder nicht. Hierzu zählen der Ehegatte, Eltern und Kinder, die Enkel sowie der Schwiegersohn/die Schwiegertochter. Die Schwiegereltern gelten als Familienangehörige, solange die das Schwägerschaftsverhältnis begründende Ehe fortbesteht. Nach der Scheidung sind die Schwiegereltern nicht mehr als Familienangehörige
anzusehen.

Nichten und Neffen, Großnichte und Cousine können zu den Familienangehörigen gerechnet werden, wenn enge familiäre Bindungen bestehen. Bei Geschwistern ist diese Bindung nicht erforderlich (BGH MK 03, 115). Ein Schwager ist kein Angehöriger.

Unabhängig von einem engen familiären Verhältnis zu den genannten Angehörigen in der Seitenlinie kann Eigenbedarf für diese Gruppe geltend gemacht werden, wenn der Vermieter rechtlich oder wenigstens moralisch verpflichtet ist, Unterhalt und sonstige Fürsorge zu leisten. Pflegekinder und Stiefkinder gelten daher als Familienangehörige, wenn sie in die Familie aufgenommen worden sind (Horst, Praxis des Mietrechts, Rn. 1235 bis 1243).

Juristische Personen (AG, GmbH, eingetragene Genossenschaften) oder Vereine können nicht wegen Eigenbedarfs kündigen. Sie können nicht ?
wohnen?. Auch für ihre Organe können sie nicht kündigen. Denn das Organ ist nicht mit der juristischen Person identisch (LG Wuppertal WuM 94, 686 für Geschäftsführer; LG Karlsruhe WuM 85, 148 für Gesellschafter einer KG).

Praxishinweis: In diesen Fällen kann eine Kündigung wegen Betriebsbedarfs zulässig sein (§ 573 Abs. 1 BGB).

Für sonstige Personen außerhalb des genannten privilegierten Kreises ist eine Kündigung wegen Eigenbedarfs unzulässig. Insbesondere Kündigungen für ein Kind des Lebensgefährten (AG Winsen/Luhe WuM 94, 432), für ein Patenkind (AG Waiblingen WuM 94, 542) oder für eine ?
Nebenfrau? (LG Aachen WuM 89, 633) sind unzulässig.

13. Höchst persönlicher Eigenbedarf

Der Eigenbedarf ist höchst persönlich. Stirbt der Vermieter nach der Kündigung, kann sein Rechtsnachfolger die Kündigung deshalb nicht mehr durchsetzen (OLG Karlsruhe WuM 93, 405).

14. Darlegungs- und Beweislast

Der Vermieter muss darlegen und beweisen, dass die Kündigungsgründe bestehen und dass die Kündigung zugegangen ist.

Der Mieter muss alle Tatsachen darlegen und nachweisen, mit denen die Kündigungsgründe bestritten werden oder aus denen sich direkt eine Rechtsmissbrauch der erklärten Kündigung ergibt.

Beispiel: Mieter M. behauptet, Vermieter V. verfüge über eine Alternativwohnung. M. hat die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorhandenseins dieser Alternativwohnung.
Um diese Verpflichtung erfüllen zu können, hat M. ein berechtigtes Interesse zur Grundbucheinsicht nach § 12 GBO (LG Mannheim WuM 92, 130). V. muss gegebenenfalls dar-legen und beweisen, dass er eine vorhandene Alternativwohnung angeboten hat (zum Ganzen Herrlein/Kandelhard, a.a.O., § 573 BGB Rn. 34).



Wichtiger Hinweis: Der Inhalt ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden.

Die Komplexität und der ständige Wandel der in ihm behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.



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