07.05.2004 · IWW-Abrufnummer 041181
Arbeitsgericht Frankfurt/Oder: Urteil vom 20.02.2003 – 8 CA 3568/02
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit XXX hat die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2003 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.032,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte des Klägers.
Der Kläger ist seit dem XXX bei der Beklagten als Organisationsleiter der Ausgabenkreise Strausberg und Bad Freienwalde beschäftigt.
Unter dem 24.07.2002 erteilte die Beklagte die Anweisung, dass bei eingehenden Reklamationen bei der Zeitungszustellung dem jeweiligen Kunden vorrangig Gutschriften angeboten werden sollen, um höhere Kosten der Nachlieferung zu vermeiden.
Der Kläger hat am 08.08.2002 bei dem Kunden XXX, am 16.08.2002 bei der Kundin XXX, am 21.08.2002 bei der Kundin XXX und am 05.09.2002 bei dem Kunden XXX aufgrund von Reklamationen eine Nachlieferung veranlasst, obgleich diese Kunden bereits Gutschriften erhalten hatten.
Daraufhin mahnte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 30.09.2002 ab. Sie machte ihn gleichzeitig darauf aufmerksam, dass im Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung folgen, und nahm die Abmahnung zur Personalakte des Klägers. Der Kläger wurde zur Abmahnung nicht gehört.
Mit Klageschrift vom 21. November 2002, eingegangen beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) am 22. November 2002, begeht der Kläger die Zurücknahme und Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.
Der Kläger behauptet, dass durch die Nachlieferungen der Beklagten keine zusätzlichen Kosten entstanden seien. Er ist der Ansicht, die Abmahnung sei unverhältnismäßig.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 30.09.2002 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und sie aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die streitbefangene Abmahnung ist zu Recht erteilt und zur Personalakte des Klägers genommen worden.
1.
Der vom Kläger beschrittene Rechtsweg ist gem. § 2 Ziffer 3a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) ist zur Entscheidung der Klage örtlich zuständig, § 46 Absatz 2 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit § 17 Absatz 1 Satz 1 ZPO.
2.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
a)
Der Kläger kann sein Klagebegehren nicht in analoger Anwendung der §§ 1004 Absatz 1 Satz 1, 611 BGB auf einen quasi-negatorischen Beseitigungsanspruch stützen.
Der Gesetzgeber hat das Rechtsinstitut der Abmahnung nicht geregelt. Trotz des Fehlens normativer Vorgaben besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass ein Arbeitsnehmer die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen kann, wenn sich die Abmahnung als objektiv rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitsnehmers darstellt (BAG Urteil vom 21. Februar 1979, Az. 5 AZR 568/77, AP-Nr. 13 zu § 847 BGB).
Das Persönlichkeitsrecht wird in rechtserheblicher Weise durch unberechtigte Rügen berührt, welche die Grundlage für eine Beurteilung des Arbeitnehmers bilden, und dadurch die Gefahr begründen, sein berufliches Fortkommen zu behindern (BAG Urteil vom 31.08.1994, 7 AZR 893/93). Das BAG gewährt diesen Anspruch unabhängig davon, ob die Vorgänge dem Inhalt oder der Form nach zu Unrecht zu den Personalakten gelangt sind [vgl. BAG Urteil vom 21.05.1992, 2 AZR 551/91, NZA 1992, S. 1029 (1030)].
b)
Die Abmahnung vom 30.09.2002 verletzt weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die Ehre des Klägers. Sie enthält keine unzutreffenden Tatsachen und ebenso keine abwertenden Äußerungen.
Der Kläger hat, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein, verschiedenen Kunden anstatt Gutschriften wegen der Reklamation bei der Zeitungszustellung anzubieten, die Nachlieferung der Zeitungen veranlasst. Eine Nachlieferung der Zeitung sollte allerdings nur dann erfolgen, wenn der Kunde dies ausdrücklich wünscht.
Der Kläger hat gegen die ausdrückliche Anweisung der Beklagten gehandelt. Völlig unerheblich ist dabei, ob der Beklagten wegen der Nachlieferung höhere Kosten entstanden sind oder nicht.
Mit den Kunden war eine Gutschrift bereits vereinbart, somit eine Nachlieferung weder erwartet noch vorgesehen.
Die Abmahnung genügt inhaltlich der erforderlichen Hinweis- und Warnfunktion. Dem Kläger werden in zulässiger Art und Weise die Pflichtverstöße und die Folgen weiterer Pflichtverstöße aufgezeigt.
Die Beklagte hat das Fehlverhalten des Klägers substantiiert aufgezeigt. So stellte sie im Abmahnungsschreiben dar, wann an welchen Kunden durch den Kläger eine Nachlieferung veranlasst wurde.
Die Beklagte hat weiterhin unmissverständlich im Schreiben vom 30.09.2002 dem Kläger arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung angedroht.
Auf die arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen des Klägers reagierte die Beklagte auch zeitnah.
Die Kunden erhielten auf Veranlassung des Klägers im August bzw. September 2002 Nachlieferungen.
Die gebotene Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat vorliegend ebenfalls nicht zur Folge, dass die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist.
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der als Übermaßverbot zur Vermeidung schwerwiegender Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Verstößen zu verstehen ist, hat der Arbeitgeber zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligen will oder ob er deswegen eine Abmahnung erhalten will.
Die Abmahnung ist nicht unverhältnismäßig im Vergleich zu dem beanstandeten Verhalten des Klägers. Sie fügt dem Kläger keine Nachteile zu.
Nur mit dem Rechtsinstitut der Abmahnung konnte die Beklagte dem Kläger unmissverständlich aufzeigen, welche Pflichtverletzungen durch ihn begangen wurden und welche Folgen weiteres Fehlverhalten hat. Das Verhalten des Klägers kann nicht als geringfügige Bagatelle eingestuft werden. Es kann dazu führen, dass die Beklagte Kunden verliert und Kosten verursacht werden, die vermeidbar sind.
c)
Die Abmahnung ist auch nicht mangels vorheriger Anhörung des Klägers unwirksam. Die Beklagte musste den Kläger nicht vor Aufnahme der Abmahnung in die Personalakte anhören. Ein solcher Anspruch folgt weder aus Gesetz, Arbeitsvertrag oder vertraglicher Nebenpflicht.
Das Recht zur vorherigen Anhörung ist auf die Arbeitsverhältnisse beschränkt, die in den Anwendungsbereichen entsprechender tariflicher Bestimmungen fallen.
Aufgrund der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sowohl eine Gegendarstellung zur Personalakte zu reichen, als auch der Möglichkeit, die Abmahnung gerichtlich prüfen zu lassen, entfällt eine Anhörungspflicht des Arbeitgebers.
Die Anhörungspflicht soll bezwecken, dass sich der Arbeitgeber mit der Gegendarstellung des Arbeitnehmers auseinandersetzt. Diese Auseinandersetzung muss der Arbeitgeber ggf. auch dann vornehmen, wenn eine Abmahnung bereits zur Personalakte genommen wurde. Auf den Zeitpunkt der Auseinandersetzung kommt es überhaupt nicht an.
Die etwaige nachträgliche Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte führt auch nicht zu einer Lücke in der chronologischen Ordnung in der Personalakte und damit zu nachteiligen Spekulationen (so Arbeitsgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 7. April 1999, 6 Ca 61/99 in DB 2000, 146-147).
Diejenigen, die in aller Regel Abmahnung erteilen, treffen auch Personalentscheidungen. So ist es völlig unerheblich, ob eine Abmahnung schriftlich erteilt und zur Personalakte genommen wird, oder eine auch der Hinweis- und Warnfunktion entsprechende mündliche Abmahnung vorgenommen wird. In Vergessenheit gerät jedenfalls eine Auseinandersetzung um eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung beim Arbeitgeber nicht.
Bedenklich ist auch, dass die Rechtsprechung eine Anhörungspflicht des Arbeitgebers vor dem Ausspruch von Kündigungen (außer bei Verdachtskündigungen) nicht kennt, aber für ein weitaus weniger einschneidendes Rechtsinstitut nunmehr konstruiert wird.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit § 91 ZPO. Danach hat der Kläger als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Für den gemäß § 61 Absatz 1 ArbGG festzusetzenden Streitwert wurde eine Bruttomonatvergütung in Ansatz gebracht.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger Berufung eingelegt werden. Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Berufung ist beim Landesarbeitsgericht Brandenburg, Zeppelinstr. 136, 14471 Potsdam, einzulegen.
Die Berufungsschrift muss von einer bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwältin oder einem solchen Rechtsanwalt unterzeichnet werden; an ihre/seine Stelle können auch Vertreterinnen oder Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind; Mitglieder von Gewerkschaften oder Arbeitgebervereinigungen können sich auch durch Vertreterinnen und Vertreter eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.
Die Berufung kann auch durch Bevollmächtigte unterzeichnet sein, die als Angestellte juristischer Personen handeln, deren Anteile sämtliche im wirtschaftlichen Eigentum einer Gewerkschaft oder einer Arbeitgebervereinigung stehen. Voraussetzung ist dann aber, dass die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt und dass die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Die Anteile der juristischen Person müssen dabei nicht notwendig im wirtschaftlichen Eigentum des Verbandes stehen, dem die Partei angehört. Es ist ausrechend, wenn sie einem anderen Verband oder Zusammenschluss mit vergleichbarer Ausrichtung angehören.
Die Berufungsschrift muss innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat nach Zustellung des Urteils beim Landesarbeitsgericht Brandenburg eingegangen sein, bei fehlender oder fehlerhafter Urteilszustellung spätestens fünf Monate nach Verkündung. Dabei ist zu beachten, dass bei einer Zustellung durch Niederlegung bei der Post die Frist bereits mit der Niederlegung in Lauf gesetzt wird, als nicht erst mit der Abholung der Sendung. Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag vermerkt.
Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils in gleicher Form schriftlich zu begründen. Die Begründungsfrist beginnt spätestens fünf Monate nach Verkündung der Entscheidung.