09.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070831
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 07.07.2003 – 7 Sa 631/03
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 7 Sa 631/03
7 Ca 3624/02 NR
Verkündet am: 07.07.2003
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 07.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. D. als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter H. und P. für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 10.03.2003 verkündet am 07.04.2003 - 7 Ca 3624/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu leisten.
Der Beklagte war in der Firma des Klägers als Aushilfsfahrer beschäftigt. Am 25.03.2002 war der Beklagte mit dem LKW des Klägers, .. 8.224, amtliches Kennzeichen ..-.. 82 in Belgien (Laarne) unterwegs. Um 12.51 Uhr tankte er auf der dortigen Esso-Station statt Diesel Super. Beim folgenden Betrieb des LKW trat aufgrund Verwendung des falschen Treibstoffes ein Motorschaden auf dessen Behebung 4.849,15 EURO kostete; hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten Rechnung wird auf Blatt 3 ff. d. A. Bezug genommen.
Der Kläger hat vorgetragen,
der Beklagte habe zunächst sein Einverständnis erklärt, die Rechnung ratenweise von seinem Lohn einzubehalten. Später sei er aber von diesem Zugest ändnis abgerückt. Nachdem er bereits die erste Rate gezahlt habe, habe er per Mahnbescheid diese vom Kläger zurückgefordert. Infolge eines Versehens des Klägers sei es gegen diesen zu einem Versäumnisurteil gekommen, so dass er zunächst zur Rückzahlung verpflichtet worden sei. Die Schadensverursachung sei grob fahrlässig erfolgt. Der Beklagte sei nicht übermüdet gewesen. Soweit er Tachoscheiben des Fahrzeugs ..-.. 82 vom 24. und 25.03. vorgelegt habe, betreffe lediglich eine Scheibe den Beklagten. Am 24.03. sei das Fahrzeug lediglich vom Beklagten gelenkt worden. Am 25.03. sei es lediglich von 22.30 Uhr bis 02.00 Uhr in etwa bewegt worden. Lenkzeiten seien nicht überschritten worden. Die streitgegenständlichen Zapfsäulen (vgl. die vom Kläger zur Akte gereichten Ablichtungen Blatt 23 d. A.) wiesen in Großbuchstaben die Aufschrift Diesel auf, so dass der Beklagte ohne weiteres den richtigen Treibstoff habe tanken können. Außerdem sei der Beklagte aufgrund seines in der Vergangenheit erlittenen Herzinfarkts ständig gefragt worden, ob er sich die Übernahme der betreffenden Arbeit überhaupt zutraue.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.849,15 EURO zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen,
es möge zwar sein, dass der geltend gemachte Schaden von einer Falschbetankung herrühre. Dennoch treffe ihn eine Haftung nicht, weil er allenfalls leicht fahrlässig gehandelt habe. Er sei erst am Morgen des 25.03.2002 gegen 07.00 Uhr nach einer mehr als zehnstündigen Fahrt zur Betriebsstelle zurückgekehrt. Er sei zugleich wieder beauftragt worden, die Fahrt nach Vetteren/Belgien anzutreten. Zum Zeitpunkt der Betankung sei er nahezu 16 Stunden bei nur eineinhalbstündiger Ruhepause unterwegs gewesen. Dementsprechend habe er die einzuhaltenden Lenkzeiten um ein vielfaches überschreiten müssen. An der Tankstelle habe es keine gesonderten Dieselzapfsäulen für LKWs gegeben, so dass er die Zapfsäulen vom PKW aufzusuchen gehabt habe. Überdies habe die fremdsprachige Beschriftung der Zapfsäulen zu einer völligen Verwirrung geführt. So sei infolge der Übermüdung und der anderen Umstände die mögliche Falschbetankung allenfalls mit leichter Fahrlässigkeit geschehen. Ein Haftungsanspruch könne ihm gegenüber daraus nicht hergeleitet werden.
Das Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - hat den Beklagten daraufhin durch Urteil vom 10.03.2003 - 7 Ca 3624/02 -verurteilt, an den Kläger 3.232,77 EURO zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen.
Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 39 bis 45 der Akte Bezug genommen.
Gegen das ihm am 11.04.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch am 05.05.2003 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet.
Der Beklagte wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, ihm sei keineswegs, zumindest grobe Fahrlässigkeit, zur Last zu legen. Er sei nur gelegentlich als Aushilfsfahrer mit Transportfahrzeugen tätig, für die eine Fahrerlaubnis der Klasse 3 ausreichend gewesen sei. Trotz überschreiten des Rentenalters sei der Berufungskläger nur deshalb arbeitstätig geworden, weil er auf die damit erlangten Einkünfte wegen einer nur bescheidenen Rente und im Hinblick auf seine schwerfällig bedürftige Ehefrau angewiesen gewesen sei. Allein der Umstand, dass eine Falschbetankung gegeben sei, sage zudem nichts über den Grad des Verschuldens. Schließlich fehle es an der Kausalität. Denn nach der von ihm vorgenommenen Falschbetankung habe der Berufungskläger bis zum Ziel in Belgien nur noch eine Fahrstrecke von 8 Kilometern zurückgelegt und das Fahrzeug gegen 12.30 Uhr abgestellt. Er habe sodann den Berufungsbeklagten telefonisch über das eingetretene Missgeschick unterrichtet, wobei der Berufungsbeklagte die Abholung des Fahrzeugs veranlasst habe. Danach habe der Berufungskläger das Fahrzeug nicht mehr bewegt. Aufgrund dieses Verhaltens hätte der irrtümlich falsch eingeführte Kraftstoff abgesaugt und die Benzinleitung mit einem Kostenaufwand von maximal 500,00 EURO gereinigt werden können.
Der Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, der Beklagte habe das Fahrzeug am 25.03. bei Kilometer 59653 gegen 07.30 Uhr übernommen. Die letzte Eintragung auf die Tachoscheibe finde sich um 12.30 Uhr bzw. kurz nach 13.00 Uhr. Dies sei genau das Datum und die Uhrzeit gewesen, an dem die Falschbetankung erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 07.07.2003.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis ebenso wie in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Verurteilung des Beklagten zum anteiligen Schadensersatz in Höhe von 3.232,77 EURO verlangen kann.
Der dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer zugefügte Schaden, der entweder durch die oder gelegentlich der Arbeitsleistung bzw. infolge Ausfalls der Arbeitsleistung durch eine vertragswidrige Verletzung entstanden ist, ist von diesen nach den zunächst gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung, jetzt nach Maßgabe der §§ 280 ff., 241 Abs. 2 BGB Neue Fassung zu ersetzen.
Danach haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich in vollem Umfang f ür alle von ihm verursachten und zu vertretenen Schädigungen des Arbeitgebers. Dieser scheint aber unbillig, weil wegen der Dauerhaftigkeit der Arbeitsleistung sich gelegentliche Fehler nicht vermeiden lassen und der Arbeitnehmer folgt bestimmte Arbeiten innerhalb der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers leistet. Zudem schuldet er vertraglich keinen Leistungserfolg, sondern lediglich eine Leistungshandlung; das dafür bezogene Arbeitsentgelt vergütet das Handeln, nicht aber die Übernahme eines Risikos (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz), Handbuch Arbeitsrecht, 3. Auflage 2002 (DLW-Dörner), C Rz. 500). Deshalb ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG (vgl. 24.11.1987 AP-Nr. 16, 17 zu § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit, der die Kammer folgt, ein Schaden, den ein Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Arbeit nicht grob fahrlässig verursacht hat, bei Fehlen einer individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarung über weitergehende Haftungserleichterung grundsätzlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotenmäßig zu verteilen. Dabei sind die Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgrundsätzen gegeneinander abzuwägen. Solange dem Arbeitnehmer eine "normale Fahrlässigkeit" vorzuwerfen ist, m üssen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den Schaden teilen. In welcher Höhe der Arbeitnehmer den Schaden zu zahlen hat, hängt vom Einzelfall ab (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 19.06.2001 - 5 Sa 391/01 -; vgl. DLW-Dörner C Rz. 506). Zu Lasten des Arbeitgebers (vgl. § 254 BGB) kann ins Gewicht fallen, dass der Schaden in einer den Rückgriff des Versicherers ausschließenden Weise hätte versichert werden können.
Selbst bei grober Fahrlässigkeit kann nach Rechtsprechung der Rechtsprechung des BAG (12.10.1989 EzA § 1 BGB Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 23), wenn es sich um betrieblich veranlasste Tätigkeiten handelt, eine Haftungserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifen. Denn auch dann kann gegenüber dem Verschulden des Arbeitnehmers das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko ins Gewicht fallen und zu einer möglicherweise nicht unerheblichen Herabsetzung der Schadensersatzpflicht führen. Die Entscheidung darüber ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu treffen. Dabei kann entscheidend sein, ob der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der jeweiligen Tätigkeit steht. Dies kommt z. B. in Betracht, wenn Arbeitnehmer teure Fahrzeuge des Arbeitgebers zu führen oder wertvolle Maschinen zu bedienen haben (vgl. DLW-Dörner a.a.O. C Rz. 511 ff. m.w.N.). Dabei ist das Kriterium der Gefahrgeneigtheit der Arbeit seit der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 12.06.1992 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 58) nicht mehr maßgeblich. Denn bei der Haftung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber zugefügte Schäden innerhalb betrieblicher Tätigkeiten müssen die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses und die Wertung des Grundgesetzes berücksichtigt werden. Für die Bestimmung der Haftungsquote bei mittlerer Fahrlässigkeit sind deshalb zahlreiche Umstände maßgeblich:
Zu berücksichtigen sind der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch könnten unter Umständen die persönlichen Lebensverhältnisse des Arbeitnehmers wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten zu berücksichtigen sein. Dieser Katalog ist für weitere Kriterien offen, denn die Umstände, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist, könnte im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Schadensursachen nicht abschließend bezeichnet werden (vgl. Peifer ZfA 1996, 70 ff.; Busemann, die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten Rz. 39 ff.). Bei hohen Schadenssummen kann die Haftung unbillig sein; auch das Arbeitsentgelt kann Aufschluss darüber geben, ob das Schadensrisiko angemessen vergütet wird.
Dabei teilt die Kammer im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten die Einschätzung durch das Arbeitsgericht, dass dem Beklagten vorliegend zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist. Unabhängig davon, wie lange der Beklagte im Besitz eines LKW-Führerscheins ist, weiß jeder Kraftfahrer, in welchem Fahrzeug er unterwegs ist und welchen Treibstoff dieses Fahrzeug benötigt. Zudem sind generell die Beschriftungen der Zapfsäulen Diesel so deutlich und groß, dass ein Verwechseln praktisch ausgeschlossen ist. Wegen der offensichtlichen Möglichkeit der richtigen Verhaltensweise ist davon auszugehen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, dass der Beklagte in besonders großem Maße gegen seine allgemeine Sorgfaltspflicht verstoßen hat, so dass ohne weiteres die Annahme grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt ist.
Soweit das Arbeitsgericht gleichwohl eine Schadensbegrenzung auf 2/3 des eingetretenen Schadens als gerechtfertigt angesehen hat, folgt die Kammer auch diesen Ausführungen. Soweit es um eine Haftungsreduzierung überhaupt geht, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst, weil der Kläger die teilweise Klageabweisung akzeptiert hat. Andererseits rechtfertigen die vom Arbeitsgericht angenommenen Umstände, insbesondere die Tatsache, dass der Beklagte offensichtlich hauptsächlich Rente bezieht und weitere Tätigkeiten lediglich zur Aufbesserung seines Lebensunterhaltes entfaltet, keine weitergehende als die vorgenommene Haftungsbeschränkung. Konkrete, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachen, die im Interesse des Beklagten eine weitergehende Haftungsbeschränkung rechtfertigen könnten, lassen sich seinem Sachvortrag nicht entnehmen.
Auch das Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhaltes. Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung die Auffassung vertritt, die Annahme grober Fahrlässigkeit sei nicht gerechtfertigt, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar. Auch im Berufungsverfahren werden keinerlei Tatsachen vorgetragen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Dabei ist es nach Auffassung der Kammer völlig unerheblich, ob der Beklagte nur gelegentlich als Aushilfsfahrer mit Transportfahrzeugen tätig ist. Die soziale Situation ist mit der Haftungsreduzierung auf 2/3 desweiteren ausreichend berücksichtigt. Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren die Kausalität seines Fehlverhaltens für den eingetretenen Schaden in Abrede gestellt hat, ist sein Sachvortrag für die Kammer unverständlich. Soweit der Beklagte behauptet, er habe die Falschbetankung bemerkt und sodann den Kläger davon verständigt, deutet das daraufhin, dass der von ihm behauptete Anruf erfolgte, bevor der Schaden eingetreten war. Insoweit ist aber völlig unverständlich, was dann den Kläger hätte veranlasst haben sollen, in Kenntnis der Falschbetankung selbst oder durch einen Mitarbeiter den eingetretenen Schaden zu verursachen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.