14.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122497
Verwaltungsgericht Neustadt: Beschluss vom 25.07.2012 – 4 L 625/12.NW
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 L 625/12.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Beschluss vom 25.07.2012
Az.: 4 L 625/12.NW
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse
Beschluss
In dem Verwaltungsrechtsstreit
XXX
wegen Nutzungsuntersagung
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 25. Juli 2012, an der teilgenommen haben XXX beschlossen:
Der Antrag des Antragstellers auf Widerherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Juni 2012 wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus mit Garage bebauten Grundstücks A-Weg ... in A-Stadt. Entlang und hinter der Garage befinden sich zwei Volieren, die der Antragsteller zusammen mit einem Teil der Garage seit dem Frühjahr 2012 zur Brieftaubenhaltung mit mehr als 60 Brieftauben nutzt. Den Bauantrag für die beiden Volieren lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 3. Mai 2012 ab. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein.
Das Grundstück des Antragstellers liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „………..“ der Stadt A-Stadt. Nach § 3 der textlichen Festsetzungen dürfen Nebengebäude und Garagen nur innerhalb der bebaubar ausgewiesenen Fläche errichtet werden. Im seitlichen Bauwich eines Gebäudes sind sie auch außerhalb der überbaubaren Fläche zulässig.
Nachdem sich mehrere Nachbarn über die von den Tauben des Antragstellers ausgehenden Belästigungen beschwert hatten, erließ der Antragsgegner am 25. Juni 2012 gegenüber dem Antragsteller eine für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagungsverfügung nebst Zwangsgeldandrohung in Höhe von 1.000 € und setzte Kosten in Höhe von 171 € für die Verfügung fest. Dem Antragsteller wurde eine Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung für das Entfernen der Brieftauben von dem Grundstück eingeräumt.
Dagegen legte der Antragsteller am 29. Juni 2012 Widerspruch ein, woraufhin der Antragsgegner mit Schreiben vom 9. Juli 2012 die Frist für das Entfernen der Brieftauben vom Grundstück um zwei weitere Wochen verlängerte.
Der Antragsteller hat am 12. Juli 2012 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er führt aus, er halte auf dem Grundstück 11 Pärchen Zuchttauben, die nicht zum Freiflug kämen sowie insgesamt 44 Jungtauben, die bis Juli gemeinsam morgens und abends je ca. 1 Stunde zu Trainingszwecken zu Freiflügen aufgelassen würden. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei rechtswidrig, insbesondere liege keine materielle Illegalität vor. Von anhaltenden unzumutbareren Belästigungen und Störungen der Nachbarn könne keine Rede sein. Die wiedergegebenen angeblichen Beobachtungen von den Nachbargrundstücken aus stellten nur Momentaufnahmen dar und könnten über anhaltende unzumutbare Belästigungen keinerlei repräsentative und belastbare Auskunft geben. Verschmutzungen seien deshalb nicht anzutreffen, weil Verkotungen durch Brieftauben so gut wie ausgeschlossen seien. Denn Brieftauben würden erst nach ihrem Freiflug gefüttert. Sie setzten nur in absoluten Ausnahmefällen ihren Kot während der Freiflugphase bzw. abendlichen einstündigen Trainingsphase ab und ansonsten erst nach ihrer Rückkehr im Schlag.
Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei auch unverhältnismäßig. Mehrere der betroffenen Brieftauben befänden sich aktuell noch in der Brutzeit, zum Teil seien bereits Jungtiere geschlüpft, die erst wenige Tage alt seien. Während der Brut- und Jungtierzeit sei eine Versetzung der Brieftauben nicht möglich, ohne dass sowohl die Brut als auch die Jungtiere erheblich gefährdet und beeinträchtigt oder den Tod finden würden. Es drohten daher irreparable Schädigungen. Abgesehen davon müsste zur Sicherstellung einer artgerechten Versetzung auch eine artgerechte Unterbringung der Tauben gewährleistet werden, was innerhalb eines so kurzen Zeitfensters nicht möglich sei, sondern erheblich mehr Zeit bedürfe.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung sei rechtswidrig, weil sich ihre Begründung in formelhaften Ausführungen erschöpfe, die nicht ansatzweise geeignet seien, das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug in einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung zu begründen
Der Antragsgegner ist dem Vorbringen des Antragstellers entgegen getreten.
II.
Das vorläufige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, mit dem er die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ziffer 1 des Bescheids des Antragsgegners vom 25. Juni 2012 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffern 2 bis 4 der genannten Verfügung begehrt, kann keinen Erfolg haben.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die in Ziffer 1 des Bescheids vom 25. Juni 2012 verfügte Nutzungsuntersagung ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alternative Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache ist der Antrag jedoch unbegründet.
Zunächst hat der Antragsgegner entgegen der Auffassung des Antragstellers die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Verfügung vom 25. Juni 2012 in formeller Hinsicht ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
Nach dieser Vorschrift ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz AS 19, 237, 238 und Beschluss vom 3. April 2012 - 1 B 10136/12.OVG -). Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2002, 441; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. Juni 2012 - 2 B 10469/12.OVG -, juris). Bei bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagungen sind nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 5. Juli 2006 - 8 B 10574/06.OVG -), der die Kammer folgt, nicht allzu hohe Anforderungen an die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu stellen. Insbesondere bedarf es zur Begründung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug der Verfügung keiner von den Anlagen ausgehenden, konkreten Gefahren für Rechtsgüter Dritter. Dies folgt daraus, dass die sofortige Vollziehung einer (rechtmäßigen) Nutzungsuntersagung regelmäßig im besonderen öffentlichen Interesse liegt, weil sie die Rechtstreue der Bevölkerung untergrabende Vorbildwirkungen einer formell illegalen Nutzung bekämpft, dem „Schwarzbauer“ ungerechtfertigte Vorteile gegenüber dem erst nach Erteilung einer Genehmigung Nutzenden entzieht und ein Unterlaufen der präventiven Kontrolle der Bauaufsicht verhindert. Dies gilt umso mehr, als ein bloßes Nutzungsverbot den Bestand der baulichen Anlagen unberührt lässt und dem Bauherrn mangels Schaffung vollendeter Tatsachen in der Regel ohne weiteres angesonnen werden kann, bis zur Klärung der Genehmigungsfähigkeit seiner formell illegal errichteten baulichen Anlage auf deren Nutzung zu verzichten.
Nach diesen Grundsätzen genügt der Bescheid vom 25. Juni 2012 den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat zur Begründung des Sofortvollzuges ausgeführt, das besondere Vollzugsinteresse ergebe sich daraus, dass rechtswidrige Zustände unverzüglich zu unterbinden seien. Es könne nicht hingenommen werden, dass sich derjenige, der ohne Genehmigung bauliche Anlagen verändere und sie in anderer Weise als genehmigt nutze, einen Vorteil gegenüber dem rechtstreuen Bürger verschaffe, der vor einer entsprechenden Änderung seiner baulichen Anlage den Abschluss des vorgeschriebenen Genehmigungsverfahrens abwarte. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von der Antragsgegnerin angegebene Begründung inhaltlich zutreffend ist, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im Übrigen unerheblich (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. April 2012 - 1 B 10136/12.OVG -).
Auch in materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 der Verfügung vom 25. Juni 2012 rechtlich nicht zu beanstanden.
Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR 2007, 452; s. auch Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rdnr. 975). Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. Es prüft eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umst ände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind mangels Vorliegens eines Widerspruchsbescheids dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 - 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).
Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung das private Interesse des Antragstellers, dieser bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtene Ziffer 1 des Bescheids vom 25. Juni 2012 offensichtlich rechtmäßig ist und mit ihrer Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.
Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Verfügung bestehen nicht, da der Antragsteller vor Erlass des Bescheids gemäß § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - i. V. m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - mit Schreiben vom 15. Mai 2012 angehört worden ist.
In materieller Hinsicht ist die Ziffer 1 des Bescheids vom 25. Juni 2012 offensichtlich rechtmäßig.
Nach § 81 Satz 1 Landesbauordnung - LBauO - kann die Bauaufsichtsbehörde u.a. die Benutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn diese gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Nutzungsänderung verstoßen und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
Diese Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung liegen nach der allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hier vor.
Die Nutzung der Garage sowie der neu errichteten Volieren auf dem in einem reinen Wohngebiet gelegenen Grundstück A-Weg .. in A-Stadt zur Taubenhaltung ist bauaufsichtlich nicht genehmigt.
Die (teilweise) Umnutzung der Garage zur Taubenhaltung stellt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 5a LBauO dar, da für die neue Nutzung zur Tierhaltung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen als für die bisherige Nutzung zum Abstellen von Kraftfahrzeugen gelten. Die Errichtung der Volieren bedarf ebenfalls einer Genehmigung. Zwar sind die an die Garage angebauten Volieren mit den Maßen von 5,55 m x 1.05 m x 2,15 m bzw. 1,75 m x 1,69 m x 2,09 m (zusammen 18, 71 m³) nicht baugenehmigungspflichtig, da die Vorschrift des § 62 Abs. 1 Nr. 1 LBauO einschlägig ist, wonach im Innenbereich Gebäude bis zu 50 m³ umbauten Raums ohne Aufenthaltsräume genehmigungsfrei sind. Allerdings verstoßen die Volieren gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans „……..“ der Stadt A-Stadt, so dass gemäß § 69 Abs. 2 LBauO die Zulassung einer Abweichung erforderlich ist. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist regelmäßig von der Verbindlichkeit planerischer Festsetzungen für das Baugrundstück auszugehen (OVG Saarland, NVwZ-RR 2007, 581). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der zur Unwirksamkeit führende Mangel aufgrund der in dem Eilverfahren vorliegenden Unterlagen zweifelsfrei festgestellt werden kann, wie dies z.B. bei dem Fehlen der erforderlichen Ausfertigung des Bebauungsplans der Fall ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. Januar 2007 - 1 B 11307/06.OVG -). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Kammer liegt zwar nicht der Bebauungsplan im Original vor. Der Antragsgegner hat jedoch am heutigen Tage Unterlagen zu dem Bebauungsplan übermittelt, aus denen sich mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der Bebauungsplan nachträglich ordnungsgemäß ausgefertigt und anschließend öffentlich bekannt gemacht worden ist.
Die aufgenommene Nutzung verstößt damit gegen die formell-rechtliche Vorschrift des § 61 LBauO über den Genehmigungsvorbehalt, was in aller Regel zum Erlass einer Nutzungsuntersagung nach § 81 Satz 1 LBauO berechtigt (OVG Rheinland-Pfalz, BauR 1997, 103, s. auch Beschluss vom 17. Februar 2012 - 8 B 10078/12.OVG -). Das Ausreichenlassen allein der formellen Illegalität ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden, denn die Vorschriften über die Genehmigungspflicht sind durch das öffentliche Interesse an einer – vorbeugenden – Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Möglicher wirtschaftlicher Schaden dadurch, dass – bei materieller Legalität – eine rechtmäßige Nutzung zeitweise bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung nicht ausgeübt werden darf, trifft alle Baubewerber gleichermaßen.
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner die in seinem Ermessen stehende Nutzungsuntersagungsverfügung vom 25. Juni 2012 nicht allein mit der formellen Illegalität der Nutzung begründet, sondern auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit abgestellt hat. Insoweit kommt es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ebenfalls auf die materielle Rechtslage an (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. September 2003 – 8 B 11389/03.OVG –; VG Neustadt, Beschluss vom 4. Juli 2012 - 3 L 571/12.NW -, juris).
Danach gilt hier Folgendes:
Nach den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung befindet sich das Anwesen des Antragstellers ebenso wie die daran angrenzenden Wohngebäude der Nachbarn in einem reinen Wohngebiet. Gemäß § 3 Abs. 1 Baunutzungsverordnung - BauNVO - dienen reine Wohngebiete dem Wohnen. Bewohner eines reinen Wohngebiets haben danach einen Anspruch darauf, von allen Störungen freigehalten zu werden, die ein ruhiges Wohnen stören, beeinträchtigen oder erheblich belästigen können (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Auflage 2002, § 3 BauNVO Rdnr. 4). Außer Wohngebäuden sind dementsprechend ausnahmsweise nur funktional gebietsbezogene und nicht störende, d.h. insbesondere immissionsverträgliche sonstige Nutzungsarten zulässig (s. § 3 Abs. 3 und 4 BauNVO). Daneben sind nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Satz 2 der Vorschrift bestimmt weiter, dass zu diesen untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen auch solche für die Kleintierhaltung gehören. Nach Satz 3 kann im Bebauungsplan die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
Da der Bebauungsplan „………“ der Stadt A-Stadt die Zulässigkeit von Nebenanlagen weder eingeschränkt noch ausgeschlossen hat, kommt es somit maßgeblich darauf an, ob die Nutzung der Garage des Antragstellers sowie der beiden Volieren zur Haltung von Brieftauben mit § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in Einklang steht. Dies ist zu verneinen, da es sich bei der Haltung von mehr als 60 Brieftauben um eine in einem reinen Wohngebiet unzulässige Nutzung handelt.
Zwar sind Brieftauben „Kleintiere“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (s. z.B. OVG Niedersachsen, BRS 36 Nr. 49). Gemeint sind nach dem städtebaulichen Zweck der Vorschrift Kleintiere allerdings nur insoweit, als deren Haltung in den Baugebieten als Annex zum Wohnen üblich und ungefährlich ist und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengt (BVerwG, BRS 55 Nr.51, BRS 62 Nr.85; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 8 A 11802/03.OVG -). Ferner muss es sich bei Anlagen für Kleintiere um eine dem Hauptzweck untergeordnete Anlage (z.B. kleiner Stall, Vogelhaus, Zwinger) handeln. Maßgebend ist, ob zwischen der Haupt- und der Nebenanlage ein Funktionszusammenhang gegeben ist (BVerwG, NVwZ-RR 1999, 426 zu einem Taubenhaus in einem allgemeinen Wohngebiet). Der Hauptnutzung „Wohnen“ sind Nebenanlagen für Kleintierhaltung in dem Sinn dienend zu- und untergeordnet, als sich die konkrete Tierhaltung im Rahmen des für die Wohnnutzung Üblichen hält, und zwar sowohl nach der Art des Tieres als auch nach der Anzahl der Tiere. Nur dann ist es gerechtfertigt, die betreffende Tierhaltung in das städtebauliche Austauschverhältnis des „Duldens und Dürfens“ der Gebietsbewohner aufzunehmen (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 1998 - 3 S 3136/96 -, juris). Für die Beurteilung der Üblichkeit kommt es auf die allgemeinen Wohn-, Lebens- und Freizeitgewohnheiten an (König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 14 Rdnr. 24; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Juli 2005 - 1 A 10305/05.OVG -). Der Eigenart des Gebiets widerspricht eine Nebenanlage, wenn die Kleintierhaltung nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls, nach Art und Anzahl der Tiere sowie den Immissionsverhältnissen das in dem Baugebiet nach der Verkehrsanschauung übliche Maß überschreitet. Wegen des Immissionspotentials der Tierhaltung sind dafür vor allem die Lebensgewohnheiten und die Wohnerwartungen der Wohnbevölkerung im Baugebiet von Bedeutung (König/Roeser/Stock, a.a.O., § 14 Rdnr. 25).
Zu der Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Haltung von Tauben gibt es inzwischen eine umfassende Judikatur. Diese zeigt, dass unter Zugrundelegung der genannten Grundsätze nicht schematisch über eine Taubenhaltung in Form der Nutztierhaltung in dem Wohnen dienenden Baugebieten entschieden werden kann, sondern dass jeweils unter Zugrundelegung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls über die Frage der Zulässigkeit (des „Ob“) als auch über die Art und die Anzahl der Tiere (des „Wie“) zu entscheiden ist. So hat das OVG Niedersachsen (NdsVBl 2010, 50) einen Taubenschlag für 39 Tauben in einem allgemeinen Wohngebiet als eine allgemein zulässige Nebenanlage betrachtet (vgl. auch OVG Niedersachsen, BRS 47 Nr. 67 zu 25 Brieftaubenpaaren in einem allgemeinen Wohngebiet und OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2005, 524 zu 30 Rassetauben und 20 Kanarienvögeln in einem reinen Wohngebiet). Demgegenüber haben der VGH Baden-Württemberg (BRS 60 Nr. 65) ein Taubenhaus für 50 Reisebrieftauben, das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 23. März 2007 – 7 E 116/07 -, juris) die Haltung von 95 Brieftauben und das BVerwG (BauR 2000, 73) ein Taubenhauses für 50 Brieftauben jeweils in einem reinen Wohngebiet als unzulässig angesehen (vgl. auch Bay.VGH, Beschluss vom 9. November 2000 - 2 ZB 98.2281 -, juris zur Unzulässigkeit eines Taubenhauses für 170 Tauben sowie VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 1998 – 3 S 3136/96 -, juris zur Unzulässigkeit eines Taubenhauses für 80 Sporttauben jeweils in einem allgemeinen Wohngebiet).
Unter Heranziehung der vorgenannten Maßstäbe und dieser umfangreichen Rechtsprechung wird deutlich, dass die auf dem Grundstück des Antragstellers vorhandene Kleintierhaltung von über 60 Brieftauben nicht mehr als eine dem Wohnen als Hauptnutzung untergeordnete Freizeitbeschäftigung angesehen werden kann und der Eigenart des hier vorhandenen reinen Wohngebiets widerspricht.
Zwar sind die beiden Volieren nach ihrer Größe dem Wohnhaus des Antragstellers räumlich-gegenständlich untergeordnet. Die Taubenhaltung sprengt aber den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbeschäftigung. Ob dies für eine Taubenzucht in einem reinen Wohngebiet anzunehmen ist, lässt sich nicht allgemein festlegen. Dieser Umstand ist auch von der Verkehrs üblichkeit abhängig, die lokal oder regional unterschiedlich sein kann (BVerwG, NVwZ-RR 1999, 426 und NVwZ 1984, 647). Danach ist hier festzustellen, dass die Brieftaubenzucht in A-Stadt mit über 60 Tauben nicht als verkehrs- bzw. ortsüblich bezeichnet werden kann. Soweit hat der Antragsteller pauschal behauptet hat, in A-Stadt gebe es mindestens acht weitere Taubenhaltungen, zwei davon im Umkreis von 500 m von seinem Anwesen, kann er damit nicht durchdringen. Nach Angaben des Antragsgegners hat dieser nur Kenntnis von einer seit 1989 genehmigten Taubenhaltung für 40 Tauben auf einem Grundstück, das ca. 300 m vom Grundstück des Antragstellers entfernt liegt.
Die Brieftaubenhaltung des Antragstellers widerspricht auch der Eigenart des festgesetzten reinen Wohngebiets. Bei diesem handelt es sich um ein gehobenes Wohngebiet mit Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern. Nach § 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise in reinen Wohngebieten zulassungsfähige Nutzungen befinden sich lediglich in dem Anwesen A-Weg …, wo ein …….haus betrieben wird (s. google.maps). Die Taubenhaltung mit über 60 Tieren, die mehrere Stunden pro Tag frei fliegen, ist mit Belästigungen verbunden, die angesichts der Zahl der gehaltenen Tiere von den benachbarten Anwohnern des reinen Wohngebiets nicht hingenommen werden müssen. Es ist allgemeinkundig und bedarf deshalb keiner vorhergehenden Beweiserhebung, dass Tauben gurren und beim Verlassen des und bei der Rückkehr zum Taubenschlag Geräusche verursachen. Dies konnten Mitarbeiter des Antragsgegners beim Ortstermin am 17. April 2012 im Garten der Nachbarn des Anwesens A-Weg ... in A-Stadt wahrnehmen (s. Blatt 13 der Verwaltungsakte). Daneben stellten sie im Garten der Nachbarn einen ständigen Federn-/Flaumflug fest. Zum Schutz vor den Federn hatten die Nachbarn vor ihrem Schlafzimmerfenster einen Fliegendraht angebracht. Die Haltung einer Zahl von über 60 Tauben führt danach offenkundig unvermeidbar dazu, dass die benachbarten Häuser und Grundstücke nicht nur geringf ügig beeinträchtigt werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2007 – 7 E 116/07 -, juris; OLG Celle, NJW-RR 1989, 783, wonach das Maß des dem Nachbarn Zumutbaren bei der Haltung von 30 Tauben auf dem Nachbargrundstück überschritten sein dürfte, auch wenn die Tauben nur stundenweise frei fliegen dürfen). Daneben gehört auch der Kot der Brieftauben zu den die Nachbarschaft belästigenden Auswirkungen der Brieftaubenhaltung. Es mag sein, dass Verschmutzungen durch Tauben in der Regel in unmittelbarer Nähe des Schlages auftreten. Brieftauben verlassen im Gegensatz zu Wildtauben grundsätzlich sofort die Umgebung des Schlages, den sie nach ihrer Rückkehr umgehend wieder aufsuchen. Sie werden auch dadurch dressiert, dass sie den Schlag hungrig verlassen und die Fütterung erst nach dem Freiflug erfolgt. Tauben, die zu spät einspringen, bekommen weniger Futter und werden so daran gewöhnt, unmittelbar in den Schlag einzuspringen (VG Neustadt, Urteil vom 13. März 2006 - 3 K 1127/05.NW - m.w.N.). Nach der vom Antragsteller vorgelegten - auch vom OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 23. März 2007 - 7 E 116/07 -, juris und vom VG Braunschweig in seinem Urteil vom 7. Oktober 2005 - 2 A 265/04 -, juris wiedergegebenen - gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. med. vet. J. Kösters, Oberschleißheim, vom 28. Oktober 1999 verursachen Brieftauben aber auch im Flug Verunreinigungen. Zwar setzen gesunde Tauben ihren Kot zu 95 % (nur) dann ab, wenn sie festen Boden unter den Füßen haben (vgl. auch die vom Antragsteller zur Gerichtsakte gereichte Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Ernährung, Landwirtschaft und Landentwicklung vom 23. Januar 1987). In 5 % der Fälle ist dies selbst bei gesunden Tauben nach der gutachterlichen Stellungnahme aber dann nicht der Fall, wenn sie ihren Darminhalt (der vom Kot zu unterscheiden sei) in Schrecksituationen absetzen. Zu den Schrecksituationen zählte der Gutachter in einem reinen Wohngebiet ganz gewöhnliche Gegebenheiten, nämlich unbekannte Objekte im Anflugbereich zum Schlag, wie z.B. wehende Wäschestücke auf einer Leine oder helle Tischtücher. Hinzu tritt, dass Tauben auch auf Nachbargrundstücken „Boden unter den Füßen“ erlangen können. Dass es vorliegend tatsächlich zu Verkotungen auf den Nachbargrundstücken kommt, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. In der Verwaltungsakte befinden sich zahlreiche von den Bewohnern der angrenzenden Grundstücke aufgenommene Lichtbilder, die belegen, dass die Brieftauben des Antragstellers die Nachbaranwesen verunreinigen (s. Blatt 44 – 46 der Verwaltungsakte).
Belästigungen entstehen ferner durch die Geräusche beim Flügelschlagen eines Schwarms fliegender Tauben. Nach Angaben des Antragstellers lässt er 44 Jungtauben morgens und abends zu Trainingszwecken je eine Stunde zu Freiflügen auf. Demgegenüber haben die Nachbarn des Antragstellers in ihren Schreiben an den Antragsgegner ausgeführt, die Tauben würden zu unterschiedlichen nicht berechenbaren Zeitpunkten morgens und/oder mittags und/oder abends kleinere und größere Taubengruppen aufsteigen und stundenlang unter Bedrohung von Gartengeräten fliegen (s. Schreiben der Eheleute B vom 22. Juli 2012, Blatt 55 der Gerichtsakte; Schreiben der Eheleute C vom 18. Juli 2012, Blatt 48 der Gerichtsakte, s. auch deren Schreiben vom 9. Mai 2012, Blatt 19 der Verwaltungsakte sowie das Lichtbild auf Blatt 51 der Verwaltungsakte, auf dem insgesamt 53 Tauben über dem Anwesen fliegen bzw. auf dem Dach sitzen). Nach den Feststellungen des Antragsgegners bei der Ortsbesichtigung am 19. April 2012 flogen die Tauben für die Dauer von etwa einer Stunde über den Grundstücken des Antragstellers und der Nachbarn. Immer wenn die Tauben sich hätten ausruhen wollen, habe der Antragsteller mit dem Stahlbesen auf einen Gegenstand geschlagen, damit die Tauben weitergeflogen seien (s. den Aktenvermerk auf Blatt 13 der Verwaltungsakte). Offenbar hat der Antragsteller seine Tauben daher (noch) nicht so gut erzogen, dass sie - wie bei dressierten Sporttauben üblich - den Schlag sofort verlassen, in die freie Landschaft fliegen und bei ihrer Rückkehr sofort in den Taubenschlag zurückkehren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. September 1998 – 3 S 3136/96 -, juris). Auf den Lichtbildern auf Blatt 47 und 49 der Verwaltungsakte ist auch zu erkennen, dass sich die Tauben des Antragstellers zahlreich auf den Dächern der Nachbarn niedergelassen haben.
Im Ergebnis stellt sich die Brieftaubenhaltung des Antragstellers somit als nicht gebietstypisch für ein reines Wohngebiet dar und ist in der konkreten Ausgestaltung bauplanungsrechtlich unzulässig. Aus den oben zitierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen wird allerdings deutlich, dass auf dem Grundstück des Antragstellers eine Kleintierhaltung von Brieftauben hinsichtlich ihrer Zahl in eingeschränktem Umfang nicht von vornherein unzulässig sein dürfte. Die Kammer braucht sich mit der Frage, wie viele Brieftauben vorliegend bauplanungsrechtlich ohne Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zulässig sind, jedoch nicht näher zu befassen, da der Antragsgegner eine Beschränkung der Taubenzahl in der Verfügung vom 25. Juni 2012 einerseits nicht vorgenommen hat (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 8 A 11802/03.OVG - zur Papageienhaltung in einem Wohngebiet sowie OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 2. Oktober 2006 - 8 A 11048/06.OVG - zur Haltung von mehr als 20 Stück Geflügel in einem Dorf- oder Mischgebiet) sowie andererseits eine evidente Genehmigungsfähigkeit der aktuellen Nutzung mit über 60 Brieftauben nicht vorliegt. Die Prüfung der Frage, wie viele Brieftauben der Antragsteller auf seinem Grundstück halten darf, damit noch von einer gebietstypischen Nutzung gesprochen werden kann, ob gegebenenfalls die Volieren mit Schallschutz zu versehen sind, ob eine Beschränkung der Flugzeiten überhaupt geeignet ist, die Wohnruhe in dem reinen Wohngebiet hinreichend zu schützen, muss dem neuerlichen Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben, das der Antragsteller gemäß seiner Mitteilung vom heutigen Tage inzwischen eingeleitet hat.
Der Antragsgegner hat sein Ermessen zum Erlass einer Verfügung, gegen die Taubenhaltung auf dem Grundstück des Antragstellers vorzugehen, in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Es sind keine Ermessensfehler erkennbar.
Da aktuell ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 BauNVO vorliegt, weil es sich bei der Taubenhaltung des Antragstellers nicht um eine in einem reinen Wohngebiet zulässige Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO handelt, können sich die anliegenden Nachbarn des Antragstellers auf den sog. Gebietserhaltungsanspruch berufen. Danach wird ein Nachbar in seinen Rechten verletzt, wenn in einem durch Bebauungsplan festgesetzten (oder in einem faktischen) Baugebiet ein seiner Art nach gebietsuntypisches Vorhaben zugelassen wird. Durch die Festsetzungen des Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung - hier § 3 BauNVO - werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Der Nachbarschutz aus der Festsetzung eines Baugebiets geht weiter als der Schutz aus dem Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 1 BauNVO, der voraussetzt, dass der Nachbar in unzumutbarer Weise konkret in schutzwürdigen Interessen betroffen wird. Auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat der Nachbar einen Anspruch auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Abwehranspruch wird daher grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich- rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, NJW 1994, 1546; NVwZ-RR 1997, 463; BauR 2000, 1019). Es kommt vorliegend daher nicht darauf an, welche Immissionen im Einzelnen von der Nutzung der über 60 Tiere umfassenden Taubenhaltung des Antragstellers ausgehen.
Das der Bauaufsichtsbehörde in § 81 Satz 1 LBauO eingeräumte Ermessen, ob sie die Nutzung einer dem formellen und materiellen Baurecht widersprechenden baulichen Anlage untersagt, ist regelmäßig auf Null reduziert, wenn das Bauvorhaben - wie hier - gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt (s. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26. April 2007 - 8 B 10359/07.OVG -; Lang in: Jeromin/Lang/Schmidt, LBauO RP, 3. Auflage 2012, § 81 Rdnr. 48). Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend etwas anderes gelten könnte, sind nicht ersichtlich.
Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berufen. Soweit er gerügt hat, während der aktuellen Brut- und Jungtierzeit sei eine Versetzung der Brieftauben nicht möglich, ohne dass sowohl die Brut als auch die Jungtiere erheblich gefährdet und beeinträchtigt oder den Tod finden würden, führt dies nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung. Aus dem Umstand, dass das öffentliche Baurecht grundstücksbezogen ist (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2008, 164; OVG Saarland, Beschluss vom 18. März 2003 – 1 W 7/03 –, juris), folgt, dass eine bauaufsichtliche Verfügung nicht deshalb ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig ist, weil die Bauaufsichtsbehörde persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen oder möglicherweise tierschutzrechtlich relevante Gesichtspunkte nicht in die Ermessensentscheidung eingestellt hat. Geht die Bauaufsichtsbehörde auf diese Weise vor, ist gewährleistet, dass sie einerseits flexibel gegenüber den privaten Belangen des Betroffenen reagieren kann, ohne anderseits den zufälligen privaten Änderungen im Bereich des Betroffenen unterworfen zu sein (Lang in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 81 Rdnr. 26). Die Berücksichtigung persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse bzw. tierschutzrechtlicher Aspekte im Rahmen des Ermessens beim Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung würde im Ergebnis zu einer Privilegierung desjenigen führen, der sich baurechtswidrig verhält (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2008, 164). Denn demjenigen, der sich vor der Aufnahme einer Nutzung gesetzestreu verhält und um Erteilung einer Genehmigung nachsucht, bleibt die Möglichkeit der Berücksichtigung derartiger Umstände verschlossen, da das materielle Baurecht aufgrund seiner Grundstücksbezogenheit derartiges nicht zulässt. Damit würde derjenige, der baurechtswidrig eine Nutzung aufnimmt, im Falle der Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse beim Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung rechtliche besser gestellt als derjenige, der sich gesetzeskonform verhält und eine solche Nutzung unterlässt, wenn ihr baurechtliche Vorschriften entgegenstehen. Eine Auslegung des Gesetzes, die dazu führt, dass letztlich der rechtstreue Bürger „der Dumme“ ist, muss aber vermieden werden. Eventuell auftretende Härten für einen Betroffenen können im Rahmen eines etwaigen folgenden Vollstreckungsverfahrens geltend gemacht und die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - beantragt werden (OVG Rheinland-Pfalz, NVwZ-RR 2008, 164).
Ist damit die Nutzungsuntersagungsverfügung offensichtlich rechtmäßig, so besteht auch ein überragendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung. Das Interesse der Bewohner der benachbarten Grundstücke, von den Belästigungen der ungenehmigten Taubenhaltung des Antragstellers verschont zu werden, rechtfertigt nach Auffassung der Kammer die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Es dürfte dem Antragsteller, der spätestens seit der Anhörung im Mai 2012 Kenntnis davon hat, dass der Antragsgegner von ihm die Aufgabe der Taubenhaltung auf seinem Anwesen verlangt, möglich sein, seine Tauben an einen anderen Standort zu verbringen. Eventuelle Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang sind - wie ausgeführt - im Rahmen eines etwaigen Vollstreckungsverfahrens geltend zu machen, rechtfertigen jedoch nicht die Verneinung des besonderen Vollzugsinteresses an der Grundverfügung.
2. Keinen Erfolg haben kann der Antrag des Antragstellers auch insoweit, als er sich gegen die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 1.000 € in Ziffer 2 des Bescheids wendet. Der Antrag ist statthaft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20 des Landesgesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO - und auch ansonsten zulässig. Er ist jedoch unbegründet, da die Voraussetzungen der §§ 61, 64, 66 LVwVG hier gegeben sind.
Die Zwangsmittelandrohung entspricht insbesondere den Vorgaben des § 66 Abs. 1 Satz 3 LVwVG. Hiernach hat die Zwangsmittelandrohung zur freiwilligen Erfüllung der auferlegten Verpflichtung eine angemessene Frist zu bestimmen, vor deren Ablauf die Anwendung von Verwaltungszwang grundsätzlich unzulässig ist. Diese Frist, die gesetzlicher Bestandteil der Verhältnismäßigkeit bei der Androhung und Anwendung von Verwaltungszwang ist, soll dem Adressaten die Folgen der Nichtbefolgung der Verpflichtung vor Augen führen und ihm Möglichkeit einräumen, die Anwendung von Verwaltungszwang durch die Erfüllung der auferlegten Handlungspflichten abzuwenden und die hierfür erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Zeit umsetzen und organisieren zu dürfen (VG Neustadt, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 2 L 494/12.NW -). Die hier angegriffene Zwangsgeldandrohung in der Fassung des Schreibens vom 9. Juli 2012 enthält eine Frist von vier Wochen nach Zustellung der Verfügung und ist damit angemessen.
3. Soweit der Antragsteller zuletzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die in Ziffer 4 des Bescheids vom 25. Juni 2012 getroffene Kostenfestsetzung beantragt hat, ist dieser Antrag zwar nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthaft. Die sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO erfasst nämlich nicht nur selbständige, sondern auch mit der Sachentscheidung verbundene unselbständige Kostenanforderungen unabhängig davon, ob einem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung aufschiebende Wirkung zukommt oder nicht (OVG Thüringen, NVwZ-RR 2004, 393; Hess. VGH, NVwZ-RR 1998, 463). Der Zulässigkeit des Aussetzungsantrages des Antragstellers steht aber das Erfordernis eines vorherigen Behördenantrages nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO entgegen, wonach in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt nach Satz 2 nur dann nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht. Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, insbesondere liegt hier keine „drohende Vollstreckung“ vor. Dafür genügt noch nicht die Vollziehbarkeit der Forderung, deren Fälligkeit und die fehlende behördliche Bereitschaft zur Aussetzung der Vollziehung. Es müssen vielmehr Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet oder der Beginn der Vollstreckung behördlich angekündigt sein; wenigstens sollen aus der Sicht eines objektiven Betrachters konkrete Vorbereitungshandlungen der Behörde für eine alsbaldige Durchsetzung des Abgabenbescheids vorliegen. Dies ist hier nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 GKG i. V. m. den Ziffern 1.5 und 9.4. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.
Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation erfolgen.
Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Robert-Stolz-Str. 20, 67433 Neustadt, schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder in elektronischer Form bei dem Beschwerdegericht eingeht.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.
In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt.
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.