21.04.2006 · IWW-Abrufnummer 061117
Oberlandesgericht Bamberg: Urteil vom 29.04.2005 – 6 U 2/05
1. Die Oxidation als natürliche Veränderung eines Baustoffes im Lauf der Zeit kann - subjektiv - einen ästhetischen Mangel darstellen.
2. Zur Frage, ob ein "ästhetischer Mangel" als Sachmangel gelten kann.
OLG Bamberg, Urteil vom 29.04.2005 - 6 U 2/05
In dem Rechtsstreit XXX
wegen Schadenersatzes.
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts #### und der Richter am Oberlandesgericht Dr. #### und Dr. #### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2005 für Recht erkannt:
I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Coburg vom 14. Dezember 2004 (Anm. d. Red.: Az. 11 O 560/04) wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im April 2002 kauften die Kläger bei der Beklagten Naturschieferplatten, mit denen sie ihr Haus verkleiden ließen. Kurz nach der Anbringung zeigten sich auf dem Naturschiefer vermehrt weißliche und rötlich-braune Flecken. Die Kläger leiteten deshalb zunächst ein selbständiges Beweisverfahren ein.
Sie behaupten, die Flecken auf den Schiefersteinen stellten zumindest einen optischen Mangel dar. Für den Abriss und die Neuanbringung der Schieferfassade einschließlich der Gerüstkosten sei ein Aufwand in Höhe von 9.219,98 EUR erforderlich.
Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu Zahlung von 9.219,98 EUR zu verurteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte bestreitet, mangelhaften Schiefer geliefert zu haben. Über den Verwendungszweck der Schieferplatten sei nicht gesprochen worden und auch nicht darüber, ob es Schiefer erster oder zweiter Wahl gebe.
Das Landgericht Coburg hat die Klage unter Berufung auf das im selbständigen Beweisverfahren erholte Gutachten der LGA Nürnberg abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 16.12.2004 zugestellte Urteil haben die Kläger mit Schriftsatz vom 14.01.2005, der am selben Tag beim Oberlandesgericht Bamberg einging, Berufung eingelegt und diese mit einem am 15.02.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Kläger halten ihren erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang aufrecht. Zur Begründung führen sie aus, sie hätten Naturschiefer erster Wahl bestellt. Damit sei auch eine optisch einwandfreie Qualität Gegenstand des Kaufvertrages geworden. Das Erscheinungsbild der Schieferfassade entspreche aber nicht dem, was bei Schiefer erster Wahl zu erwarten sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet.
Das angefochtene Endurteil des Landgerichts Coburg erweist sich nach Überprüfung durch das Berufungsgericht anhand des Berufungsvorbringens sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung als in jeder Hinsicht zutreffend.
Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist ergänzend und zusammenfassend folgendes auszuführen:
Die Kläger haben keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte, weil der von dieser gelieferte Schiefer nicht mangelhaft ist.
Ein Sachmangel liegt gemäß § 434 BGB n.F. vor, wenn die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, weist die Sache Mängel auf, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet oder wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und vom Käufer nach der Art der Sache erwartet werden kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB).
Eine besondere Beschaffenheit haben die Parteien vorliegend nicht vereinbart. Auch die Kläger selbst behaupten keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung. Im Hinblick auf eine stillschweigende Vereinbarung betonen sie die Tatsache, dass sie am 07.03.2002 ?Naturschiefer I. Wahl? bestellt haben. Wie der Sachverständige, Dipl.-Chemiker #### von der LGA Bayern, bei seiner mündlichen Anhörung am 24.11.2003 ausführte, gibt es bei Schiefer aber die Bezeichnung ?I. oder II. Wahl? gar nicht. Man unterscheide lediglich verschiedene Sortierungen, z.B. eine A 1- und eine A 2-Sortierung hinsichtlich der Wasseraufnahmefähigkeit und Frostbeständigkeit der Platten. Nach diesem Kriterium sind die von der Beklagten gelieferten Platten in die A 1-Sortierung einzustufen.
Die von der Beklagten gelieferten Platten eignen sich auch für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung als Hausfassade. Wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausführte und bei seiner Anhörung bestätigte, sind die weißen und rostbraunen Flecken als sogenannte Dendriten naturbedingt. Sie bestehen aus Tonmineralien, die eisenhaltig sind, wobei die eisenhaltigen Mineralien durch Verwitterung bzw. Oxidation zu rostbraunen Flecken führen. Diese Dendriten haben jedoch keinen Einfluss auf die technischen Materialeigenschaften des Schiefers. Demgemäß stellen die Flecken keinen technischen Mangel dar und beeinträchtigen die mechanischen und physikalischen Eigenschaften der Schieferplatten nicht.
Auch ein optischer Mangel liegt nicht vor. Die Parteien haben eine Freiheit des Schiefers von Dendriten nicht ausdrücklich vereinbart. Dendriten sind naturbedingt. Ihre Ausbildung ist ein Kennzeichen von Naturschiefer. Ob man diese Dendriten schön oder hässlich findet oder ihnen neutral gegenübersteht, ist eine Geschmacksfrage.
Es ist zweifelhaft, ob die Frage, ob die Dendriten einen optischen Mangel darstellen, überhaupt dem Beweis durch einen sachverständigen Chemiker zugänglich ist. Dies kann aber letztlich dahinstehen. Der Sachverständige hatte nämlich zwar zunächst in seinem schriftlichen Gutachten aus ästhetischen Gründen einen Mangel bejaht. Bei seiner mündlichen Anhörung stellte er auf diesbezügliche Fragen jedoch klar, es gehe hier nicht um eine eventuell schlechte Qualität des Schiefers. Es könne durchaus sein, dass Schiefer der vorliegenden Art, also mit Dendriten, bei vielen Käufern beliebt sei. Seine Feststellung eines Mangels im schriftlichen Gutachten habe er auf die Angaben der Antragstellerseite gestützt, die Schieferplatten der vorliegenden Art gerade bemängelt hatte.
Tatsächlich handelt es sich, wie bereits das Landgericht Coburg zutreffend ausgeführt hat, um eine Geschmacksfrage.
Da die Parteien keine dendritenfreie Qualität des Schiefers vereinbart haben, Dendriten bei Naturschiefer nicht unüblich sind und dessen Tauglichkeit als Hausfassade nicht mindern, haben die Kläger keinen Schadensersatzanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, liegen nicht vor.