08.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141074
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 26.02.2014 – XII ZB 373/11
a)§ 1 GewSchG stellt eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar und regelt daher keinen eigenständigen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern setzt ihn voraus.
b)Die materiellrechtliche Grundlage eines nach § 1 GewSchG durchsetzbaren Anspruchs ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 1004 BGB auf die in § 1 GewSchG genannten - wie das Eigentum absolut geschützten - Rechtsgüter des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit.
c)Die Verpflichtung eines Gewalttäters zur Aufgabe einer von ihm und dem Opfer nicht gemeinsam genutzten Wohnung kann Gegenstand eines Anspruchs des Opfers entsprechend § 1004 BGB und Inhalt einer Anordnung nach § 1 GewSchG sein, wenn sich eine solche Anordnung als rechtlich nicht zu beanstandendes Ergebnis der einzelfallbezogenen Abwägung der kollidierenden Grundrechte von Gewaltopfer und -täter als verhältnismäßig darstellt.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 5. Familiensenats in Freiburg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe
I.
1
Gegenstand des Verfahrens ist eine Gewaltschutzanordnung.
2
Die Beteiligten sind miteinander verheiratet, leben aber getrennt. Die Trennung war von erheblichen Auseinandersetzungen geprägt. Es waren mehrere Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz anhängig, in denen Näherungs-, Betretungs- und Kommunikationsverbote gegen den Antragsgegner angeordnet wurden.
3
Die Antragstellerin zog im Verlauf der Trennung aus der bisherigen Ehewohnung in ein Mehrfamilienhaus um. Unter Vorspiegelung eines falschen Namens gelang es dem Antragsgegner, die direkt unter der Wohnung der Antragstellerin liegende Wohnung anzumieten. Dadurch kam es weiterhin zu Begegnungen der Beteiligten, die bei der Antragstellerin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Sie befindet sich deshalb in psychiatrischer Behandlung.
4
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht dem Antragsgegner das Betreten der Wohnung der Antragstellerin, das Herbeiführen von Begegnungen im Treppenhaus und das Aufsuchen der Antragstellerin an ihrem Arbeitsplatz verboten. Außerdem hat es ein Kontakt- und Kommunikationsverbot erlassen. Den weitergehenden Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, seinen in dem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnsitz aufzugeben, hat das Amtsgericht zurückgewiesen.
5
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter.
II.
6
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2012, 455 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet: Für die Verpflichtung eines Gewalttäters zur Aufgabe seines Wohnsitzes biete das Gewaltschutzgesetz keine Rechtsgrundlage. Auf § 1 GewSchG könne eine solche Maßnahme nicht gestützt werden, da die Sphäre des Opfers vor der nach Art. 13 GG geschützten Wohnung des Gewalttäters ende. Die vorgenannte Verpflichtung überschreite auch den Regelungsbereich des Gewaltschutzgesetzes, was sich daran zeige, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG vorgesehene Befristung bei einer derartigen Anordnung letztlich nicht möglich sei. Denn ihre Durchsetzung werde regelmäßig zu einer endgültigen Wohnungsaufgabe führen. Auch eine analoge Anwendung von § 1 GewSchG komme nicht in Betracht, da eine Verpflichtung zur Wohnsitzaufgabe eine hinsichtlich ihrer Grundrechtsrelevanz über die in § 1 GewSchG vorgesehenen Regelbeispiele hinausgehende Maßnahme darstelle. Aus § 2 GewSchG lasse sich eine solche Verpflichtung nicht ableiten, weil sich die Vorschrift lediglich auf ursprünglich von den Beteiligten gemeinsam genutzte Wohnungen beziehe. Dies gelte auch für § 2 Abs. 4 GewSchG. Da sich aus § 2 GewSchG Regelungen hinsichtlich der Wohnung eines Gewalttäters insgesamt nicht ableiten ließen, komme auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht. Soweit die Antragstellerin weitergehende Ansprüche nach §§ 823, 1004 BGB geltend machen wolle, sei ihr dies nicht verwehrt. Möglich sei dies allerdings nicht in einem Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz, sondern als sonstige Familiensache nach § 266 FamFG. Nachdem die Antragstellerin ihren Antrag aber auf das Gewaltschutzgesetz gestützt habe, sei das Amtsgericht nicht verpflichtet gewesen, den Antrag auch unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen.
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2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Die Auffassung des Beschwerdegerichts, § 2 GewSchG biete für die beantragte Maßnahme keine Rechtsgrundlage, ist allerdings nicht zu beanstanden. Die genannte Vorschrift betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut lediglich den Fall einer von Gewaltopfer und -täter ursprünglich gemeinsam genutzten Wohnung. Die Bestimmung kann daher auf den vorliegenden Fall weder direkt noch entsprechend angewendet werden.
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b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Auffassung des Beschwerdegerichts, § 1 GewSchG sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift die Verpflichtung eines Gewalttäters zur Wohnsitzaufgabe nicht erfasst.
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aa) § 1 Abs. 1 GewSchG ist hinsichtlich der zum Gewaltschutz erforderlichen Maßnahmen seinem Wortlaut nach offen gehalten. § 1 Abs. 1 Satz 3 GewSchG nennt die zulässigen gerichtlichen Maßnahmen nicht abschließend, sondern in Form von Regelbeispielen. Die Vorschrift lässt also auch andere als die ausdrücklich genannten Anordnungen zu (s. dazu BTDrucks. 14/5429 S. 28, 41).
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bb) Der Umstand, dass eine Verpflichtung zur Aufgabe des Wohnsitzes einen schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte des Verpflichteten darstellt, begründet ebenfalls keine Notwendigkeit, die Vorschrift einschränkend dahingehend auszulegen, dass sie eine solche Anordnung nicht umfasst.
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Der Gesetzgeber hat mit § 1