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12.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141667

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.04.2014 – 18 K 9709/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Düsseldorf

18 K 9709/13

Tenor:

Die am 00.00.2013 erfolgte Sicherstellung der bei dem Kläger gefundenen Geldscheine über insgesamt 4.200,00 Euro in der Gestalt der schriftlichen Sicherstellungsverfügung vom 25. November 2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Am 00.00.2013 gegen 11.05 Uhr geriet der Kläger mit dem von ihm geführten Pkw B. , amtl. Kennzeichen XX-XX 000, auf der O. L. Straße in E. -S. in eine allgemeine polizeiliche Verkehrskontrolle.

Auf die Aufforderung, Führerschein und Fahrzeugschein auszuhändigen, überreichte der Kläger einen auf den Namen K. G. ausgestellten Fahrzeugschein. Zu seinen Personalien gab er an, er heiße U. Q. und wohne in F. . Ferner erklärte er, bei der im Fahrzeugschein genannten Person handele es sich um einen Kumpel, von dem er sich das Auto geliehen habe; der Führerschein befinde sich bei ihm zu Hause. Eine Überprüfung ergab, dass unter der vom Kläger angegebenen Anschrift in F. keine Person namens U. Q. wohnhaft ist. Auf dem Beifahrersitz lag von außen erkennbar ein Mäppchen mit einem grauen Führerschein. Die Beamten nahmen diesen an sich und stellten fest, dass er auf den Namen U. Q. ausgestellt war. Auf die Frage, warum er behaupte, seinen Führerschein nicht dabei zu haben, schwieg der Kläger zunächst; schließlich räumte er ein, dass ihm seine Fahrerlaubnis wegen Drogenbesitzes entzogen worden sei und dass es sich bei dem grauen Führerschein um ein altes ungültiges Dokument handele. Er blieb jedoch dabei, dass sein Name U. Q. sei. Der Kläger wurde zwecks Identitätsfeststellung durchsucht; dabei fand sich in seiner Hosentasche ein Bargeldbetrag von insgesamt 240,00 Euro (1 x 10,00 Euro, 9 x 20,00 Euro, 1 x 50,00 Euro).

Weil sie im Fahrzeuginnenraum leichten Marihuanageruch bemerkten, durchsuchten die Polizisten den Pkw nach Betäubungsmitteln. Solche fanden sie nicht. Jedoch stießen sie im Kofferraum auf eine Sporttasche, in der sich ein Briefumschlag mit 4.200,00 Euro Bargeld (Stückelung: 10 x 100,00 Euro, 64 x 50,00 Euro) befand. Der Kläger gab an, dass er dieses Geld angespart habe und dass es für seine Freundin zum Einkaufen bestimmt sei. Noch vor Ort stellten die Beamten die 4.200,00 Euro zur Sicherung des Eigentums eines unbekannten Dritten sicher. Hierzu heißt es unter „Sachverhalt“ in der polizeilichen Strafanzeige:

„Der Beschuldigte täuschte die Beamten über seine Identität. Zwar kann das Geld jetzt keiner konkreten Straftat zugeordnet werden, jedoch liegen Indizien vor, die bei Bewertung aller Gesamtumstände darauf hindeuten, dass das Geld aus bzw. für BtM-Straftaten genutzt werden könnte bzw. wurde. Der Beschuldigte ist entsprechend polizeilich bekannt (Besitz von Ecstasy, Konsum von Marihuana, Fahren unter BtM-Einfluss). Die Vermögenssituation des Beschuldigten (4200 EUR im Kofferraum in der Sporttasche plus 240 EUR in der Hosentasche plus die Tatsache, dass der Beschuldigte zwei hochwertige Fahrzeuge auf sich zugelassen hat, B1. und Motorrad) passen nicht zu der Tatsache, dass der Beschuldigte arbeitslos sei.“

Nach einem positiv ausgefallenen Drogenvortest wurde der Kläger zur Entnahme einer Blutprobe der Polizeiwache zugeführt.

Nachdem der Kläger mehrfach die Herausgabe der 4.200,00 Euro beantragt hatte, erließ der Beklagte unter dem 25. November 2013 eine schriftliche Sicherstellungsverfügung. Zur Begründung berief er sich auf den bei der Verkehrskontrolle am 00.00.2013 festgestellten Sachverhalt. Hierzu führte er aus: Wenn auch nicht eindeutig geklärt werden könne, dass das sichergestellte Geld aus Straftaten stamme, bestehe aufgrund der Gesamtumstände dennoch der Verdacht, dass es im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz stehe. Die Behauptung des Klägers, er habe das Geld angespart und beabsichtigt, es seiner Freundin zum Einkaufen zu geben, erscheine insbesondere aufgrund der Auffindesituation und der Stückelung der Scheine, der Lebensumstände des Klägers und nicht zuletzt angesichts der polizeilichen Vorerkenntnisse zu seiner Person völlig unplausibel und diene als Schutzbehauptung. Der Kläger habe keine Arbeit und beziehe nach eigenen Angaben Leistungen nach „Hartz IV“. Allein dieser Umstand lasse erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass er in der Lage sei, einen solchen Geldbetrag zu sparen. Ferner sei er in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Straftaten der Eigentumskriminalität, Urkundenfälschung und insbesondere auch mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz in Erscheinung getreten. Zuletzt habe er bei der Verkehrskontrolle am 00.00.2013 unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln gestanden und einen Pkw ohne Fahrerlaubnis geführt. Aus diesen Gesamtumständen ergäben sich konkrete Gefahrenhinweise darauf, dass der Kläger das Bargeld, wenn es ihm wieder ausgehändigt würde, unmittelbar zur Begehung von Straftaten, konkret von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, verwenden würde. Ferner bestünden erhebliche Zweifel daran, dass er Eigentümer des Geldes sei, da der dringende Verdacht bestehe, dass dieses aus dem Handel mit Betäubungsmitteln stamme. Eine plausible Erklärung, wie er in den Besitz der Geldscheine gelangt sei, habe der Kläger nicht gegeben. Die gesetzliche Eigentumsvermutung sei daher widerlegt.

Der Kläger hat am 20. Dezember 2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Er sei IT-Techniker und lebe nicht von „Hartz IV“. Im Rahmen ihrer präventiven Tätigkeit habe die Polizei nicht die Befugnis, Geldbeträge sicherzustellen. Hierüber hätten vielmehr die Staatsanwaltschaft und die Gerichte zu befinden. Die Annahme, mit dem sichergestellten Geld würden Straftaten verübt, sei abwegig. Er müsse die Herkunft des Geldes niemandem erklären. Man lebe nicht in einem Staat, in dem die Polizei anlässlich einer Verkehrskontrolle einem Bürger Geld wegnehmen könne, auch wenn dieser Bürger einmal wegen einer Straftat, die schon etwas länger zurückliege, verurteilt worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die am 00.00.2013 erfolgte Sicherstellung der bei ihm gefundenen Geldscheine über 4.200,00 Euro in der Gestalt der schriftlichen Sicherstellungsverfügung vom 25. November 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Verwaltungsvorgang sowie auf die Verfügung vom 25. November 2013.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach‑ und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Sicherstellung der Geldscheine über insgesamt 4.200,00 Euro ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Als Ermächtigungsgrundlage kommt lediglich § 43 Nr. 1 und 2 PolG NRW in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (Nr. 1) oder um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen (Nr. 2). Keine der beiden Tatbestandsalternativen ist hier einschlägig.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass Bargeldbeträge, die zur Begehung von Straftaten, insbesondere Rauschgiftgeschäften, eingesetzt werden sollen, auf der Grundlage des § 43 Nr. 1 PolG NRW (bzw. der entsprechenden polizeirechtlichen Vorschriften der anderen Bundesländer) präventiv-polizeilich sichergestellt werden können.

Vgl. etwa OVG Bremen, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - 1 B 102/12 -, juris.

Eine solche Maßnahme ist aber nur zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Geldbetrag für illegale Geschäfte Verwendung finden soll. Der bloße Verdacht, das Geld solle in derartige Geschäfte fließen, reicht für eine präventiv-polizeiliche Sicherstellung nicht aus. Tatbestandlich erforderlich ist außerdem eine gegenwärtige Gefahr, mithin eine besondere Nähe des Schadenseintritts. Diese besondere Nähe besteht nur, wenn Tatsachen darauf hindeuten, dass die zeitnahe Begehung von Straftaten durch die Bargeldverwendung droht. Auf Grund der Besonderheiten des Sicherstellungsgegenstandes Bargeld müssen an die Gefahrenprognose strenge Anforderungen gestellt werden. Die Regelung des § 43 Nr. 1 PolG NRW ist keine Rechtsgrundlage für eine polizeirechtliche „Gewinnabschöpfung“.

Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - 1 B 102/12 -, a.a.O; ferner Söllner, Bargeld im Sicherheitsrecht, NJW 2009, 3339 ff. (3340 f.).

Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben vermag das Gericht hier nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die 4.200,00 Euro, die bei der Verkehrskontrolle am 00.00.2013 in einer Sporttasche im Kofferraum des von dem Kläger geführten Pkws gefunden wurden, bei der Begehung einer Straftat Verwendung finden sollten. Zwar lässt sich angesichts der Gesamtumstände der Verdacht nicht von der Hand weisen, dass der Kläger gerade unterwegs war, um ein Rauschgiftgeschäft abzuwickeln. Die insofern bestehende Verdachtslage ist jedoch „zu dünn“, um die gesicherte Schlussfolgerung auf das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 43 Nr. 1 PolG NRW zu erlauben. Sie lässt sich im Wesentlichen dahingehend zusammenfassen, dass der Kläger als Straftäter und BtM-Konsument polizeilich bekannt ist und Leistungen nach „Hartz IV“ bezieht. Angesichts der zahlreichen - auch legalen ‑ Möglichkeiten, für die das Geld hätte Verwendung finden können, genügt dies für sich gesehen für eine Sicherstellung nicht. So mag es etwa sein, dass der Kläger tatsächlich, wie von ihm behauptet, den Betrag seiner Freundin zum Einkaufen zur Verfügung stellen wollte. Man kann dies glauben oder nicht; als völlig lebensfremd und damit von vornherein unbeachtlich lässt sich diese Behauptung jedenfalls nicht abtun. Ferner ist der Kläger dem Gericht aus anderen Verfahren als Liebhaber von „Kampfhunden“ bekannt; es kann folglich nicht ausgeschlossen werden, dass das Geld in ein diesbezügliches Geschäft investiert werden sollte (was keinen Straftatbestand erfüllen würde). Die verdeckenden Angaben zu seinen Personalien im Rahmen der polizeilichen Verkehrskontrolle lassen sich zwanglos darauf zurückführen, dass der Kläger den Pkw ohne gültige Fahrerlaubnis und unter BtM-Einfluss geführt hatte. Den Erfahrungssatz, dass jemand, der Leistungen nach „Hartz IV“ bezieht, nicht legal in den Besitz von 4.200,00 Euro kommen könne, teilt das Gericht in dieser Allgemeinheit nicht. Abgesehen davon kommt es im vorliegenden Zusammenhang auch nicht darauf an, ob der Kläger das Geld legal erworben hat. So ist es etwa denkbar, dass er seine Einkommensverhältnisse durch „Schwarzarbeit“ aufgebessert hat, was zwar nicht legal wäre, aber dennoch nicht die präventiv-polizeiliche Sicherstellung rechtfertigen würde. Letztlich sind, wie die genannten Beispiele zeigen, sämtliche Überlegungen spekulativ. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Zwar sind einige wahrscheinlicher als andere; bloße Wahrscheinlichkeiten genügen im Rahmen des § 43 PolG NRW aber nicht.

Aus den gleichen Gründen liegen auch die Voraussetzungen des § 43 Nr. 2 PolG NRW nicht vor. Der Kläger behauptet, selbst Eigentümer der sichergestellten Geldscheine zu sein. Dabei kann er sich auf die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB berufen. Diese Vorschrift besagt, dass zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet wird, dass er deren Eigentümer ist. Vorliegend ist dieser Vermutung nicht durch gewichtige gegenteilige Indizien die Grundlage entzogen. Insbesondere bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger das bei ihm aufgefundene Bargeld durch Drogengeschäfte erworben hat (dann hätte er wegen der Nichtigkeit der Übereignung nicht das Eigentum an den betreffenden Geldscheinen erworben). Ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Auszuges aus dem Bundeszentralregister datiert die letzte Vorstrafe des Klägers wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus dem Jahr 1999. Erkenntnisse darüber, dass seitdem erneut auch wegen BtM-Handels gegen den Kläger ermittelt wurde, sind nicht aktenkundig. Aus welchen Gründen die Stückelung der sichergestellten Geldscheine auffällig sein soll, erschließt sich nicht; nach den Erfahrungen, die das Gericht aus ähnlichen Verfahren gemacht hat, dürfte für Dealgeld eher eine kleinere Stückelung typisch sein. Allein der Umstand, dass jemand, der BtM-Konsument ist und Leistungen nach „Hartz IV“ bezieht, mit 4.200,00 Euro unterwegs ist, erlaubt aus den oben zu § 43 Nr. 1 PolG NRW im Einzelnen dargelegten Gründen, die im vorliegenden Zusammenhang entsprechend gelten, noch nicht die Feststellung, der Betreffende sei Dealer und das Geld stamme aus Drogengeschäften.

Angemerkt sei, dass auf Grund der Aufhebung der Sicherstellung zu Gunsten des Klägers ein Vollzugsfolgenbeseitungsanspruch, gerichtet auf Herausgabe der sichergestellten Geldscheine, besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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