Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

30.07.2004 · IWW-Abrufnummer 042047

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 14.05.2004 – 10 U 214/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäftsnummer:10 U 214/039 O 50/02Landgericht Karls-ruhe Verkündet am14. Mai 2004Haasals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Oberlandesgericht Karlsruhe
10. Zivilsenat
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit

- Kläger / Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
gegen
1.

2.

- Beklagte / Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte
wegen Schadensersatzes
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2004 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Dr. Fischer-Antze
Richterin am Oberlandesgericht Baumann-Weber
Richter am Oberlandesgericht Dr. Delius

für Recht erkannt:


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 21. August 2003 - 9 O 50/02 - abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ? 6.585,02 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins-satz seit dem 21.02.2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3.Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamt-schuldner 65 %, der Kläger hat 35 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Beklagten als Gesamtschuldner 54 %, der Kläger hat 46 % zu tragen.

4.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.Die Revision wird nicht zugelassen.

6.Streitwert: ? 3.055,04.

Gründe

I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 21. August 2003 verwiesen. Zweitinstanzliche Änderungen und Ergänzungen ergeben sich aus den nachfolgenden Ausführungen.
Das Landgericht hat der Klage, mit der der Kläger 100 % des ihm bei dem Verkehrsunfall am 26.11.2001 entstandenen Schadens geltend gemacht hat, teilweise stattgegeben. Es hat eine Haftungsquote der Beklagten von 50 % zugrunde gelegt und ausge-führt, beide Parteien hätten den Unfall verschuldet. Dem Kläger falle ein Verstoß gegen § 6 StVO und dem Beklagten Ziff.1 ein solcher gegen § 2 StVO zur Last. Bei den geltend gemachten Schadenspositionen hat es Abstriche bei den Reparatur- und Mietwagenkosten vorgenommen und die Kosten eines Privatsachverständigen des Klägers für die Unfallrekonstruktion als nicht erstattungsfähig angesehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der nunmehr noch 80 % des ihm entstandenen Schadens geltend macht und die vom Landgericht als nicht erstattungsfähig angesehenen Sachverständigenkosten weiterverfolgt. Er begehrt Zahlung von weiteren ? 3.055,04 nebst Zinsen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Instanzen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise im Hinblick auf die Haftungsquote begründet. Im übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagten haben dem Kläger 2/3 des diesem entstandenen materiellen Schadens zu ersetzen, da der Beklagte Ziff. 1 den Unfall verschuldet hat. Das restliche Drittel muss der Kläger auf sich behalten, da ihn ein Mitverschulden an dem Zustandekommen des Unfalls trifft.
Der Beklagte Ziff. 1 hat den Unfall verschuldet, da er gegen § 2 Abs. 2 StVO (Rechtsfahrgebot) und gegen § 1 Abs. 2 StVO (gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr) verstoßen hat. Aber auch der Kläger hat gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 StVO) verstoßen. Dagegen kann ihm ein Verstoß gegen § 6 StVO, der von einem an einem Hindernis Vorbeifahrenden verlangt, zunächst entgegenkommende Fahrzeuge durch-fahren zu lassen, nicht zur Last gelegt werden. Diese Vorschrift kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.

Die den Parteien zur Verfügung stehende Fahrbahn - die K-Straße in B. - war durch die auf der Fahrbahnseite des Klägers geparkten Fahrzeuge verengt, so dass von der eigentlichen Fahrbahnbreite von 7,35 m (vgl. Handskizze PK F., Anl.heft Beklagte S. 3) an der Stelle, an der Lkw geparkt waren, noch ca. 5,05 m verblieben, an der Stelle, an der Pkw geparkt waren, ca. 5,35 m. Abzustellen ist im vorliegenden Fall auf eine verbleibende Fahrbahnbreite von ca. 5,35 m. Aus der polizeilichen Handskizze folgt, dass in Fahrtrichtung des Klägers zunächst nur PKW und erst nach der Unfallstelle LKW geparkt waren. Bis zu den parkenden LKW konnte (und mußte) der aus beiden Richtungen kommende Verkehr sich die verbleibenden 5,35 m teilen.

Die Vorschrift des § 6 StVO greift nur dann ein, wenn kumulativ (nicht alternativ) ein - vorübergehendes - Hindernis die Fahrbahn so verengt, dass die Benutzung der Gegenfahrbahn erforderlich wird, und wenn links von dem Hindernis so wenig Platz verbleibt, dass sich begegnende Fahrzeuge die Engstelle nicht gleichzeitig passieren können (Geigel/Zieres, Haftpflichtprozess 24. Aufl. 27. Kap. Rn. 198; Hentschel, StVR 37. Aufl. § 6 StVO Rn. 3). Dagegen ist § 6 StVO nicht anwendbar, wenn für ein gleichzeitiges Durchfahren der Engstelle durch zwei sich begegnende Kraftfahrzeuge genügend Raum verbleibt (herrschende Meinung, vgl. nur OLG Düsseldorf, DAR 80,187; OLG Schleswig VersR 82, 1106; OLG Köln in Cramer, StVE § 6 StVO Nr. 3; OLG Karlsruhe 10 U 280/99).

In einem solchen Fall richten sich die beiderseitigen Verhaltenspflichten nach § 1 Abs. 2 StVO: Der an dem Hindernis Vorbeifahrende darf die Gegenfahrbahn mitbenutzen und der Entgegenkommende ist grundsätzlich verpflichtet, demjenigen, der an dem Hindernis links vorbeifahren will, rechtzeitig und ausreichend weit nach rechts auszuweichen (Geigel/Zieres a.a.O.). Nur durch eine solche Fahrweise kann auch den Anforderungen des fließenden Verkehrs Genüge getan werden; müsste jeder PKW-Fahrer, der wegen eines rechts parkenden Fahrzeugs die linke Fahrbahnseite mitbenutzen muß, trotz ausreichend verbleibender Fahrbahnbreite warten, bis der Gegenverkehr passiert hat, käme der Verkehr in Innenstädten zum Erliegen.
Im vorliegenden Fall folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen R. in seinem erstinstanzlich schriftlich erstellten Gutachten vom 17.04.03 (I 181 ff.), dass die bestehende Durchfahrtbreite des verbleibenden Straßenraumes von ca. 5,35 m ein problemloses Aneinandervorbeifahren der beiden Fahrzeuge ohne weiteres ermöglichte. Die beiden Fahrzeuge haben je etwa eine Breite von 1,70 m (vgl. Anlage A7, A8 zum Gutachten R., I 215, 217), so dass eine Fahrbahnbreite von 5,35 m genügend Platz für den Begegnungsverkehr (nämlich sowohl 0,65 cm Seitenabstand zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen als auch je 0,65 cm Seitenabstand nach rechts) bei der gebotenen vorsichtigen und langsamen Fahrweise bot. § 6 StVO ist daher hier nicht anwendbar. Vielmehr richteten sich die gegenseitigen Pflichten des Klägers auf der einen und des Beklagten Ziff. 1 auf der anderen Seite nach §§ 1, 2 StVO. Danach müssen beide Verkehrsteilnehmer mit der gebotenen Rücksicht und äußerst weit rechts aneinander vorbeifahren; der Beklagte Ziff. 1 kann sich nicht auf ein ihm zustehendes Vorrecht berufen. Dieser ihm obliegenden Verpflichtung ist der Beklagte Ziff. 1 nicht nachgekommen.
Der Sachverständige Dipl.Ing. R. hat dazu ausgeführt, dass sich zum Anstoßzeitpunkt die linke (hintere) Seite des klägerischen Pkw mit etwa 90 cm auf der Fahrbahnhälfte des Beklagten befand und diesem damit (mindestens) ca. 2,70 m an Fahrbahnbreite verblieben waren (S. 9 des Gutachtens, I 197). Bereits aus der Tatsache, dass es den-noch zum Zusammenstoß der Fahrzeuge gekommen ist, folgt, dass der Beklagte Ziff. 1 nicht so weit rechts gefahren ist, wie es ihm möglich und im vorliegenden Fall erforderlich gewesen wäre; vielmehr ist er statt mit dem ihm unter den gegebenen Umständen zuzubilligenden Seitenabstand nach rechts von 0,65 cm mit (mindestens) 1m Seitenabstand gefahren. Damit steht fest, dass der Beklagte Ziff. 1 sowohl gegen das allgemeine Rechtsfahrgebot verstoßen hat als auch gegen das aus § 1 Abs. 2 StVO resultierende Verhaltensgebot, dem ein Hindernis umfahrenden entgegenkommenden Verkehr rechtzeitig und weit genug nach rechts auszuweichen.

Die vom Sachverständigen gefertigten Skizzen, insbesondere auf S. 10 des Gutachtens (I 199), verdeutlichen dies. Der Unfall wäre ohne weiteres vermieden worden, wenn der Beklagte Ziff. 1 etwas weiter rechts gefahren wäre, wozu er nicht nur gem. § 2 Abs. 2 StVO verpflichtet gewesen wäre, sondern auch deshalb, weil auf der geraden und übersichtlichen Straße (vgl. die Lichtbilder Anlage A1 zum Gutachten R., I 203) bei gehöriger Aufmerksamkeit ohne weiteres zu sehen war, dass das entgegenkommende Fahrzeug des Klägers an dieser Stelle an geparkten Fahrzeugen vorbeifahren musste.
Der Beklagte Ziff.1 ist aber nicht nur dem Rechtsfahrgebot nicht nachgekommen, sondern hat darüber hinaus auch noch gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da er offensichtlich unaufmerksam gefahren ist und auf das sich nähernde Fahrzeug des Klägers überhaupt nicht reagiert hat. Das folgt ebenfalls aus der vom Sachverständigen gefertigten Skizze, aus der hervorgeht, dass der Beklagte Ziff.1 sich in einer Bewegung nach links in Richtung der Fahrbahnmitte befunden hatte (S. 9 des Gutachtens, I 197). Das schuldhafte Verhalten des Beklagten Ziff. 1 war demnach ursächlich für den Unfall.

Allerdings hat auch der Kläger den Unfall (mit)verschuldet. Denn auch der Kläger hätte noch weiter rechts fahren können. Bei der für beide Fahrzeuge verbleibenden Fahrbahnbreite von ca. 5,35 m mussten Kläger und Beklagter Ziff. 1 sich diesen Verkehrsraum teilen und mit der gebotenen Vorsicht aneinander vorbeifahren. Dass der Kläger nicht äußerst rechts gefahren ist, folgt daraus, dass er mit seinem ca. 1,70 m breiten Fahrzeug noch 90 cm der Gegenfahrbahn in Anspruch genommen hat und damit nur 80 cm der ihm - bei Abzug des Raumes, den die geparkten Pkw in Anspruch nahmen - auf seiner Fahrbahnhälfte verbleibenden 1,68 m ausgenutzt hat (die Gesamtfahrbahn beträgt 7,35 m, die Hälfte davon ist 3,68 m, die geparkten Pkw nehmen einen Raum von ca. 2 m ein). Er hat also den ihm zuzubilligenden Seitenabstand nach rechts von 0,65 cm um (1,68 m - 80 cm = 88 cm) mehr als 20 cm überschritten. Wie bereits oben ausgeführt, war auch der Kläger verpflichtet, möglichst weit rechts zu fahren, wobei er zu den geparkten PKW nicht einen Seitenabstand einhalten durfte, wie er an der Stelle, an der die LKW standen, erforderlich gewesen wäre. Vielmehr ist bei derartigen beengten räumlichen Verhältnissen zu verlangen, dass der jeweils konkret verbleibende freie Raum nach rechts optimal ausgenutzt wird. Damit liegt ein Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot vor. Weitere Verschuldensvorwürfe können dem Kläger dagegen nicht gemacht werden. § 6 StVO greift - wie oben ausgeführt - nicht ein. Der Kläger durfte auch die Gegenfahrbahn mitbenutzen, ohne dass ihm dies in der konkreten Verkehrssituation zum Verschulden gereicht. Schließlich ist auch nicht dargetan, dass der Kläger gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat. Vielmehr hat der Kläger noch versucht, nach rechts auszuweichen, als er bemerkte, dass der Beklagte Ziff.1 mit seinem PKW weiter nach links geriet. Der Kläger durfte auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt davon ausgehen, dass der Beklagte Ziff. 1 auf der übersichtlichen Straße das herankommende Fahrzeug des Klägers bemerkt und dementsprechend möglichst weit rechts fährt. Nach seinem Vortrag hat der Kläger, als er bemerkte, dass der Beklagte Ziff.1 nach links rüberzieht, noch versucht, nach rechts auszuweichen. Dieser Vortrag wird durch die Endstellung der Fahrzeuge belegt. Eine Spätreaktion kann dem Kläger somit nicht nachgewiesen werden.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gem. § 17 StVG ist auf der einen Seite der Verstoß des Beklagten Ziff. 1 gegen § 2 Abs. 2 StVO und gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen, auf der anderen Seite, dass der Kläger ebenfalls nicht äußerst rechts gefahren ist und damit gegen § 2 StVO verstoßen hat. Das Verschulden des Beklagten Ziff. 1, der unmittelbar vor dem Unfall sein Fahrzeug noch nach links gelenkt hat, wiegt schwerer als dasjenige des Klägers, der reagiert und noch versucht hat, nach rechts auszuweichen, so dass eine Quotelung von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Beklagten angemessen erscheint.
Die Beklagten haben daher als Gesamtschuldner dem Kläger 2/3 des diesem entstandenen materiellen Schadens zu ersetzen. Dieser beträgt, wie bereits das Landgericht festgestellt hat (S.13 des Urteils, I 277), insgesamt ? 9.877,52. 2/3 davon sind ? 6.585,02. Dieser Betrag war dem Kläger in entsprechender Abänderung des landge-richtlichen Urteils zuzusprechen.

Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Auch der Senat geht davon aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Kosten des Sachverständigengutachtens bezüglich der Unfallrekonstruktion mit ? 114,76 hat. Die Kosten von Sachverständigengutachten sind vom Schädiger nur zu ersetzen, soweit diese zu einer zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendig sind (Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 249 Rn. 40). Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Gutachten des Sachverständigen L. vom 27.11.2001 (Anl.heft Kläger S. 19) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war. Der Unfall war polizeilich aufgenommen worden und eine Unfallskizze wurde angefertigt. Die Ausführungen des Sachverständigen zur Situation in der K-Straße hätten vom Kläger auch ohne das Gutachten als Parteivortrag - gegebenenfalls unter Beifügung von von ihm gefertigten Lichtbildern - erfolgen können. Durch die Ausführungen des Sachverständigen L. wurde auch die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens nicht überflüssig. Eine Erstattungsfähigkeit ist daher nicht gegeben.

Auf die Berufung des Klägers war das Urteil des Landgerichts, wie aus dem Tenor ersichtlich, abzuändern und die weitergehende Berufung zurückzuweisen. Die Entschei-dung über die Kosten beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Dr. Fischer-Antze Dr. Delius Baumann-Weber

RechtsgebietVerkehrsrechtVorschriften§ 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, § 6 StVO

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr