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06.04.2005 · IWW-Abrufnummer 050924

Landgericht Oldenburg: Urteil vom 18.11.2004 – 13 Ns 436/04

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Im Namen des Volkes

Urteil

In der Wirtschaftsstrafsache

gegen

Herrn ...,
geboren am ... in ...,
wohnhaft ..., ...,

Verteidiger:
Rechtsanwalt Bernd Rogge, Burgstraße 6a, 49661 Clppenburg,

wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung

hat die 13. kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg auf die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgericht Oldenburg (Oldb) vom 29.06.2004 in der Sitzung vom 05.11.2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Landgericht von Stietencron als Vorsitzende

Annelene Groß-Klußmann, Dinklage
Annegret Rothenburg, Apen-Godensholt
als Schöffinnen

Oberstaatsanwalt Schäfers
als Beamter der Staatsanwaltschaft

Rechtanwalt Rogge, Cloppenburg
als Verteidiger

Justizangestellte Vietor
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt.

Auf die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 29.6.04 aufgehoben,

Das Verfahren wird, soweit es die Förderung der Haupttaten des Zeugen ... hinsichtlich dessen Einkommensteuerklärungen für 1993 bis 1995 betrifft, eingestellt. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten, soweit es den Haupttäter ... betrifft.

Gründe:

Durch Urteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 20.9.04 ist der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gesprochen und die Verhängung einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 ? vorbehalten worden. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

I. Die erneute Hauptverhandlung hat zu den Feststellungen geführt, die das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil auf Seiten 2 Ziffer I. bis Seite 6 Mitte Ziffer II einschließlich der Anlage Verkürzungsberechnung getroffen hat. Zur Vermeidung einer rein wiederholenden Darstellung wird hier Bezug genommen.

Ergänzend hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen.

Die vom Zeugen ... gehaltene LzO-Tatelpapiere zum Nennwert von 230.000 DM wurden 1995 bei Endfälligkeit von der LzO zurückgekauft, vorbei der Zeuge sodann im Tafelgeschäft Inhaberschuldverschreibungen (IHS) der Westfälischen Hypothekenbank (Emission 913, fällig März 1998) für 232.100 DM mit einer Verzinsung von 6,5 % erwarb. Auch diese Geschäfte wickelte der Angeklagte für die LzO und löste in der Folge von 1996 bis Ende 1998 die Zinskupons bei der ABN-AMRO-Bank in Winschoten ein.

Am 19.11.02 wurde das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet und ihm dies am 21.11.02 mündlich eröffnet.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht unter dem 16.2.04 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten, mit dem ihm Beihilfe zur Steuerhinterziehung in der Zeit vom 2.8.93 bis 12.8.09 zur Last gelegt wurde:

?In Ihrer Eigenschaft als Geschäftsstellenverwalter bzw. Filialleiter der LzO Garrel verkauften Sie den Bankkunden ... ...,und ... LzO-Inhaberschuldverschreibungen und empfahlen ihnen die zinsabschlagsteuerfreie Einlösung der Zinskupons in Winschoten/Holland. Hiermit führen Sie eine entsprechende Weisung im bankinternen LzO-Rundschreiben Nr. 104 vom 30.4.93 und dem Schreiben der Wertpapierabteilung vom 17.5.93 aus.

Zum Teil nahmen Sie auch die Zinskupons für die Bankkunden auf eigenen Fahrten nach Winschoten zur ABN-AMRO-Bank mit und lösten die Kupons selbst ein. Anschließend händigten Sie dann den Zinsertrag ihren Kunden aus.

Durch diese Ihre Hilfeleistungen kam es im angegebenen Zeitraum vom 2.8.94 bis 12.8.98 durch die genannten Bankkunden zu den nachfolgenden aufgeführten Steuerhinterziehungen, indem die Bankkunden ihre diesbezüglichen Zinseinkünfte bei der ABN-AMRO-Bank in Winschoten verschwiegen.

Auf den Zeugen ... ..., der bereits 1990 Tafelpapiere im Nennwert von 230.000 DM erworben hatte und die fällig werdenden Zinsen von 1993 bis 1995 bei der ABN-AMRO-Bank in Winschoten zinsabschlagsteuerfrei einlöste, entfallen für den Zeitraum von 1993 bis 1998 durch Nichtangabe der Zinserträge aus Winschoten folgende Hinterziehungsbeträge:

...?

Auf die bereits erwähnte Verkürzungsberechnung wurde Bezug genommen.

II. Das Urteil des Amtsgerichts kann keinen Bestand haben.

1. Soweit sich der Angeklagte durch die dem Zeugen ... zuteil gewordene Beratung über die Möglichkeit, die Zinskupons der LzO-Tafelpapiere ohne bankmäßige Einbehaltung der 35 %igen Zinsabschlagsteuer in Winschoten einzulösen, sowie durch die diesbezüglichen Fahrten zur ABN-AMRO-Bank in den Jahren 1993 bis 1995 wegen Beihilfe zu den vom Zeugen ... begangenen Einkommensteuerhinterziehungen für die Jahre 1993 bis 1995 strafbar gemacht hat. sind diese Beihilfehandlungen, die sich als eine einheitliche
Tat darstellen, verjährt § 78 III Nr. 4 StGB.

Zunächst ist davon auszugehen, dass die dem Zeugen ... vom Angeklagten erteilte Beratung sich allein auf die damals aktuellen, d. h. von ... gehaltenen, IHS der LzO bezogen hat und der ? dolose ? Vorsatz des Angeklagten daher auch nur auf diese Papiere gerichtet gewesen ist. Da die LzO-Tafelpapiere, die der Zeuge ... bereits seit 1990 hatte, im Jahre 1995 endfällig waren (und dann auch von der LzO zurückgekauft wurden), endete der Vorsatz des Angeklagten daher zunächst zu diesem Zeitpunkt bzw. war gewissermaßen verbraucht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es anderweitige Absprachen mit dem Zeugen ... gegeben hätte, etwa dergestalt, dass man bereits von Anfang an vorgehabt hätte, nach Endfälligkeit der aktuellen Papiere das Geld wiederum in gleichartigen Tafelpapieren anzulegen. Insoweit konnten aber keine Feststellungen getroffen werden. Vielmehr war der Zeuge ... sogar der Meinung, das 1995 freigewordene Geld nicht wieder in Tafelpapieren, sondern anders angelegt zu haben; vielleicht habe er ja auch einen neuen Stall gebaut, so was koste leicht 400.000 DM. Wollte man die vom Angeklagten erteilte Beratung und dessen Vorsatz hinsichtlich der aufgrund dieser Beratung geförderten künftigen Steuerhinterziehungstaten eines Kunden, hier ..., über die aktuell gehalten Papiere hinaus ausdehnen, wäre dies ? vorbehaltlich anderweitiger Ansprachen ? uferlos und rein spekulativ. Denn zum Zeitpunkt der dem Angeklagten vorgeworfenen Beratung ende 1993 stand in keiner Weise fest oder war auch nur im Aussicht genommen wie der Zeuge .. 1995 bei Endfälligkeit der LzO-Papiere mit seinem freiwerdenden Geld verfahren würde. Eine ? von der Staatsanwaltschaft angemahnte ? Gesamtschau des Verhaltens der Beteiligten verbietet sich insofern als es für die Beurteilung der Strafbarkeit insbesondere der inneren Tatseite, auf den damaligen Zeitpunkt ankommt und die Situation nicht rückblickend betrachtet und bewertet werden darf.

Da die 5-jährige Verjährungsfrist spätestens mit Erlass/Zustellung des für das Jahr 1995 maßgeblichen Steuerbescheides den Zeugen ... betreffend im Juli 1997 zu laufen begann (§ 78 a StGB), war bei Einleitung des Ermittlungsverfahrens im November 2002 bereits Verjährung eingetreten. Das Verfahren war daher insoweit gem. § 260 III StPO einzustellen.

In diesem Zusammenhang bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Verjährung der tateinheitlichen Beihilfe erst mit Vollendung der letzten, vom Vorsatz des Gehilfen umfassten Haupttat beginnt, wie es Jäger in seiner Anmerkung zu BGB WiStra 2000, 340, 347 als Möglichkeit darstellt, oder ob die Beihilfehandlung (hier die Beratung) im Hinblick auf jede einzelne Haupttat gesondert, also mehrfach zu bewerten ist. Dies hätte zur Folge, dass die Beihilfe zu jeder einzelnen Haupttat einer eigenständigen Verjährung unterliegen würde, so dass die Verjährungsfrist die Beihilfe gem. 78 a StGB zeitlich gestaffelt mit der Vollendung der jeweiligen Haupttat zu laufen begänne. Zu letzterer Auffassung neigt die Kammer, da ansonsten u. U. die Verjährungsfristen für Haupttat und Beihilfe derart auseinander fallen können, dass Haupttaten bereits verjährt sein können, während für die Beihilfehandlung die Verjährungsfrist noch nicht einmal zu laufen begonnen hätte, vgl. Jäger aaO.

2. Hinsichtlich der dem Angeklagten vom Amtsgericht zugerechneten Steuerhinterziehungen für die Jahre 1996 bis 1998 war der Angeklagte (teil) freizusprechen. Denn diese Steuerverkürzungen führen allein aus den vom Zeugen ... im Tafelgeschäft erworbenen IHS der Westfälischen Hypothekenbank her, ohne das sich die 1993 erfolgte Beratung durch den Angeklagten hierauf erstreckt hatte (s. o.) der die Fahrten des Angeklagten nach Winschoten von 1993 bis 1995 hierfür (mit)ursächlich gewesen wären.

Darüber hinausgehende Verhaltensweisen des Angeklagten, so eine Beratung oder Mitwirkung im Zusammenhang mit dem Rückkauf der LzO-Papiere, dem Ankauf der IHS der Westfälischen Hypothekenbank (wobei ohnehin davon auszugehen ist, dass das Tafelgeschäft als solches als legal gilt) und die ? vom Angeklagten eingeräumten ? Fahrten zur Einlösung der Zinskupons nach Winschoten auch in den Jahren ab 1996 bis zumindestens 1998 durfte die Kammer nicht berücksichtigen, weil sie nicht Gegenstand des Verfahrens waren. Dieser wird bestimmt durch den Inhalt des an die Stelle einer Anklageschrift getretenen Strafbefehls vom 16.2.04 (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts vom 29.9.04, Az.: Ss 324/04). Hinsichtlich des Zeugen ... ist allein von LzO-Tafelpapieren und diesbezüglich von Fahrten nach Winschoten von 1993 bis 1995 die Rede. Weder wird dem Angeklagten der Rückkauf der LzO-Papiere vorgeworfen noch die Abwicklung des Tafelgeschäftes hinsichtlich der IHS der Westfälischen Hypothekenbank (beides dürfte als solches ohnehin als legal zu gelten haben) noch die Einlösung von deren Zinskupons. So waren die Vorgänge im Zusammenhang mit den Papieren der Westfälischen Hypothekenbank ? wie der Zeuge ... ausdrücklich bestätigt hat ? auch gar nicht Gegenstand der Ermittlungen des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen; Schicksal und Einlösung dieser Zinskupons wurden nicht ermittelt.

Die Kammer war demnach gehindert, die Verhaltensweisen des Angeklagten im Zusammenhang mit den IHS der Westfälischen Hypothekenbank einer strafrechtlichen Würdigung zuzuführen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in der den Zeugen ... betretenden Verkürzungsberechnung auch die Zinserträge aus den IHS der Westfälischen Hypothekenbank aufgeführt sind. Insoweit handelt es sich lediglich um eine bloße Berechnung des dem Angeklagten angelasteten Steuerschadens, die eine hinreichend spezifizierte Schilderung des ihm zur Last gelegten Verhältnis nicht ersetzt. Auch der Hinweis im Plädoyer der Staatsanwaltschaft, das Strafbefehlsverfahren sei ein summarisches, verfängt in diesem Zusammenhang nicht. Denn summarisch ist das Verfahren hinsichtlich der Beurteilung der aktenmäßigen Beweislage, nicht aber hinsichtlich des dem Angeklagten anzulastenden Verhaltens ; insoweit ersetzt der Strafbefehl die Anklageschrift.

Die strafrechtliche Bewertung des vorstehend erörterten Verhaltens des Angeklagten muss daher ? gegebenenfalls ? einem anderen Verfahren vorbehalten bleiben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO.

von Stietencron

RechtsgebieteAO, EStG, StGBVorschriften§ 71 AO, § 370 AO, § 44 EStG, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB

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