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01.08.2014 · IWW-Abrufnummer 142301

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.05.2014 – 1 K 2537/12 U

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 20.01.2012 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08.06.212 dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf 1.878 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 8 % und der Beklagte zu 92 % zu tragen.

Der Streitwert wird auf 1.269 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG im Jahr 2006.

Die Klägerin, wohnhaft in A, hatte am 01.10.2006 ein Gewerbe "Kfz-Pflege und Kfz-Vermittlung" bei der Stadt B angemeldet. In den Streitjahren 2006 bis 2008 erzielte sie Umsätze durch den An- und Verkauf von PKW.

Die Klägerin gab zunächst keine Steuererklärungen bei dem für das Unternehmen zuständigen Finanzamt C -FA- ab, so dass das FA die Besteuerungsgrundlagen schätzte und die Umsatzsteuer für die Jahre 2006 und 2007 mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Schätzungsbescheiden jeweils vom 07.12.2009 auf 2.800 € (2006) und 7.080 € (2007) festsetzte, ebenso wie Verspätungszuschläge in Höhe von jeweils 100 €. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung E -Steufa- hatte bereits am 29.09.2010 ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerhinterziehung gegen die Klägerin eingeleitet und am selben Tag ihre Geschäftsräume durchsucht.

Der Prüfer ermittelte unter Auswertung der beschlagnahmten Buchführungsunterlagen die Brutto-Umsätze der Klägerin mit 71.393 € (2006), 382.988 € (2007) und 89.400 € (2008). Die Vorsteuerbeträge könnten, wie bereits geschehen, geschätzt werden. Die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG komme nicht in Betracht, weil die erforderlichen Aufzeichnungen (§§ 25a, 22 UStG) nicht vorlägen und in den Rechnungen nicht auf die Anwendung der Differenzbesteuerung hingewiesen worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung E vom 23.11.2011 über die steuerlichen Feststellungen für die Jahre 2006 bis 2008 hingewiesen.
Daraufhin änderte das FA die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2006 und 2007 gemäß § 164 Abs. 2 AO und erließ erstmalig einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008. Die Besteuerungsgrundlagen für diese Jahre wurden nunmehr unter Berücksichtigung der Feststellungen der Steufa geschätzt und die Umsatzsteuer für die Streitjahre 2006 - 2008 mit Bescheiden jeweils vom 10.01.2012 wie folgt festgesetzt:

2006:
Bemessungsgrundlage
Steuer
Lieferungen
61.546,00 €
9.847,36 €
lt Voranmeldungen
54.293
5.085,40 €
Vorsteuerbeträge
./. 6.800,00 €
lt Voranmeldungen
6.886,22 €
USt 2006
3.047,36 €
lt Voranmeldungen
./. 1.800,82 €
lt UStB 07.12.09
2.800 €
2007:
Bemessungsgrundlage
Steuer
Lieferungen
321.839,00 €
61.149,41 €
lt Voranmeldungen
119.983,00 €
22.797,50 €
Vorsteuerbeträge
./. 18.000,00 €
lt Voranmeldungen
18.068,90 €
USt 2007
43.149,41 €
lt Voranmeldungen
4.728,60 €
lt UStB 07.12.09
7.080 €
2008:
Bemessungsgrundlage
Steuer
Lieferungen
75.126,00 €
14.273,94 €
keine Voranmeldungen
Vorsteuerbeträge
./. 10.000,00 €
USt 2008
4.273,94 €

Die Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer der Jahre 2006 und 2007 blieben in unveränderter Höhe bestehen, zur Umsatzsteuer 2008 wurde erstmalig ein Verspätungszuschlag in Höhe von 100 € festgesetzt.

Gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 sowie die Festsetzung des Verspätungszuschlages zur Umsatzsteuer 2008 legte die Klägerin Einspruch ein. Mit einheitlicher Einspruchsentscheidung vom 08.06.2012 wies das FA die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 mangels Begründung durch die Klägerin als unbegründet zurück. Über den Einspruch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages zur Umsatzsteuer 2008 hat das FA bis heute nicht entschieden.

Mit ihren Klagen wendet sich die Klägerin gegen die Höhe der vom FA geschätzten Umsätze, die Vorsteuern seien in zutreffender Höhe berücksichtigt worden. Sie begehrte zunächst die Aufhebung der aufgrund der Steuerfahndungsprüfung erlassenen Umsatzsteuerbescheide einschließlich der Verspätungszuschläge. Die vom FA berücksichtigen steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin seien zu hoch, weil das FA zu Unrecht auch die der Differenzbesteuerung unterliegenden Umsätze der Klägerin in voller Höhe als steuerpflichtige Umsätze berücksichtigt habe. Das FA berufe sich hierbei zu Unrecht auf die Verletzung der Hinweispflicht des §14a Abs. 6 UStG bei Anwendung der Differenzbesteuerung.

Die Klägerin habe in den Streitjahren - bis auf wenige Ausnahmefälle - Fahrzeuge von Privatpersonen gekauft und ohne Ausweis von Umsatzsteuer weiterverkauft. Die Ausgangsrechnungen der Klägerin wiesen zwar keine Umsatzsteuer offen aus, enthielten aber auch keinen Hinweis auf die von der Klägerin angewandte Differenzbesteuerung.

Das FA berufe sich zu Unrecht auf fehlende Aufzeichnungen iSv § 22 UStG. Sinn und Zweck des § 25a Abs. 6 UStG sei es jedoch, dass die Verkaufspreise ebenso wie die Einkaufspreise und die Bemessungsgrundlage ersichtlich seien. Diese Werte seien aus der Buchführung der Klägerin zu entnehmen; die Ankäufe seien durch einen schriftlichen Vertrag dokumentiert, bei den Verkäufen liege ein schriftlicher Vertrag oder eine Rechnung ohne Mehrwertsteuerausweis vor. Da die Rechnungen die Umsatzsteuer nicht offen auswiesen, sei das Fehlen des grundsätzlich gemäß § 14a Abs. 6 UStG erforderlichen Hinweises auf die Differenzbesteuerung unschädlich.

Unter Berücksichtigung der vom FA - in bedankenswerter Weise anhand der bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Buchführung und der An- und Verkaufsrechnungen - zusammengestellten An- und Verkäufe seien ausschließlich die Fahrzeugverkäufe der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG zu unterwerfen, die lediglich aufgrund des Fehlens des Hinweises auf § 25a UStG in der Rechnung als in vollem Umfange steuerpflichtig behandelt wurden.
Entsprechend den Feststellungen des Beklagten habe die Klägerin in den Streitjahren folgende Lieferungen getätigt:

Lieferungen 2006:
- mit offenem Steuerausweis (16 %)
1
4.310
690
2
6.379
1.021
3
12.931
2.069
5
7.758
1.242
6
12.758
2.042
7
7.586
1.214
51.722
8.278
-ohne Vorsteuer gekauft, ohne USt-Ausweis verkauft (Differenzbesteuerung)
4
15.000/17.500
2.500
344,83
8
2.100/2.500
400
55,17
Differenz netto
2.500
400
Lieferungen 2007:
- mit offenem Steuerausweis (19 %)
3
8.991,00
1.709,00
5
10.756,30
2.043,70
9
4.201,00
799,00
12
7.815,00
1.484,87
18
12.941,17
2.458,83
31
29.327,73
5.572,27
33
19.747,90
3.752,10
93.580,01
17.819,77
17.819,77
- mit Vorsteuerabzug, Rechnung ohne offenem Steuerausweis (19 %)
2
19.500
4
11.000
10
8.000
17
9.400
28
12.800
32
5.000
65.700 brutto
55.210 netto
10.490
- ohne Vorsteuerabzug gekauft, ohne USt-Ausweis verkauft (Differenzbesteuerung)
215.350/240.900
25.550
Differenz netto
21.470,59
(202.437 netto)
4.079,41
Lieferungen 2008
- mit offenem Steuerausweis (19 %)
35/2007
7.478,90
1.421,10
1.421,10
- ohne Vorsteuerabzug gekauft, ohne USt-Ausweis verkauft (Differenzbesteuerung)
72.650/80.500
7.850
Differenz netto
6.596
(67.647 netto)
1.253,36

Hinsichtlich der Berechnung der der Differenzbesteuerung zu unterwerfenden Umsätze wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigen vom 05.08.2013 hingewiesen.

Einwendungen gegen die Festsetzung der Verspätungszuschläge werden nicht mehr erhoben.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008, jeweils vom 10.01.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 08.06.2012 dahingehend zu ändern, dass die Fahrzeugverkäufe, bei denen die Fahrzeuge weder mit Vorsteuerabzug eingekauft worden sind noch unter offenem Umsatzsteuer-Ausweis verkauft worden sind, der Differenzbesteuerung unterworfen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei, soweit sich die Klägerin gegen die Festsetzung der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2006 bis 2008 wende, mangels Vorverfahrens unzulässig.

Die Klage sei im Übrigen auch unbegründet.

Soweit die Klägerin Fahrzeuge mit offenem Steuerausweis erworben oder veräußert habe, sei eine Anwendung der Differenzbesteuerung nicht möglich. Hierbei handele es sich um folgende Umsätze:

2006: Verkäufe 1, 2, 3, 5, 6, 7
2007: Verkäufe 2, 3, 4, 5, 9, 10, 12, 17, 18, 28, 31, 32
2008: Verkauf 35

Aber auch hinsichtlich der übrigen Verkäufe sei eine Anwendung der Differenzbesteuerung nicht möglich, weil die Klägerin die Rechnungen zwar ohne offenen Umsatzsteuerausweis erteilt habe, diese aber überwiegend keinen Hinweis auf die Anwendung des § 25a UStG enthielten. Dieser gemäß § 14a Abs. 6 UStG erforderliche Hinweis auf die Anwendung der Differenzbesteuerung sei nicht entbehrlich. Enthalte eine Rechnung diesen Hinweis nicht, sei der erforderliche Beleg- und Buchnachweis unvollständig, weil es insoweit auf eine formelle Vollständigkeit der Angaben ankomme. Der Zweck dieser durch Art. 226 Nr. 14 MwStSysRL vorgegebenen Verpflichtung liege darin, den Empfänger der Leistung über die Anwendung der Differenzbesteuerung zu informieren, weil die Anwendung der Differenzbesteuerung auch für diesen bestimmte steuerliche Folgen auslösen könne.

Dies entspreche auch der Auffassung des Bundesfinanzhofs, der in seinem Urteil vom 15.02.2012 (XI R 42/10, BFH/NV 2010, 1188) zum Buch- und Belegnachweis bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen ausführe:
"Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen."

Die Klägerin habe nur bei folgenden Verkäufen in den Rechnungen auf die Differenzbesteuerung hingewiesen:

2006: Verkauf 8 (./. 289,66 €)
2007: Verkäufe 16, 19, 22 (./. 4.183,20 €)

Für das Jahr 2007 seien die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin zudem um 23.500 € brutto zu erhöhen. Die Klägerin habe am 05.10.2007 einen () unter offenem Umsatzsteuerausweis für brutto 20.000 € erworben. Mangels anderer Anhaltspunkte sei davon auszugehen, dass die Klägerin diesen im selben Jahr weiterverkauft habe. Als Verkaufspreis könne ein Betrag von 23.500 € brutto geschätzt werden, die hierin enthaltene Umsatzsteuer belaufe sich auf 3.752,10 €.
Selbst wenn die Klägerin die entsprechenden Ausgangsrechnungen berichtigen würde, hätte dies keine Auswirkung auf die Steuerfestsetzungen der Streitjahre, sondern erst in dem Kalenderjahr, in dem die berichtigte Rechnung dem Rechnungsempfänger nachweislich zugegangen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in den Verfahren 1 K 2537/12 U, AO (USt 2006), 1 K 2539/12 U, AO (USt 2007), 1 K 2536/12 U, AO (USt 2008), die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie die drei dem Gericht vom Beklagten übersandten Aktenordner mit den Buchführungsunterlagen der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin ist durch die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2006 im Schätzungswege insoweit in ihren Rechten verletzt, als der Beklagte die Lieferungen der Klägerin auch insoweit der Regelbesteuerung unterworfen hat, als diese die gelieferten Fahrzeuge ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit erworben und ohne offenen Umsatzsteuerausweis in ihren Rechnungen wieder verkauft hat, § 100 Abs. 1 FGO.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

I. Das FA war dem Grunde nach zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt.

Gemäß § 162 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Diese allgemeine Schätzungsbefugnis gilt nach § 162 Abs. 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Das gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können.
Ein dementsprechender Schätzungsanlass war gegeben, da die Klägerin keine Steuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2008 abgebeben hat und trotz der fortbestehenden Verpflichtung zur Abgabe gemäß § 149 Abs. 1 Satz 4 AO bis zum heutigen Tage nicht abgegeben hat.

II. Die vom FA durchgeführte Schätzung ist jedoch der Höhe nach zu bestanden.

Die Schätzung ist ein Verfahren, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Feststellung trotz Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für ein solches Verfahren von Bedeutung sein können (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO). Ziel der Schätzung ist der Ansatz derjenigen Besteuerungsgrundlagen, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben.

Hierbei können die jeder Schätzung anhaftenden Unsicherheiten vernachlässigt werden. Dabei räumt § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO dem Gericht als Tatsacheninstanz eine eigene, selbständige Schätzungsbefugnis ein. Es darf sich hierbei ganz oder teilweise den Schätzungsmethoden des Finanzamtes bedienen (BFH, Beschluss vom 12. 05. 1999 IV B 56/98, BFH/NV 1999, 1488).

Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann ihr Ergebnis ganz oder teilweise verworfen werden (BFH, Urteil vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55).

Das FA hat bei der Schätzung der von der Klägerin erzielten steuerpflichtigen Umsätze die von der Steuerfahndung beschlagnahmten Buchführungsunterlagen der Klägerin sowie die vorgefundenen Ein- und Ausgangsrechnungen für die gebrauchten Fahrzeuge zugrunde gelegt. Hierbei ist das FA jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass auch die Lieferungen von Fahrzeugen, die die Klägerin ohne die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gekauft und unter Rechnungslegung zwar ohne offenen Umsatzsteuerausweis, aber auch ohne Hinweis auf Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG weiterverkauft hat, dem Regelsteuersatz des § 12 Abs. 1 UStG unterfallen.

Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 von beweglichen körperlichen Gegenständen die Differenzbesteuerung. Diese Vorschrift beruht auf Art. 26a der 6. Richtlinie (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, jetzt Art. 312 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie -MwStSysRL-, und hat folgende Voraussetzungen:

1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde entweder die Umsatzsteuer nicht geschuldet, nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder die Differenzbesteuerung vorgenommen.

Zudem müssen aus den gemäß § 22 UStG zu führenden Aufzeichnungen des Wiederverkäufers die Verkaufspreise oder die Werte nach § 10 Abs. 4 Nr. 1, die Einkaufspreise und die Bemessungsgrundlagen nach den Absätzen 3 und 4 zu ersehen sein. Wenn der Wiederverkäufer neben der Differenzbesteuerung die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften anwendet, hat er zudem für jede Besteuerungsart getrennte Aufzeichnungen zu führen. Die Aufzeichnungspflichten gelten auch nach Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 276a Abs. 17 UStR 2005) als erfüllt, wenn sich die aufzeichnungspflichtigen Angaben aus den Buchführungsunterlagen entnehmen lassen.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen unterfallen allein die Lieferungen der Klägerin dem Regelsteuersatz, bei denen sie entweder bei Ankauf einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen oder beim Weiterverkauf in den Rechnungen die Umsatzsteuer offen ausgewiesen hat.

1. Die Lieferungen der Klägerin, für die sie Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt hat, unterliegen der Regelbesteuerung, unabhängig davon, ob sie beim jeweiligen Ankauf einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin ist als Gebrauchtwagenhändlerin tätig und damit Wiederverkäuferin iSv § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG.

Soweit die Klägerin die von ihr weiterveräußerten Fahrzeuge von einem zum Vorsteuerabzug berechtigtem Unternehmer unter offenen Ausweis der Umsatzsteuer in den Eingangsrechnungen -und unter Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs- erworben hat, liegen die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 lit. a UStG nicht vor. Für diese Eingangsrechnungen wurde weder die Umsatzsteuer (vom Veräußerer) nicht geschuldet noch nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben.

Soweit die Klägerin die gebrauchten Fahrzeuge zwar von einer Privatperson und ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit erworben, aber gleichwohl unter Erteilung einer Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausweis weiterveräußert hat, liegt hierin ein für die jeweilige Lieferung erklärter Verzicht auf die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 8 Satz 1 UStG ebenfalls mit der Folge, dass diese Lieferung der Regelbesteuerung unterliegt.

2. Soweit die Klägerin die gebrauchten Fahrzeuge von Privatpersonen und damit ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit erworben hat, unterfallen die Weiterverkäufe der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, soweit die Klägerin für den Weiterverkauf keine Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt hat. Der Anwendung der Differenzbesteuerung steht hierbei nicht entgegen, dass die Klägerin in ihren Rechnungen nicht auf die Anwendung des § 25a UStG hingewiesen hat.

Diese Lieferungen der Klägerin erfüllen unstreitig die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 UStG für die Anwendung der Differenzbesteuerung. Auch sind aus den Aufzeichnungen der Klägerin die Verkaufspreise und die Einkaufspreise der Fahrzeuge zu ersehen. Die jeweilige Bemessungsgrundlage konnte durch Gegenüberstellung von Ein- und Verkaufsrechnung der Klägerin errechnet werden, wie dies das FA mit Schriftsatz vom 10.10.2012 durchgeführt hat.
Weiterhin ist gemäß § 14a Abs. 6 UStG in den Fällen der Differenzbesteuerung auf die Anwendung der Sonderregelung des § 25a UStG hinzuweisen. Dieser zusätzlichen Verpflichtung bei der Ausstellung von Rechnungen im besonderen Fall der Differenzbesteuerung ist die Klägerin in der überwiegenden Zahl der Weiterverkäufe nicht nachgekommen. Dies steht der Anwendung der Differenzbesteuerung jedoch nicht entgegen.

§ 14a Abs. 6 UStG postuliert eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Wiederverkäufers, in seiner Ausgangsrechnung auf die Anwendung des § 25a UStG hinzuweisen. Hieraus resultiert zwar ein zivilrechtlicher Anspruch des Leistungsempfängers auf Erstellung einer ordnungsgemäßen Rechnung des Wiederverkäufers, aber keine materiell-rechtliche Folge dergestalt, dass die Differenzbesteuerung nicht mehr anwendbar wäre (FG Münster, Urteil vom 18. 05. 2010 15 K 4411/06 U, EFG 2010, 1459; Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG § 14a Anm. 81; Buschmann in Weymüller/Beck Online-Kommentar zum UStG § 25a Rz. 68).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BFH zu den Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen (Urteil vom 15. 02. 2012 XI R 42/10, Rz 22, BFH/NV 2010, 1188). Hiernach sind die Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises nicht erfüllt mit der Folge des Verlustes der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn der Veräußerer in seiner Rechnung über die innergemeinschaftliche Lieferung diese unter Hinweis auf die Differenzbesteuerung des § 25a UStG anstelle des Hinweises auf die innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 17a UStDV steuerfrei belässt.

3. Die in dem Umsatzsteuerbescheid 2006 im Schätzungswege berücksichtigten Vorsteuerbeträge werden von der Klägerin nicht angegriffen und begegnen auch seitens des Gerichtes keinen Bedenken.

III. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Umsatzsteuer des Jahres 2006 auf 1.878 € festzusetzen und berechnet sich wie folgt:

Lieferungen, USt (16 %) insgesamt 8.678 €
- mit offenem Steuerausweis insgesamt: 51.722 €, Umsatzsteuer hierauf 8.278 €
- Differenzbesteuerung insgesamt 2.500 €, Umsatzsteuer hierauf 400 €
Vorsteuern unverändert: 6.800 €

IV. Der mit Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 07.12.2009 festgesetzte Verspätungszuschlag ist bestandskräftig. Ein Einspruch wurde hiergegen nicht erhoben.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Festsetzung des Streitwertes auf §§ 52; 63 GKG.

Vorschriften§ 90 Abs. 2 AO § 149 Abs. 1 S. 4 AO § 158 AO § 162 Abs. 1 S. 2 AO § 162 Abs. 2 AO § 12 Abs. 1 UStG § 14a Abs. 6 UStG § 25a Abs. 1 Nr. 1, 2 UStG

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