14.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010373
Amtsgericht Melsungen: Beschluss vom 08.12.2000 – 1 M 1169/2000
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 M 1169/2000
Beschluss
In dem Zwangsvollstreckungsverfahren
hat das Amtsgericht Melsungen am 08.12.2000 durch Richter Schönhofen beschlossen:
Tenor:
1. Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 05.07.2000 nicht mit der Begründung abzulehnen, der Antrag sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe:
Am 05.07.2000 erteilte die Gläubigerin einen Vollstreckungsauftrag bezüglich ihres Beitragsbescheides mit Rechnungsnummer über 1.192,45 DM und Rechnungsnummer über 4.252,-- DM.
Der Vollstreckungsauftrag war nicht im Original unterschrieben, sondern es war die Unterschrift eines Mitarbeiters der Gläubigerin eingescannt. Die vollstreckbare Ausfertigung des Titels wurde am 05.07.2000, somit am gleichen Tag wie der Vollstreckungsauftrag ausgefertigt, dem Antrag angeheftet und der Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge am Amtsgericht Melsungen zugesandt. Die vollstreckbare Ausfertigung war ordnungsgemäß unterschrieben.
Der zuständige Gerichtsvollzieher, verweigerte die Durchführung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung, der Vollstreckungsauftrag sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben. Die auf dem Auftrag eingescannte Unterschrift genüge der Schriftform für Vollstreckungsaufträge nicht, da durch die Ausführung des Auftrages gegebenenfalls massiv in die Rechte des Schuldners eingegriffen werde, sei es erforderlich, dass durch eine eigenhändige Unterschrift klar zum Ausdruck komme, dass tatsächlich ein Vollstreckungsauftrag erteilt werde und es sich nicht nur um einen Entwurf handele.
Der Vollstreckungsauftrag vom 05.07.2000 erfüllt die notwendigen Voraussetzungen der §§ 753 Abs. 2, 754 ZPO, sodass eine Ablehnung der Vollstreckungsaufträge nicht mit der Begründung eines fehlenden ordnungsgemäßen Antrages erfolgen durfte.
Verfahrensvorschriften wie die des § 753 Abs. 2, 754 ZPO sind nicht bloßer Selbstzweck, sondern dienen letztendlich auch der Wahrung der Rechte der Prozessbeteiligten.
Sie sollen die ordnungsgemäße aber auch zugügige Durchführung des Verfahrens unter Würdigung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen. Die Schriftlichkeit, zu der grundsätzlich auch die Unterschrift des Berechtigten gehört, soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können.
Ferner muss sich aus dem Schriftstück und der Umstände des Einzelfalls ergeben, dass es mit Wissen und Willen dem Gerichtsvollzieher zugeleitet worden ist.
Zwar hat die Rechtssprechung grundsätzlich die handschriftliche Unterschriftsleistung verlangt. Jedoch sind im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schriftlichkeitserfordernisses im Rahmen des Prozessrechts Ausnahmen zu machen.
Es entspricht der langjährigen Entwicklung, die den technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung trägt, die Übermittlung von Schriftsätzen auch durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts zuzulassen.
Die Erfüllung der gesetzlich erforderlichen Schriftform, zu der grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift gehört, ist solchen Schriftsätzen nicht deshalb abzusprechen, weil sie durch moderne elektronische Medien - wie das im Streitfall zu beurteilende Schriftstück - hergestellt werden. Auch bei der von der Rechtsprechung zu recht gebilligten und zum Gewohnheitsrecht erstarkten Übung der telefonischen Telegrammaufgabe existiert keine vom Absender unterschriebene Urschrift. Der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässligkeit der Eingabe zu gewährleisten, ist im Falle einer eingescannten Unterschrift gewahrt. Entspricht ein Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so ist die Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass seine Unterschrift eingescannt ist. Auch der Wille, einen solchen Schriftsatz dem Gerichtsvollzieher zuzuleiten, kann in aller Regel nicht ernsthaft bezweifelt werden. Dies insbesondere dann nicht, wenn wie im vorliegenden Fall mit dem Auftrag zur Zwangsvollstreckung zugleich eine vollstreckbare Ausfertigung zu Händen des Gerichtsvollziehers gereicht wird, die eigenhändig unterschrieben worden ist. Schon allein aus dieser Tatsache ist für den Gerichtsvollzieher erkennbar, dass mit Wissen und Wollen des Berechtigten der Vollstreckungsauftrag erteilt wurde.
Der gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe hat im Beschluss vom 05.04.2000 (GMS-OBG 1/98) entschieden, dass in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmte Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts vermittelt werden können.
Etwas anderes kann hier auch nicht gelten.
Wenn bereits nach der Rechtssprechung des gemeinsames Senates der obersten Gerichtshilfe per elektronischer Datenübertragung übermittelte Schriftsätze mit eingescannter Unterschriftform genügen, so muss dieses Erfordernis bei einer körperlichen Übermittlung mit eingescannter Unterschrift erst recht gelten.
Die anders lautende Ansicht des Landgerichts München (26.10.1982, 20 G 18645/83) und des Landgerichts Coburg (26.11.1993, 2 T 112/93) entspricht nicht dem heutigen Stand der Technik und des Fortschritts, der mittlerweile auch die Bereiche der Justiz und der Gerichte erreicht hat.
Es kann auch, insbesondere im Hinblick darauf, dass es sich bei der Gläubigerin um eine Bundesbehörde und Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt und der Vollstreckungstitel eigenhändig unterschrieben wurde, der Wille, dem Gerichtsvollzieher den Auftrag zur Zwangsvollstreckung zu erteilen, nicht ernsthaft bezweifelt werden.
Nach alledem lag dem Gerichtsvollzieher ein ordnungsgemäß unterschriebener Vollstreckungsauftrag vor, sodass eine Ablehnung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung, der Antrag sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben, unzulässig war.
Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.