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14.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010374

Vollstreckung effektiv 04/2001 Seite 43-45

Die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG


Gläubigeranfechtung


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I. Zweck der Gläubigeranfechtung nach dem AnfG

Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen durch den Schuldner, die i.d.R. Ehegatten, Kindern, Eltern, dem Lebensgefährten, Verwandten oder Bekannten (= Leistungsempfänger) zu Gute gekommen sind.


II. Anwendbarkeit

  • Uneingeschränkte Anwendung des AnfG n.F. bei Rechtshandlungen, die nach dem 1.1.99 vorgenommen worden sind (vgl. § 20 Abs. 1 AnfG).

  • Bei Rechtshandlungen vor dem 1.1.99 muss die Anfechtbarkeit nach dem neuen und nach dem alten AnfG geprüft werden (dazu Prüfungsschema VE 2/01, 25).


III. Anfechtbare Handlungen

Jedes aktive und passive Handeln mit rechtlicher Wirkung (= Rechtshandlung), z.B.:

  • Forderungsabtretung,
  • Eigentumsverschiebung,
  • Unterlassen des rechtzeitigen Unterbrechens der Verjährung,
  • Verzicht auf Einspruchseinlegung, Unterlassen eines Rechtsmittels,
  • Nichterklärung einer Anfechtung wegen Täuschung, Drohung oder Irrtums,
  • bewusstes Nichtverhandeln im Termin mit der Folge eines Versäumnisurteils.

Typische Situation: Eine dem Schuldner i.S. von § 138 InsO nahe stehende Person erwirkt einen Titel und blockiert somit den Zugriff durch andere Gläubiger.


IV. Nicht anfechtbare Handlungen

  • Unterlassener Erwerb von Vermögen (z.B. Ausschlagung von Erbschaft oder Vermächtnis, Nichtannahme einer Schenkung),
  • absichtliche Aufgabe einer Arbeitsstelle,
  • Veräußerung, Aufgabe oder Übertragung eines Unternehmens als Ganzes (so BGH 24.10.62, WM 62, 1316; aber a.A.: fast die gesamte Literatur, siehe nur Nerlich, AnfG, 2000, § 1 Rn. 33 deshalb Prüfung, ob im Hinblick auf das Alter der BGH-Entscheidung eventuell doch ein Anfechtungsprozess durchgeführt werden kann).

V. Voraussetzungen
  1. (Vorläufig) vollstreckbarer Titel.
  2. Fällige Forderung.
  3. Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens, das heißt: Der Gläubiger hat auf Grund der Zwangsvollstreckung keine/keine vollständige Befriedigung erlangt. Berufung auf:
    • vergebliche Vollstreckungsversuche anderer Gläubiger,
    • schuldnerische Geschäftsbilanz,
    • Pfandabstandsprotokoll (BGH 22.9.82, NJW 83, 1678),
    • Haftbefehl zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung,
    • schwer zugängliches Schuldnervermögen (z.B. im Ausland).

  4. Objektive Gläubigerbenachteiligung, das heißt: Der Gläubiger steht ohne anfechtbare Rechtshandlung günstiger dar.


    Praxishinweis: An einer Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn der anfechtbar weggegebene Gegenstand auf Grund von Pfändungsschutzvorschriften unpfändbar wäre (siehe §§ 811, 850 ff. ZPO).



  5. Anfechtungsgründe
    • Vorsatzanfechtung3 Abs. 1 AnfG):
      • Der Schuldner weiß, dass sich sein Handeln für den Gläubiger nachteilig auswirkt. Kein Vorsatz besteht, wenn ein Dritter die Rechtshandlung vornimmt. Vorsatz aber bei planmäßigem Zusammenwirken zwischen Schuldner und Drittem (Zusätzlich sittenwidrige Schädigung nach §§ 138, 134, 823, 826 BGB prüfen.)
      • Dritter muss Schädigungsabsicht des Schuldners positiv kennen. Die positive Kenntnis wird bei nahe stehenden Personen nach § 138 InsO sowie inkongruenten Deckungsgeschäften (dazu Blöcker, VE 11/00, 148) vermutet.
      • Die Rechtshandlung darf nicht länger als zehn Jahre her sein.

    • Entgeltliche Verträge mit Nahe stehenden3 Abs. 2 AnfG, § 138 InsO), z.B.:
      • Umfasst werden Miet-, Pachtverträge, Abtretungen, Sicherheitenbestellungen.
      • Die Anfechtungsfrist beträgt zwei Jahre.
      • Beweislastumkehr: Der Dritte (= nahe stehende Person) muss seine Redlichkeit beweisen und dass der Vertrag außerhalb der Anfechtungsfrist geschlossen wurde.


      Praxishinweis: Im amtlichen Vordruck zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sind unter Nr. 27 Buchstabe a entgeltliche Veräußerungen an nahe stehende Personen anzugeben (§ 807 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Diese Erklärung kann im Anfechtungsprozess als Beweis verwendet werden.


    • Schenkungsanfechtung4 AnfG):
      • Umfasst werden unentgeltliche Leistungen. Ausnahme: Gelegenheitsgeschenke (zum Geburtstag, zu Weihnachten etc.) i.d.R. bis 1.000 DM.
      • Die Anfechtungsfrist beträgt vier Jahre.
      • Beweislastumkehr: Der Anfechtungsgegner hat zu beweisen, dass die Leistung außerhalb der Anfechtungsfrist erfolgte.


      Praxishinweis: Im amtlichen Vordruck zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sind unter Nr. 27 Buchstabe b entgeltliche Leistungen bzw. Gelegenheitsgeschenke anzugeben (§ 807 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Diese Erklärung kann im Anfechtungsprozess als Beweis verwendet werden.


    • Erbenanfechtung5 AnfG)
    • Anfechtung bei Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehen6 AnfG)

VI. Durchführung der Anfechtung

  1. Anfechtungs-(wider-)klage 13 AnfG)
    • Ziel: Der Beklagte (= Leistungsempfänger) wird verpflichtet, den übertragenen Gegenstand dem Kläger (= Gläubiger) zur Vollstreckung zur Verfügung zu stellen. Da ein unbestimmter Klageantrag die Anfechtungsfrist nicht wahrt, ist die zu vollstreckende Forderung nebst Zinsen und Kosten zu benennen; zudem ist anzugeben, für welchen Betrag die Anfechtung in welcher Weise geltend gemacht wird (BGH 18.12.86, NJW 87, 904). Praxishinweis: zu den Klageanträgen VE 3/01, 37.
    • Zuständigkeiten:
      • Gerichtliche Zuständigkeit: bürgerliche Rechtsstreitigkeit (§ 13 GVG), außer
        Arbeits- und Familiensachen sowie Angelegenheiten der Kammer für Handelssachen beim LG.
      • Sachliche Zuständigkeit: Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Streitwert (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG).
      • Örtliche Zuständigkeit: Grundsätzlich ist am allgemeinen Wohnsitz des Anfechtungsgegners zu klagen (§§ 13 - 19 ZPO). Als besondere Gerichtsstände kommen der Aufenthaltsort (§ 20 ZPO), die gewerbliche Niederlassung (§ 21 ZPO) oder der Ort des Vermögens und Streitobjekts (§ 23 ZPO) in Betracht. Bei Immobilien bzw. deren Belastungen gilt ausschließlich der dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO). Nicht möglich sind der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) und der Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsorts (§ 29 ZPO).

  2. Anfechtungseinrede9 AnfG)

    Typischer Fall: Der Beklagte (= Gläubiger) beruft sich im Rahmen einer Drittwiderspruchsklage auf den anfechtbaren Erwerb der Sache durch einen Dritten (= Kläger).

  3. Anfechtungsfristen7 AnfG)
    • Die Berechnung der Fristen erfolgt nach überwiegender Meinung nach den allgemeinen Grundsätzen der § 187 Abs. 1, §§ 188, 193 BGB (a.A. § 139 InsO).
    • Vom Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung an ist zurückzurechnen.
    • Die Anfechtungsfristen sind Ausschlussfristen, also:
      • Die Verjährungs-Hemmungsvorschriften gelten nicht.
      • Die Frist wird von Amts wegen durch das Gericht geprüft.
      • Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht möglich. Regressgefahr bei leicht fahrlässiger (BGH 11.12.91, NJW 92, 1820) Nichtbeachtung von Formvorschriften.

    • Der Fristbeginn richtet sich nach § 8 AnfG, das heißt: Grundsätzlich ist der Eintritt der rechtlichen Wirkung der anzufechtenden Rechtshandlung entscheidend (§ 8 Abs. 1 AnfG), also z.B.:
      • Bei Vorausabtretung von künftigen Forderungen ist deren Entstehen maßgeblich.
        Ausnahmen:
      • Bei Grundstücksübertragungen beginnt die Frist schon mit der Stellung des jeweiligen Umschreibungsantrags beim Grundbuchamt (§ 8 Abs. 2 AnfG).
      • Bei Bedingungen und Befristungen kommt es auf den Zeitpunkt der schuldrechtlichen Vereinbarung an (§ 8 Abs. 3 AnfG).

    • Eine Verlängerung der Anfechtungsfrist um fast zwei Jahre ist wie folgt möglich:
      • Anspruch darf nicht fällig oder tituliert sein.
      • Die Anfechtung ist dem Anfechtungsgegner schriftlich mitzuteilen. Beim Einschreiben mit Rückschein ist der erforderliche Nachweis quasi nur geführt, wenn man einen Zeugen dafür hat, dass ein bestimmtes Schriftstück in den Umschlag getan, dieser Umschlag richtig adressiert zur Post gebracht und als Einschreiben mit Rückschein aufgegeben wurde deshalb im Zweifel Gerichtsvollzieher mit Zustellung beauftragen.
      • Die anzufechtende Rechtshandlung ist nach Zeit, Art und Gegenstand ebenso wie die Gläubigerforderung genau zu bezeichnen.


      Praxishinweis: Die Frist darf voll ausgenutzt werden, das heißt: Die Geltendmachung der Anfechtung am letzten Tag der Frist reicht aus, wenn die Klage ?demnächst? zugestellt wird (BGH 27.9.95, NJW 95, 3380).

VII. Rechtsfolgen der erfolgreichen Anfechtung

  1. Der Anfechtungsgegner hat die Zwangsvollstreckung in den anfechtbar erworbenen Gegenstand zu dulden, also bei:
    • Erwerb einer Geldsumme: §§ 803, 828, 865 ff. ZPO (Im-/Mobiliarvollstreckung),
    • Erwerb einer Mobilie: §§ 803, 807 ZPO (Gerichtsvollziehervollstreckung),
    • Erwerb einer Immobilie: § 866 Abs. 1 ZPO (Zwangshypothek, -versteigerung, -verwaltung),
    • Erwerb einer noch nicht eingezogenen Forderung: § 828 ZPO (Forderungspfändung beim Drittschuldner des Ursprungsschuldners),
    • Erwerb einer eingezogenen Forderung: §§ 808, 828 ZPO (Wertersatz = Zahlung einer bestimmten Geldsumme),
    • Abtretung von Grundpfandrechten: §§ 830, 837, 857 Abs. 4 ZPO, das heißt bei:
      • Briefrechten: Pfändung durch Beschluss und Briefwegnahme (ggf. durch Gerichtsvollzieher, § 830 Abs. 1 S. 1, §§ 883 ff. ZPO; Titel ist Pfändungsbeschluss),
      • Buchrechten: Pfändung und Grundbucheintragung sind erforderlich.

  2. Verschärfte Haftung bei Bösgläubigkeit

    Werterhöhende Nutzungen sind zu gewähren (z.B. Kursanstieg von Aktien).
  3. Der Untergang der Sache verpflichtet zum Wertersatz durch Zahlung einer Geldsumme (§ 11 Abs. 2 AnfG); eine Entreicherungseinrede (§ 818 Abs. 3 BGB) ist nicht möglich.