03.05.2007 · IWW-Abrufnummer 071538
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 04.12.2006 – GrS 1/05
1. Ein im Privatvermögen entdecktes Kiesvorkommen ist bei Zuführung zum Betriebsvermögen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem Teilwert anzusetzen.
2. Bei dem Abbau des Kiesvorkommens dürfen Absetzungen für Substanzverringerung nicht vorgenommen werden.
Gründe:
A. Vorgelegte Rechtsfrage, Sachverhalt und Ausgangsverfahren, Begründung der Vorlage, Stellungnahme der Beteiligten
I. Vorgelegte Rechtsfrage
Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluss vom 16. Dezember 2004 III R 8/98 (BFHE 208, 245, BStBl II 2005, 278) dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 2 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Kann ein Steuerpflichtiger einen Bodenschatz, der sich in seinem Privatvermögen zu einem Wirtschaftsgut konkretisiert hat, mit dem Teilwert in sein Betriebsvermögen einlegen und hiervon Absetzungen für Substanzverringerung (AfS) vornehmen?
II. Sachverhalt und Ausgangsverfahren
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) --Eheleute, die für das Streitjahr 1980 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden-- streiten mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--), ob der Kläger einen im Privatvermögen entdeckten Bodenschatz mit dem Teilwert in sein Betriebsvermögen einlegen und AfS vornehmen konnte.
Im Jahre 1977 erwarb der Kläger ein ehemals landwirtschaftlich genutztes Kiesgrundstück in vorweggenommener Erbfolge von seiner Mutter gegen Einräumung einer Versorgungsrente. Am 26. September 1978 beantragte er eine Erlaubnis zur Kiesentnahme. Das Abbauvorhaben wurde unter dem 22. Dezember 1978 amtlich bekannt gemacht und mit Bescheid des Landratsamts vom 29. März 1979 genehmigt. Am 1. Mai 1979 meldete der Kläger einen Kies- und Sandbetrieb bei der Gemeindeverwaltung an.
Bei der Gewinnermittlung für das Jahr 1978 zog er vorbereitende Aufwendungen für den Gewerbebetrieb "Kieswerk" als Betriebsausgaben ab. Zum 1. Januar 1979 ging er zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) über und legte ein Wirtschaftsgut "Kiesvorkommen" zum 1. Mai 1979 mit einem Teilwert von 420 000 DM sowie den Grund und Boden mit einem Teilwert von 30 000 DM in das Betriebsvermögen ein.
Die erstmals bei der Gewinnermittlung für das Streitjahr 1980 in Anspruch genommenen AfS in Höhe von 28 000 DM ließ das FA nicht zum Abzug zu. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1980 war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im ersten Rechtsgang durch Urteil vom 17. März 1989 13 K 13076/85 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 447) ab. Es war der Auffassung, das unentgeltlich erlangte Kiesvorkommen könne nicht mit dem Teilwert eingelegt werden, so dass AfS nicht in Betracht kämen.
Der III. Senat des BFH hob die finanzgerichtliche Entscheidung durch Urteil vom 26. November 1993 III R 58/89 (BFHE 173, 115, BStBl II 1994, 293) auf und verwies die Sache an das FG zurück. AfS bemäßen sich im Falle der Einlage eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen grundsätzlich nach dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Entsprechendes gelte bei der Eröffnung eines Betriebs (§ 6 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Die nach § 6 Abs. 1 Nrn. 5, 6 EStG anzusetzenden Werte träten als fiktive Werte an die Stelle tatsächlicher Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Entscheidend sei daher, ob das Wirtschaftsgut bereits im Privatvermögen entstanden und anschließend eingelegt worden sei oder ob es sich erst im Betriebsvermögen konkretisiert habe. Das FG habe daher zu ermitteln, ob der Kläger mit seiner auf den Kiesabbau gerichteten Tätigkeit bereits vor der Konkretisierung des Kiesvorkommens zu einem selbständig bewertbaren Wirtschaftsgut begonnen habe und mit welchem Wert dieses anzusetzen sei.
In seinem im zweiten Rechtsgang erlassenen Zwischenurteil vom 21. November 1997 8 K 578/94 (EFG 1998, 635) gelangte das FG zu dem Ergebnis, das Kiesvorkommen habe sich als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut im Privatvermögen des Klägers konkretisiert und sei erst danach eingelegt worden. Denn zum Zeitpunkt der Erteilung der Abbaugenehmigung am 29. März 1979 sei der Kläger noch nicht endgültig entschlossen gewesen, einen Gewerbebetrieb zu eröffnen und den Kies selbst abzubauen.
Das FG ließ die Revision zu, da sich zwischenzeitlich eine Divergenz des zurückverweisenden Urteils des III. Senats in BFHE 173, 115, BStBl II 1994, 293, zu dem Urteil des BFH vom 19. Juli 1994 VIII R 75/91 (BFHE 175, 90, BStBl II 1994, 846) ergeben habe.
Mit der Revision trägt das FA vor, entsprechend den Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 175, 90, BStBl II 1994, 846, seien auch bei Einlage des Grund und Bodens zusammen mit dem Bodenschatz AfS unzulässig.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Der vorlegende Senat beabsichtigt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen, sieht sich daran aber durch die Rechtsprechung des I. und des VIII. Senats gehindert.
III. Begründung der Vorlage
Nach Auffassung des vorlegenden Senats kann der Steuerpflichtige einen im Privatvermögen entdeckten Bodenschatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit dem Teilwert in sein Betriebsvermögen einlegen und hiervon nach § 7 Abs. 6 EStG AfS vornehmen.
1. Habe sich ein Bodenschatz zu einem selbständig bewertbaren Wirtschaftsgut konkretisiert, liege ein materielles Wirtschaftsgut vor. Entgegen der Auffassung des VIII. Senats lasse sich weder aus bewertungsrechtlichen noch aus gewerbesteuerrechtlichen oder einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zwingend herleiten, dass der Bodenschatz mit seiner Konkretisierung auch in der Person des Eigentümers als Nutzungsrecht (Abbauberechtigung) entstehe.
2. Als materielles Wirtschaftsgut könne der im Privatvermögen konkretisierte Bodenschatz in ein Betriebsvermögen eingelegt werden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG sei im Streitfall der eingelegte Bodenschatz mit dem Teilwert anzusetzen. Von dem Teilwert könne der Kläger AfS vornehmen.
Die seit 1965 geltende Regelung für AfS in § 11d Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) stehe einer Einlage des Bodenschatzes mit dem Teilwert nicht entgegen. Die Grundsätze, die nach §§ 6, 7 EStG für die Bewertung von Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen gälten, würden durch diese Bestimmung nicht berührt. § 11d Abs. 2 EStDV schließe --wie sich aus der Überschrift und der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. p EStG ergebe-- AfS nur bei nicht zum Betriebsvermögen gehörenden, unentgeltlich erworbenen Bodenschätzen aus (insoweit entgegen BFH-Urteil vom 13. September 1988 VIII R 236/81, BFHE 154, 358, BStBl II 1989, 37).
§ 11d Abs. 2 EStDV könne sich als Ausnahmevorschrift lediglich auf nicht zu einem Betriebsvermögen gehörende Bodenschätze beziehen. Der allgemeine, dem System der Besteuerung nach dem Einkommen übergeordnete Grundsatz, dass nicht betrieblich veranlasste Vermögenszuwächse den steuerlichen Gewinn nicht erhöhten (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348), werde durch diese Regelung nicht eingeschränkt. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Bodenschätze, die auf Grund der Einlage zu einem Betriebsvermögen gehörten, sei nicht, auch nicht aus Gründen der Praktikabilität, gerechtfertigt.
3. Die unterschiedliche Behandlung von im Privatvermögen entdeckten, unentgeltlich erworbenen Bodenschätzen je nachdem, ob sie durch Überlassung des Grundstücks zur Ausbeute im Rahmen eines Pachtvertrags oder durch Einlage in den eigenen Gewerbebetrieb und Selbstabbau verwertet würden, erfordere keine einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der Weise, dass die Einlage mit 0 DM/¤ zu bewerten wäre.
Bei einer Einlage mit 0 DM/¤ wäre der Erlös aus der Veräußerung des im Privatvermögen steuerfrei entstandenen Bodenschatzes in voller Höhe abzüglich damit zusammenhängender Aufwendungen zu versteuern. Bei einer Einlage zum Teilwert wäre dagegen nur der den Teilwert übersteigende Veräußerungserlös (abzüglich der damit zusammenhängenden Aufwendungen) der Besteuerung zugrunde zu legen.
4. Auch wenn der Annahme des VIII. Senats zu folgen wäre, dass sich der Bodenschatz als Abbauberechtigung zu einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiere, seien AfS nicht ausgeschlossen. Denn auch bei Beurteilung als Abbauberechtigung wäre der Bodenschatz mit dem Teilwert und nicht mit 0 DM/¤ zu bewerten. Die Grundsätze des Großen Senats des BFH zur Einlage eines Nutzungsrechts in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, seien auf Abbauberechtigungen nicht anwendbar.
5. Verpachte der Grundstückseigentümer das Grundstück zur Ausbeute des Bodenschatzes, unterlägen die Entgelte --anders als bei einer Veräußerung-- als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Steuer, ohne dass er AfS vornehmen dürfe (§ 11d Abs. 2 EStDV). Die Vermögensmehrung durch die Ausbeute im eigenen Gewerbebetrieb bleibe dagegen insoweit unbesteuert, als bei einer Einlage zum Teilwert dem Ertrag aus der Ausbeute entsprechende AfS gegenüberständen. Diese unterschiedliche Behandlung sei Folge der dem Verordnungsgeber nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. p EStG nur für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens überlassenen Entscheidung, AfS bei Bodenschätzen, die der Steuerpflichtige auf einem ihm gehörenden Grundstück entdeckt habe, nicht zuzulassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den in BFHE 208, 245, BStBl II 2005, 278, veröffentlichten Vorlagebeschluss verwiesen.
IV. Stellungnahme der Beteiligten
Die Kläger und das FA haben sich zum Vorlagebeschluss nicht geäu ßert. Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist der Auffassung, ein im Privatvermögen konkretisierter Bodenschatz sei ein immaterielles Wirtschaftsgut. Einer Einlage zum Teilwert stehe die grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzgebers, wie sie auf Grund der Besonderheiten des Wirtschaftsguts "Bodenschatz" in § 11d Abs. 2 EStDV zum Ausdruck komme, entgegen.
Durch die Einlage des bodenschatzführenden Grundstücks finde ein Wechsel in der Person des Rechtsträgers nicht statt; Grundstück und Bodenschatz würden lediglich einem anderen Vermögen desselben Rechtsträgers und Grundstückseigentümers zugeordnet. Der Grundstückseigentümer übe weiterhin die uneingeschränkte Verfügungsmacht über Grundstück und Bodenschatz aus. Diese aus der Eigentümerstellung des Grundstückseigentümers fließende Nutzungsbefugnis verkörpere jedenfalls kein eigenständiges materielles Wirtschaftsgut; sie könne allenfalls als ein immaterielles Recht --eine Nutzungsbefugnis zur Ausbeute des Bodenschatzes-- angesehen werden. Gegenstand der Einlage seien daher zwei Wirtschaftsgüter, nämlich der "nackte Grund und Boden" sowie das Ausbeuterecht als Nutzungsbefugnis.
Entgegen der Annahme des vorlegenden III. Senats komme eine Einlage zum Teilwert nicht in Betracht, da die Abbauberechtigung unentgeltlich erworben worden sei und niemand --weder der Steuerpflichtige selbst noch sein Rechtsvorgänger-- für das Wirtschaftsgut Anschaffungskosten getragen habe. Die Nutzungsberechtigung sei mit dem Wert 0 DM/¤ anzusetzen. Hierfür sprächen auch Erwägungen, wie sie für den Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, maßgeblich gewesen seien. Es sei zwar zutreffend, dass der damals der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt vom vorliegenden Fall insoweit abweiche, als hier Grundstück und Bodenschatz gleichermaßen in das Betriebsvermögen eingelegt worden seien. Der Gedanke, dass bei Bewertung der Abbauberechtigung mit dem Teilwert ein auf der Nutzung beruhender und im Betrieb erwirtschafteter Gewinn der Besteuerung durch die Einlage entzogen werde, sei aber auch hier zutreffend. Es handele sich dabei um einen auf langer Rechtstradition beruhenden Grundsatz, dass bei Ausbeutung eines auf eigenem Grund und Boden entdeckten Bodenschatzes die Erträge hieraus vollständig, d.h. brutto der Besteuerung zugeführt werden sollten. Denn hierbei handele es sich um einen auf der Grundstücksnutzung beruhenden, im Abbaubetrieb erwirtschafteten Gewinn und nicht um eine bloße Vermögensumschichtung. Die Einlage zum Teilwert würde letztendlich dazu führen, dass diese Gewinne weitestgehend steuerfrei blieben.
Nach § 11d Abs. 2 EStDV seien bei der Ausbeutung von Bodenschätzen im Privatvermögen AfS ausdrücklich ausgeschlossen. Damit werde erreicht, dass der Ertrag aus der privaten Ausbeutung des Bodenschatzes voll zu versteuern sei. Diese Wertungsentscheidung sei zwar ausdrücklich nur für das Privatvermögen getroffen worden, sie dürfe aber durch eine Einlage in ein Betriebsvermögen nicht in der Weise umgangen werden, dass der Bodenschatz nunmehr weitgehend steuerfrei verwertet werden könne. Mit einem Verweis auf den Einkünftedualismus sei ein solches Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Daher sei bei einer Einlage eines im Privatvermögen zu einem Wirtschaftsgut konkretisierten Bodenschatzes dieser nicht mit dem Teilwert, sondern mit 0 DM/¤ zu bewerten. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, der die Bewertung einer Einlage mit dem Teilwert vorsehe, sei entsprechend teleologisch zu reduzieren.
B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen
Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Sache durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Keiner der Beteiligten hat mündliche Verhandlung beantragt.
Die Vorlage an den Großen Senat ist zulässig. Sie erfüllt die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 bis 4 FGO. Mit seiner Rechtsauffassung zur Einlage eines Bodenschatzes in das Betriebsvermögen weicht der III. Senat von dem Urteil des VIII. Senats in BFHE 175, 90, BStBl II 1994, 846, und von dem Beschluss des I. Senats vom 16. März 1994 I ER -S- 1/94, nicht veröffentlicht, ab. Auf Anfrage des III. Senats haben diese Senate der Abweichung nicht zugestimmt (Beschlüsse vom 14. Juli 2004 I ER -S- 1/04 und vom 24. August 2004 VIII ER -S- 1/04). Wegen der unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum sowie der erheblichen Bedeutung der Rechtsfrage für die Praxis kommt der Frage auch grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 11 Abs. 4 FGO zu.
Die vorgelegte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des III. Senats in der Revisionssache III R 8/98 entscheidungserheblich. Bei einer Einlage zum Teilwert und entsprechenden Absetzungen ergibt sich ein niedrigerer Steuerbetrag als bei einer Einlage mit 0 DM/¤, die keine Absetzungen zulässt. Die prinzipiell nach § 126 Abs. 5 FGO bestehende Bindung an die im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung entfällt, wenn diese Rechtsauffassung im zweiten Rechtsgang vom Großen Senat nicht geteilt wird (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 126 Rz 29, 30).
C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage
I. Rechtsentwicklung; Schrifttum; Verwaltung
1. Rechtsentwicklung
a) EStG 1890 und EStG 1920
Das Preußische Oberverwaltungsgericht in Staatssteuersachen (PrOVGSt) hatte AfS bei den sog. Substanzbetrieben stets für zulässig erklärt, indem es den sprachlich engen Begriff der "Abnutzung" über qualitative Verschlechterungen hinaus auf quantitative Verminderungen ausdehnte (Urteile des PrOVGSt vom 18. Januar 1900, PrOVGStE 8, 219, 223; vom 26. April 1900, PrOVGStE 9, 249, 255; Strutz, Kommentar zum EStG vom 10. August 1925, Erster Band, 1927, S. 963, m.w.N.). Demnach waren auf Grund des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG vom 24. Juni 1891 beim Bergbau die der jährlichen Verringerung der Substanz entsprechenden Abschreibungen als abziehbar anzuerkennen (so auch Fernow, EStG vom 24. Juni 1891, 5. Aufl., 1902, § 9 Rz 10i [S. 70]). Werde durch den eigenen Bergbau eine Abnutzung und Entwertung des Grund und Bodens herbeigeführt, so seien Abschreibungen auf diesen zulässig (Fuisting/Strutz, EStG vom 24. Juni 1891, 6. Aufl., 1919, § 8 Rz 36 [S. 114]). In vergleichbarer Weise sah § 13 Nr. 1 Buchst. c EStG 1920 vor, dass bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen einen Verbrauch der Substanz bedingenden Betrieben zu den Werbungskosten auch die Abschreibungen für die Substanzverringerung gehören.
b) EStG 1925
Diese Regelungen wurden in § 16 Abs. 4 Halbsatz 1 EStG 1925 (vom 10. August 1925, RGBl I, 189) übernommen; danach waren bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen einen Verbrauch der Substanz bedingenden Betrieben AfS zulässig. Allerdings sollten die Vorschriften des Abs. 3 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung finden; nach Satz 4 durften die Absetzungen von keinem höheren als dem Anschaffungs- oder Herstellungspreis (§ 19 Abs. 2) vorgenommen werden.
§ 16 Abs. 4, Abs. 3 Satz 4 EStG 1925 beschränkte die Absetzbarkeit von Substanzverringerungen bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen einen Verbrauch der Substanz bedingenden Betrieben auf den Anschaffungs- oder Herstellungspreis (zur Entstehung der Norm vgl. Bericht des 6. Ausschusses --Steuerfragen-- RTDrucks III. 1924/25 Nr. 1229, S. 38). Substrat der Absetzungen war damit nicht mehr der objektive Wert der Substanzverringerung, sondern der Anteil an den individuellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (zur Problematik der Neuregelung Strutz, Kommentar zum EStG vom 10. August 1925, § 16 Rz 58 und 61 [S. 982, 984 f.]). Diese Gesetzesänderung bedeutete eine Abkehr von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) zum bisherigen Recht, die dahin ging, dass die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach den Beschaffungskosten, dagegen die AfS nach dem gemeinen Wert der Substanz zu bemessen waren (RFH-Urteil vom 9. Oktober 1925 Ia 81/24, RFHE 17, 218, unter Bezugnahme auf den Schanz'schen Einkommensbegriff; Strutz, a.a.O., S. 261; § 16 Rz 55 f. [S. 962 f.]).
Als Anschaffungspreis für den Substanzbetrieb kämen nur die wirklichen Ausgaben f ür den Erwerb der Substanz in Frage; sei die Substanz entgeltlich erworben worden, so gelte als Anschaffungspreis der Erwerbspreis. Sei die Substanz durch Mutung (Erteilung des Rechts zum Abbau) oder Verleihung erworben, so kämen neben den Kosten der Mutung und Verleihung auch die Kosten der Aufschließung, der Bohrungen, des Fündigwerdens in Betracht (Kuhn, EStG vom 10. August 1925, 4. Aufl. 1926, § 16 Rz 4, S. 241; Blümich/Schachian, EStG vom 10. August 1925, § 16 Rz 20, S. 236; Kennerknecht, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz vom 10. August 1925, 1926, § 16 EStG Rz 42, S. 210; a.A. Strutz, a.a.O., § 16 Rz 61, S. 986, unter Hinweis darauf, dass der steuerlich bestraft würde, der die "verliehene Gerechtsame" selbst ausübe).
c) EStG 1934 und weitere Entwicklung
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG 1934, der nach der Gesetzesbegründung (RStBl 1935, 33, 39) die bisherige Regelung in § 16 Abs. 2 bis 4 EStG 1925 ersetzte, waren bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen Betrieben, die einen Verbrauch der Substanz mit sich brachten, AfS zulässig. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 EStG 1934 war dessen Abs. 1, der u.a. die Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten regelte, entsprechend anzuwenden.
Die 1. Verordnung zur Durchführung des Einkommensteuergesetzes vom 6. Februar 1935, RStBl 1935, 209, enthielt in § 6 eine Regelung zur Bewertung bei unentgeltlicher Übertragung. Von den Einnahmen aus der Verpachtung eines Kiesvorkommens waren AfS nicht vorzunehmen, wenn Kosten für die Anschaffung des Kiesvorkommens nicht entstanden und auch nach § 9 der Einkommensteuer-Durchführungsbestimmung 1939 (§ 12 der Ersten EStDVO) nicht zu unterstellen waren (RFH-Urteil vom 21. Juni 1944 VI-323/43, RStBl 1944, 546).