08.08.2013 · IWW-Abrufnummer 170767
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 26.04.2013 – 6 Sa 1701/12
Folgeentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 14.12.2012 - AZ. 6 Sa 554/12 -.
Tenor: I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.10.2012 - AZ: 4 Ca 2584/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das angefochtene Urteil im Kostenausspruch abgeändert und im Übrigen zum Zwecke der Klarstellung neu gefasst wird. 1. Die Beklagte wird verurteilt, 739,44 € netto auf das für die Klägerin eingerichtete Konto bei der Hamburger Pensionsrückdeckungskasse VVAG (HPR) zu der dortigen Bestandsnummer 1009553 zu zahlen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 82% und die Beklagte zu 18% zu tragen. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 30% und der Beklagten zu 70% auferlegt. III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Tatbestand: Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung für Januar bis August 2012. Die am 02.12.1962 geborene Klägerin war seit dem 01.03.2000 bei der BKK für Heilberufe beschäftigt, die in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Betriebskrankenkasse betrieb. Infolge eines Bescheids des Bundesversicherungsamtes ist die Betriebskrankenkasse zum 31.12.2011 geschlossen worden. Seit dem 01.01.2012 wickelt die Beklagte die Krankenkasse ab. Auf das Arbeitsverhältnis fand der "Tarifvertrag BKK für Hellberufe" Anwendung, der folgende Regelung enthielt: "§ 26 Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung Die Beschäftigten haben Anspruch auf den Abschluss einer Vereinbarung zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der Anlage IV." Gemäß der Anlage IV "Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung" (im Folgenden: AHV) zu dem Tarifvertrag wird den Arbeitnehmern drei Jahre nach Beschäftigungsbeginn eine unmittelbare Anwartschaft auf Versorgungsleistungen (Erwerbsminderungs-, Alters- und Hinterbliebenenrente) gewährt. Die Beiträge werden - differenziert nach dem Lebensalter und dem Zeitpunkt der Vereinbarung - in bestimmten Prozentsätzen vom Einkommen als Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge erbracht. Gemäß § 15 AHV hat der Arbeitgeber zur Finanzierung der zugesagten Versorgungsleistungen eine kongruente Rückdeckungsversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abzuschließen. Laut § 16 Abs.1 AHV ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Rechte und Ansprüche aus der gemäß § 15 abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung zur "Sicherung aller Ansprüche des Arbeitnehmers und seiner Hinterbliebenen aus dieser Vereinbarung" an den Arbeitnehmer zu verpfänden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie der AHV, Bl. 37 ff. d.A., Bezug genommen. Die Klägerin hat mit der BKK für Heilberufe auf Basis des Tarifvertrages eine entsprechende Altersversorgungsvereinbarung geschlossen. Bis einschließlich Dezember 2011 wurden entsprechend dieser Vereinbarung sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberbeiträge an die Rückdeckungsversicherung bei der Hamburger Pensionsrückdeckungskasse VVaG (HPR) zu der Bestandsnummer 1009553 abgeführt. Die BKK für Heilberufe Körperschaft des öffentlichen Rechts teilte der Klägerin mit einem Schreiben vom 16.11.2011 mit, dass ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2011, mit dem Tag der durch den Bescheid verfügten Schließung, sein Ende finden werde. Zudem kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit einem Schreiben vom 18.11.2011 "hilfsweise außerordentlich zum 31.12.2011, äußerst hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt". Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat in einem Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen 2 Ca 6918/11 mit Urteil vom 14.02.2012 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 18.11.2011 nicht beendet wird und über den 31.12.2011 hinaus unverändert fortbesteht. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das LAG Düsseldorf mit Urteil vom 14.12.2012 - AZ: 6 Sa 554/12 - zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Seit Januar 2012 wird die Klägerin von der Beklagten auf Basis befristeter Verträge beschäftigt. Beiträge an die Hamburger Pensionsrückdeckungskasse führte die Beklagte nicht ab. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, da die ursprünglichen Arbeitsvertragsbedingungen fortbestünden, müssten auch die Beiträge zur Altersversorgung an die Rückdeckungsversicherung abgeführt werden. Die Klägerin hat beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, 1.056,40 € netto auf ihr Konto bei der Hamburger Pensionsrückdeckungskasse VVaG (HPR) zu der dortigen Bestandsnummer 1009553 zu zahlen; 2. die Beklagte zu verurteilen, ihr auch über den 01.01.2012 hinaus Krankengeldzuschüsse gemäß § 17 Abs. 2 des Tarifvertrages zwischen der BKK für Heilberufe und der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat sich im Wesentlichen darauf berufen, die Abwicklungskörperschaft sei ein von der ursprünglichen BKK für Heilberufe zu unterscheidender Rechtsträger. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis habe gemäß §§ 155 Abs.4 S.9 i.V.m. § 164 Abs.4 S.1 SGB V bzw. infolge der Kündigung vom 18.11.2011 zum 31.12.2011 bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt geendet. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 18.10.2012 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Beiträge zur Rückdeckungsversicherung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Seine Entscheidung hat es - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - wie folgt begründet: Das Arbeitsverhältnis bestehe über den 31.12.2011 unverändert fort, wie in dem Vorprozess zutreffend festgestellt worden sei. Dementsprechend stehe der Klägerin aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung in Verbindung mit § 611 BGB die Zahlung auf ihr Konto bei der Hamburger Pensionsr ückdeckungskasse zu. Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 26.10.2012 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 05.11.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 28.01.2013 - mit einem am 28.01.2013 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte vertritt die Ansicht, das Arbeitsverhältnis mit der BKK für Heilberufe Körperschaft des öffentlichen Rechts habe zum 31.12.2011 geendet. Bei der Beklagten handle es sich um einen hiervon strikt zu trennenden Rechtsträger. Der Anspruch auf die Zahlung von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung bestehe nicht, da der Haustarifvertrag der BKK für Heilberufe bei ihr keine Anwendung finde und das ursprüngliche Arbeitsverhältnis mit den entsprechenden Vereinbarungen beendet sei. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf, Az. 4 Ca 2584/12, vom 18.10.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin die Klage mit Zustimmung der Beklagten in Höhe eines Betrages von 316,96 € zurückgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 18.10.2012 und 26.04.2013 Bezug genommen. Entscheidungsgründe: A. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. I. Gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen keine Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 64 Abs.1, 2 lit. a) und b) ArbGG. II. Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund der getroffenen Altersversorgungsvereinbarung in Verbindung mit §§ 15 Abs.1, 16 Abs.1 AHV einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 739,44 € auf das im Tenor genannte Konto bei der Rückdeckungskasse VVAG für die Monate Januar bis August 2012. 1. Die Altersversorgungsvereinbarung mit der Bezugnahme auf die AHV findet Anwendung, da das Arbeitsverhältnis über den 31.12.2011 hinaus unverändert fortbestanden hat. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 18.11.2011 zum 31.12.2011 beendet worden. Die Kündigung ist gemäß § 626 Abs.1 BGB wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam. Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht gemäß §§ 155 Abs.4 S.9, 164 Abs.4 S.1 SGB V geendet. § 164 Abs.4 S.1 SGB V findet auf ordentlich kündbare Beschäftigte von Betriebskrankenkassen keine Anwendung. Da über den 30.06.2012 hinaus ein Beschäftigungsbedarf besteht, ist die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 18.11.2011 gemäß § 1 Abs.1, 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil der Kammer im Vorprozess (Urteil vom 14.12.2012 - AZ: 6 Sa 554/12 -) verwiesen. 2. Bei dem Anspruch der Klägerin handelt es sich nicht um einen Anspruch zur Erfüllung von Altersversorgungsleistungen, sondern um ein bloßes Sicherungsrecht. Der Anspruch auf die Erbringung von Versorgungsleistungen aus der AHV besteht nämlich unabhängig davon, ob die Beklagte Zahlungen an die Rückdeckungsversicherung erbringt oder nicht. a) Regelmäßig hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, dass sein Arbeitgeber Leistungen an eine Rückdeckungsversicherung erbringt. Die Rückdeckungsversicherung ist kein Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung, sondern eine Finanzierungsmaßnahme für eine unmittelbare Versorgungszusage (BAG v. 17.01.2012 - 3 AZR 10/10 - Rn.31, AP Nr.33 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung). Ist eine Direktzusage erteilt, die in voller Höhe der Versicherungsleistung entspricht, liegt eine sog. kongruente Rückversicherung vor. Gleichwohl ist Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter der Arbeitgeber (BAG v. 17.01.2012 a.a.O., Rn. 31; vgl. Kemper in Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber BetrAVG 4. Aufl. § 1 Rn. 92). Dieser kann über die vertraglichen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verfügen, insbesondere sie auch verpfänden und abtreten. Der Arbeitnehmer ist lediglich versicherte Person. Diesem stehen damit keine eigenen Rechte gegen den Versicherer zu. b) Werden die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung allerdings - wie hier - an den Arbeitnehmer verpfändet bzw. abgetreten, so erfolgt die Zahlung der Beiträge an die Versicherung nicht nur zum Zwecke der Finanzierung der Altersversorgung, sondern auch zur deren Sicherung. In einem solchen Fall besteht ausnahmsweise ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Bedienung der Versicherung. Allerdings bedarf eine Abtretung nach den Versicherungsbedingungen in der Regel einer Anzeige an die Versicherung. Andernfalls ist sie unwirksam (vgl. wiederum BAG v. 17.01.2012 a.a.O., Rn. 32). Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Anzeige erfolgt ist. Weder ist es von der Beklagten eingewandt worden noch auf andere Weise ersichtlich, dass die - aus anderen Verfahren gerichtsbekannte - formularmäßig erfolgte Verpfändungserklärung vorliegend entgegen der tarifvertraglichen Regelung nicht durchgeführt oder zweckwidrig nicht an die Rückdeckungsversicherung übersandt worden ist. Selbst wenn es aber bislang an einer formwirksamen Abtretung fehlen würde, so ließe dies den Anspruch der Klägerin auf Zahlung an die Rückdeckungsversicherung nicht entfallen. In diesem Fall wäre die Beklagte aufgrund der Regelung in § 16 Abs.1 AHV verpflichtet, die Abgabe einer formwirksamen Abtretungserklärung nachzuholen, um den Sicherungszweck zu erfüllen. c) Der vom Arbeitgeber zu erbringende Beitrag beträgt im Streitfall unstreitig mindestens 92,43 € monatlich. Über die Frage, ob der monatlich seitens des Arbeitgebers aufzubringende Beitrag an die Rückdeckungsversicherung tatsächlich höher ist, war nach der teilweisen Klagerücknahme nicht mehr zu entscheiden. B. I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs.1, 269 Abs.3 S.2 ZPO. II. Die Revision wurde für die Beklagte gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zugelassen, weil der Entscheidung im Hinblick auf die Vorfrage einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2011 Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegen.