02.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052530
Landgericht Köln: Urteil vom 14.10.2004 – 24 O 413/03
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
24 O 413/03 Verkündet am 14.10.2004
LANDGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit XXX
03/55846/Ho
hat die 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - als Versicherungskammer- auf die mündliche Verhandlung vom 23.9.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Möller, den Richter am Landgericht Dr. Queng sowie die Richterin Dr. Gotzmann für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung aus einer Vollkasko-Fahrzeugversicherung nach einem angeblichen Diebstahl des versicherten Fahrzeugs.
Herr Marius von ..., der Geschäftsführer der Klägerin ist, erwarb im Juni 2001 bei der BMW AG einen PKW BMW 530D A Limousine zu einem Preis von 51.902,70 ?. Finanziert wurde der Wagen durch die BMW Leasing GmbH. In der Folgezeit schloss der Geschäftsführer der Klägerin für das Fahrzeug bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung ab. Es wurde eine Selbstbeteiligung in Höhe von 2000 ? vereinbart.
In dem Antrag gab Herr von ... an, dass der Pkw überwiegend privat genutzt werde. Die Frage nach der ?Anzahl der Fahrten nach Südost- oder Osteuropa pro Jahr? beantwortete er mit ?ca. 2-3?. Die Frage ?Mein Fahrzeug wird überwiegend gefahren von? beantwortete er mit ?vom Versicherungsnehmer?, wobei er hiervor ein 1.) setzte. Vor den Punkt ?Daten zum überwiegenden Fahrer, wenn nicht Antragsteller? setzte er ein 2.) und gab hierin die Daten des Herrn ..., eines polnischen Mitarbeiters der Klägerin, an. Dieser war laut Anstellungsvertrag für die Klägerin als Leiter Vertrieb Polen bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden tätig.
Die Klägerin stellte das Fahrzeug sodann Herrn ... zur Verfügung, der dieses überwiegend ? wie schon bei Abgabe des Versicherungsantrags beabsichtigt und mit Herrn von ... abgesprochen ? in Polen benutzte.
In der Folgezeit meldete die Klägerin der Beklagten, dass der BMW am 27.3.2003 im polnischen Lodz an der Ecke ul. Traugutta und ul. Hotelowa um ca. 18 Uhr entwendet worden sei. Der Geschäftsführer der Klägerin brachte den Diebstahl bei dem Polizeipräsidium Südhessen zur Anzeige. Den Originalfahrzeugschein konnte er hierbei nicht vorlegen. Während seiner zeugenschaftlichen Vernehmung rief der Geschäftsführer der Klägerin Herrn ... an, um diesen nach dem Kilometerstand des Pkw zu fragen.
Mit Schreiben vom 28.3.2003 kündigte die BMW Bank AG gegenüber Herrn von ... den Leasingvertrag und stellte diesem in Aussicht den Ablösewert von 33.033,69 ? (netto) Ende Juni 2003 fällig zu stellen. Daraufhin trat Herr von ... seine ihm auf Grund des Fahrzeugdiebstahls zustehenden Ansprüche an die Klägerin ab.
Im April 2003 füllte Herr von ... für die Klägerin einen Ermittlungsbogen der Beklagten aus, in dem er u. a. eintrug, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Diebstahls ?über 29.000 km? zurückgelegt habe. Diesbezüglich erfolgte später noch eine fernmündliche Nachfrage durch einen Mitarbeiter der Beklagten, Herrn ... .
Mit Schreiben vom 10.7.2003 lehnte die Beklagte jegliche Einstandspflicht ab und kündigte den Vertrag gemäß 24 Abs. 1 VVG fristlos, nach dem sie durch einen ihr am 16.6.2003 zugegangenen Ermittlungsbericht davon erfahren hatte, dass der Wagen überwiegend in Polen genutzt worden war. Eine letzte, seitens der Klägerin gesetzte Zahlungsfrist zum 7.8.2003 verstrich erfolglos.
Die Klägerin behauptet, der Wagen sei entwendet worden, nachdem Herr ... diesen ordnungsgemäß verschlossen abgestellt habe. Der Diebstahl sei von diesem noch am Abend des 27.3.2003 bei der Polizei in Lodz zur Anzeige gebracht worden. Das daraufhin eingeleitete Ermittlungsverfahren sei ergebnislos eingestellt worden.
Das Fahrzeug sei lediglich für 2-3 Fahrten pro Jahr nach Polen verwendet worden. Die Klägerin ist der Ansicht sie habe hinsichtlich der Nutzung des Fahrzeuges in Polen bei Abgabe des Versicherungsantrages keine falschen Angaben gemacht, da in dem Formular ausschließlich nach der Anzahl der Fahrten, nicht aber nach der Dauer des Aufenthaltes im Gastland gewesen sei. Die Ungenauigkeiten der Antragsformulare dürften nicht zu ihren Lasten gehen.
Die Klägerin behauptet weiter, der Wagen habe lediglich eine Laufleistung von ca. 29.000 km gehabt. Dies sei dem Geschäftsführer der Klägerin von Herrn ... im Rahmen des von dem Polizeipräsidium Südhessen aus geführten Telefonats mitgeteilt worden. Deshalb sei diese Angabe auch in den Ermittlungsbogen eingetragen worden. Bei dem Telefonat mit Herrn ... habe er klargestellt, dass die Angaben nicht auf eigene Sachkenntnis beruhe.
Den Originalfahrzeugschein habe man deshalb nicht vorlegen können, weil dieser Herrn ... bereits zuvor, nämlich am 17.8.2001 nebst sämtlichen sonstigen Papieren in einem Warenhaus gestohlen worden sei.
Der Pkw sei von Herrn ... überwiegend privat genutzt worden. Dieser habe nur 15 Stunden pro Woche für die Klägerin arbeiten müssen, gleichwohl habe er den Wagen einschränkungslos nutzen dürfen.
Der Wagen habe einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 44.376,91 ?. Der Ablösewert von 33.033,69 ? sei an die BMW Leasing zu zahlen. Von dem ursprünglich gezahlten Kaufpreis von 51.902,70 ? verblieben somit 18.869,01 ?. Von dieser Summe müsse sich die Klägerin die zurückgelegten 29.000 km als Abzugsposten abrechnen lassen. Setze man insoweit 0,5 % des Kaufpreises für 1.000 km an, seien 7.525,79 ? als Wertverlust abzuziehen. Hieraus ergebe sich sodann der an die Klägerin zu zahlende Betrag von 11.343,22 ?.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.343,22 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 8.8.2003 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, auf das Konto der BMW Leasing, Kto-Nr.9788403, bei der BMW Bank, BLZ 702 203 00, unter Angabe der Schadensnummer 268922 einen Betrag von 33.033,69 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.8.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass das Fahrzeug durch einen üblichen Diebstahl abhanden gekommen sei. Möglicherweise sei das Fahrzeug durch Herrn ... unterschlagen worden.
Sie beruft sich auf eine Obliegenheitsverletzung wegen falscher Angaben bei Antragstellung. Die Klägerin habe irreführenderweise behauptet, dass das Fahrzeug nur zwei- bis dreimal im Jahr für Fahrten nach Osteuropa eingesetzt werde, während es tatsächlich ? unstreitig ? überwiegend in Polen genutzt worden sei. Auch sei das Fahrzeug entgegen der Angabe, dass das Fahrzeug überwiegend privat genutzt werde, Herrn ... zur gewerblichen Nutzung zu überlassen worden.
Die Klägerin habe vorsätzlich falsche Angaben über die Laufleistung gemacht Gegenüber dem Mitarbeiter ... habe Herr von ... fernmündlich ausdrücklich erklärt, dass er sich sicher sei, dass die Laufleistung unter 30.000 km liege. Eine ordnungsgemäß durchgeführte Auswertung des Fahrzeugschlüsselchips habe dagegen zu dem Ergebnis geführt, dass der Wagen zwischen 39.900 und 40.000 km gefahren worden sei. Der untersuchte Schlüssel habe auch zum Fahrzeug gehört. Der Wiederbeschaffungswert des Wagens liege bei nicht mehr als 25.000 ?.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst der überreichen Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Entscheidung aus dem Vollkaskoversicherungsvertrag wegen Diebstahls des PKW BMW 530D A Limousine zu. Denn die Beklagte ist wegen vorsätzlich falscher Angaben bei Vertragsschluss gemäß §§ 16, 17, 21 VVG leistungsfrei.
Die §§ 16, 17 VVG verpflichten den Versicherungsnehmer, bei Schließung des Versicherungsvertrags richtige Angaben zu machen und alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen.
Diese Anzeigepflicht hat die Klägerin verletzt, indem ihr Geschäftsführer in dem am 1.7.2001 ausgefüllten Versicherungsantrag angab, dass mit dem Fahrzeug lediglich ca. zwei bis drei Fahrten im Jahr nach Südost- oder Osteuropa getätigt würden. Denn tatsächlich wurde das Fahrzeug ? wie von Anfang an geplant ? durch den Mitarbeiter ... ganz überwiegend in Polen genutzt. Darauf, dass das Fahrzeug tatsächlich nur zwei bis dreimal im Jahr über die Grenze gefahren wurde, kommt es ? entgegen der Auffassung der Klägerin ? nicht an. Beantwortet der Versicherungsnehmer die Frage, wie oft er im Jahr nach Südost- oder Osteuropa fährt, mit der Angabe ?ca. 2-3? mal, so impliziert diese Antwort, dass der Abfahrtsort auch der tatsächliche Standort des Fahrzeugs ist. Im Hinblick auf die gegebene Antwort musste die Beklagte hier daher davon ausgehen, dass der Wagen seinen tatsächlichen Standort in Deutschland hat und nur für ca. zwei bis drei Fahrten im Jahr zur Überfahrt nach Polen genutzt wird. Dies entsprach aber nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Frage im Antragsformular unklar gewesen ist und deshalb zu ihren Gunsten dahingehend verstanden werden muss, dass lediglich nach der schlichten Anzahl der Grenzüberschreitungen gefragt sein soll. Denn es ist klar ersichtlich, dass der Versicherer die Frage nach der Anzahl der Fahrten nach Osteuropa stellt, um sich ein richtiges Bild der tatsächlichen Gefahrumstände verschaffen zu können. Auf Grundlage der gegebenen Antwort will der Versicherer die sachgemäßen Entschließungen zur Überprüfung des Risikos treffen können. Dabei ist auch klar, dass sich das Risiko für den Versicherer um so mehr erhöht, je öfter und länger das Fahrzeug in Südost- oder Osteuropa genutzt wird. Es bestehen daher keinerlei Zweifel, dass der Frage nach der Anzahl der Fahrten die hinreichende Transparenz zukommt.
Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie die Angabe nicht schuldhaft gemacht habe. Denn sie handelte jedenfalls fahrlässig, als sie ihre Antwort lediglich am Wortlaut ?Anzahl der Fahrten? ausrichtete und verschwieg, dass das Fahrzeug tatsächlich weitgehend in Polen genutzt wurde. Die im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte es insoweit geboten, gegenüber der Beklagten anzugeben, dass das Fahrzeug zwar möglicherweise nur zwei bis dreimal im Jahr die Grenze überschreitet, seinen eigentlichen Standort aber in Polen hat.
Die Beklagte ist mit Schreiben vom 10.7.2003 auch ordnungsgemäß vom Vertrag zurückgetreten. Unerheblich ist, dass nicht ausdrücklich ein Rücktritt, sondern eine ?Kündigung? ausgesprochen wurde. Denn da es der Beklagten gerade darauf ankam, sich vom Vertrag zu lösen, weil das Fahrzeug weitergehend in Polen genutzt wurde, lässt sich die ausgesprochene Kündigung ohne Weiteres als Rücktrittserklärung auslegen. Die Monatsfrist des § 20 VVG wurde gewahrt. Die Beklagte hatte erst durch den ihr am 16.6.2003 zugegangenen Ermittlungsbericht davon erfahren, dass der Wagen überwiegend in Polen genutzt wurde. Schließlich ist die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht nach § 21 VVG bestehen geblieben, da sich der Gefahrerhöhende Umstand, dass der Wagen weitgehend in einem osteuropäischen Land benutzt wurde, gerade in dem Diebstahl in Polen niedergeschlagen hat.
Auf die weitergehenden Fragen, ob der Wagen überhaupt entwendet worden ist und ob noch weitere Obliegenheiten seitens der Klägerin verletzt worden sind, kam es mithin nicht mehr an.
Die prozessualen Nebenentscheidung beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.
Streitwert: 44.376,91 ?
Landgericht Köln, 24. Zivilkammer