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27.01.2015 · IWW-Abrufnummer 174372

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 14.08.2014 – 3 Sa 79/14


In dem Rechtsstreit
C, C-Straße, C-Stadt
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte D., D-Straße, D-Stadt
gegen
Firma A., A-Straße, A-Stadt
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dörner als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Klassmann und die ehrenamtliche Richterin Frankreiter als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.01.2014 - 4 Ca 836/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.


2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.



Der Kläger ist seit dem Jahr 1990 als Lkw-Fahrer bei der Beklagten, einer Lebensmittelhandelskette, beschäftigt. Ursprünglich wurde der Kläger für den Standort der Beklagten in Z eingestellt. Nach dessen Schließung wurde der Kläger dem Standort Y zugeteilt. Da der Kläger den von ihm geführten Lkw absprachegemäß jedoch in Z stationiert hat und von dort aus seine Routen beginnt, nimmt er nicht an dem in Y eingerichteten elektronischen Zeiterfassungssystem der Beklagten teil.



Während seiner arbeitstäglichen Fahrten, die tagsüber oder nachts, in dem vorliegend streiterheblich maßgeblichen Zeitraum aber ganz überwiegend nachts durchgeführt wurden/werden, fährt der Kläger zunächst von Z aus nach Y, um dort anhand von Ladelisten die auszuliefernde Ware in den Lkw zu verladen. Nach Auslieferung der Waren fährt er sodann den Lkw erneut nach Z.



Es ist Aufgabe des Klägers, in eine sogenannte Ladeliste Beginn und Ende der Tour, Name und Anschrift der zu beliefernden Kunden, An- und Abfahrtszeiten bei den Kunden sowie seine Pausenzeiten einzutragen. Im Lkw befinden sich als elektronische Erfassungssysteme sowohl ein Fleetboard als auch die dem Kläger zugeordnete Fahrerkarte. Während das Fleetboard den Standort des Fahrzeugs nebst dazugehöriger Uhrzeiten dokumentiert, erfasst die Fahrerkarte Lenkzeiten, Arbeitszeiten (Be- und Entladen) und Ruhezeiten. Lenk- und Arbeitszeit werden automatisch gespeichert, die Ruhezeit gibt der Fahrer manuell ein. Die Lohnabrechnung des Klägers erfolgt anhand der Daten der Fahrerkarte. Die Ladeliste dient abrechnungsbezogen nur der Ermittlung von Prämien.



Im Januar oder Februar 2013 wandte sich der Kläger an den Betriebsrat Y, da er festgestellt hatte, dass sich seine Prämienzahlungen verringert hatten, wofür er keine Erklärung fand. Er bat um Überprüfung. Nachdem der Betriebsrat keine Auffälligkeiten bzw. auch keine Erklärungen für die Prämienreduzierung feststellen konnte, leitete dieser das Begehren des Klägers an die Beklagte weiter. Die Beklagte erstellte sodann einen Abgleich der Daten des Klägers aus der Ladeliste, dem Fleetboard und der Fahrerkarte. Dabei stellt sie fest, dass die Zeitangaben der Ladeliste und der Fahrerkarte nicht übereinstimmten. Die Ladeliste enthielt Divergenzen sowohl bezüglich der Uhrzeiten der Kundenanfahrten als auch des Beginns und des Endes der Arbeitszeit. Aus der Fahrerkarte und dem GPS wurde ersichtlich, dass der Lkw im Anschluss an eine Tour regelmäßig eine unterschiedlich lange Standzeit auf dem Parkplatz Z-V hatte, bevor der Kläger letztlich den Lkw nach einer weiteren Fahrt von ca. 3,9 km an anderer Stelle in Z endgültig abstellte.



Am 12.06.2013 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger, dem Betriebsrat Herrn X, dem Betriebsleiter Herrn W und der Personalleiterin der Beklagten statt. In diesem Gespräch wurde der Kläger auf die Standzeiten angesprochen und darauf, dass bei der Beklagten der Verdacht des Arbeitszeitbetruges entstanden sei. Bezüglich der Standzeiten erklärte der Kläger in diesem Zusammenhang, dass diese zutreffend seien und dass dies "alle Fahrer so machen".



Im Anschluss daran hörte die Beklagte unter Vorlage eines schriftlichen Anhörungsbogens am 18.06.2013 den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat erteilte seine Zustimmung am gleichen Tag. Mit Schreiben vom 20.06.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis daraufhin außerordentlich, mit separatem Schreiben vom gleichen Tage zudem hilfsweise ordentlich.



Der Kläger hat vorgetragen,



er habe keinen Arbeitszeitbetrug begangen. Er habe durch die im Anschluss an die Tour folgenden Standzeiten keine Zeiten angehängt, die ihm nicht auch zugestanden hätten. Er habe, was er freilich selbst inzwischen als fehlerhaft einräume, während der Tour die Pausen nicht eingehalten, sondern während der Be- und Entladezeit die Fahrerkarte auf Pause gestellt. Dies habe er getan, um die Tour "zügig abzufahren". Die Pausenzeiten habe er sodann am Ende angehängt und auf dem Parkplatz V verbracht. Zusätzlich zur Verbringung der Pausenzeiten habe er dort je nach Bedarf im Einzelfall noch erforderliche Umlade-, Reinigungs-, Wartungs- oder Reparaturarbeiten am Lkw durchgeführt und auch die Ladelisten ausgefüllt.



Die Ladelisten habe er, was er freilich einräumt, hinsichtlich der Reihenfolge der Kunden und der einzelnen Uhrzeiten nicht hinreichend genügend sorgfältig dokumentiert, da er diese, wie bereits dargelegt, im Nachhinein, erst am Parkplatz V, aus der Erinnerung heraus ausgefüllt habe. Zusätzliche, nicht gearbeitete Zeiten, habe er sich aber nicht eingetragen. Ob für die Lohnabrechnung, außer der reinen Prämienberechnung, die Fahrerkarte oder die Ladelisten zur Grundlage gemacht würden, wisse er nicht.



Da er den Betriebsrat bereits im Januar oder Februar kontaktiert und damit die Überprüfung seines Falles in Gang gesetzt habe, könne die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten sein. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats.



Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.06.2013, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, noch durch die mit Schreiben gleichen Datums, dem Kläger zugegangen am 20.06.2013,



hilfsweise

erklärte fristgemäße Kündigung zum 31.01.2013 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat vorgetragen,



vorliegend sei der dringende Verdacht der Begehung eines Arbeitszeitbetruges durch den Kläger gegeben. Die Standzeiten im Anschluss an die Tour seien unberechtigt und damit in betrügerischer Weise erfolgt, da der Kläger dadurch eine Vergütung für nicht als Arbeitszeit zu wertende Zeiträume erschlichen habe. Der Kläger sei nicht berechtigt, die Pausenzeiten an das Ende der Route zu verlagern. Im Übrigen seien die Standzeiten zu lange, um als angehängte Pausenzeiten gewertet werden zu können. Sonstige Arbeiten habe der Kläger nicht zu erledigen.



Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten worden. Die Beklagte habe für die aufwändige Überprüfung der Daten Zeit benötigt, wodurch die für die Kündigungsentscheidung zuständige Mitarbeitern der Personalabteilung erst am 08.06.2013 über den Verdacht in Kenntnis gesetzt worden sei.



Das Arbeitsgericht Trier hat daraufhin durch Urteil vom 15.01.2014 - 4 Ca 836/13 -festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.06.2013, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, noch durch die mit Schreiben gleichen Datums, ebenfalls dem Kläger zugegangen am 20.06.2013, hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung vom 31.01.2014 beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 176 bis 186 d. A. Bezug genommen.



Gegen das ihr am 10.02.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 18.02.2014 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 14.03.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.



Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, soweit das Arbeitsgericht darauf abgestellt habe, dass die Beklagte im Kammertermin erstmals und neu vorgetragen habe, dass die Lohnabrechnung über die Fahrerkarte erfolge und die Ladelisten nur zur Ermittlung von Prämien und zu Kontrollzwecken dienten, sei diese Erklärung falsch gewesen. Abgegeben worden sei sie von Herrn U, der als Fuhrparkleiter der Beklagten am Standort Y in dem Termin anwesend gewesen sei. Dieser sei von der Beklagten nicht als Parteivertreter legitimiert; er habe keine entsprechenden Erklärungsvollmachten gehabt. Vielmehr verhalte es sich so, dass der Kläger den Arbeitsnachweis in Form von Ladelisten erstelle und dort Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit manuell erfasst habe. Grundlage für die Berechnung von Lohn und Prämie seien die vom Kläger geführten Ladelisten. Die Fahrerkarte gebe demgegenüber nur Auskunft über die Lenkzeit, nicht über die Arbeitszeit. Prämienrelevant seien die Be- und Entladezeiten, weil der Fahrer dabei Einfluss auf sein Arbeitstempo habe. Je weniger Zeit der Fahrer dafür benötige, desto höher sei die Prämie. Die in der Fahrerkarte dokumentierten Lenkzeiten seien demgegenüber prämienneutral. Die Fahrerkarte sei bei der Lohnabrechnung nur insoweit von Bedeutung, als die Lenkzeiten für die Prämienermittlung herausgerechnet würden, damit der Fahrer weder unmittelbar noch mittelbar in Versuchung komme, sich bei den Lenkzeiten zur Optimierung seiner Prämie verkehrsordnungswidrig zu verhalten. Aus der Fahrerkarte hätten sich aber bei der Überprüfung der Lohnabrechnung die Standzeiten ergeben, welche mit dem Kürzel AZ (Arbeitszeit) erfasst worden seien. Diese langen AZ Zeiten in der Fahrerkarte, die nach der Abfahrt bei dem letzten Kunden angefallen seien, hätten die Beklagte stutzig gemacht. Die Beklagte habe deshalb das Fleetboard hinzugezogen, um festzustellen, wo der Kläger diese AZ Zeiten verbracht habe: Auf dem Bahnhofsgelände in V. Auf den Ladelisten habe der Kläger das Ende seiner Arbeitszeit manuell eingetragen. Da der Kläger nicht die Zeiterfassung beim Standort Y eingebunden gewesen sei, seien die manuell erfassten Arbeitszeiten manuell in die elektronische Zeiterfassung übertragen und zur Grundlage für den Berechnungszeitraum übernommen worden.



Demzufolge ergebe sich für Beispielstage Folgendes:



Am 18.01.2013 sei eine "Arbeitszeit" von 2 Stunden 34 Minuten, am 21.02.2013 von 1 Stunde 33 Minuten und am 05.01.2013 von 2 Stunden 33 Minuten bzw. 2 Stunden 34 Minuten gegeben gewesen. Dabei handele es sich jeweils um die Zeit zwischen der Ankunft in V und dem Tourende laut Ladeliste. Diese Zeit sei als Arbeitszeit verrechnet und vergütet worden.



Der Beklagten komme es hinsichtlich der Würdigung als Kündigungsgrund nicht in erster Linie nicht darauf an, ob der Kläger die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten habe, sondern darauf, dass sich definitiv nicht feststellen lasse, ob, wann und wie lange der Kläger die Arbeitszeit durch Pausen unterbrochen habe. In den Ladelisten habe er Pausen während der Tour eingetragen. Der Fahrerkarte seien andere Uhrzeiten und Zeiträume zu entnehmen. Nach der Erklärung des Klägers im Gütetermin vom 07.08.2013 dagegen habe der Kläger seine Pausenzeiten an die Standzeiten angehängt und die Zeit, die sich am Ende dieser Pausenzeit ergeben habe, als manuelle Tagesendzeit in die Ladeliste eingetragen. Damit gebe es drei Varianten für die Pausenzeiten ohne den geringsten Anhaltspunkt dafür, welche nun zutreffend sei bzw. mit der Möglichkeit, dass sogar alle drei Varianten kumulativ zuträfen.



Hinsichtlich der auffällig langen Standzeit am 05.01.2013 fehle es an jeglichen konkreten Anhaltspunkten dafür, warum wegen eines zeitlich nicht festgelegten Unfalls ein besonders langes Verbleiben im Nachgang hätte erforderlich gewesen sein solle. Dazu habe der Kläger nichts vorgetragen. Gleiches gelte für den Hinweis auf die Erkrankung eines ebenfalls von Z aus tätigen Kollegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alleine für die Fahrttüchtigkeit des Lkw habe sorgen müssen und die Durchführung dieser Arbeiten in der Standzeit auch nicht von vornherein abwegig sei, bestünden nicht. Die Fahrtüchtigkeit des Lkw habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Er habe auch nicht vorgetragen, dass und welche Arbeiten er zur Erhaltung und zur Herbeiführung der Fahrtüchtigkeit ausgeführt habe. Was ein erkrankter Arbeitskollege mit den angeblichen Nebenarbeiten des Klägers zu tun habe, sei nicht nachvollziehbar. Jeder Fahrer sei für seine Tour zuständig, nicht mehr und nicht weniger. Insgesamt seien dem Kläger auch für Nebenarbeiten ausreichende Zeiträume gegeben gewesen. Nur habe er sie ordnungsgemäß erfassen müssen. Stattdessen habe er stundenlange Standzeiten produziert und im Nachhinein versucht, diese mit nebulösen Angaben über mögliche Nebenarbeiten auszuführen, wobei er noch nicht einmal ansatzweise diese Arbeiten zeitlich spezifiziert habe. Die von der Beklagten praktizierte Zeiterfassung solle Diskussion der hier geführten Art gerade vermeiden und verhindern. Der Kläger werde für seine Arbeit und Arbeitszeit redlich vergütet. Im Gegenzug sei er auch verpflichtet, die von ihm selbst dokumentierte Arbeitszeit redlich als Arbeit zu verbringen.



Es treffe nicht zu, dass der Kläger während der Tour keine Pausen gemacht habe. Die Ladelisten und die Fahrerkarte wiesen Pausenzeiten aus. Die Pausenzeiten während der Tour habe der Kläger auch von sich aus einhalten müssen; die insoweit bestehende Verpflichtung zur Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten habe er allerdings, ohne dass die Beklagte dies habe erkennen können, absichtlich und regelmäßig missachtet. Der vorliegend gegebenen Prämienkürzung durch die manipulative Einstellung auf "Arbeitszeit" während der Standzeiten stehe gegenüber, dass der Kläger für diese Arbeitszeiten Vergütung erhalten habe, dies erwähne der Kläger nicht; insoweit habe er sich schlicht und einfach bei seinen Manipulationen verrechnet. Durch die unredliche Einstellung auf Arbeitszeit während der weit über die Pausenzeiten hinausgehenden Standzeiten habe er sich eine zusätzliche Vergütung verschafft, allerdings offenbar nicht wissend, dass durch die manipulativ verlängerte Arbeitszeit seine Prämie reduziert werde.



Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 12.03.2014 (Bl. 211 bis 223 d. A.), ihren Schriftsatz vom 25.04.2014 (Bl. 248 bis 256 d. A.) sowie vom 12.06.2014 (Bl. 260, 261 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 262 bis 266 d. A.) Bezug genommen.



Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Trier, Az: 4 Ca 836/13, vom 15.01.2014 - zugestellt am 10.02.2014 - wird die Klage kostenpflichtig abgewiesen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, er habe stets nach Inanspruchnahme der Pause, richtigerweise der Pausen, noch Arbeiten am Lkw erledigt, nämlich Wartungs-, Reinigungs- und Aufräumarbeiten. Auch habe er erst nach Beendigung der Tour die Ladelisten ausgefüllt, sowie teilweise kleine Reparaturarbeiten durchgeführt. Während der Tour habe er keine Pausen gemacht. Die Darstellung der Beklagten, der Sitzungsvertreter U sei nicht als Parteivertreter legitimiert, sei treuwidrig. Die Erklärung der Beklagten, dass die Lohnabrechnung über die Fahrerkarte erfolge, treffe zu. Die Fahrerkarte diene der Arbeitszeiterfassung, inclusive der Lenkzeit. Die in der Fahrerkarte enthaltene Lenkzeit werde bei der Berechnung des Prämienlohnsystems des Klägers herangezogen. Die so ermittelte Zeit sei die Grundlage für die Prämienberechnung. Die Ladeliste hingegen diene zur weiteren Prämienberechnung nur insoweit, als die Stückzahl/Anzahl der dort vermerkten Rollbehälter, Paletten und Kunden zusätzlich zu der prämienbedingten Arbeitszeit als weitere Komponente mit einbezogen werde. Damit habe er sich letztlich selbst seine Prämie dadurch verkürzt, dass er die Fahrerkarte nach Beendigung der Tour nicht auf Pause, sondern auf Arbeitszeit gestellt habe.



Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 03.04.2014 (Bl. 236 bis 244 d. A.) Bezug genommen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.



Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 14.08.2014.



Entscheidungsgründe



I.



Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



II.



Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.



Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Feststellung verlangen kann, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.06.2013, dem Kläger zugegangen am gleichen Tag, noch durch die mit Schreiben gleichen Datums, ebenfalls dem Kläger zugegangen am 20.06.2013, hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung am 31.01.2014 beendet worden ist.



Denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind vorliegend weder für eine sogenannte Tat-, noch für eine sogenannte Verdachtskündigung gegeben.



Insoweit ist die Kammer davon ausgegangen, dass allein der Umstand, dass der Arbeitgeber eine Kündigung lediglich mit dem dringenden Verdacht einer Pflichtverletzung begründet und im Prozess keinen Tatvorwurf als Kündigungsgrund nachgeschoben hat, es nicht ausschließt, dass die Gerichte die Pflichtverletzung aufgrund entsprechender Tatsachen als nachgewiesen ansehen (BAG 10.06.2010, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Folglich hat eine Überprüfung der Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Tat-, als auch der Verdachtskündigung zu erfolgen.



Insoweit gilt Folgendes:



Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 12. Auflage 2015, Kap. 4. Rdnr. 1121 ff.).



Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807 [BAG 15.12.1955 - 2 AZR 228/54]; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).



Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab ("verständiger Arbeitgeber") entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.



Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).



Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10]; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).



Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.



Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10- EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10]; 27.09.2012 -2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).



Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 -17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).



Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).



Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung "Ultima Ratio", so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 -2 AZR 646/11- EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).



Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 -6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).



Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10]; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471 [LAG Hessen 27.02.2012 - 16 Sa 1357/11]), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356 [LAG Köln 20.01.2012 - 3 Sa 408/11]), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356 [LAG Köln 20.01.2012 - 3 Sa 408/11]: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).



Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grds. (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227 [BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09]; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).



Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O . Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.



Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).



Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:



Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).



Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann soweit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).



Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und ggf. beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).



Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.



Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).



Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).



Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.



In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).



Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80 [LAG Rheinland-Pfalz 21.05.2010 - 9 Sa 705/09]).



Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:



Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.



Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).



Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.



Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.



Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann insbesondere auch ein Arbeitszeitbetrug (LAG Rheinland-Pfalz 15.11.2012 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 38; LAG BerlinBrandenburg 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9) als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, selbst dann, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall mit geringen finanziellen Auswirkungen handelt. Die Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers ist nicht nur "unter Umständen", sondern stets regelmäßig als ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Grund anzusehen (erste Stufe). Aufgrund der durch den Arbeitsvertrag begründeten Nebenpflicht zur Loyalität hat der Arbeitnehmer auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (vgl. auch § 241 Abs. 2 BGB) Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung beinhaltet insbesondere das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen. Der Arbeitnehmer bricht durch die Eigentumsverletzung unabhängig vom Wert des Schadens in erheblicher Weise das Vertrauen des Arbeitgebers.



Vorliegend besteht aber nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der beiden Parteien in beiden Rechtszügen keine volle Überzeugung der Kammer dahin, dass diese Voraussetzungen durch das Verhalten des Klägers zum Nachteil der Beklagten gegeben sind.



Der Kläger hat - unstreitig - die ihm von der Beklagten zugewiesenen Fahrten erledigt. Nach Maßgabe eines Zeiterfassungssystems, dessen Inhalt sich der Kammer nach dem schriftsätzlichen Vorbringen beider Parteien in beiden Rechtszügen nicht nachvollziehbar erschließt, besteht die Vergütung des Klägers für seine Arbeitsleistung einerseits in einer Arbeitszeitkomponente, andererseits aber auch in einer Prämienkomponente. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, dass er nach dem Ende der von ihm durchgeführten Fahrten für die Beklagte die Standzeiten als Arbeitszeit angegeben hat, so dass diese als Arbeitszeit vergütet wurden. Zugleich trägt die Beklagte selbst vor, dass durch die Angabe dieser Zeiten als Arbeitszeit diese Zeiten prämienschädlich, also bezogen auf die Höhe der geschuldeten Prämie, berücksichtigt wurden. Wie und aufgrund welcher Rechtsgrundlagen sich die Vergütung des Klägers zusammensetzt, wie sich die verschiedenen Komponenten im Einzelnen inhaltlich bestimmen, wie genau zwischen der Vergütung für die Arbeitszeit und der Vergütung in Form einer Prämie unterschieden wird, welche Auswirkungen in beziffertem Ausmaß dies hinsichtlich der von der Beklagten wohl wesentlich monierten Angabe der Zeiten nach der letzten Tour als Arbeitszeit, statt als reine Standzeit ausgewirkt haben sollen, erschließt sich nach ihrem Vorbringen nicht. Der Kläger war verpflichtet, die ihm von der Beklagten zugewiesenen Fahrten auszuführen. Dieser Verpflichtung ist er nachgekommen. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, nach Abschluss der letzten Tour die sodann an sich nur noch gegebene Standzeit als Standzeit, nicht aber als Arbeitszeit anzugeben, muss wohl als zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig angesehen werden; wie sich dies tatsächlich vertragsmäßig auf die Höhe der Vergütung ausgewirkt hat, lässt sich freilich dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen nicht nachvollziehbar entnehmen. Insbesondere ist unklar, in welcher Höhe das vom Kläger tatsächlich von der Beklagten bezogene Einkommen - nach unten - abgewichen wäre, wenn er seine Angaben so gestaltet hätte, wie von der Beklagten - ob zu Recht oder zu Unrecht, dies lässt sich diesem Vorbringen nicht nachvollziehbar entnehmen - gefordert. Wenn die Beklagte aufgrund der handschriftlichen Angaben des Klägers Zweifel daran hatte, dass er nach Abschluss der letzten Fahrt einen derart langen Zeitraum als Arbeitszeit tatsächlich für sie aufgewendet hat, dann lag nichts näher, als dies mit dem Kläger zu erörtern bzw. seine diesbezüglichen Pflichten klarzustellen. Insbesondere waren die tatsächlichen Zeitangaben des Klägers für die Beklagte offensichtlich, so dass neben dem nicht nachvollziehbar dargelegten Schaden unklar bleibt, warum insoweit nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht der Ausspruch einer Abmahnung vollkommen ausgereicht hätte, um jegliche Unklarheiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu beseitigen.



Schon deshalb ist vorliegend ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Tatkündigung nicht gegeben.



Die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung ist auch als außerordentliche Verdachtskündigung rechtsunwirksam.



Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG z. B. (04.06.1964 AP Nr. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 21002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 05.06.2008 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nrt. 7; 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 13) kann auch der auf objektive - unstreitige oder bewiesene - Tatsachen gründende dringende Verdacht einer Straftat mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder eines sonstigen erheblichen Fehlverhaltens, einer schwerwiegenden Verletzung von erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 24.05.2012 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11 = NZA 2013, 137) ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand sein (s. Lunck NJW 2010, 2753 ff.). Auch insoweit ist für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichtigen (§ 241 Abs. 2 BGB; Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199).



Eine Verdachtskündigung setzt danach voraus (s. BAG 25.11.2010 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; LAG RhPf 08.07.2009 - 8 Sa 203/09, AuR 2010, 176 LS; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O., Kap. 4, Rn. 1551 ff. = S. 1712 ff.), dass



die Kündigung gerade auf den Verdacht der strafbaren Handlung bzw. eines vertragswidrigen Verhaltens gestützt wird;eine Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Kündigung erfolgt ist.zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein dringender Tatverdacht gegen den Arbeitnehmer besteht undeine umfassende Interessenabwägung der widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers einerseits an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses einerseits und dem des Arbeitnehmers an der Fortsetzung (einstweiligen Fortsetzung des Arbeitnehmers) andererseits überwiegt.



Die danach maßgeblichen Voraussetzungen sind vorliegend mit dem Arbeitsgericht zu verneinen. Denn vorliegend fehlt es am dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung, der sich entweder aus den Umständen oder aus objektiven Tatsachen ergeben muss.



Der Verdacht einer Straftat ist nämlich nur dann ein an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Umstand, wenn er zum einen objektiv durch bestimmte Tatsachen begründet ist - subjektive Wertungen des Arbeitgebers reichen nicht aus - und sich aus Umständen ergibt, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können; er muss also dringend sein; es muss bei kritischer Prüfung eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Pflichtverletzung gerade des gekündigten Arbeitnehmers bestehen (BAG 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 12.05.2010 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 67; 13.03.2008 EzA § 626 BGBN 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 29.11.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3; LAG SchlH 25.02.2004 NZA-RR 2005, 132 [LAG Schleswig-Holstein 25.02.2004 - 3 Sa 491/03]; LAG Köln 14.05.2008 - 7 TaBV 6/08, AuR 2009,104 LS). Aus der Darlegung des Arbeitgebers muss sich ein dringender Verdacht auf eine in ihren Einzelheiten gekennzeichnete Straftat oder vergleichbare Pflichtwidrigkeit i.S. eines konkreten Handlungsablaufs schlüssig ergeben; sind die insoweit vorgetragenen Tatsachen nicht unstreitig, muss Beweis erhoben werden (LAG Bln-Bra. 16.12.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10).



Ob der Verdacht, einen Bagatelldiebstahl begangen zu haben, insoweit ausreicht, ist fraglich (dagegen LAG Köln 14.09.2007 - 11 Sa 259/07, AuR 2007, 444 LS). Allein aus dem Umstand, dass die dem Arbeitnehmer zur Last gelegte Handlung nicht mit letzter Sicherheit erwiesen ist, kann demzufolge nicht gefolgert werden, auch die Verdachtskündigung sei nicht gerechtfertigt. Insgesamt muss aber nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend sein. Vielmehr muss ihm auch ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers - strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) - zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann (BAG 27.11.2008 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4). Nach ArbG Bln. (28.09.2010 - 1 Ca 5421/10, BB 2011, 382) reicht insoweit allerdings der dringende Verdacht aus, ein Kassierer habe manuell Pfandbons im Wert von 6,06 EUR erstellt, ohne dass dem ein tatsächlicher Kassiervorgang gegenübergestanden hätte und den Gegenwert an sich genommen, so dass die Kasse beim Kassenabschluss keinen Plussaldo aufwies.



Der Verdacht muss zudem dringend sein, d. h. es muss eine große, zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat, obwohl der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Sachverhaltsaufklärung unternommen hat (BAG 30.04.1987 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3; 06.09.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 29: stark oder dringend; 13.03.2008 EZA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6: starke Verdachtsmomente; LAG Hamm 22.09.2004 LAGE § 1 Verdachtskündigung Nr. 1; a.A. LAG Köln 10.08.1999 ARST 2000, 161: so knapp unter der Schwelle der Gewissheit, dass nachhaltigen Zweifeln Schweigen geboten ist; LAG Köln 14.05.2008 - 7 TaBV 6/08, AuR 2009, 104 LS u. 13.08.2009 - 7 Sqa 1256/07, AuR 2009, 369 LS: nur geringfügiges Zurückbleiben hinter der Gewissheit der Tatbegehrung; LAG SchlH 25.02.2003 - 3 Sa 491/03, NZA-RR 2005, 132 [LAG Schleswig-Holstein 25.02.2004 - 3 Sa 491/03]: große Wahrscheinlichkeit, schwerwiegende Verdachtsmomente; LAG Nds. 08.06.2004 NZA-RR 2005, 24: starke Verdachtsmomente).



Nach Maßgabe dieser Kriterien ist vorliegend ein dringender Tatverdacht gegen den Kläger nicht gegeben.



Insoweit wird zunächst Bezug genommen auf die Ausführungen zur Tatkündigung; für die Kammer ist bereits unklar, worin im Einzelnen das Fehlverhalten des Klägers bestanden haben soll, zum einen und zum anderen, welche finanziellen Nachteile die Beklagte dadurch gehabt haben soll. Hinzu kommt, dass dem Kläger auch kein heimliches Verhalten vorgeworfen werden kann, denn wenn der Zeitpunkt der Beendigung der Tour feststand, war für die Beklagte offensichtlich, dass ggf. nach ihrem Verständnis der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien Aufklärungsbedarf bestand, was denn nun der Kläger in der von ihm als Arbeitszeit deklarierten Zeit gemacht haben will. Dies begründet aber keine zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger eine Straftat begangen hat. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung insoweit (S. 7 bis 10 = Bl. 181 bis 184 d. A.) Bezug genommen.



Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Arbeitgeberkündigung ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der Tat- als auch der Verdachtskündigung rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.



Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grds. dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607;s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).



Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grds. nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2015, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn



ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertragliche geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;(i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt undeine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.



Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571 [BAG 19.04.2007 - 2 AZR 180/06]; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).



Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung, wie bereits dargelegt, regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist , sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).



Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10]; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471 [LAG Hessen 27.02.2012 - 16 Sa 1357/11]), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen.



Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Arbeitsgericht zutreffend verneint.



Beruht nämlich die Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist zunächst einmal grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Von dem Arbeitgeber ist nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz deshalb, wie darlegt, grundsätzlich zu fordern, dass er ein zu beanstandetes Verhalten zunächst einmal zum Anlass für eine Abmahnung nimmt. Soweit die Beklagte insoweit die ordentliche Kündigung auf die falschen Arbeitszeitangaben des Klägers stützt, fehlt es bereits an einem zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesenen entsprechenden schuldhaften Fehlverhalten. Insgesamt bestehen keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, dass davon ausgegangen werden könnte, dass der Kläger einer Abmahnung nicht zugänglich gewesen wäre. Erst mit der Androhung von Folgen für das Arbeitsverhältnis wäre dem Kläger ggf. der Ernst der Situation klar geworden. Eine Abmahnung war auch nicht etwa entbehrlich, weil es sich um eine so schwere Pflichtverletzung gehandelt hat, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit auch offensichtlich ausgeschlossen war. Dies vorliegend neben dem bereits dargestellten Gründen auch deshalb nicht, weil der lange Zeitraum zwischen dem Ende der Tour und dem Ende der vom Kläger angegebenen Arbeitszeit für die Beklagte zu jeder Zeit offensichtlich war.



Folglich kam auch eine ordentliche Tatkündigung nicht in Betracht.



Nichts anderes gilt letztlich für die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Verdachtskündigung.



Zwar ist grundsätzlich nicht ersichtlich, warum es dem Arbeitgeber aus Rechtsgründen nicht gestattet sein soll, dem Arbeitnehmer bei Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Verdachtskündigung insoweit entgegenzukommen, als trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 626 BGB nur eine ordentliche Kündigung erklärt wird (vgl. BAG 10.02.2005 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 3). Allerdings kommt eine Verdachtskündigung aber als ordentliche Kündigung - schon wegen der in besonderem Maße bestehenden Gefahr, dass ein Unschuldiger betroffen wird - nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits durch den Verdacht so gravierend beeinträchtigt wird, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies setzt voraus, dass nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend ist. Vielmehr muss ihm ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers -strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) - zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher auch im Falle einer ordentlichen Kündigung regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann, hierauf also grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung gestützt werden könnte (BAG 27.11.2008 EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4).



Diese Voraussetzungen sind vorliegend aus den bereits im Einzelnen genannten Gründen nicht gegeben. Denn es handelt sich letztlich weder um einen dringenden Tatverdacht noch um den Tatverdacht einer erheblichen Pflichtverletzung.



Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Beklagten verständlich - deutlich, dass die Beklagte mit dem vom Arbeitsgericht letztlich gefundenen Entscheidungsergebnis, dem die Kammer folgt, nicht einverstanden ist. Die Beklagte hat insbesondere selbst deutlich gemacht (S. 8 der Berufungsbegründungsschrift = Bl. 217 d. A.), dass es ihr nicht in erster Linie darauf ankommt, ob der Kläger die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten hat, sondern darauf, dass sich definitiv nicht feststellen lässt, ob, wann und wie lange der Kläger die Arbeitszeit durch Pausen unterbrochen hat. Wie sich dies zum Beispiel auf die Bezahlung ausgewirkt haben könnte, erschließt sich nach dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten aber, wie dargelegt, nicht. Insgesamt bleibt das System der Arbeitszeiterfassung der Beklagten sowohl als solches als auch insbesondere im Hinblick auf die Vergütung unklar. Wenn der Kläger insoweit falsche Angaben gemacht hat, dann folgt daraus keineswegs das Vorliegen einer Straftat zum Nachteil der Beklagten, sondern in erster Linie und zunächst jedenfalls bei dem hier zu entscheidenden konkreten Sachverhalt Aufklärungsbedarf mit der Maßgabe, dem Kläger die einschlägigen Vorschriften vor Augen zu führen und deren Einhaltung zukünftig zu überwachen. Auch im Berufungsverfahren wird des Weiteren nicht deutlich, wie die Zeit nach der Ableistung der letzten Fahrt an einem konkreten Arbeitstag bis zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit vergütungsrechtlich zu behandeln gewesen wäre, wenn der Kläger die von ihm angegebene Arbeitszeit noch vor dem Ende der vertraglichen Arbeitszeit mit Tourabschluss beendet hätte. Insoweit hat die Beklagte selbst nicht vorgetragen, dass für diesen Fall dem Kläger sodann weitere Touren im Wege des Direktionsrechts zugewiesen worden wären. Auch dies lässt das gesamte Pflichtengefüge der Arbeitsvertragsparteien im hier maßgeblichen Zusammenhang als in besonderem Maße unklar erscheinen.



Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Dr. Dörner
Frankreiter
Klassmann

Vorschriften§ 626 Abs. 2 BGB, §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO, § 626 Abs. 1 BGB, §§ 9, 10 KSchG, § 626 BGB, §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB, § 286 ZPO, § 138 Abs. 2 ZPO, § 286 Abs. 1 ZPO, § 241 Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG, § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 ArbGG

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