04.03.2015 · IWW-Abrufnummer 175257
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 17.11.2014 – 2 Sa 566/14
Leitungstätigkeiten stellen i.d.R. ein einheitliches Arbeitsergebnis und damit einen Arbeitsvorgang dar. Die Leitung eines Bezirks, in dem 6 Mitarbeiter nach S14 (Kindeswohlgefährdung) beschäftigt sind, ist i.d.R nach Vergütungsgruppe S17 zu bewerten.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 29.04.2014 - 6 Ca 2935/13 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Der Kläger, studierter Diplom-Sozialarbeiter, ist bei der Beklagten seit 1988 beschäftigt. Seit dem 1.3.2002 ist er Bezirksleiter der Familien- und Erziehungshilfe B -T . Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag Sozial- und Erziehungsdienst anwendbar. Der Kläger ist derzeit in die Entgeltgruppe S 15 des Anhangs zur Anlage C zu § 56 TVöD-VKA (Entgeltordnung Sozial- und Erziehungsdienst) eingruppiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der anzuwendenden Tarifvorschriften sowie der zu Grunde liegenden Organisationsstrukturen und Dienstanordnungen und der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf dieses verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe S 17 für zutreffend gehalten.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,
Der Kläger beantragt,
Beide Parteien vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Entscheidungsgründe
Die zul ässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Die Beklagte gewährt dem Kläger eine Vergütung nach S15. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger eine Tätigkeit ausübt, die sich aus der Entgeltgruppe S12 (Sozialarbeiter mit schwierigen Tätigkeiten) mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraushebt. Die Beklagte hat hierzu behauptet, die Eingruppierung in die Gruppe S15 sei bereits unzutreffend. Sie sei nur gew ährt worden, weil dem Kläger Mitarbeiter der Gruppe S14 unterstellt seien und die leitenden Tätigkeiten nicht geringer vergütet sein sollten, als die sachbearbeitenden Tätigkeiten nach S14.
Dafür, dass die bisherige Eingruppierung fehlerhaft ist, ist die Beklagte nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung darlegungs- und beweisbelastet. Damit wäre es grundsätzlich Sache der Beklagten gewesen, zum einen substantiiert darzustellen, welche voneinander abgetrennten Arbeitsvorgänge mit welchen konkreten Zeitanteilen sie für gegeben hält, bei welchen dieser Arbeitsvorgänge die besondere Schwierigkeit und Bedeutung fehlen, sowie, dass die Addition dieser geringwertigen Arbeitsvorgänge mehr als 2/3 der gesamten Arbeitszeit des Klägers ausmacht. Die von der Beklagten vorgelegte Arbeitsplatzbeschreibung ist insoweit unbrauchbar, da sich hieraus einzelne Arbeitsvorgänge und deren Zeitanteile nicht erkennen lassen. Insbesondere fehlt es an der Darstellung voneinander unterscheidbarer Arbeitsergebnisse, zu denen einzelne Tätigkeiten des Klägers zusammengefasst werden könnten. Welche Arbeitszeit für welches Arbeitsergebnis eingesetzt wird, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Damit steht fest, dass dann, wenn es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang "Leitung" handelt, dieser auch 100% der qualifizierenden Merkmale erfüllt, da innerhalb eines Arbeitsvorgangs nicht mehr nach Zeitanteilen unterschieden wird. Es ist ausreichend, wenn das qualifizierende Merkmal überhaupt bei Erreichung des Arbeitsergebnisses anfällt. Bei nur einem Arbeitsvorgang kann schlechterdings die Gruppe S15 nicht vorliegen. Dass eine geringer wertige Tätigkeit verrichtet wird, ist nicht dargestellt.
Unabhängig davon sind aber auch die Feststellungen des Arbeitsgerichts zutreffend. Die gesamte Tätigkeit des Klägers stellt einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Das Arbeitsergebnis ist die Leitung des zugewiesenen Stadtbezirks im Hinblick auf die Familien- und Erziehungsfürsorge. Dies ist das vom Kläger erbrachte Arbeitsergebnis, zu dem sämtliche Arbeitshandlungen beitragen und zusammengefasst sind.
Die Beklagte hat aufgrund ihrer Organisationsanweisungen Sozialarbeit in der Art strukturiert, dass das Stadtgebiet in Bezirke aufgeteilt ist, in denen die gesamte Breite der Familien- und Erziehungshilfe angeboten wird. Innerhalb dieser bezirksbezogenen Fachdienste ist durch Dienstanweisung angeordnet, dass sowohl die fachliche als auch die arbeitsrechtliche Aufsicht durch den Bezirksleiter erfolgt und dass insbesondere in allen Hilfeplanverfahren und in allen Verfahren mit Kindeswohlgefährdung neben dem sachbearbeitenden Sozialarbeiter immer auch der Bezirksleiter mit entscheidet und hierdurch die konkrete Fachaufsicht wahrnimmt. Dabei werden nach der Dienstanweisung zur Kindeswohlgefährdung auch die Fälle der Inobhutnahme innerhalb der Bezirksfachdienste bearbeitet, die aufgrund eines bereits bestehenden Kontaktes zur betroffenen Familie im Bezirk auftreten. Lediglich Fälle der Kindeswohlgefährdung, in denen zuvor noch kein Kontakt zu den bezirklichen Sozialarbeitern bestand, fallen in die Zuständigkeit der Abteilung FDK.
Hieraus hat das Arbeitsgericht zu Recht geschlossen, dass die gesamte Leitungstätigkeit ein einheitlicher Arbeitsvorgang ist, in dem nach Vorbereitung und Vorentscheidung der Mitarbeiter des Klägers eine Letztbeurteilung und -entscheidung durch den Kläger durchgeführt wird. Der Kläger benötigt damit bereits das Wissen und Können der ihm unterstellten Mitarbeiter, die zutreffend in die vergütungsgruppe S14 eingruppiert sind, um deren Tätigkeit richtig beurteilen zu können. Bereits diese Tätigkeiten heben sich aus dem Eingruppierungsschema heraus, indem sie zwei Gruppen über die Tätigkeit des Sozialarbeiters mit schwierigen Tätigkeiten (S12) angehoben sind.
Die Tätigkeit des Klägers ist durch besondere Schwierigkeit noch aus der Gruppe S14 herausgehoben. Sein Wissen und Können umfasst nicht nur die Kenntnisse der mit der Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls unmittelbar familienbezogen beschäftigten, untergeordneten Sachbearbeiter, sondern dazu noch die für die gesamte arbeitsrechtliche Dienstaufsicht der Mitarbeiter erforderlichen Kenntnisse einschließlich der hierfür erforderlichen Rechtsvorschriften.
Anders als die Beklagte meint, ist die Personalführung von Mitarbeitern der Gruppe S14 nicht bereits durch die Tätigkeitsbeschreibung der Gruppe S12 abgedeckt. Denn die sachbearbeitende Tätigkeit im Zusammenhang mit Kindeswohlgefährdungsfällen setzt nicht die Übertragung von Leitungsaufgaben im Sinne des der Gruppe S12 voraus, sondern stellt für sich aufgrund der Sachbearbeitung bereits eine Tätigkeit mit erheblich höherer Wertigkeit dar. Kommen zu dieser vom Kläger verlangten Fachverantwortung und Fachentscheidung noch Leitungsaufgaben hinzu, so wird hierdurch die Tätigkeit aus der Gruppe S14 noch weiter herausgehoben. Die für die Erfüllung dieser Leitungsaufgabe erforderlichen Qualifikationen übersteigen die Anforderungen der Vergütungsgruppen S12 als auch S14 beträchtlich und gewichtig. Letztlich stellt sich die Tätigkeit des Klägers als eine Addition der herausgehobenen Leitungsaufgaben sowie der herausgehobenen Fachaufgaben dar. Da von einem einheitlichen Arbeitsvorgangs auszugehen ist und innerhalb des Arbeitsvorganges nicht weiter nach Zeitanteilen differenziert wird, ist der Kläger zu 100 % seiner Arbeitszeit mit Tätigkeiten beschäftigt, die sich durch besondere Schwierigkeit aus den Anforderungen der Gruppe S12 herausheben.
Die Leitungstätigkeit des Klägers ist auch von besonderer Bedeutung im Sinne der Gruppe S17. Die Tätigkeit des Klägers hat Auswirkungen, die aus denjenigen der Arbeit eines Sozialarbeiters der Gruppe S12 oder auch S14 herausragt. Dem Kläger obliegt nicht nur die Verantwortung für die inhaltliche und organisatorische Durchführung der Familien- und Erziehungshilfe für einen ganzen Stadtteil. Er ist berechtigt, Freigaben bis zu einer Verpflichtungssumme von 50.000 € pro Einzelfall zu erteilen. Der Kläger ist insoweit Letztentscheider darüber, ob und gegebenenfalls welche konkrete Hilfe einer Familie, einem Kind oder Jugendlichen gewährt werden muss. Das bedeutet, dass der Kläger als Leiter, Kontrolleur und Mitentscheider zusammen mit den Kollegen des Fachdienstes die fachliche Beurteilung vornimmt, ob eine konkrete Erziehungshilfe geleistet wird. Die weitere Fachabteilung der Beklagten, die die generellen Belegungsverträge (beispielsweise für Heimplätze) abschließt, ist dagegen lediglich damit befasst, sicherzustellen, dass die vom Kläger freigegebenen Erziehungsmaßnahmen durchgeführt werden können, dass also ein Heimplatz vorhanden ist oder ein Träger gefunden werden kann, der die konkrete Erziehungsmaßnahme durchführt. Diese Abteilung sorgt dafür, dass Kapazitäten vorgehalten werden, die die Erziehungsmaßnahmen, über die der Kläger entscheidet, ermöglichen.
Durch die Leitungs- und Kontrolltätigkeit des Klägers ist darüber hinaus sichergestellt, dass gleiche Standards für alle Familien im zugewiesenen Bezirk eingehalten werden. Aufgrund der Grö ße des Bezirks und der Zahl der zugeordneten S14 Stellen hat die Tätigkeit des Klägers Auswirkungen, die erheblich über die Wirkung der Einzelfallsachbearbeitung des Sozialarbeiters nach S11 und selbst über diejenige des Sachbearbeiters nach S14 hinausgehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz ein ZPO
Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.