27.05.2015 · IWW-Abrufnummer 177088
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 31.01.2013 – 16 Sa 129/12
In der Rechtssache
XXX
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 16. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Steuerer, den ehrenamtlichen Richter Schlenker und den ehrenamtlichen Richter Schmidt auf die mündliche Verhandlung vom 31.01.2013
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 16.08.2012 - 7 Ca 34/12 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Vergütungspflicht bei Arbeitszeitunterbrechungen im Linienverkehr nach dem Manteltarifvertrag Privater Kraftomnibusverkehr in B.
Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Omnibusunternehmen betreibt, vom 01.01.1996 bis zum 31.03.2012 als Omnibusfahrer beschäftigt und wurde im Linienverkehr eingesetzt. Kraft individualvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag Privater Kraftomnibusverkehr in B. in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Einsatz des Klägers erfolgte nach mit dem Betriebsrat vereinbarten Schichtplänen. Diese sahen zeitlich festgelegte Fahrzeitunterbrechungen vor, die von der Beklagten als unbezahlte Pausen gekennzeichnet wurden. Während dieser Unterbrechungen war der Kläger von jeglicher Arbeits- und Anwesenheitspflicht befreit.
Der Manteltarifvertrag Privater Kraftomnibusverkehr in B. in der Fassung vom 17. Oktober 2005 wurde mit Wirkung ab dem 01.04.2012 inhaltsgleich neu abgeschlossen (im Folgenden: MTV). Die wesentlichen Bestimmungen lauten:
Mit seiner am 30.01.2012 beim Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - eingereichten Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Differenzvergütung in Höhe von 2.054,95 € brutto für im Einzelnen aufgelistete Arbeitszeitunterbrechungen im Zeitraum von Februar 2011 bis März 2012 nebst Zinsen zu verurteilen. Er hat - soweit für die Berufung noch von Belang - vorgetragen, sein Vergütungsanspruch ergebe sich hinsichtlich der Unterbrechungszeiten ab 15 Minuten aus § 8.2 Unterpunkt 3 (Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten bis zur Dauer von 3 Stunden je Arbeitsschicht) MTV. Diese Arbeitszeitunterbrechungen seien auch im Linienverkehr Wartezeiten im Sinne von § 5.2 MTV, die bis zur Dauer von 3 Stunden je Arbeitsschicht zu 100 % zu vergüten seien.
Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht Klagabweisung beantragt und vorgetragen, es ergebe sich kein Anspruch aus § 8.2 Unterpunkt 3 MTV. Der Begriff "Wartezeit" gelte nach § 5.2 MTV nur im Gelegenheitsverkehr und damit nicht im Linienverkehr.
Mit Urteil vom 16.08.2012 - 7 Ca 34/12 - hat das Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - die Klage abgewiesen und - soweit für die Berufung noch von Belang - ausgeführt, gemäß § 8.1 MTV werde nur die tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt, soweit keine speziellere tarifliche Regelung vorhanden sei. Der Kläger habe aber keine Arbeit geleistet, er sei während der geltend gemachten Arbeitszeitunterbrechungen von jeglicher Arbeits- und Anwesenheitspflicht befreit gewesen. Aus § 8.2 Unterpunkt 3 MTV ergebe sich kein Anspruch. Zwar unterscheide § 8 MTV nicht zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr und sei damit grundsätzlich uneingeschränkt anzuwenden. Davon zu unterscheiden sei jedoch die Frage, ob es sich bei den streitgegenständlichen Arbeitsunterbrechungen um Wartezeiten im Sinne des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV handle. Die Definition in § 5.2 MTV sei aufgrund des klaren Tarifwortlauts (Überschrift: "Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr") nicht auf den Linienverkehr anzuwenden (LAG Baden-Württemberg, 20.05.2011 - 4 Sa 118/00, [...]). Damit fehle eine tarifvertragliche Definition der Wartezeit im Linienverkehr. Daher sei auf eine allgemeine Definition zurückzugreifen. Dabei bedeute Wartezeit nichts anderes als die "Zeit des Wartens", warten insoweit "sich, auf jemanden, etwas wartend, an einem Ort aufhalten und diesen nicht verlassen" (vgl. Duden-Online, www.duden.de). Im Gegensatz zur Tarifdefinition des § 5.2 für den Gelegenheitsverkehr setzte damit eine Wartezeit im arbeitszeitrechtlichen und vergütungsrechtlichen Sinn voraus, dass der Arbeitnehmer auch eine Wartepflicht habe, d. h. eine Verpflichtung, sich am derzeitigen Arbeitsort weiter aufzuhalten, auch wenn keine weitere Arbeitsleistung geschuldet sei. Insoweit hätten die Tarifvertragsparteien in § 5.2 MTV offensichtlich eine von der allgemeinen Definition der Wartezeit abweichende Begriffsbestimmung für den Gelegenheitsverkehr vorgenommen und damit eine Vergütungspflicht für Zeiten ohne jegliche Arbeitsleistung statuiert, die sonst als unbezahlte Pausen zu werten seien. Diese Unterscheidung könne sinnvoll sein, soweit im Linienverkehr regelmäßig wie im Fall des Klägers die Pausen zwischen den Fahrtzeiten von vorn herein feststünden, was im Gelegenheitsverkehr wohl nicht der Fall sei. Etwas anderes ergebe sich nicht aus Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.10.1991 (- 4 AZR 121/91 - [...]). Dort habe das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, die Arbeitsunterbrechungen seien als Wartezeit zu qualifizieren, weil der dortige Beklagte weder wirksam Teilschichten eingeführt noch die Arbeitsunterbrechungen als Pausen festgelegt habe. Hier habe jedoch die Beklagte die Arbeitsunterbrechungen vorab unter zeitlicher Konkretisierung als Pausen festgelegt, so dass nach allgemeiner Definition keine Wartezeit im Sinne des § 8 MTV vorliege. Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung könne auch nicht aus einem Umkehrschluss zu § 6.2 MTV hergeleitet werden, wonach die Zeit zwischen den Teilschichten als Freizeit gelte, sofern die Unterbrechung mehr als 2 Stunden dauere und der Fahrer von jeglicher Arbeitsleistung befreit sei. Insoweit sehe bereits § 8.4 MTV vor, dass bei Teilschichteinteilung nach § 6.2 MTV die Bezahlung der Regelarbeitszeit vereinbart sei. Im Übrigen habe sich der Kläger selbst darauf berufen, dass es keine Teilschichteinteilung gebe.
Gegen dieses, dem Kläger am 28.08.2012 zugestellte Urteil wendet sich dieser mit seiner am 26.09.2012 eingelegten und sogleich ausgeführten Berufung.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, er greife das Urteil insoweit an, als dass Ansprüche aufgrund von Wartezeiten vorlägen. Die sonstigen bisher geltend gemachten Ansprüche - nicht bezahlte Pausen unter 15 Minuten nach § 8.2 Unterpunkt 2 MTV - mache er in der Berufung nicht mehr geltend.
Die Fahrer im Linienverkehr könnten die Wartezeiten überhaupt nicht nutzen, da sich die Endstation oft an weit entfernten Orten bzw. an Schulzentren befinde. Die Wartezeiten auf den nächsten Einsatz seien daher für die Busfahrer "verlorene bzw. nutzlose Zeiten". Die Beklagte stimme den Tourenplan auf das Aufkommen der Fahrgäste ab, was dazu führe, dass der Bus an der Endhaltestelle länger stehe und auf seinen nächsten Einsatz warte. Dieses "Risiko", den Bus nicht fortlaufend fahren zu lassen, sondern auf das Gästeaufkommen abzustimmen, übertrage sie auf die Busfahrer, indem sie in den Tourenplan "(unbezahlte) Pausen" statt "Wartezeiten" eintrage. Offensichtlich werde dies dadurch, dass die Beklagte in keinem einzigen Fall eine "Wartezeit" in den Tourenplan eingetragen habe. Wartezeiten fielen im zeitlichen Umfang von ca. 0,5 bis 3,5 Stunden pro Tag an.
Zu Unrecht lehne das Arbeitsgericht einen Anspruch auf Vergütung aus § 8.2 Unterpunkt 3 MTV mit der Begründung ab, die Arbeitszeitunterbrechungen im Linienverkehr seien keine Wartezeiten. Das zur Begründung herangezogene Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 20.5.2001 (- 4 Sa 118/00 - [...]) sei nicht einschlägig. Das LAG stütze sich auf § 8.2 Unterpunkt 2 MTV. Es ziehe zur Auslegung der Definition über die Lenkzeiten, Lenkzeitunterbrechungen, Pausen und Ruhezeiten § 3.4 MTV unter Bezugnahme auf § 6 der Fahrpersonalverordnung heran. Er stütze seinen Anspruch jedoch auf § 8.2 Unterpunkt 3 MTV.
Das Arbeitsgericht meine, die Definition in § 5.2 MTV sei nicht auf den Linienverkehr anzuwenden und entwickle aus einer allgemeinen Definition der "Wartezeit" fehlerhaft eine "Wartepflicht". Weder der Tarifvertrag noch sonstige Vorschriften stützten diese Ansicht. Auch dass eine Unterscheidung der Begriffe im Linien- und Gelegenheitsverkehr aus Sicht des Arbeitsgerichts sinnvoll sein möge, begründe es nicht. Es handle sich bei diesen Wartezeiten um für die Busfahrer "nutzlose" Zeiten sowohl im Linien- als auch im Gelegenheits- bzw. Reiseverkehr. Das Arbeitsgericht stelle an die Wartezeit der Busfahrer im Linienverkehr höhere Anforderungen, die weder vom Tarifvertrag noch von anderen Vorschriften gefordert würden. Im Übrigen definiere sich die Wartezeit nach Gablers Wirtschaftslexikon als "Zeitraum, der verstreichen muss, bis ein bestimmtes Ereignis eintritt"(http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/wartezeit.html), dagegen die "Wartepflicht" als "einer Wartepflicht unterliegend", "wartepflichtig" (www.duden.de). Für den Gelegenheitsverkehr sei die Begriffsbestimmung der "Wartezeit" nach § 5.2 MTV nicht derart hoch gesetzt, dass eine "Wartepflicht" voraussetzt werde.
In seinem Fall liege eine Arbeitsschicht vor. Die Busfahrer im Linienverkehr warteten nach einer Tour an der Endhaltestelle auf ihren nächsten Einsatz nach dem Tourenplan bzw. Dienstplan. Diese Zeit sei eine Zeit des Wartens, also Wartezeit. Das Urteil des BAG vom 23.10.1991 (- 4 AZR 121/91 - [...]), führe aus, dass sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe Wartezeit, Freizeit und Pausen nicht voneinander klar abgrenzen ließen. Unter Wartezeit sei die Zeit zu verstehen, "in der man warten muss " (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1984, S. 662). Freizeit sei "arbeitsfreie Zeit" (Brockhaus/Wahrig, aaO, Bd. 2, 1981, Seite 849). Pause sei eine "kürzere Unterbrechung einer Tätigkeit zur Wiederherstellung der psychischen und physischen Leistungskraft (Brockhaus/Wahrig, aaO, Bd. 5, 1983, Seite 78). Nach dem Urteil des BAG, wie auch im vorliegenden Fall, erfüllten seine Arbeitsunterbrechungen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sowohl den Begriff der Wartezeit als auch der Freizeit, gegebenenfalls auch den Begriff der Pause. Die Begriffe seien daher wie jede tarifliche Regelung auszulegen. Danach sei neben dem Tarifwortlaut insbesondere der tarifliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen.
§ 8 MTV regle die Grundsätze der Entlohnung. Die Vorschrift sehe von einer Unterscheidung zwischen Gelegenheits- und Linienverkehr ausdrücklich ab und sehe keine Bezugnahme auf andere Vorschriften vor. Daraus werde deutlich, dass die Tarifvertragsparteien den Linien- und Gelegenheitsverkehr bei der Vergütung hätten gleich behandeln wollen.
Unabhängig von der Bejahung des tariflichen Gesamtzusammenhangs erfülle er die Voraussetzungen der "Wartezeit" nach der allgemeinen Definition.
Zudem habe das BAG im Urteil vom 23.10.1991 (- Az. 4 AZR 121/91-) klargestellt, dass "Wartezeiten" nicht nur im Gelegenheitsverkehr anfielen und dies damit begründet, dass eine andere Auffassung von den allein maßgeblichen Bestimmungen des - mit dem hier inhaltsgleichen - MTV nicht gedeckt sei. Unerheblich sei, dass hier die Beklagte die Arbeitsunterbrechungen vorab in den Tourenplänen als "Pausen" bezeichnet habe, da sowohl nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang als auch nach der allgemeinen Definition die Voraussetzungen der vergütungspflichtigen "Wartezeit" erfüllt seien.
Die Auffassung des Arbeitsgerichts, ein Anspruch könne auch nicht aus einem Umkehrschluss zu § 6.2 MTV hergeleitet werden, lasse eine Aussage dazu vermissen, warum sich ein Anspruch nicht aus § 6.1 MTV ableiten lasse.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto 2.009,18 C nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 187,23 C seit dem 11.03.2011, aus 279,40 C seit dem 11.04.2011, aus 203,19 C seit dem 11.05.2011, aus 162,93 C seit dem 11.06.2011, aus 132,73 C seit dem 11.07.2011, aus 174,43 C seit dem 11.08.2011, aus 85,27 € seit dem 11.09.2011, aus 152,43 € seit dem 11.10.2011, aus 122,23 € seit dem 11.11.2011, aus 176,44 € seit dem 11.12.2011, aus 83,84 € seit dem 11.01.2012, aus 138,34 € seit dem 11.02.2012, aus 64,28 C seit dem 11.03.2012 und aus 46,45 € seit dem 11.04.2012 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt im Wesentlichen vor, die Definition des Begriffs "Wartezeit" in § 5.2 MTV sei aufgrund des klaren Tarifwortlauts - Überschrift: "Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr" - nicht auf den Linienverkehr anzuwenden, wie es auch das LAG Baden-Württemberg mit Urteil vom 20.05.2001 (- 4 Sa 118/00 - [...]) entschieden habe. Der Begriff der "Wartezeit" im Sinne des § 5.2. MTV finde im Linienverkehr keine Anwendung. Zu Recht führe das Arbeitsgericht aus, dass damit nur generell von einer Zeit des Wartens gesprochen werden könne, die jedoch nach der klaren Regelung in § 8.1. MTV "Bezahlt wird nur tatsächlich geleistete Arbeit, soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes bestimmt ist" keiner Vergütungspflicht unterliege.
Der Kläger könne sich nicht auf das Urteil des BAG vom 23.10.1991 (- 4 AZR 121/91- [...]) stützen, weil im dortigen Fall das BAG Arbeitsunterbrechungen als Wartezeit qualifiziert habe, weil die dortige Beklagte weder wirksam Teilschichten eingeführt noch die Arbeitsunterbrechungen als Pause festgelegt habe. Sie habe jedoch die Arbeitsunterbrechungen vorab unter zeitlicher Konkretisierung als nicht bezahlte Pausen festgelegt. Der Kläger wiederhole lediglich seine bereits erstinstanzlich vertretene unzutreffende Auffassung.
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 20.05.2001 befasse sich exakt mit der hier streitigen Rechtsfrage, ob der Begriff "Wartezeit" aus § 5.2 MTV auch im Linienverkehr Anwendung finde und somit einen Anspruch auf Bezahlung solcher Zeiten begründe oder ob ein solcher Anspruch eben nur im Gelegenheitsverkehr bestehe (LAG Baden-Württemberg, 20.05.2001 - 4 Sa 118/00 - [...]). Warum es nicht einschlägig sein solle, obwohl es genau dieselbe Fallkonstellation betreffe, erläutere der Kläger nicht.
Die klägerischen Ausführungen zur "Wartezeit" seien entscheidungsunerheblich. Angesichts der Eindeutigkeit der tarifvertraglichen Regelung, wonach die in § 5.2 MTV enthaltene Definition der Wartezeit sich ausschließlich auf den Gelegenheitsverkehr und nicht auf den Linienverkehr beziehe und angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 8.1 MTV, demzufolge nur tatsächlich geleistete Arbeitszeit bezahlt werde, soweit im Tarifvertrag nichts anderes bestimmt sei, stehe nach den tarifvertraglichen Regelungen eindeutig fest, dass die vom Kläger geforderten Arbeitsunterbrechungen nicht zu bezahlen seien.
Die Ausführungen des Klägers zur Frage von Teilschichten seien ebenfalls nicht entscheidungserheblich, da dieser selbst erkläre, dass die von ihm geltend gemachten Beträge nicht aus Teilschichten resultierten.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen, insbesondere den Arbeitsvertrag vom 28.06.2008 (ABl. 17 f der erstinstanzlichen Akte), den MTV (ABl. 19 bis 44 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 b), 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung ist aber unbegründet.
1.
An der Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.
2.
Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - die Klage mangels Anspruchsgrundlage abgewiesen.
a)
Ein Vergütungsanspruch hinsichtlich der von der Betriebsvereinbarung nicht erfassten Arbeitszeitunterbrechungen - die von ihr erfassten hat die Beklagte unstreitig bezahlt - ergibt sich nicht aus § 8.2 Unterpunkt 3 MTV. Hiernach sind "Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten bis zur Dauer von 3 Stunden je Arbeitsschicht" mit 100 % des Stundenlohnes zu vergüten.
aa)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 22.04.2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 17; 19.09.2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30; 07.07.2004 - 4 AZR 433/03 -; 08.09.1999 - 4 AZR 661/98 - [...]) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Arbeitsgerichte ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
bb)
Die vom Kläger geltend gemachten Zeiten erfüllen nicht den Begriff der "Arbeitsbereitschaft". Unabhängig davon, dass auch dieser wie die Wartezeit in § 5.1 MTV für den Gelegenheitsverkehr und nicht für den Linienverkehr definiert ist, besteht über die Begriffsbestimmung zumindest dahingehend kein Streit, dass während einer Arbeitsbereitschaft der Arbeitnehmer nicht frei über seine Zeit verfügen kann. Denn nach der vergütungsrechtlichen Definition ist Arbeitsbereitschaft die "Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung" (BAG 28.01.2981 - 4 AZR 892/78 - [...]). Dass er sich in diesem Sinne für den jederzeitigen Arbeitseinsatz während der streitgegenständlichen Zeiten bereithalten müsse, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Vielmehr kann er - abgesehen von der eventuellen geographischen Abgeschiedenheit des Platzes an dem er sich aufhält - zu im Voraus genannten Zeiten machen, was er will, also z.B. spazieren gehen, lesen, Kaffee trinken, ggf. im Internet surfen oder schlafen.
cc)
Demgemäß kommt es nur darauf an, ob die streitgegenständlichen Zeiten "Wartezeiten" im Sinne des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV sind. Das ist letztendlich zu verneinen.
aaa)
Die in § 5.2 MTV zu findende Definition der Wartezeit bezieht sich ausweislich der Überschrift "Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr" nicht auf den Linienverkehr und kann deshalb dort nicht verwendet werden.
bbb)
Eine Analogie des § 5.2 MTV kommt nicht in Betracht, weil nicht von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen werden kann. Dass die Tarifvertragsparteien die Wartezeit ausdrücklich nur im Gelegenheitsverkehr, nicht aber im Linienverkehr definiert haben, zeigt, dass sie die Problematik der Wartezeit erkannt haben und spricht dafür, dass sie davon ausgingen, dieser Begriff sei nur für den Gelegenheitsverkehr einschlägig (LAG Baden-Württemberg, 20.05.2001 - 4 Sa 118/00 - [...]). Insoweit trifft das zitierte Urteil entgegen der Auffassung des Klägers sehr wohl auch den vorliegenden Fall, weil es sich hier ausdrücklich nicht auf § 8.2 Unterpunkt 2 sondern Unterpunkt 3 MTV bezieht.
ccc)
Damit stellt sich die Frage, ob im Rahmen des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV von einem anderen Begriff der "Wartezeit" für den Linienverkehr auszugehen ist oder ob die Tarifvertragsparteien dies ausschließen wollten. Der Wortlaut des § 8.2 Unterpunkt 3 MTV spricht für sich allein betrachtet, dafür, dass eine Wartezeit auch im Linienverkehr gegeben sein kann. Allerdings wird der Begriff nur in § 5.2 MTV beim Gelegenheitsverkehr definiert. Zu Recht hat das LAG Baden-Württemberg (20.05.2001 - 4 Sa 118/00 - [...]) ausgeführt, dass den Tarifvertragsparteien klar gewesen sein muss, dass sich die Lenkzeiten im Linienverkehr wegen des einzuhaltenden Takts und der zeitlichen Lage der zu bedienenden Kurse nicht nahtlos aneinanderfügen. Die erkennende Kammer schließt sich der Argumentation des LAG auch dahingehend an, dass die Vorgehensweise der Tarifvertragsparteien, die Wartezeit ausdrücklich nur im Gelegenheitsverkehr zu definieren aber im Linienverkehr zu verschweigen, grundsätzlich nur bedeuten kann, dass die Spreizung des Arbeitstages im Linienverkehr auf Grund dieser Sachlage in Kauf genommen wurde, soweit dies betrieblich im Sinne des § 6.3 MTV erforderlich ist. Das bedeutet aber, dass es im Linienverkehr grundsätzlich keine vergütungspflichtige Wartezeit geben kann, was auch letztlich der Auffassung des Verbandes B. O. e.V. entspricht (WBO Positionspapier vom 03.04.2012, ABl. 97 f der erstinstanzlichen Akte). Die betriebliche Erforderlichkeit im Sinne des § 6.3 MTV hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
Dass § 6.1 MTV "Wartezeiten" erwähnt, beeinträchtigt die dargestellte Sichtweise nicht, da die Vorschrift schließlich auch im Gelegenheitsverkehr gilt.
Allerdings zeigt § 5.4 MTV, dass die Auffassung der abschließenden Definition Mängel in sich birgt. Denn dort werden Pausen definiert. Dass es jedoch wegen einer abschließend definierten Pausenregelung im Linienverkehr keine Pausen geben kann, will auch die Beklagte nicht behaupten.
Dennoch ergibt sich aus dem tarifvertraglichen Gesamtzusammenhang, dass die Tarifvertragsparteien in § 8.2 Unterpunkt 3 MTV nur einen Vergütungsanspruch für die Wartezeiten im Gelegenheitsverkehr regeln wollten:
Beide der in § 8.2 Unterpunkt 3 MTV gemeinsam erwähnten Begriffe "Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten" sind nicht nur unter der Überschrift "Begriffsbestimmungen im Gelegenheitsverkehr" in § 5.1 und § 5.2 MTV als Definition zu finden, sondern auch gemeinsam in der gleichen Reihenfolge in § 3.6 MTV, der bestimmt, dass "Arbeitszeiten im Gelegenheitsverkehr" u.a. "Arbeitsbereitschaft und Wartezeiten bis zu 3 Stunden je Arbeitsschicht" sind. An genau diese "Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten bis zur Dauer von 3 Stunden je Arbeitstag" knüpft § 8.2 Unterpunkt 3 MTV an und gewährt für sie einen Anspruch auf 100% des Stundenlohnes. Das zeigt, dass die Tarifvertragsparteien die Vergütungsregelung (100 % des Stundenlohnes) deshalb getroffen haben haben, weil sie die genannten Zeiten zuvor in § 3.6 Unterpunkt 2 MTV als "Arbeitszeit" definiert haben. Deshalb hatten sie auch Anlass, in § 8.3 Unterpunkt MTV die "Arbeitsbereitschafts- und Wartezeiten, die 3 Stunden je Arbeitsschicht überschreiten" nur mit 50 % des Stundenlohnes zu vergüten. Schließlich sind diese Zeiten ja keine Arbeitszeiten im Sinne des § 3.6 Unterpunkt 2 MTV. Hinzu kommt, dass § 8.1 MTV ausdrücklich regelt, dass nur die "tatsächliche Arbeit" bezahlt wird, "soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes bestimmt ist." Im vorliegenden Fall geht es jedoch um im Voraus feststehende Zeiten, in denen der Kläger machen konnte, was er wollte.
Deshalb kommt es auf eine allgemeine Definition der Wartezeit vorliegend auch nicht an.
ddd)
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.10.1991 (- 4 AZR 121/91 - [...]) musste sich mit der vorliegenden Problematik nicht befassen, weil kein Vortrag der Parteien aus dem Tatbestand ersichtlich ist, dass sich die Parteien darüber gestritten hätten, ob die tarifliche Vergütungsregelung der Wartezeit nur für den Gelegenheitsverkehr gelten soll. Selbst wenn man jedoch annehmen will, dass auch im Linienverkehr nach § 8.2 Unterpunkt 3 MTV vergütungspflichtige Wartezeiten entstehen können und zudem mit dem Kläger unterstellt, dass eine Wartezeit keine Wartepflicht erfordert, ergibt sich für den Kläger kein anderes Ergebnis: Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung deutlich darauf hingewiesen (BAG aaO, Rn. 15), dass eine vergütungspflichtige Wartezeit nicht vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsunterbrechung wirksam im Voraus als Pause festgelegt hat. Genau das ist jedoch im vorliegenden Fall geschehen: Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Unterbrechungszeiten in den Dienstplänen und damit im Voraus nach eigenem Vortrag des Klägers als Pausen ausgewiesen und auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG beachtet.
b)
Andere Anspruchsgrundlagen ergeben sich nicht. Warum § 6.1 MTV einschlägig sein soll, konnte der Kläger selbst nicht begründen. Hiernach ist Schichtzeit der Zeitraum zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende einschließlich Arbeitsbereitschaftszeiten, Wartezeiten und Pausen. Die Vorschrift sagt jedoch nichts über eine Vergütungspflicht aus.
Damit konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
III.
Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Revision war zuzulassen, weil es um Fragen grundsätzlicher Bedeutung geht (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Schmidt
Schlenker
Verkündet am 31.01.2013