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09.06.2015 · IWW-Abrufnummer 177318

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 02.10.2014 – 7 Sa 249/14

1) Grundsätzlich haben Anlagen die Funktion, schriftsätzlichen Vortrag glaubhaft zu machen oder unter Beweis zu stellen, nicht aber, diesen zu ersetzen. Die Bezugnahme auf ein Anlagenkonvolut kann aber ausnahmsweise dann als substantiierter Sachvortrag gewertet werden, wenn das Anlagenkonvolut leicht nachvollziehbar aufgebaut und geordnet ist, inhaltlich in sich stimmig und übersichtlich strukturiert erscheint und durch geeignete Zusammenfassungen, Additionen o.ä. der Bezug zu den Klageanträgen eindeutig hergestellt wird.

2) Erfüllt der Arbeitgeber Forderungen des Arbeitnehmers in Kenntnis des Umstands, dass diese aufgrund einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen sein könnten, ist er an einer späteren Rückforderung nach dem Rechtsgedanken des § 814 BGB gehindert.

3) Zur Frage, ob eine GmbH die von ihrem Geschäftsführer abgegebene Erklärung des Verzichts auf die Einhaltung einer tariflichen Verfallfrist gegen sich gelten lassen muss, wenn der Geschäftsführer gleichartige Ansprüche - hier: Vergütung von Bereitschaftsdiensten - auch für sich selber verfolgt.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.01.2014 in Sachen2 Ca 890/13 EU teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den in Ziffer 1) des Urteilstenors vom 31.01.2014 genannten Betrag hinaus weitere 3.747,29 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.03.2013 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 15 % und die Beklagte 85 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten in Klage und Widerklage, Berufung und Anschlussberufung um tarifvertragliche Ansprüche des Klägers auf Bezahlung von Arbeitsstunden, die er während Bereitschaftsdiensten geleistet hat, um Bezahlung von Überstunden sowie einen Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung eines im August 2012 an den Kläger geleisteten Einmalbetrages, der zur Abgeltung der tarifvertraglich vorgesehenen Bereitschaftsdienst- pauschale hatte dienen sollen.



Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, derentwegen die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn die Klage - mit Ausnahme des Lohneinbehalts für August 2012 - und die Widerklage abgewiesen hat, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 31.01.2014 Bezug genommen.



Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 19.02.2014 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 18.03.2014 Berufung eingelegt und diese am Osterdienstag, den 22.04.2014, begründet.



Die Berufungsbegründung des Klägers wurde der Beklagten am 28.04.2014 zugestellt. Die Beklagte hat ihrerseits innerhalb der bis zum 30.06.2014 antragsgemäß verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist Anschlussberufung eingelegt.



Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass er die Anspruchsvoraussetzungen für die Bezahlung der von ihm während der Bereitschaftsdienste tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden sowie von ihm erbrachter Überstunden nicht substantiiert und in prozessual verwertbarer Form dargelegt habe. Er verweist hierzu auf das von ihm schon seiner Klageschrift beigefügte Anlagenkonvolut und insbesondere auf die in dem dem Schriftsatz vom 14.08.2013 beigefügten Leitz-Ordner enthaltenen Unterlagen (Anlage K 10 ff.), deren Inhalt er in den vorbezeichneten Schriftsätzen ausdrücklich zum eigenen Sachvortrag erhoben habe. Die Aufstellungen über die von ihm geleisteten Bereitschaftsstunden und Überstunden seien übersichtlich, klar geordnet und leicht verständlich. Das Verlangen, die darin enthaltenen anspruchsbegründenden Tatsachen nochmals in einem Schriftsatztext abschreiben zu sollen, laufe auf eine reine Förmelei hinaus. Ein Fall, in dem einem Gericht und einem Prozessgegner zugemutet würde, sich aus einer Fülle unsystematischer Anlagen die potentiell anspruchsbegründenden Tatsachen erst mühsam selbst heraussuchen zu müssen, liege gerade nicht vor.



Hätte das Arbeitsgericht den Inhalt dieses seines Sachvortrages zur Kenntnis genommen, dann, so der Kläger, hätte es seiner Zahlungsklage in vollem Umfang stattgeben müssen; denn es sei die Beklagte gewesen, die die tatsächlichen Einsatzstunden und Überstunden lediglich pauschal und unsubstantiiert bestritten habe.



Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.01.2014,2 Ca 890/13 EU, dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere 11.397,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.02.2013 zu zahlen.



Die Beklagte, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.



Im Wege der eigenen Anschlussberufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.01.2014,2 Ca 890/13 EU, wie folgt abzuändern: a) Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen. b) Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte € 40.662,- brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2013 zu zahlen.



Die Beklagte und Berufungsbeklagte bestreitet, dass der Kläger in dem von ihm geltend gemachten Umfang Bereitschaftsarbeit und Überstunden geleistet habe. Sie tritt der Auffassung des Arbeitsgerichts bei, dass der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers unsubstantiiert und damit unbeachtlich sei. Im Übrigen seien alle etwaigen Ansprüche des Klägers bis einschließlich Juni 2012 gemäß der sechsmonatigen tarifvertraglichen wie auch arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist untergegangen. Ansprüche aus dem Kalenderjahr 2009 und früher seien überdies verjährt; denn der Kläger habe den von ihm behaupteten Anspruch über 11.397,66 € erstmals mit Schriftsatz vom 22.01.2013 geltend gemacht.



Zur Begründung ihrer eigenen Anschlussberufung führt die Beklagte aus, dass sie den Betrag in Höhe von 40.662,00 € brutto im August 2012 ohne Rechtsgrund an den Kläger geleistet habe. Sie könne daher einen bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch geltend machen; denn im Zeitpunkt der Auszahlung im August 2012 seien etwaige Ansprüche des Klägers auf Zahlung der tariflichen Bereitschaftsdienstpauschale wegen der sechsmonatigen tariflichen und ebenso arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen gewesen. Ihr ehemaliger Geschäftsführer P habe seine Vertretungsmacht offenkundig missbraucht, als er seinerzeit für die Auszahlung der Bereitschaftsdienstvergütung an sich selbst, den Kläger und einen anderen Mitarbeiter gesorgt habe und dabei im Vorfeld dem Kläger gegenüber die Erklärung unterschrieben habe, dass die Beklagte darauf verzichte, sich auf die tarifliche Ausschlussfrist zu berufen.



Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht § 814 BGB zu ihren Lasten angewandt. Nur der Geschäftsführer P habe positive Kenntnis darüber gehabt, dass die Ansprüche aufgrund der Ausschlussfristen bereits untergegangen waren. Da dieser sich aber evident rechtsmissbräuchlich verhalten habe, könne dessen Wissen ihr, der Beklagten, nicht zugerechnet werden. Auf eine Kenntnis des Aufsichtsratsvorsitzenden E komme es nicht an. Abgesehen davon habe sich dieser ebenso wie der jetzige Geschäftsführer und Nachfolger des Herrn P , Herr O M , auf Herrn P verlassen.



Der Kläger und Anschlussberufungsbeklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.



Der Kläger und Anschlussberufungsbeklagte macht geltend, dass der damalige Geschäftsführer P keineswegs evident pflichtwidrig gehandelt habe. Er habe vielmehr zur Frage des etwaigen Verfalls der Ansprüche ein ergebnisoffenes Rechtsgutachten durch Rechtsanwalt O eingeholt. Im Übrigen stehe es ohnehin im Ermessen eines Geschäftsführers, Lohnerhöhungen, Zusatzurlaub o. ä. Leistungen zu gewähren, selbst wenn darauf kein durchsetzbarer Rechtsanspruch bestünde.



Weiter macht der Kläger geltend, dass seinerzeit auch der Aufsichtsratsvorsitzende E sowie der jetzige Geschäftsführer O M in vollem Umfang über die maßgebliche Sachlage informiert gewesen seien.



Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründung des Klägers, der Berufungserwiderung und Anschlussberufungsbegründung der Beklagten und deren weiteren Schriftsatz vom 24.09.2014 sowie die erstinstanzlich zu den Akten gereichten Anlagen und insbesondere den Inhalt des als Anlage zum Schriftsatz vom 14.08.2013 eingereichten Leitz-Ordners (Anlagen K 10 ff.) wird Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 31.01.2014 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchstabe b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.



Auch die Anschlussberufung der Beklagten erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen. Insbesondere wurde sie innerhalb der Berufungserwiderungsfrist der Beklagten eingelegt und begründet.



II. Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg, während die Anschlussberufung in vollem Umfang zurückzuweisen war.



1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Bezahlung geleisteter Arbeit während Bereitschaftsdiensten, die der Kläger in den Jahren 2010 bis 2012 erbracht hat, im Umfang von 2.539,57 € brutto.



a. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien war zuletzt der Arbeitsvertrag vom 16.04.2002 maßgeblich (Bl. 50 ff. d. A.). In § 11 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrages haben die Parteien vereinbart, dass unter anderem der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) vom 05.10.2000 auf das Arbeitsverhältnis in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung findet. § 10 Abs. 3 Satz 4 TV-V bestimmt folgendes:



"Für die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten wird jede angefangene Stunde auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge nach Absatz 1 bezahlt. ..."



b. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Bonn hat der Kläger des vorliegenden Verfahrens seine Behauptungen zu den von ihm geleisteten Arbeitsstunden während der Bereitschaftsdienste prozessual ordnungsgemäß und ausreichend substantiiert dargelegt.



aa. Im Ausgangspunkt stimmt das Berufungsgericht uneingeschränkt dem vom Arbeitsgericht hervorgehobenen Grundsatz zu, dass die Parteien ihre entscheidungserheblichen Darlegungen schriftsätzlich vorzubringen haben und die Bezugnahme auf Anlagen einen substantiierten Sachvortrag nicht zu ersetzen vermag, wenn dies dazu führt, dass sich Gericht und Gegenpartei aus einem unübersichtlichen Konglomerat von Unterlagen entscheidungs- erheblichen Sachverhalt erst selbst mühsam heraussuchen müssten. Anlagen haben in erster Linie die Funktion, schriftsätzlichen Vortrag glaubhaft zu machen oder unter Beweis zu stellen, nicht aber, diesen zu ersetzen (so auch u. a. BAG vom 16.05.2012, 5 AZR 347/11).



bb. Dieser Grundsatz muss jedoch seinem Sinn und Zweck entsprechend differenziert betrachtet und angewandt werden. So kann es in einem Fall, bei dem es für eine Anspruchsbegründung - insbesondere bei Zahlungsanträgen - auf eine Fülle einzelner Fakten und Daten ankommt, im Interesse der Ordnung und Übersichtlichkeit sehr sinnvoll sei



n, die Einzeltatsachen, die zur Anspruchsbegründung erforderlich sind, in einer tabellarischen Anordnung darzustellen. Ein Grundsatz, wonach - insbesondere in Fällen, in denen es auf viele kleinteilige Einzeltatsachen ankommt - eine tabellarische Sachverhaltsdarstellung unzulässig wäre und jedwede Tatsachenbehauptung im Fließtext in einen Schriftsatz eingearbeitet werden müsste, existiert in dieser Form nicht und wäre, wenn er existierte, ausgesprochen kontraproduktiv. So ist in der Rechtsprechung auch des Berufungsgerichts seit langem anerkannt, dass die Bezugnahme auf ein Anlagenkonvolut ausnahmsweise dann als substantiierter Sachvortrag gewertet werden kann, wenn das Anlagenkonvolut leicht nachvollziehbar aufgebaut und geordnet ist, inhaltlich in sich stimmig und übersichtlich strukturiert erscheint und durch geeignete Zusammenfassungen, Additionen o. ä. der Bezug zu den verfolgten Klageanträgen eindeutig hergestellt wird (vgl. z. B. LAG Köln vom 16.10.2000 - 8 (12) Sa 853/99 - ).



cc. Die vom Kläger zum Schriftsatz vom 14.08.2013 vorgelegten Unterlagen gemäß Anlagen K 10 ff. genügen diesen Anforderungen. Sie verdeutlichen auf übersichtliche und leicht nachvollziehbare Weise die Behauptungen des Klägers dazu, an welchen Tagen, zu welcher Uhrzeit, in welchem Umfang und aus welchem Anlass er Arbeitseinsätze während des Bereitschaftsdienstes oder Überstunden geleistet haben will. Dies mag anhand der Unterlagen, die der Kläger für das Jahr 2012 beigebracht hat, verdeutlicht werden:



aaa. Zunächst enthält die Anlage K 87 eine Monatsübersicht des Jahres 2012. Hierin ist tabellarisch aufgeführt, in welchen Monaten der Kläger wie viele Überstunden und wie viele Bereitschaftsarbeitsstunden geleistet haben will. Zusätzlich sind die nach Auffassung des Klägers anzuwendenden Stundensätze sowie die sich aus Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Arbeit an Samstagen ab 13:00 Uhr ergebenden prozentualen Zuschläge zu entnehmen. In der untersten Zeile werden die einzelnen Teilforderungsbeträge jeweils aufaddiert, die aus den darüber stehenden Angaben resultieren.



bbb. Die nachfolgende Anlage K 88 enthält sodann eine übersichtliche Einzelerläuterung zu den einzelnen Überstunden, die der Kläger in 2012 geleistet haben will. Die Anlage K 88 zeigt auf, an welchem Datum, an welchem Wochentag, zu welcher Uhrzeit (Anfangs- und Endzeit) und in welchem Umfang der Kläger aus welchen sachlichen Gründen Überstunden geleistet haben will. So ist der Anlage K 88 unschwer zu entnehmen, dass der Kläger behaupten will, am Freitag, dem 24.02.2012 von 13:15 Uhr bis 17:00 Uhr 3 3/4 Überstunden erbracht zu haben, und zwar, weil er an einer Aufsichtsratssitzung und Gesellschafterversammlung teilgenommen hat und anschließend aufräumen musste.



ccc. In vergleichbarer Weise enthält die Anlage K 91 eine Übersicht über die vom Kläger behaupteten Bereitschaftsarbeitsstunden. Der Anlage K 91 ist zu entnehmen, in welchen Wochen der Kläger jeweils zum Bereitschaftsdienst eingeteilt war und an welchem Datum und Wochentag, zu welcher Uhrzeit (Anfangs- und Endzeitpunkt), in welchem Umfang ein Bereitschaftseinsatz angefallen ist. Zusätzlich wird der konkrete Störfall in Kurzform erwähnt (z. B. für Freitag, den 20.01.2012: "Rohrbruch T E -L ").



ddd. Die Anlagen K 92 ff. stellen sodann Anlagen im 'klassischen' Sinne dar, d. h. Unterlagen, die die Richtigkeit der in der zuvor erwähnten Aufstellung enthaltenen Einzelangaben belegen sollen, wie z. B. Erfassungsbögen zu Störmeldungen, Informationsschreiben über die Bereitschaftsdienst- anordnungen usw..



eee. Entsprechend verhält es sich mit den Anlagen K 89 ff. im Hinblick auf die vom Kläger behaupteten Überstunden.



fff. Die in die Anlagen K 88 und K 91 aufgenommenen Sachbegründungen für die jeweils geleisteten Arbeitsstunden beschränken sich zwar auf eine stichwortartige Umschreibung, bleiben aber regelmäßig ausreichend verständlich. Soweit der Kläger Abkürzungen wie "AR" oder "GV" benutzt, hat er diese in seinem Schriftsatz vom 14.08.2013 erläutert.



dd. Beispielhaft bezogen auf das Jahr 2012 bietet der in den Anlagen K 87, K 88 und K 91 niedergelegte Sachvortrag des Klägers zu den von ihm behaupteten Daten der geleisteten Überstunden und Bereitschaftsarbeit - möglicherweise anders als dies in dem Parallelverfahren Arbeitsgericht Bonn



2 Ca 891/13 der Fall war - eine vollständige, hinlänglich klare und bestimmte Darstellung, die es der Beklagten ermöglichte, sich mit den Einzelheiten der Anspruchsbegründung auseinanderzusetzen.



ee. Es kann im Hinblick auf die prozessuale Verwertbarkeit keinen Unterschied machen, ob der Kläger die in den Anlagen K 87, K 88 und K 91 enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu den von ihm im Jahr 2012 geleisteten Überstunden und Bereitschaftsarbeitsstunden in gleicher tabellarischer Form innerhalb seines Schriftsatzes abheftet oder gar - der Übersichtlichkeit wenig dienlich - in Fließtext umsetzt, oder ob er die entsprechenden tabellarischen Darstellungen im Rahmen eines Anlagenordners vorlegt, wo sie aufgrund der chronologischen Gliederung und Beschriftung leicht auffindbar waren, und diese Anlagen innerhalb seines Schriftsatzes ausdrücklich zum Sachvortrag erhebt.



c. Es wäre nunmehr Sache der Beklagten gewesen, sich mit den Behauptungen des Klägers zu den einzelnen Überstunden und Arbeitseinsätzen zu befassen und hierzu Stellung zu nehmen. Dies hat sie jedoch - jedenfalls bezogen auf den Zeitraum 2010 bis 2012 - unterlassen. Dass die Beklagte die Behauptungen des Klägers zu den tatsächlich geleisteten Bereitschaftsarbeitsstunden und Überstunden im Zeitraum 2010 bis 2012 in erheblicher Weise bestritten hätte, kann somit nicht festgestellt werden.



d. Dass die tarifvertraglichen Ansprüche auf Bezahlung tatsächlich geleisteter Bereitschaftsarbeit dem Grunde nach auch dem Kläger zustehen, wurde der Beklagten bereits im Jahre 2012 von dem Kommunalen Arbeitgeberverband bestätigt und wurde von ihr zuletzt auch nicht mehr in Abrede gestellt. Nachvollziehbare Zweifel hieran sind nicht ersichtlich.



e. Für das Jahr 2010 errechnet sich somit ein Anspruch des Klägers auf tarifvertragliche Vergütung von Bereitschaftsarbeit im Umfang von 307,70 €, 213,00 € und 568 00 €. Für das Jahr 2011 betragen die Ansprüche 184,62 €, 106,50 € und 177,50 €. Für das Jahr 2012 ergeben sich 769,25 € und 213,00 €. Wegen der Einzelberechnung wird auf die Anlagen K 63, K 75 und K 87 Bezug genommen. Insgesamt errechnet sich somit ein Anspruch des Klägers auf Vergütung von Bereitschaftsarbeit im Zeitraum 2010 bis 2012 in Höhe von 2.539,57 €.



f. Gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der von ihm geleisteten Arbeitsstunden während des Bereitschaftsdienstes kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 20 TV-V berufen.



aa. Nach der tariflichen Ausschlussregel verfallen tarifvertragliche Ansprüche, wenn sie nicht binnen sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.



bb. Eine der tariflichen Ausschlussfrist gerecht werdende schriftliche Geltendmachung der vorliegenden streitgegenständlichen Ansprüche ist unstreitig erst im Januar 2013 erfolgt.



cc. Daraus folgt zunächst, dass die auf die zweite Jahreshälfte des Jahres 2012 entfallenden Teilansprüche auf geleistete Bereitschaftsarbeit im Umfang von 553,86 € rechtzeitig geltend gemacht wurden.



dd. Die Ansprüche des Klägers, die in der Zeit bis einschließlich Juni 2012 entstanden sind, wären zwar nach dem Wortlaut der tarifvertraglichen Ausschlussfrist an sich verfallen gewesen. Die Beklagte hat aber durch schriftliche Erklärung vom 25.06.2012 gegenüber dem Kläger rechtswirksam darauf verzichtet, sich gegenüber dessen Ansprüchen aus § 10 Abs. 3 TV-V auf Vergütung von Bereitschaftsdienstzeiten auf die "tarifrechtliche Ausschlussfrist" zu berufen. Diese Verzichtserklärung ist rechtswirksam und bindet die Beklagte. Sie wurde von ihrem damaligen GmbH-Geschäftsführer A P unterzeichnet. Als Geschäftsführer der Beklagten und deren gesetzliches Vertretungsorgan war Herr P befugt und in der Lage, derartige rechtsverbindliche Erklärungen für die Beklagte abzugeben.



ee. Es ist für das Berufungsgericht auch nicht erkennbar, dass der damalige Geschäftsführer P durch die Abgabe einer derartigen Verzichtserklärung gegenüber einem Arbeitnehmer wie dem Kläger seine Vertretungsbefugnisse als Organ der Beklagten missbraucht und seine Vermögensbetreuungspflichten ihr gegenüber damit verletzt hätte. Schon gar nicht lag ein vom Empfängerhorizont des Klägers aus erkennbarer oder gar offensichtlicher Missbrauch vor.



aaa. Kurz vor Unterzeichnung der Verzichtserklärung vom 25.06.2012 war durch die Auskunft des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (vgl. Bl. 54 d. A.) offenbar geworden, dass die Beklagte u. a. dem Kläger bereits seit etlichen Jahren die diesem zustehende Bereitschaftsdienstvergütung nach § 10 Abs. 3 TV-V zu Unrecht vorenthalten hatte. Dies beruhte darauf, dass die Beklagte - aus nicht näher vorgetragenen und für das Berufungsgericht objektiv nicht nachvollziehbaren Gründen - subjektiv Zweifel an der Anspruchsberechtigung des Klägers gehegt hatte.



bbb. Dabei war die Problematik als solche dem Aufsichtsrat der Beklagten jedenfalls seit dem Jahre 2006 bereits bekannt.



ccc. Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger die Verzichtserklärung der Beklagten jedenfalls als Signal verstehen, dass diese sich seinen berechtigten Ansprüchen gegenüber im Interesse eines fairen Miteinanders und der Förderung einer gedeihlichen Unternehmenskultur nicht auf den rein formalrechtlichen Ausschlusstatbestand des § 20 TV-V zurückziehen wollte.



ddd. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der vom damaligen Geschäftsführer P eingeholten Rechtsauskunft des Rechtsanwalts O wonach eine rechtliche Argumentation zumindest denkbar erschien, mit welcher der Anspruchsberechtigte einer möglichen Berufung auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist den Einwand von Treu und Glauben entgegen halten könnte. Es kann dahingestellt bleiben, mit welcher Intention der Geschäftsführer P die Rechtsauskunft des Rechtsanwalts O eingeholt haben mag. Jedenfalls musste er in Anbetracht des Inhalts dieser Auskunft damit rechnen, dass sich auch der Kläger auf eine entsprechende Argumentation, wie sie von Rechtsanwalt O aufgezeigt wurde, berufen könnte, falls sich die Beklagte im Rahmen einer etwaigen rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Kläger dennoch auf die tarifliche Ausschlussfrist würde berufen wollen.



eee. Der Annahme, dass die von Geschäftsführer P unterschriebene Verzichtserklärung gegenüber dem Kläger einen für diesen erkennbaren oder gar für jedermann offenkundigen Missbrauch seiner Vertretungsmacht darstellte, steht auch entgegen, dass dieses Vorgehen von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten E ausdrücklich gebilligt wurde, und zwar in Kenntnis zumindest der Stellungnahme des Kommunalen Arbeitgeberverbandes über die materiellrechtliche Anspruchsberechtigung und der Aussagen des Rechtsanwalts O , wonach es juristisch möglich sein könnte, der Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist den Einwand von Treu und Glauben entgegenzusetzen.



fff. Bei alledem ist die im Jahre 2012 von dem damaligen Geschäftsführer P namens der Beklagten gegenüber dem Kläger abgegebene Verzichtserklärung streng davon zu trennen, dass und wie der Geschäftsführer P damals auch eigene Ansprüche gleicher Art verfolgte. Das damalige Vorgehen des Geschäftsführers P in eigener Sache ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens und vom Berufungsgericht nicht zu bewerten, aber auch mit dem Vorgehen gegenüber einem Arbeitnehmer wie dem Kläger nicht gleichzusetzen. Zudem war die etwaige Durchsetzung eigener Ansprüche des Geschäftsführers in rechtlicher Hinsicht auch keineswegs davon abhängig, wie die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer, mit den Ansprüchen ihrer Arbeitnehmer umzugehen gedachte.



g. Der dem Kläger gegenüber unter dem 25.06.2012 erklärte Verzicht auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist erfasst zugleich auch die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist. Dies ergibt die Auslegung dieser Erklärung. Die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel stellt nämlich genau dieselben Geltendmachungsvoraussetzungen auf, wie die tarifvertragliche Ausschlussklausel und ist dieser offensichtlich nachgebildet. Arbeitsvertragliche und tarifvertragliche Ausschlussfrist stellen in diesem Sinne eine Einheit dar und sollten in der Verzichtserklärung auch so behandelt werden.



2. Ansprüche auf die Vergütung geleisteter Bereitschaftsstunden aus der Zeit bis einschließlich 2009 kann der Kläger demgegenüber nicht mehr mit Erfolg geltend machen; denn diese Ansprüche sind gemäß § 195 i. V. m. § 199 Abs. 1 BGB verjährt.



a. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.



b. Die Verzichtserklärung der Beklagten vom 25.06.2012 bezieht sich ausschließlich auf die tarifvertragliche und konkludent auch auf die der tarifvertraglichen Ausschlussfrist nachgebildete arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, nicht aber auf die Einrede der Verjährung. Dass dem Unterzeichner der Verzichtserklärung der Unterschied zwischen der tarifvertraglichen bzw. arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist einerseits und der gesetzlichen Verjährungsfrist andererseits geläufig war, kann unterstellt werden. Dies gilt umso mehr, als er vor Abgabe der Verzichtserklärung anwaltlichen Rat eingeholt hatte und die Fassung der Verzichtserklärung einem anwaltlichen Formulierungsvorschlag entsprach.



c. Entgegen der Auffassung des Klägers war der Lauf der Verjährungsfrist auch nicht seit dem Jahre 2006 gemäß § 203 BGB gehemmt, weil ab diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien Verhandlungen über die Ansprüche geschwebt hätten.



aa. Zwar ist der Begriff der 'Verhandlungen' in § 203 BGB anerkanntermaßen weit auszulegen (BGH NJW 83, 2075; Palandt/Ellenberger, § 203 BGB Rdnr. 2).



bb. Unerlässlich ist jedoch, dass der Gläubiger einleitend klarstellen muss, dass er einen Anspruch geltend machen will (BGH WM 09, 1597 [BGH 14.07.2009 - XI ZR 18/08] ; Palandt/Ellenberger a.a.O.). Schon dies ist vorliegend nicht ersichtlich.



cc. Nicht ausreichend erscheint demgegenüber die Tatsache, dass sich der Aufsichtsrat der Beklagten im Jahre 2006 auf Initiative der Herren Pütz und Engels allgemein mit dem Thema befasst hat, dass die Vergütung für den Bereitschaftsdienst nicht nur bei Herrn Pütz selbst, sondern u.a. auch beim Kläger "zeitgemäß angepasst und neu geregelt werden müsse". Die Behauptung des Klägers, er habe "in der Folgezeit...immer wieder diesen Punkt gegenüber Herrn Pütz angesprochen", entbehrt schon zeitlich und inhaltlich jeder Substantiierung und kann nicht zu der Annahme führen, die Parteien hätten in 'Verhandlungen' über geltend gemachte Ansprüche des Klägers gestanden.



3. Der Kläger hat desweiteren gegen die Beklagte noch einen Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von 1.207,72 €, resultierend aus der zweiten Hälfte des Jahres 2012.



a. Die Berechnung des Betrages ergibt sich aus der Anlage K 87, wobei in der Überstundenspalte nur die Überstundenzahlen ab Juli 2012 zu berücksichtigen und der in der Anlage als Summe aufgeführte Jahresbetrag entsprechend zu reduzieren war.



b. Der Kläger hat ausreichend substantiiert und detailliert dargelegt, dass, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten und aus welchem dienstlichen Anlass er in der zweiten Jahreshälfte 2012 Überstunden geleistet hat. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Die Beklagte ihrerseits ist dem Vortrag des Klägers zu den geleisteten Überstunden, jedenfalls soweit es um die zweite Jahreshälfte 2012 geht, nicht in gehöriger Weise entgegengetreten. Ihr pauschales Bestreiten ist daher als unerheblich zu werten.



c. Dem Überstundenanspruch des Klägers kann die Beklagte aber erfolgreich entgegenhalten, dass alle Überstunden aus der Zeit bis einschließlich Juni 2012 aufgrund sowohl der tarifvertraglichen wie der arbeitsvertraglichen sechsmonatigen Ausschlussfrist verfallen sind. Auch die Überstunden wurden in tarif- und arbeitsvertragskonformer Weise erstmals im Januar 2013 geltend gemacht.



d. Die von der Beklagten unter dem 25.06.2012 abgegebene Verzichtserklärung bezieht sich ausdrücklich und unmissverständlich nur auf die "Entlohnung von sogenannten Rufbereitschaftszeiten im Sinne des § 10 Abs. 3 TV-V". Sie erfasst somit nicht etwaige Forderungen auf allgemeine Überstundenvergütung, die mit vom Kläger geleisteten Bereitschaftsdiensten nichts zu tun haben. Eine entsprechende Auslegung der Verzichtserklärung erscheint angesichts ihres eindeutigen Wortlauts nicht möglich. Es ist auch kein Anlass ersichtlich, warum zum damaligen Zeitpunkt eine entsprechende Verzichtserklärung auch gegenüber allgemeinen Überstundenansprüchen hätte abgegeben werden sollen.



4. Zutreffend hat bereits das Arbeitsgericht dem Kläger darüber hinaus den Anspruch auf Wiederauszahlung des in der Augustabrechnung 2012 zu Unrecht einbehaltenen Betrages von 344,27 € zugesprochen.



Die Beklagte hatte hinsichtlich dieses Betrages ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, welches auf ihrem vermeintlichen Rückzahlungsanspruch beruhte, welcher Gegenstand der Widerklage ist. Die Widerklage ist jedoch, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, in vollem Umfang unbegründet (s.u.).



5. Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der an ihn im August 2012 ausgekehrten Summe von 40.662,00 €, mit welchem seinerzeit die in den Jahren vor 2012 erdienten tarifvertraglichen Bereitschaftsdienstpauschalen abgegolten werden sollten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den vorgenannten Betrag ohne rechtlichen Grund im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB ausgezahlt hätte.



a. Der Auszahlungsbetrag bezog sich auf vom Kläger erdiente Ansprüche in der Zeit bis Ende 2011. Gleichwohl kann sich die Beklagte heute nicht mehr darauf berufen, dass sie seinerzeit den entsprechenden Betrag - auf Veranlassung ihres damaligen Geschäftsführers P - an den Kläger ausgezahlt hätte, obwohl sämtliche entsprechenden Ansprüche aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist bereits untergegangen gewesen seien. Dem steht entgegen, dass die Beklagte unter dem 25.06.2012 eine wirksame Verzichtserklärung abgegeben hat, der zufolge es ihr verwehrt ist, sich auf die tarifvertragliche und arbeitsvertragliche Ausschlussfrist gegenüber den fraglichen Ansprüchen zu berufen.



b. Wie bereits ausgeführt war die unter dem 25.06.2012 abgebebene Verzichtserklärung dem Kläger gegenüber wirksam.



c. Zudem scheitert die Rückzahlungsforderung der Beklagten daran, dass ihr in Person ihres Geschäftsführers P im Zeitpunkt der Auszahlung an den Kläger bewusst war, dass Bereitschaftsdienstansprüche des Klägers aus der Zeit bis Ende 2011 bereits verfallen sein konnten.



aa. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Arbeitsgericht angenommen hat, vorliegend ein unmittelbarer Anwendungsfall des § 814 BGB gegeben ist.



aaa. Die Beklagte behauptet, ihr damaliger Geschäftsführer Herr P habe in dem Wissen gehandelt, dass die Ansprüche tariflich verfallen seien. Wenn dem so war, hat das Arbeitsgericht § 814 BGB zu Recht direkt angewandt.



bbb. Ein etwaiges Wissen ihres Geschäftsführers ist der Beklagten entgegen deren Ansicht ohne weiteres zuzurechnen. Wie bereits ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass sich das Verhalten des Geschäftsführers P dem Kläger gegenüber als Missbrauch der Vertretungsmacht darstellte oder gar für den Kläger als offenkundiger Missbrauch erkennbar gewesen wäre. Selbst wenn, wie die Beklagte behauptet, der Geschäftsführer P von einem tarifvertraglichen Verfall der Ansprüche des Klägers als sicher ausgegangen sein sollte, konnte der Kläger jedoch als Empfänger der Leistung den Eindruck haben und dürfte es auch der damaligen Intention der Beklagten, vertreten durch ihren Geschäftsführer Pütz, entsprochen haben, den Verzicht auf die Wirkungen der Verfallklausel und die Auskehrung der Leistung aus einer von ihr empfundenen "auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht" heraus vorgenommen zu haben, wie § 814 letzter Halbsatz BGB es ausdrückt.



bb. Mehr spricht nach Auffassung des Berufungsgerichts allerdings dafür, dass auch der Geschäftsführer P nicht sicher davon überzeugt war, dass die Ansprüche des Klägers bereits definitiv verfallen seien, sondern dass er aufgrund der Rechtsauskunft des Rechtsanwalts O zumindest damit rechnete, dass der Kläger sich unter Umständen gegenüber der Anwendung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist auf Treu und Glauben würde berufen können. So spricht der Text der Verzichtserklärung vom 25.06.2012 ausdrücklich von "nach wie vor nicht abschließend geklärten Ansprüchen auf Entlohnung von sogenannten Rufbereitschaftszeiten".



cc. Wenn aber in Anbetracht explizit "ungeklärter Ansprüche" der Verzicht auf die Ausschlussklausel erklärt wird, so darf der Empfänger der Erklärung und der späteren Leistung davon ausgehen, dass der Erklärende bzw. Leistende ganz bewusst das 'Zweifelsrisiko' übernehmen will und die Leistung auf jeden Fall gegen sich gelten lassen will, einerlei wie deren Rechtsgrund in Wirklichkeit beschaffen ist.



dd. Die Beklagte hat somit an den Kläger geleistet, nachdem sie diesem gegenüber in der Verzichtserklärung vom 25.06.2012 unmissverständlich das Risiko übernommen hat, die Ansprüche des Klägers auch ungeachtet eines etwaigen Verfalls aufgrund tarifvertraglicher Ausschlussfristen erfüllen zu wollen. Dies stellt ebenfalls eine dem Rechtsgedanken des § 814 BGB entsprechende Konstellation dar, die zu einer entsprechenden Anwendung des § 814 BGB bzw. zu einer dieser Norm entsprechenden Rechtsfolge führen muss (vgl. BGHZ 32, 273; OLG Hamm NJW 64, 406 [OLG Hamm 21.10.1963 - 3 U 67/63] ; Palandt/Sprau, § 814 BGB Rz. 3).



d. Demnach ist die Beklagte an einer Rückforderung der im August 2012 erbrachten Leistungen gehindert.



6. Aus alledem ergibt sich der im Berufungsurteil tenorierte weitergehende Zahlungsanspruch des Klägers, während die weitergehende Klage und die Widerklage nach wie vor abgewiesen bleiben. Die Berufung des Klägers ist somit (nur) teilweise erfolgreich, während die Anschlussberufung der Beklagten in Gänze zurückzuweisen war.



III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens.



Die vorliegende Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls dieses Klägers und wirft keine bislang ungeklärten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, so dass ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision nicht gegeben ist.

Vorschriften§ 814 BGB, § 64 Abs. 2 Buchstabe b) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 199 Abs. 1 BGB, § 203 BGB, § 812 Abs. 1 BGB, § 814 letzter Halbsatz BGB

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