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01.09.2015 · IWW-Abrufnummer 145249

Sozialgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.07.2015 – S 2 KA 432/13

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Sozialgericht Düsseldorf

S 2 KA 432/13

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

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Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen.

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Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie in C1 niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 31.12.2011 führte er eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) mit B N1, seit dem Quartal 1/2012 ist er in Einzelpraxis tätig.

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Im Zuge einer Abrechnungsprüfung der klägerischen Praxis wandte sich die Beklagte unter dem 26.10.2011 an den Facharzt für Neurochirurgie T1 L, C2-H1, mit der Bitte um Bericht, ob es sich bei der dort durchgeführten Facettendenervation um eine offene chirurgische Vorgehensweise handele mit der Folge, dass die Gebührenordnungspositionen (GOPen) 31131 u.a. abrechnungsfähig seien, oder ob es sich nicht um eine minimalinvasive Vorgehensweise handele, die unter Bezug auf die in der Praxis durchgeführte Durchleuchtung nach Nr. 34280 EBM der Leistungsbeschreibung der Nr. 34503 EBM entspreche. In seiner Stellungnahme vom 16.12.2011 führt dieser Fachprüfer aus, nach Sichtung sämtlicher eingereichter OP-Berichte und Krankenakten könne eindeutig festgestellt werden, dass ausnahmslos minimal-invasive/perkutane Schmerzeingriffe vorgenommen worden seien. Bei den dokumentierten Eingriffen handele es sich nicht um offene chirurgische Eingriffe. In sämtlichen Fällen sei die OPS 5-830.2 codiert worden, welche in die GOP 31131 führe. Leider sei im EBM vom 01.01.2008 versäumt worden, in die Legende der OPS 5-830.2 den klarstellenden Zusatz "offene" Facettendenervation aufzunehmen. Dieser Zusatz wäre jedoch zwingend erforderlich gewesen, um die vorliegende missverständliche Fehlkodierung zu vermeiden. In den vorliegenden Fällen hätte eigentlich die OPS 5-83a.00 oder 5-83a.01 verwendet werden müssen. Diese seien aber nicht in den EBM-Katalog aufgenommen worden und könnten deshalb nicht zur Abrechnung verwendet werden. Derzeit sei eine schlüssige und 100 % korrekte Kodierung und Abrechnung der minimal-invasiven Facettendenervation über den EBM nicht möglich. Die ersatzweise Abrechnung der GOP 34503 sei nicht geeignet und inadäquat. Bei der Überprüfung der eingereichten Patientendokumentationen, Krankenakten und OP-Berichte seien mehrere Mängel aufgefallen. Bei den OP-Berichten handele es sich ausnahmslos um allgemeine Textbausteine. Besonderheiten des Einzelfalles seien in keinem Fall dokumentiert worden. In zahlreichen, fast allen Fällen ergebe sich eine Diskrepanz zwischen Dokumentation in der Krankenakte und im OP-Bericht. Es bestehe in zahlreichen Fällen der Verdacht, dass Eingriffe vorsätzlich auf zwei oder mehr Sitzungen aufgeteilt worden seien, um statt einer ambulanten Operation zwei oder mehr ambulante Operationen durchzuführen und extrabudgetär abzurechnen. Auffällig sei zudem, dass vielfach keine Testinfiltrationen vor dem Eingriff durchgeführt worden seien. Es dürfe in 67 von 69 Kryo-Eingriffen bezweifelt werden, ob die durchgeführten Eingriffe indiziert und notwendig gewesen seien.

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Weiterhin holte die Beklagte eine Auskunft der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 02.04.2012 zur Abrechnung der minimalinvasiven Facettendenervation über den EBM vom 02.04.2012 ein. In dieser wird ausgeführt, die beigefügten OP-Berichte zeigten das typische Vorgehen bei minimal-invasiven Eingriffen an der Gelenkfacette. Diese seien im OPS unter den Codes 5-83a.0 bzw. 5-83a.1 gelistet. Diese Codes fänden sich jedoch nicht im Anhang 2 zum EBM. Das ersatzweise Ausweichen auf den OPS-Code 5-830.2 sei nicht korrekt, eine offen chirurgische Durchführung des Eingriffs lasse sich aus den OP-Berichten nicht erkennen. Dass dem Kollegen die Vergütung über den EBM, insbesondere hier die GOP 34503 bzw. 34502 im Vergleich zur GOP 31131 mit den Begleitleistungen, nicht ausreichend erscheine, sei von dem Berufsverband der Neurochirurgen bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht worden. Die KBV sehe allerdings auf Grund der jetzigen Abrechnungsbestimmungen keine Möglichkeit, diese Eingriffe über die GOP 31131 zu berechnen; diese Meinung habe sie auch regelmäßig sowohl gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) als auch gegenüber anfragenden Ärzten/Berufsverbänden geäußert.

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Am 04.07.2012 fand ein Gespräch von Vertretern der Beklagten mit dem Kläger statt. Im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung sei eine Fallzahlsteigerung der Nr. 31131 EBM von durchschnittlich 31 Fällen (2008) auf 126 Fälle (2009) festgestellt worden. Nach dem Gesprächsvermerk schilderte der Kläger seine Vorgehensweise wie folgt: Zunächst werde eine Lokalanästhesie der Haut vorgenommen. Dann erfolge eine Stichinzision mit der Sonde. Nach einem Schnitt werde die Sonde am Gelenk platziert und unter Röntgen beobachtet. Danach werde vereist (Kryoläsion), anders als bei der Thermokoagulation, bei der mittels Hitze gearbeitet werde. Es gebe in seiner Abrechnung keine Fälle, in denen nach hiesiger Definition offenchirurgisch vorgegangen werde, man gehe immer nach der gleichen Methode vor. Dabei werde ein Bildwandler verwendet. Der Schnitt, welcher für die Sonde gesetzt werden, sei nach seiner Auffassung als offenchirurgisch zu bezeichnen.

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Mit Bescheid vom 05.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 hob die Beklagte die dem Kläger für die Quartale I/2008 bis IV/2011 erteilten Honorarbescheide teilweise in Höhe von insgesamt 439.203,23 EUR auf und forderte diesen Betrag als Gesamtschuldner für die ehemalige Gemeinschaftspraxis zurück: Nach Sichtung sämtlicher eingereichter OP-Berichte und Krankenakten von 38 Fällen durch zwei Gutachter - einer davon Neurochirurg - könne eindeutig festgestellt werden, dass in sämtlichen Fällen die OPS 5-830.2 kodiert worden sei, welche in die Nr. 31131 EBM führe. Es seien jedoch ausnahmslos minimalinvasive/perkutane Schmerzeingriffe vorgenommen worden. Bei den dokumentierten Eingriffen handele es sich nicht um offenchirurgische Eingriffe. Eine Abrechnung der beschriebenen Facettendenervation als ambulante Operation gemäß Kap. 31.2 EBM wäre gemäß der Präambel 31.2.4 Nr. 3 EBM jedoch nur dann möglich, wenn dieser Eingriff offenchirurgisch und nicht als minimalinvasives Verfahren erfolge. Zudem seien Dokumentationsmängel in den Berichten aufgefallen. In fast allen Fällen ergebe sich eine Diskrepanz zwischen Dokumentation in der Krankenakte und im OP-Bericht. Bei dem sachlich fehlerhaften Ansatz dieser GOPen habe es sich auch nicht um ein lediglich leichtes Versehen gehandelt, sondern zumindest um die Unkenntnis von Umständen, die der Kläger in Folge der Außerachtlassung der herrschenden Sorgfaltspflichten in einem ungewöhnlichen Maße nicht gekannt habe. Der Inhalt der abgerechneten Leistungen nach den Nrn. 31131 und 31138 EBM sei in allen geprüften Einzelfällen nicht erfüllt worden und die Leistungen seien daher zu berichtigen. Da der Inhalt der Nr. 34503 EBM erbracht worden sei, werde diese stattdessen anerkannt. Berechnungsgrundlage für die Rückforderung war daher jeweils die Absetzung der Nrn. 31131 und 31138 EBM und die Zusetzung der Nr. 34505 EBM (im IB bzw. RLV).

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Hiergegen richtet sich die am 13.12.2013 erhobene Klage.

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Der Kläger trägt vor, die von ihm durchgeführten Facettendenervationen durch Kryoläsion benötigten ausnahmslos einen chirurgischen Zugang. Da die Präambel 31.2.1 Ziffer 1 explizit und abschließend die Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln sowie Kürettagen und Shave-Biopsien der Haut zum operativen Vorgehen abgrenze, ergebe sich daraus im Umkehrschluss, dass sein schneidend-operatives Vorgehen im abrechnungsrechtlichen Sinne als offen-chirurgisch und nicht als minimal-invasiv im Sinne der Präambel 31.2.4 Punkt 3 anzusehen sei.

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Vermeintliche Dokumentationsmängel hätten keine Auswirkungen auf die Abrechenbarkeit der Leistungen, röntgenologische Testinfiltrationen seien entbehrlich gewesen, soweit Patienten bereits mit entsprechenden Aufnahmen in seine Praxis gekommen seien.

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Die eigentliche Begründung für die Absetzung der GOP 31131 EBM sei in wirtschaftlichen Motiven zu sehen. Aus einem Rundschreiben des Berufsverbandes Deutscher Neurochirurgen ergebe sich, dass sich nach Gesprächen mit der KBV "die Abrechnung der ambulanten Facettendenervation unter der bisherigen GOP 31131 nicht mehr durchsetzen" ließe. Verantwortlich dafür sei "ein exorbitanter Anstieg der Abrechnungszahlen vor allem im Bereich anderer Fachgruppen". Die Abrechnung der Facettendenervation solle nach Empfehlung der KBV zukünftig über die GOP 34503 und damit innerhalb des RLV erfolgen. Für eine Änderung des EBM sei aber nicht eine sachlich-rechnerische Berichtigung das zulässige Instrument, sondern allein ein Beschluss des Bewertungsausschusses. Ein solcher Beschluss liege nunmehr vor, nachdem der Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung mit Wirkung zum 01.04.2013 beschlossen habe, den OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zum EBM zu streichen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass Facettendenervationen, die bis einschließlich 31.03.2013 erbracht worden seien, weiterhin nach der GOP 31131 EBM zur Abrechnung zu bringen seien.

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Zumindest seit der Sitzung des Bewertungsausschusses am 19.05.2011 habe die Beklagte auch die Unsicherheit bei der Anwendung der GOP 31131 in den vorliegenden Fällen gekannt. Die Vertragsärzte hätten wegen der zweideutigen Bestimmung im EBM die Facettendenervationen vielfach über diese GOP abgerechnet, weil sie durch die Einführung der GOP 34503 zum Jahresbeginn 2008 keinen Anlass gesehen hätten, die bis dahin gültige Abrechnungspraxis zu ändern. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, die Neurochirurgen und damit den Kläger auf ihre Bedenken hinzuweisen. Da sie dies nicht getan, sondern die Honorarforderung des Klägers anstandslos ausgeglichen habe, sei ihre Korrekturbefugnis verbraucht.

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Ein solcher Verbrauch resultiere auch aus einer Auskunft der Abteilungsleiterin T2 der Beklagten vom 23.02.2010 an einen anderen Neurochirurgen aus E. Nach diesem Schreiben, das wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung über den Berufsverband an seine Mitglieder verteilt worden sei, habe die Beklagte die Richtigkeit der Abrechnung der perkutanen Fazettengelenks-Denervationen überprüft und vorbehaltlos bestätigt. An diese Auskunft sei sie gebunden.

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Durch sein Vertrauen in die Richtigkeit seiner Abrechnung habe der Kläger auch großen Schaden erlitten. Er habe den Anteil seines ehemaligen Gemeinschaftspraxispartners zum 01.01.2013 zu einem Kaufpreis von 250.000 EUR erworben in dem Glauben, dass die Praxis die Erträgnisse der vergangenen Jahre generieren könne. Zumindest bis zum 31.03.2013 hätte er mit monatlichen Einnahmen von 13.750 EUR rechnen können.

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Die Rückforderung für das Quartal I/2008 liege im Übrigen außerhalb der maßgeblichen Frist von vier Jahren für eine Berichtigung und sei daher verjährt.

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Zur Stützung seines Vorbringens nimmt der Kläger Bezug auf ein von ihm eingeholtes Neurochirurgisches Privatgutachten des Neurochirurgen und Chefarztes i.R. H2 T3, N2/F, vom 08.05.2013.

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Der Kläger beantragt,

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den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 05.10.2012 für die Quartale II/2008 bis IV/2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 ersatzlos aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.

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Als minimalinvasive Verfahren seien die von dem Kläger erbrachten Kryoläsionen nicht nach OPS 5-830.2 zu verschlüsseln und nach GOP 31131 EBM abrechnungsfähig gewesen. Vertrauensschutz genieße der Kläger nicht. Das Schreiben der Beklagten vom 23.02.2010 richte sich nicht an den Kläger und verweise inhaltlich lediglich auf einen Auszug aus dem Anhang 2 zum EBM. Ausführungen dazu, dass die von dem Kläger dargelegte Vorgehensweise einem offen chirurgischen Eingriff entspreche und somit den Ansatz der Nr. 31131 EBM rechtfertige, enthalte es nicht. Darüber hinaus habe die Beklagte bis zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung keine Kenntnis davon gehabt, welche Eingriffe des Klägers sich unter der Abrechnung der GOP 31131 EBM verborgen hätten. Auch der Bewertungsausschuss sei im Übrigen der Auffassung gewesen, dass eine korrekte Abrechnung der minimal-invasiven Facettendenervation nicht unter dem Kap. 31.2 des EBM habe erfolgen können.

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In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beklagte die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als das Quartal I/2008 betroffen war, und hat die Rückforderung entsprechend reduziert.

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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe:

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.

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Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, d.h. im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen und satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht und abgerechnet worden sind (BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 6 KA 20/13 R - m.w.N.).

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Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 50/12 R -).

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Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung des Klägers sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat für die von ihm durchgeführten Facettendenervationen zu Unrecht die GOPen 31131, 31138 EBM zur Abrechnung gebracht.

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Die GOP 31131 EBM honoriert den "Eingriff an Knochen und Gelenken der Kategorie D1". Obligater Leistungsinhalt ist ein chirurgischer Eingriff der Kategorie D1 entsprechend Anhang 2. Die GOP 31138 EBM stellt einen Zuschlag zu den GOPen 31131 bis 31136 EBM für jede weitere 15 min Schnitt-Naht-Zeit dar. Der Anhang 2 erfasst unter OPS-Code 5-830.2 die "Inzision von erkranktem Knochen- und Gelenkgewebe der Wirbelsäule: Facettendenervation", Kategorie D1, OP-Leistung nach Nr. 31131. Diese Leistung hat der Kläger nicht erbracht.

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Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 15/14 R - m.w.N.) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM - also des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse oder Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben.

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Für die Auslegung des Leistungsinhalts der GOP 31131 EBM ist insofern nicht allein die Bezeichnung der Leistung nach OPS maßgebend, sondern ebenfalls die Präambel zum Kapitel 31.2 des EBM. Nach der Präambel 31.2.4 Nr. 3 setzt die Berechnung der GOP 31131 für die Facettendenervation OPS-Code 5-830.2 die offen chirurgische Durchführung des Eingriffs gemäß Präambel 31.2.1 Nr. 1 voraus. Minimalinvasive Verfahren z.B. zur Schmerztherapie sind mit den GOPen des Abschnitts 34.5 berechnungsfähig. Um solche minimalinvasiven Verfahren handelt es sich vorliegend.

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Dabei ist nicht wesentlich, dass die Präambel 31.2.1 Nr. 1 eine Abgrenzung dahin trifft, was als "ambulante Operation" bzw. als "operativer Eingriff" zu verstehen ist. Als ambulante Operationen gelten nach dieser Bestimmung ärztliche Leistungen mit chirurgisch-instrumenteller Eröffnung der Haut ( ) mindestens in Oberflächenanästhesie ( ). Punktionen mit Nadeln, Kanülen und Biopsienadeln sowie Kürettagen und Shave-Biopsien der Haut fallen nicht unter die Definition eines operativen Eingriffs. Im Sinne dieser Präambel ist die von dem Kläger praktizierte Vorgehensweise durchaus als ambulante Operation bzw. operativer Eingriff anzusehen. Nach seiner Schilderung wird nach Lokalanästhesie der Haut nach Stichinzision eine Sonde im Gelenk platziert. Der Schnitt, der für die Sonde gesetzt wird, ist sicher eine chirurgisch-instrumentelle Eröffnung der Haut und grenzt sich deutlich von Punktionen, Kürettagen und Shave-Biopsien der Haut ab.

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Darauf kommt es jedoch nicht näher an. Entscheidend ist allein die in der Präambel 31.2.4 Nr. 3 getroffene Abgrenzung zwischen einer offen chirurgischen Durchführung des Eingriffs, d.h. der Facettendenervation selbst, und minimalinvasiven Verfahren z.B. zur Schmerztherapie. Medizinisch kommen zur Auflösung bzw. Zerstörung von Nervengewebe (Neurolyse) vor allem zwei Verfahren zur Anwendung: Zum einen offen chirurgisch, d.h. Nervunterbrechung mit dem Skalpell, zum anderen perkutan mittels einer durch die Haut eingeführten Kanüle oder Sonde (sog. minimal invasives Verfahren), bei der u.a. mit Kälte auf periphere Nerven eingewirkt wird (Kryoanalgesie, Kryodenervation). Weltweit sind heute die offenen chirurgischen Techniken durch minimalinvasive, perkutane Verfahren verdrängt worden, da sie bei gleicher oder gar besserer Effizienz mit geringeren Komplikationen und Folgeschäden verbunden sind.

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Abrechnungsrechtlich sind jedoch nur die offen chirurgischen Facettendenervationen mit OPS 5-830.2 zu codieren und führen zur Abrechenbarkeit der GOP 31131 EBM. Die minimalinvasiven Behandlungsverfahren an der Wirbelsäule (zur Schmerztherapie) sind demgegenüber nach OPS 5-83a.0 (Facetten-Thermokoagulation oder Facetten-Kryodenervation) zu codieren. Diese Leistungen sind aber nicht Gegenstand des Anhangs 2 zum EBM und daher nicht als vertragsärztliche Leistungen gegenüber der KV abrechenbar.

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Die von dem Kläger durchgeführten Facettendenervationen sind minimal-invasive Kryodenervationen im Sinne des OPS-Codes 5-83a.0. Dies ergibt sich eindeutig aus der von ihm selbst geschilderten Vorgehensweise im Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012, aus dem Ergebnis der Prüfer N3 und L (Fachprüfer) und dem von dem Kläger eingeholten Privatgutachten des Neurochirurgen T3 vom 08.05.2013. Letzterer führt auf Seite 4 seines Privatgutachtens unter "Kurz und gut:" u.a. aus: "( ) die hier unstrittig durchgeführte(n) minimalinvasive(n) Facettendenervationen nach OPS 5-83a.00 bis 5-83a.02 ( )". Diesen Erkenntnissen schließt sich die Kammer nach Durchsicht der Ausdrucke aus den Behandlungsausweisen, der Operationsberichte und Protokolle zur Facetten- und Kryobehandlung an.

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Die Beklagte war daher zur Berichtigung der GOPen 31131, 13138 EBM befugt. Dies gilt für sämtliche von dem Kläger in den noch streitigen Quartalen II/2008 bis IV/2011 abgerechneten Leistungen.

39

Zwar wurden die Abrechnungen des Klägers nur in Bezug auf 38 Patienten und auch nicht für alle streitbefangenen Quartalen geprüft. Insofern gibt es grundsätzlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine in bestimmten Fällen implausibel oder fehlerhaft abgerechnete Leistung damit automatisch auch in allen anderen Fällen implausibel oder fehlerhaft ist (LSG NRW, Urteil vom 22.06.2005 - L 11 KA 83/04 -). Der Kläger hat jedoch in dem Plausibilitätsgespräch am 04.07.2012 auf Nachfrage erklärt, es gebe in seiner Abrechnung keine Fälle, in denen nach hiesiger Definition offenchirurgisch vorgegangen werde, man gehe immer nach der gleichen Methode vor. Da der Kläger somit ein grundsätzliches Verständnis von der Abrechnungsfähigkeit der Facettendenervationen deutlich macht, durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die aus ihrer Sicht bestehenden Abrechnungsfehler auch in sämtlichen anderen Quartalen und bei allen behandelten Patienten vorhanden waren, und durfte deshalb rechtsfehlerfrei das aus der Besprechung von 38 Fällen gewonnene Ergebnis auf alle Behandlungsfälle und Quartale übertragen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 11.03.2009 - L 11 (10) KA 3/07 -; Beschluss vom 17.02.2015 - L 11 KA 82/14 B -).

40

Die sachlich-rechnerische Berichtigung zu Unrecht abgerechneter Leistungen vollzieht sich in der Regel durch vollständige Streichung der Gebührenansätze. Die Beklagte hat die wirtschaftlichen Folgen der Absetzung der außerbudgetär vergüteten GOPen 31131 und 31138 EBM dadurch abgemildert, dass sie an deren Stelle die GOP 34503 EBM im Budget (IB bzw. RLV) zugesetzt hat. War die Beklagte berechtigt, die Vergütung für die minimalinvasive Facettendenervation insgesamt zu verweigern, so ist der Kläger durch die Umwandlung in die GOP 34503 EBM und die Zubilligung einer im Ergebnis geringeren Vergütung jedenfalls nicht beschwert (vgl. LSG NRW, Urteil vom 07.06.2006 - L 11 KA 26/05 -).

41

Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war vorliegend nicht durch ein schützenswertes Vertrauen des Klägers ausgeschlossen oder eingeschränkt. Der Vertragsarzt kann nach der Rechtsprechung des BSG auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die KV im Wege der Honorarverteilung ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass diese quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Der Honorierung werden die Angaben der Leistungserbringer über die von ihnen erbrachten Leistungen grundsätzlich als zutreffend zugrunde gelegt; eine Überprüfung erfolgt nur bei Auffälligkeit oder stichprobenweise (vgl. § 106a Abs. 2 und § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 ff. SGB V). Dabei ist die Pflicht des Vertragsarztes zur peinlich genauen Leistungsabrechnung ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 22/11 R -).

42

Gleichwohl gibt es zahlreiche Konstellationen, in denen ein Vertrauen des Vertragsarztes auf den Bestand eines rechtswidrigen, ihn begünstigenden Honorarbescheides schutzwürdig ist. Hierzu hat das BSG Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Befugnis zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (vgl. im Einzelnen z.B. BSG, Urteil vom 28.08.2013 - B 6 KA 43/12 R - m.w.N.).

43

Von diesen Fallgruppen ist vorliegend bedeutsam, dass eine nachträgliche sachlich-rechnerische Berichtigung ausscheidet, wenn eine Frist von vier Jahren seit Erlass des betroffenen Honorarbescheides abgelaufen ist (dazu näher BSG, Urteil vom 12.12.2001 - B 6 KA 3/01 R -). Dies war hier hinsichtlich des Quartals I/2008 der Fall; die Beklagte hat diesem Umstand durch entsprechende Aufhebung des Rückforderungsbescheides Rechnung getragen.

44

Demgegenüber ist die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung nicht deshalb "verbraucht", weil sie die Honoraranforderung des Klägers in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit bereits überprüft und vorbehaltlos bestätigt hätte. Es handelte sich vorliegend um die erste Prüfung der Abrechnungen des Klägers.

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Ein Vertrauensschutz greift auch nicht deshalb ein, weil die Beklagte es unterlassen hätte, frühzeitig auf ihr bekannte Ungewissheiten hinzuweisen. Ebenso wenig hatte sie in Kenntnis aller Umstände die rechtswidrige Abrechnung der GOP 31131 EBM nebst Begleitleistungen für die minimalinvasive Facettendenervation geduldet und diese nunmehr von der Vergütung ausgeschlossen.

46

Nach den Darlegungen des Klägers in seinem Schreiben vom 26.08.2013 an den Disziplinarausschuss seien Ende des Jahres 2009 einige Unsicherheiten bzw. Fehlinterpretationen hinsichtlich der Auslegung des EBM von Seiten anderer KVen außerhalb NRW aufgetreten. Deshalb habe ein Kollege aus E am 30.01.2010 offiziell eine Anfrage an die Beklagte hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten der perkutanen Facettengelenk-Denervierung gerichtet. Diese Anfrage eines einzelnen Arztes brauchte in der Beklagten jedoch nicht das Bewusstsein zu wecken, dass ein großer Teil der Neurochirurgen und Orthopäden minimalinvasive Facettendenervationen über die GOP 31131 EBM nebst Begleitleistungen abrechneten. Vielmehr haben offensichtlich erst die insgesamt stark angestiegenen Fallzahlen der GOP 31131 den Ausschlag gegeben, die Abrechnungen der betroffenen Ärzte näher unter die Lupe zu nehmen. So sind nicht zuletzt auch die Fallzahlen des Klägers bei der GOP 31131 EBM von 31 (I/2008) auf 209 (III/2011) angestiegen. Das hat die Beklagte dann auch zeitnah zum Anlass genommen, den Facharzt für Neurochirurgie L unter dem 26.10.2011 mit der Prüfung der Abrechnung des Klägers zu beauftragen.

47

Auch das Schreiben der Abteilungsleiterin T2 vom 23.02.2010 an den Kollegen aus E begründet kein zu schützendes Vertrauen des Klägers auf die Richtigkeit seiner Abrechnung. Dabei geht die Kammer durchaus davon aus, dass dieses Schreiben über den Berufsverband an seine Mitglieder verbreitet worden ist. Inhaltlich trifft dieses Schreiben aber keine verbindliche Aussage dahin, dass minimalinvasive Facettendenervationen über die GOP 31131 ff. EBM abrechnungsfähig sein sollten. Das Schreiben lautet: "(Betreff-Zeile) Perkutane Fazettengelenks-Denervierungen (Text) Sehr geehrter Herr Dr. ( ), wir übersenden Ihnen den Auszug aus dem Anhang 2 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes zu o.g. Daraus ist ersichtlich mit welchem OPS-Code und nach welcher EBM-Nr. Sie diese Leistungen abrechnen können. Hierzu gibt es außer dem EBM keine entsprechende Richtlinie. ( )". Beigefügt war eine tabellarische Übersicht des Anhangs 2 zum EBM zu "2.22.6 Operationen an der Wirbelsäule", wobei die Zeile "OPS 5-830.2 Inzision von erkranktem Knochen- und Gelenkgewebe der Wirbelsäule: Facettendenervation, Kategorie D1, OP-Leistung 31131, Überwachung 31502, Nachbeh. Überw. 31614, Nachbeh. Operat. 31615, Narkose 31821" mit Textmarker hervorgehoben war. Das Schreiben weist damit lediglich kommentarlos auf die Bestimmungen des EBM hin, enthält sich aber einer eigenen Wertung der Beklagten, dass minimalinvasive Facettendenervationen entgegen der Präambel 31.2.4 Nr. 3 EBM doch über die GOPen 31131 ff. EBM abgerechnet werden könnten und die Beklagte dies akzeptiere. Die Benennung der perkutanen Fazettengelenks-Denervierungen in der Betreff-Zeile dürfte allein die Übernahme der entsprechenden Betreff-Zeile aus der zugrunde liegenden Anfrage des Arztes darstellen, reicht aber keinesfalls aus, um hierin den Willen der Beklagten zu einer verbindlicher Auslegung des EBM zu erkennen.

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Folgt man der Auskunft der KBV vom 02.04.2012 an die Beklagte, dann hat der Berufsverband der Neurochirurgen mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Vergütung über den EBM, insbesondere die GOPen 34503 bzw. 34502 im Vergleich zur GOP 31131 mit den Begleitleistungen, nicht ausreichend erscheine. Dies geht auch z.B. aus einem Textvorschlag des BDNC in der Zeitschrift für Ambulante Neurochirurgie, Ausgabe Herbst-Winter 03/2008, S. 14 ff. hervor, mit dem Stellung zu einem Schreiben der KBV vom 25.03.2008 genommen wurde. In diesem Textvorschlag heißt es (S. 18): "In Zusammenfassung bleibt die Protokollnotiz und Beschlusslage auf der 120. Sitzung des Bewertungsausschusses hinsichtlich einer Neuordnung der minimal invasiven Wirbelsäulenchirurgie aus fachspezifischer Sicht der involvierten Berufsverbände insoweit zu präzisieren, dass ebenso wie minimal invasive Eingriffe an der Bandscheibe auch die perkutane Facettgelenksthermo- und kryoläsionen im Anhang 2 zum EBM belassen werden, welche beiden letzteren den Sachverhalt offen chirurgischer Durchführung auch dann erfüllen, wenn in üblicher Weise Haut und Subkutis sowie Muskelfazie inzidiert werden, offene Nukleotomie oder Spondylodese allerdings unterbleiben." (http://www.huttenscherverlag507.de/ wordpress/wp-content/uploads/zfanch/Zfanch0803Online.pdf). Demgegenüber hat die KBV nach ihrer Auskunft vom 02.04.2012 regelmäßig sowohl gegenüber den KVen als auch gegenüber anfragenden Ärzten/Berufsverbänden ihre Meinung geäußert, sie sehe auf Grund der jetzigen Abrechnungsbestimmungen keine Möglichkeit, diese Eingriffe über die GOP 31131 zu berechnen. Bereits diese kontroversen Standpunkte schließen ein schützenswertes Vertrauen der Neurochirurgen, minimalinvasive Facettendenervationen zu Recht über die GOPen 31131 ff. EBM abzurechnen, aus.

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Eine dahingehende Abrechnungsmöglichkeit für die hier streitigen Quartale ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Bewertungsausschuss in seiner 290. Sitzung mit Wirkung zum 01.04.2013 beschlossen hatte, den OPS-Code 5-830.2 aus dem Anhang 2 zum EBM zu streichen. Aus dieser Streichung ist nicht im Umkehrschluss zu folgern, dass jedwede Facettendenervation, die bis zum 31.03.2013 erbracht wurde, nach den GOPen 31131 ff. EBM zur Abrechnung zu bringen war. Die Streichung des OPS-Codes 5-830.2 im Anhang 2 zum EBM bewirkte vielmehr, dass ab dem 01.04.2013 die bis dahin allein abrechnungsfähigen offen-chirurgischen Facettendenervationen nicht mehr als Operationen an der Wirbelsäule abgerechnet werden konnten, sondern nur noch über die GOPen des Abschnitts 34.5 EBM.

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In den entscheidungserheblichen Gründen zu diesem Beschluss führt der Bewertungsausschuss unter Ziffer 2."Regelungshintergründe" aus, in der Vergangenheit sei der OPS-Code 5-830.2 ggf. auch bei durchgeführter minimal-invasiver Technik zur Abrechnung verwendet worden, obwohl dessen Berechnung eine offen-chirurgische Durchführung gemäß Präambel 31.2.1 voraussetze. Diese im Frühjahr 2013 formulierte Erkenntnis gibt aber keinen Aufschluss darüber, dass die beklagte KV Nordrhein ab 2008 frühzeitig Hinweise darauf gehabt hätte, dass ihre Mitglieder entsprechend fehlerhaft abgerechnet hatten.

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Nicht durchzudringen vermag der Kläger mit seinem Einwand, zumindest seit der Sitzung des Bewertungsausschusses am 19.05.2011 habe die Beklagte die Unsicherheit bei der Anwendung der GOP 31131 in den vorliegenden Fällen gekannt und sei zu entsprechenden Hinweisen an die betroffenen Vertragsärzte verpflichtet gewesen. Am 19.05.2011 hatte nicht der Bewertungsausschuss, sondern der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Sitzung abgehalten, in der die Richtlinie über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V geändert wurde. Das betraf den Bereich der niedergelassenen Vertragsärzte indes nicht.

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Eine Abrechnung der minimalinvasiven Facettendenervation nach den GOPen 31131 ff. EBM kommt schließlich auch nicht deshalb in Betracht, weil die Abrechnung dieser Leistung nach der GOP 34503 EBM von den Leistungserbringern und ihrem Verbandsvertretern, aber auch z.B. von dem Fachgutachter L, als ungeeignet und inadäquat angesehen wird. Es obliegt allein dem Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen (§ 87 Abs. 1, 2 SGB V). Hierbei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu, in den die Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen korrigierend eingreifen darf (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.05.2012 - B 6 KA 24/11 R -). Keinesfalls sind jedoch die Leistungserbringer selbst berechtigt, durch analoge Abrechnung von GOPen, die sie für zutreffender halten, vermeintliche Unzulänglichkeiten des EBM aufzufangen.

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Die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtigungen setzt grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die KV den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechungssammelerklärung aufhebt (BSG, Urteil vom 22.03.2006 - B 6 KA 76/04 R -). Das ist hier nicht geschehen. Die Beklagte hat lediglich die von dem Kläger abgerechneten Leistungen nach den GOPen 31131 und 13138 EBM sachlich-rechnerisch berichtigt, die Abrechnungsbescheide für die Quartale II/2008 bis IV/2011 im Übrigen aber nicht angetastet.

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Gleichwohl sieht die Kammer Veranlassung, darauf hinzuweisen, dass sie den von der Beklagten gegenüber dem Kläger erhobenen Verschuldensvorwurf in keiner Weise teilt. Der Widerspruchsbescheid führt aus, bei dem sachlich fehlerhaften Ansatz der GOPen (31131, 31138 EBM) habe es sich nicht um ein lediglich leichtes Versehen gehandelt, sondern zumindest um die Unkenntnis von Umständen, die der Kläger in Folge der Außerachtlassung der herrschenden Sorgfaltspflichten in einem ungewöhnlichen Maße nicht gekannt habe. Dieser Vorwurf ist weit überzogen und entbehrt jeglicher Grundlage.

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Die Beklagte selbst hat bei der KBV angefragt, ob es auch unter Berücksichtigung der neuerlichen Ausführungen (einiger ihrer Mitglieder zum Operationsstatus und Aufwand der minimalinvasiven Facettendenervationen sowie zur Abgrenzung zu Facetteninfiltrationen) bei der bisherigen Auffassung der KBV verbleibe, dass alle minimalinvasiven Facettendenervationen über Kapitel 34 EBM abzurechnen seien und nicht zur Abrechnung von Operationsziffern berechtigten. Darüber hinaus bitte sie um Mitteilung, ob es bestimmte Kriterien gebe, welche eine klare Abgrenzung der minimalinvasiven zu den offen chirurgischen Eingriffen ermöglichten. Auch der Gutachter L sieht die Codierung der OPS 5-830.2 als missverständlich an, weil im EBM vom 01.01.2008 versäumt worden sei, in die Legende der OPS 5-830.2 den klarstellenden Zusatz "offene" Facettendenervation aufzunehmen. Dieser Zusatz wäre nach seiner Ansicht jedoch zur Vermeidung von Missverständnissen zwingend erforderlich gewesen. Wenn schon die Beklagte selbst keine gänzliche Klarheit bei der Auslegung der Gebührentatbestände hat und die KBV um Rechtsrat bittet und der von ihr eingeschaltete Gutachter, selbst Facharzt für Neurochirurgie, Missverständnisse bei der Codierung aufzeigt, ist der Schuldvorwurf in der ausgesprochenen Schärfe unbegründet.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung

RechtsgebietVertragsarztangelegenheiten

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