04.09.2015 · IWW-Abrufnummer 179363
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 29.01.2014 – 5 Sa 432/12 E
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 01. August 2012, Az.: 8 Ca 2490/11 E, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin nach dem TVöD-VKA. Die Klägerin begehrt die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 der Tabelle zum TVöD-BT-V für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst, gültig ab dem 01.11.2009 - Tarifgebiet Ost.
Die im Jahr 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger im Sozialamt als Sachbearbeiterin Schuldnerberatung/Insolvenzverfahren beschäftigt. Sie war zunächst in die Vergütungsgruppe V b (1 a) - Allgemeine Verwaltung eingruppiert. In der von der Beklagten erstellten Stellenbeschreibung vom März 2011 sind die Aufgaben der Klägerin seit dem 01.04.2008 aufgegliedert in "Arbeitsvorgänge/Tätigkeiten" im Einzelnen aufgelistet (Bl. 10 bis 12 d. A.). Der Beklagte hat dabei einen einzigen Arbeitsvorgang der Schuldner- und Insolvenzberatung festgelegt.
Im Änderungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Landkreis S vom 06.09.1994 heißt es unter § 2:
"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.
Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung."
Am 01.11.2009 traten neue tarifliche Regelungen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst im Anwendungsbereich des TVöD in Kraft. Bestandteil dieser Neuregelungen ist die Überleitung der betroffenen Beschäftigten in die neue Entgeltgruppe S der Anlage c (VKA) zum TVöD nebst des neu eingeführten § 28 a TVÜ-VKA. § 52 TVöD-BT-B regelt die Eingruppierung und das Entgelt der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.
Der Vergütungsgruppe V b (1 a) - Allgemeine Verwaltung entspricht die Entgeltgruppe 9 TVöD. In diese hat der Beklagte die Klägerin eingruppiert.
Die Klägerin hat durch Schreiben ihres späteren Prozessbevollmächtigten vom 26.10.2010 an den Beklagten ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 sowie die Zahlung eines höheren Bruttoentgeltes in Höhe von 110,06 Euro je Monat rückwirkend ab April 2010 geltend gemacht, welche der Beklagte mit Schreiben vom 02.11.2010 und vom 11.06.2011 abgelehnt hat.
Die Klägerin hat einen Abschluss als Diplom-Ökonomin aufgrund eines Studiums der Fachrichtung "Volkswirtschaft" an der M Universität H am 30.07.1987 erlangt. Des Weiteren hat sie ein Verwaltungsdiplom betriebswirtschaftlicher Fachrichtung an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie H am 18. November 1994 erworben. Darüber hinaus hat sie eine Mediationsausbildung absolviert. Für die Klägerin treffen die in der Protokollerklärung Nr. 1 des Anhangs zur Anlage c zu § 52 TVöD-BT-B genannten Tätigkeiten nicht zu.
Die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit ergibt sich zumindest auch aus der Stellenbeschreibung. Nach Punkt 6 der Stellenbeschreibung sind tiefgehende, gründliche und umfassende Fachkenntnisse erforderlich. Die Tätigkeit der Klägerin erschöpft sich nicht im mathematischen Erfassen und Aufbereiten der Überschuldungssituation eines ratsuchenden Schuldners, sondern erfordert eine weitergehende Prüfung, wenn etwa Forderungen von dem Schuldner bestritten und weitere Sachverhalte vorgetragen werden, die mit der persönlichen sozialen und wirtschaftlichen Situation des Schuldners in engem Zusammenhang stehen.
Die Klägerin führt im Rahmen ihrer Tätigkeit Beratungen im Bereich des SGB II und des SGB XII durch. Die Klägerin überprüft die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen, wobei sie Einwendungen zu erkennen, zu erfassen und Korrekturen entsprechend durchzusetzen hat.
Die Klägerin arbeitet bei der Entwicklung von Hilfeplänen mit der zuständigen Organisationseinheit zusammen. Darüber hinaus berät sie Schuldner im Rahmen des Verbraucherinsolvenzverfahrens.
In Einzelfällen vertritt sie Betroffene rechtlich nach Vollmachterteilung.
Weitere von der Klägerin auszuübende Tätigkeiten sind das Erarbeiten oder Ergänzen eines Maßnahmekataloges zur Vermeidung von Neuverschuldung sowie die Krisenintervention und gegebenenfalls Weitervermittlung des Klienten in psychosoziale Betreuung.
Die Klägerin hat auch die psychosoziale Situation psychisch kranker bzw. labiler drogenabhängiger und wohnungsloser Personen zu erfassen und Hilfestellung zu leisten. Im Rahmen dieses Prozesses arbeitet die Klägerin mit psychosozialen Einrichtungen wie etwa dem sozialpsychiatrischen Dienst der Betreuungsbehörde den Einrichtungen der Jugendhilfe und anderen Einrichtungen zusammen.
Der Beklagte verfügt über einen eigenen sozialpsychiatrischen Dienst im Gesundheitsamt sowie über eine Aidsberatung.
Neben der selbständigen Vorsprache von Bürgerinnen und Bürgern bei den Schuldnerberatungsstellen des Beklagten kommen Beschäftigte des sozialpsychiatrischen Dienstes der Betreuungsbehörde oder des Jugendamtes mit Hilfesuchenden in die Schuldnerberatungsstelle, um dort von der Klägerin eine Schuldnerberatung durchführen zu lassen.
Andererseits werden Ratsuchende in Krisensituationen, z. B. bei einer erkennbaren Kindeswohlgefährdung an den sozialpsychiatrischen Dienst vermittelt. Die Schuldnerberatung und dieser Dienst erstellen gemeinsam Hilfepläne, die mit den Betroffenen besprochen werden.
Die Klägerin übt die Tätigkeit einer Schuldnerberaterin seit 2005 aus.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe statt der Vergütungsgruppe E 9 Stufe 5 die Vergütungsgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 ab April 2010 zu. Als sonstige Beschäftigte übe sie aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten einer Sozialarbeiterin oder Sozialpädagogin aus.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in die Vergütungsgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 der Tabelle TVöD/VKA Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst gültig ab 01.11.2009 - Tarifgebiet Ost - einzugruppieren ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.172,53 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin übe weder schwierige Tätigkeit i. S. d. Protokollerklärung Nr. 11 der Vergütungsgruppe S 12 aus. Sie sei in die Vergütungsgruppe E 9 Stufe 5 TVöD zutreffend eingruppiert worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage für zulässig aber nicht für begründet erachtet.
Die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit erfülle nicht die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe S 12 des Anhangs zur Anlage c (VKA) TVÖD BT-B.
Bezüglich der Merkmale der einzelnen Entgeltgruppen von S 9 bis S 12 wird auf Blatt 5 und 6 des Urteils des Arbeitsgerichts vom 01.08.2012 verwiesen.
Weiter hat das Arbeitsgericht Halle ausgeführt, dass nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA für Eingruppierungen weiter § 22 BAT-O gelte, so dass die Eingruppierungsvorschriften inhaltlich keine Änderungen erfahren hätten. Zum Begriff des Arbeitsvorgangs wird auf Blatt 6 des Urteils, wo dieses auf das Urteil des BAG vom 20.02.2009 - 4 AZR 20/08 - juris Bezug nimmt verwiesen.
Die Betreuungs- und Beratungstätigkeit von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen sei regelmäßig als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten (BAG Urteil vom 20.05.2009 - 4 AZR 184/08). Der Zeitanteil von 100 % spiegele auch die Stellenbeschreibung (Anlage K 4) unstreitig wider.
Die Klägerin habe das Vorliegen der Tätigkeitsmerkmaie der Vergütungsgruppe S 12 Entwicklungsstufe 5 nicht hinreichend dargetan. Dieser Entgeltgruppe entspreche (die alte) Vergütungsgruppe IV b Ziffer 16 der Anlage 1 a zum BAT (VKA) Sozial- und Erziehungsdienst. Für die Eingruppierung komme es hiernach auf das Vorliegen des qualifizierten Tätigkeitsmerkmals "schwierige Tätigkeiten" an. Für den Anspruch der Klägerin komme es darauf an, ob sie als sonstige Beschäftigte i. S. d. Entgeltgruppe S 12 anzusehen sei, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Ihrer Erfahrungen gleich einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin entsprechende Tätigkeiten ausübe. Im Streitfall erfüllten die der Klägerin auf der Grundlage der Stellenbeschreibung übertragenen Aufgaben nicht als Heraushebungsmerkmal "schwierige Tätigkeiten". Auch könne sie sich nicht auf die Protokollnotiz Nr. 11 mit Erfolg stützen, da die dort aufgeführten Bespiele für sie nicht zuträfen. Die von der Klägerin ausgeübte Beratungstätigkeit in der Schuldner- und Insolvenzberatung hebe sich nicht durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b - Fallgruppe 16 Anlage 1 a zum BAT (VKA) als Sozial- und Erziehungsdienst heraus. Bezüglich des Heraushebungsmerkmals ("schwierige Tätigkeit") trage der Hinweis der Klägerin auf 8.1. der Stellenbeschreibung für die eigenständige Durchführung der Sachverhaltsermittlung nicht. Abgesehen davon, dass hier Maßnahmen der Wohnungslosenpräventionen gemeint seien, bleibe offen, für welchen Teil die Klägerin eine konkrete Verantwortung trage. An einer Alleinverantwortung fehle es gänzlich. Vielmehr sei die Klägerin begleitend dabei, wenn durch Vertreter des Ordnungsamtes Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wohnungsräumung ergriffen.
Soweit die Klägerin eigenständige Sachverhaltsermittlungen durchführe, handele es sich ersichtlich nicht um schwierige Tätigkeiten i. S. d. Tarifnorm. Gleiches gelte für die allgemeine Schuldnerberatung sowie die Insolvenzberatung. Diese Tätigkeiten verlangten keine vertieften Kenntnisse im Schuld-, Sachen- sowie im Insolvenzrecht, außerdem sei die Vorgehensweise einer Schuldnerberaterin standardisiert und durch zahlreiche vorhandene Arbeitsmuster vorgegeben. Zudem sei hierfür keine abgeschlossene juristische Spezialausbildung erforderlich. Insoweit verweist das Arbeitsgericht auf das Urteil des LAG Niedersachsen vom 22.01.2008 - 5 Sa 948/05.
Schließlich habe die Klägerin auch nicht dargelegt, inwieweit sie schwierige Fälle zu bearbeiten hatte oder für psychosoziale Aufgaben die alleinige Verantwortung getragen habe.
Die Klägerin habe daher auch gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der monatlichen Differenzvergütung in Höhe von 3.172,53 Euro brutto gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. der einschlägigen tarifvertraglichen Regelung.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 28.09.2012 zugestellte Urteil am 23.10.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.12.2012 am 28.12.2012 begründet.
Mit Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Die Klägerin ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass bei der Schuldner- und Insolvenzberatung überwiegend Personen mit multiplen sozialen Problemlagen beraten würden.
Richtig führe das Arbeitsgericht aus, dass für die Klägerin die in der Protokollerklärung Nr. 11 genannten Tätigkeiten nicht zuträfen. Die dort genannten Tätigkeiten seien jedoch nicht abschließend.
Das Arbeitsgericht bewerte die von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten als Sachbearbeiterin Schuldnerberatung/Insolvenzverfahren jedoch falsch. Diese Tätigkeiten entsprächen in ihrer Wertigkeit den von den Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 11 aufgeführten Bespielen für "schwierige Tätigkeiten".
Das Arbeitsgericht habe die in der Stellenbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten und Anforderungen unvollständig und nicht zutreffend bewertet.
Die Klägerin prüfe den Sachverhalt unter Anwendung der gesetzlichen Regelungen z. B. des Bürgerlichen Rechts des Zivilprozessrechts und des Sozialrechts der Sozialgesetzbücher II, III und XII, berate den Schuldner hierzu und erörtere mit dem Schuldner gegebenenfalls weitere rechtliche Schritte. Die Klägerin führe Verhandlungen mit den Gläubigern der Schuldner anhand der gegebenen Sachlage selbständig als Interessenvertreterin des Schuldners.
Im Rahmen des Verbraucherinsolvenzverfahrens müsse die Klägerin, um eine qualitätsgerechte Beratung der Schuldner zu gewährleisten, über umfassende und vertiefte Kenntnisse des Insolvenzrechts verfügen. Des Weiteren müsse sie der persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Situation des Betroffenen mit Hilfe ihres vertieften Wissens "auf den Grund gehen". Sie gehe dabei nicht nach festgeschriebenen Arbeitsmustern vor, sondern orientiere und bestimme die Beratung des Schuldners und ihre Handlungsweise nach dem jeweiligen Fall individuell unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen des Schuldners und des sozialen Umfeldes. Die Klägerin leiste danach im Rahmen ihres einheitlichen Arbeitsprozesses soziale Arbeit. Jene schließe psychosoziale Arbeit und pädagogische Maßnahmen unabdingbar ein. Zum Beweis hierfür hat die Klägerin das Zeugnis der Frau K... S... angeboten. Die Beratung werde von der Klägerin vollkommen selbständig durchgeführt. Sie entscheide selbständig, welche Hilfemaßnahmen fürsorgerischer und/oder medizinischer Art in einer Akutsituation für den Betroffenen in Betracht kommen oder einzuleiten seien. Die Klägerin sei eigenverantwortlich für Maßnahmen zuständig, um die mit einer Räumung verbundene Wohnungslosigkeit des Betroffenen und seiner Angehörigen z. B. Kinder zu vermeiden. Zum Beweis für diese Behauptung hat die Klägerin das Zeugnis der Frau K... S... angeboten.
Die Ausführung der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten setze eine in etwa gründliche Beherrschung eines umfangreichen Wissensgebietes voraus. Sie sei aufgrund ihrer vielfältigen beruflichen Erfahrungen nicht etwa nur in einem sehr begrenzten Teilgebiet einsetzbar. Sie könne aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen z. B. ohne Weiteres für den allgemeinen sozialen Dienst in der Betreuungsbehörde oder in der Familienhilfe und Erziehungshilfe u. E. als Bewährungshelferin eingesetzt werden.
Die Klientel der Klägerin sei nicht nur in Einzelfällen, sondern überwiegend, d. h. weit über 50 % den in der Protokollnotiz Nr. 11 genannten Personengruppen zuzuordnen. Zum Beweis für diese Behauptung hat die Klägerin das Zeugnis des Herrn B sowie der Frau S und der Frau L angeboten.
Die Schuldner- und Insolvenzberater lösten die jeweils auftretenden juristischen Probleme ausschließlich selbst und nehmen keine Hilfe des Rechtsamtes in Anspruch. Zum Beweis für diese Behauptung hat die Klägerin das Zeugnis M angeboten.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 01.08.2012 - Az.: 8 Ca 2490/11 E wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in die Vergütungsgruppe S 12, Entwicklungsstufe 5 der Tabelle TVöD/VKA Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst gültig ab 01.11.2009 - Tarifgebiet Ost - einzugruppieren ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 01. August 2012 - Az.: 8 Ca 2490/11 E, zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Er ist der Ansicht, maßgebend für die Eingruppierung der Klägerin sei nicht § 52 TVöD BT-B, sondern § 56 TVöD BT-V.
Die Klägerin erfülle nicht die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe S 12 des Anhangs zur Anlage C TVöD (Eingruppierungsregelung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst). Die Kl ägerin verfüge nicht über Fähigkeiten die denjenigen einer Sozialpädagogin oder einer Sozialarbeiterin gleichwertig seien. Sie habe durch ihre Ausbildung keine Fähigkeiten erlangt, die ihr einen Einsatz in jedem möglichen Einsatzgebiet für Sozialpädagoginnen/Sozialarbeiterin möglich machten. Die Klägerin könne lediglich auf begrenzten Teilgebieten (z. B. der Schuldnerberatung) eingesetzt werden.
Das Tätigkeitsmerkmal "entsprechende Tätigkeit" liege ebenfalls nicht vor. Ziel der Schuldnerberatung sei es, die Schuldensituation zu analysieren und Lösungen und Auswege zu finden. Es könne erforderlich sein, dass sich die Klägerin bei ihren zu erfüllenden Aufgaben Unterstützung durch den allgemeinen sozialen Dienst oder den sozialpsychiatrischen Dienst hole. Die eigentliche Sozialarbeit des Beklagten werde bei diesem durch den allgemeinen sozialen Dienst oder den sozialpsychiatrischen Dienst sichergestellt.
Die auszuübende Tätigkeit der Klägerin sei keine schwierige Tätigkeit i. S. d. Protokollerklärung zu Nr. 11 des Anhangs zur Anlage C TVöD-V. Nach Auffassung der Beklagten ist die Klientel der Schuldnerberatungsstelle bis auf Einzelfälle nicht in besonderen Personengruppen der Protokollerklärung Nr. 11 zuzuordnen. Es genüge nicht, wenn ein solches Klientel darunter sei. Es müsse sich regelmäßig um ein solches handeln. Die Klägerin lasse offen, in welchem zeitlichen Umfang ihre auszuübende Tätigkeit sie mit diesem Personenkreis arbeite. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt werde, dass bei der Schuldnerberatung ein gewisser Teil auf der Sozialarbeit beruhe, liege der Schwerpunkt der auszuübenden Tätigkeit in der Lösung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Betroffenen und den damit zusammenhängenden psychosozialen Problemen. Das schließe nicht aus, dass bei der Schuldnerberatung neben der finanziellen rechtlichen Beratung auch psychosoziale und lebenspraktische Hilfen während des gesamten Beratungsprozesses eingeschlossen seien. Die Klägerin berate diese besonderen Personengruppen nicht umfassend, sondern vornehmlich unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der damit zusammenhängenden psychosozialen Probleme. Für weitergehende Probleme der zu beratenden Betroffenen seien die Fachdienstes des Beklagten wie der sozialpsychiatrische Dienst im Gesundheitsamt sowie die Aidsberatung zuständig. Die Bereithaltung von Spezialdiensten für die besonderen Problemgruppen zeige, dass es nicht Aufgabe der Klägerin sei, diesen in der Protokollerklärung Nr. 11 als schwierig eingestuften Personenkreis umfassend zu beraten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die an sich statthafte (§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Klägerin ist, soweit sie das erstinstanzliche Urteil angreift, nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat das erstinstanzliche Urteil, wie sich aus den Berufungsanträgen ergibt, nur hinsichtlich der Abweisung des Feststeilungsantrages angegriffen. In Bezug auf Abweisung des erstinstanzlich zu 2. gestellten Zahlungsantrages zu 2. ist weder ein Antrag gestellt worden noch lässt sich aus der Begründung erkennen, dass das Urteil auch insoweit angegriffen wird.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 12 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V.
Nach § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA gelten bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschrift des TVöD (mit Entgeltordnung), die §§ 22, 23, 25 BAT und Anlage 3 zum BAT über den 30.09.2005 hinaus fort. Ab dem 01.11.2009 hat zwar der Tarifvertrag für Angestellte im Sozial- und im Erziehungsdienst vom 24.04.1991 seine Gültigkeit verloren. Ebenso finden die Anlagen 1 und 3 zum TVÜ-VKA, nach denen die Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet sind, ab dem 01.11.2009 auf Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst keine Anwendung mehr (§ 28 a Abs. 10 TVÜ-VKA. Statt dessen gelten ausschließlich die Eingruppierungsmerkmale des Anhangs zu der Anlage c zum TVöD (Breier-Dassau-Faber Kommentar zum TVöD, Eingruppierung in der Praxis, SuE, Erläuterungen 4.1 Rn. 10 zu § 56 TVöD-BT-V).
Über § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA gelten jedoch die Eingruppierungsgrundsätze des § 22 Abs. 2 und Abs. 1 BAT auch für die Anwendung der Tätigkeitsmerkmale des Anhangs zur Anlage c (VKA) fort (LAG Rheinland-Pfalz vom 28.02.2011 - 9 Sa 937/10). Danach sind Beschäftigte in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihnen nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeiten entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht dem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen, es sei denn, im Tätigkeitsmerkmal ist ein anderer zeitlicher Anteil enthalten (§ 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT). Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen einschließlich Zusammenhangstätigkeiten, die bezogen auf den Aufgabenbereich der/des Beschäftigten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Danach ist die Tätigkeit eines Schuldnerberaters als ein einziger Arbeitsvorgang zu bewerten (BAG Urteil vom 20.05.2009 - 4 AZR 184/08). Zur Erfüllung der tariflichen Anforderungen ist es ausreichend, wenn das jeweilige Heraushebungsmerkmal innerhalb des Arbeitsvorgangs in einem rechtlich erheblichen Ausmaß vorliegt (BAG aaO. unter Verweisung auf andere Entscheidungen, etwa Urteil vom 18. Mai 1994 - 4 AZR 461/93). Auf den genauen zeitlichen Umfang oder gar ein Überwiegen, der das Heraushebungsmerkmal erfüllenden Tätigkeit kommt es nicht an (BAG aaO.).
Das BAG hat in der Entscheidung vom 20.05.2009 keine weiteren Ausführungen zu dem Heraushebungsmerkmal "mit schwierigen Tätigkeiten" sowie zur Definition der Ausübung einer der Sozialarbeit/Sozialpädagogik entsprechenden Tätigkeit aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen gemacht, da die Erfüllung dieser Voraussetzung zwischen den Parteien unstreitig war. Das Landesarbeitsgericht habe sich dort zu Recht auf eine pauschale Prüfung, die im Ergebnis nicht zu beanstanden sei, beschränkt.
Soweit ein Tätigkeitsbeispiel in einer Protokollnotiz erfüllt sei, sei auch das Merkmal des Oberbegriffs hier "mit schwierigen Tätigkeiten", erfüllt. Vorliegend ist streitig, ob die Klägerin eine der Tätigkeiten der Nr. 11 der Protokollerklärungen zum Anhang zur Anlage c TVöD-BT-B nur in ganz geringem oder in erheblichem, möglicherweise sogar zu mehr als 50 % der gesamten Tätigkeit der Klägerin erfüllt. Die Klägerin hat zunächst selber in der Berufungsbegründung unstreitig gestellt, dass sie die Tätigkeitsbeispiele nicht erfülle. Sodann hat sie ihren Vortrag geändert und umfangreich ausgeführt, dass sie in großem Umfang den dort genannten Personenkreis nicht nur juristisch, sondern auch psychosozial berate. Die Klägerin will offenbar darauf hinaus, dass der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit dem Berufsbild des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen entspricht. Dieses ist nach der Stellenbeschreibung nicht der Fall. Die Klägerin kann den Umfang und die Ausrichtung ihrer Tätigkeit auch nicht einseitig erweitern. Dieses würde möglicherweise dem Direktionsrecht des Beklagten unterfallen.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Schuldnerberaterin nur sinnvoll ausüben kann, wenn sie unter Berücksichtigung der sozialen und psychischen Situation des Schuldners bzw. der Schuldnerin umfassender berät und nach Lösungen nicht nur zur Besserung der finanziellen Situation sucht, müsste diese Tätigkeit, um das Merkmal "schwierig" zu erfüllen, im Hinblick auf die in der Nr. 11 der Protokollerklärungen aufgeführten Personengruppen bzw. vergleichbarer Personengruppen prägend für die Tätigkeit der Klägerin sein. Dazu reicht es nicht aus, wenn nur ein ganz geringer Prozentsatz des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit der Klägerin hieraus besteht. Auf das teilweise Bestreiten des Beklagten hin hat die Klägerin dafür, dass die umfassende Beratung dieser Personengruppen mehr als 50 % ihrer Tätigkeit ausmacht, Beweis angeboten. Dieses Beweisangebot lässt nicht erkennen, wie dieses Ausmaß berechnet worden ist oder ob es etwa auf Schätzungen beruht. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass die Tätigkeit der Klägerin, die als einheitlicher Arbeitsvorgang zu werten ist, in nicht nur unerheblichem Ausmaß schwierige Tätigkeiten beinhaltet, fehlt es doch an gleichwertigen Fähigkeiten der Klägerin bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten. Die Fähigkeiten und Erfahrungen des oder der Beschäftigten müssen dem jeweiligen Berufsbild, hier dem der Sozialarbeitern bzw. der Sozialpädagogin, grundsätzlich in seiner vollen Bandbreite entsprechen (Breier/Dassau/Faber, SuE, § 56 TVöD-BT-V Erläuterung 9.2 Rn. 48). Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem Teilgebiet sind nicht ausreichend (Breier/Dassau/Faber aaO.; BAG Urteil vom 08.10.1997 - 4 AZR 151/96; BAG Urteil vom 25.03.1998 - 4 AZR 670/96). Zwar können aus den ausgeübten Tätigkeiten einer Angestellten Rückschlüsse auf ihre Fähigkeiten und Erfahrungen gezogen werden. Die Schuldnerberatung stellt jedoch nur ein eng begrenztes Teilgebiet der Tätigkeit einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin dar. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts würde auch die ausgeübte Tätigkeit auf einem begrenzten Teilgebiet nicht zur Erfüllung des Merkmals "gleichwertige Fähigkeiten" ausreichen. Dieses ergibt sich bereits aus der Wortbedeutung. Aus dem Zusammenhang der tariflichen Eingruppierungsvorschriften zu § 56 TVöD-BT-V lässt sich keine andere Auslegung herleiten. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien dieses gewollt hätten, gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte.
Nach der weiteren Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 10.10.1979 - 4 AZR 1029/77; Urteil vom 08.10.1977 - 4 AZR 91/96) wird zwar nicht das gleiche Wissen und Können aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes vorausgesetzt. Die Beherrschung eines vergleichbar umfangreichen Wissensgebietes wie dem einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin lässt die Ausbildung der Klägerin nicht erkennen. Bei dem "Verwaltungsdiplom betriebswirtschaftlicher Fachrichtung" handelt es sich weder um einen Hochschul- noch um einen Fachhochschulabschluss. Die Prüfung erstreckte sich auf die Fächer öffentliches Recht, bürgerliches Recht, Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre (Anlage B 5, Bl. 53 R d. A.). Des Weiteren handelte es sich nicht um ein Vollzeitstudium, da die Klägerin dieses berufsbegleitend absolviert hat. Die Klägerin hat zwar Fortbildungen auf dem Gebiet der Sozialarbeit und der Mediation absolviert. Doch auch diese lassen eine Gleichwertigkeit mit der Ausbildung und dem Abschluss eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen nicht erkennen. Der Fächerkatalog einer Fachhochschule für Sozialpädagogik und Sozialarbeit beinhaltet als Grundlagenwissen Kenntnisse in der Methodik und Didaktik der Sozialarbeit/Sozialpädagogik, der Psychologie, der Soziologie, der Politikwissenschaft einschließlich der Sozialpolitik, des Sozialrechts, der sozialen Medizin einschließlich der Psychopathologie, der Medienpädagogik, der Erziehungswissenschaft, der Verwaltung und Organisation der Sozialphilosophie und Sozialethik, der Heil- und Sonderpädagogik und der Arbeits- und Berufspädagogik. Dass die Klägerin gleichwertige Fähigkeiten aufgrund ihrer Ausbildung, Fortbildung oder mehrjährigen Tätigkeit als Schuldnerberaterin erworben hat ist, nach dem in beiden Instanzen getätigten Sachvortrag zu verneinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zuzulassen. Die Frage, was unter gleichwertigen Fähigkeiten und schwierigen Tätigkeiten gemäß der Entgeltgruppe S 12 des Anhangs zur Anlage c des TVöD-BT-B speziell im Bereich der Schuldnerberatung zu verstehen ist, ist höchst richterlich noch nicht geklärt. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2009 - 4 AZR 184/08 - enthält dazu nur eine kurze Ausführung zu der entsprechenden Protokollnotiz Nr. 12 zum TV-Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II. Des Weiteren ist nicht geklärt, inwieweit ausgeübte schwierige Tätigkeiten bei einem Arbeitsvorgang, der mehr als die Hälfte der Gesamttätigkeit ausmacht, zumindest einen relevanten Zeitanteil besitzen oder regelmäßig anfallen müssen.